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Umbettung eines Verstorbenen – widersprechender Angehöriger zur Umbettung

LG Lübeck – Az.: 14 S 194/13 – Urteil vom 24.07.2014

Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.10.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lübeck – 27 C 2316/12 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Berufungsurteil und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Umbettung eines Verstorbenen - widersprechender Angehöriger zur Umbettung
Symbolfoto: Von Marc Bruxelle /Shutterstock.com

Auf das Abfassen eines Tatbestandes wird gem. §§ 313 a Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 2 ZPO weitgehend verzichtet.

Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrages der Parteien sowie der prozessualen Erklärungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Verweisungen Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage mit am 25.10.2013 verkündetem Urteil stattgegeben.

Die Beklagten haben gegen dieses Urteil in rechter Form und Frist Berufung eingelegt. Sie begehren die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage.

In der Berufungsinstanz vertiefen die Parteien die in erster Instanz vorgebrachten Erwägungen.

Die Beklagten heben insbesondere auf die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Totenruhe ab, beziehen sich auf die Friedhofssatzung der Hansestadt Lübeck vom 07.07.2011, greifen die Beweiswürdigung der Tatrichterin an, auch insoweit, als nach Ansicht der Beklagten hier ein erhöhtes Beweismaß gelte. Auf die Berufungsbegründung vom 23.12.2013 wird verwiesen. Mit Schriftsatz vom 06.03.2014 unternehmen die Beklagten Ausführungen insbesondere zu familiären Verhältnissen.

Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger beruft sich auf das erstinstanzliche Urteil und macht geltend, dass die Beklagte Fehler in der Beweiswürdigung nicht (regelrecht) dargetan hätten und auch nicht ersichtlich sein, und zwar auch nicht bzgl. des Beweismaßes. Die Rechtsanwendung auch unter Beachtung des Schutzes der Totenruhe sei nicht zu beanstanden. Auf die Berufungserwiderung und den Schriftsatz vom 01.04.2014 wird verwiesen.

II.

Der Berufung ist in der Sache der Erfolg versagt.

Das Urteil des Amtsgerichts Lübeck beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO); nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht.

Nach Maßgabe der von dem Reichsgericht (RGZ 154, 269, 270 f.) begründeten, von dem Bundesgerichtshof und den Obergerichten (BGH, Urteil vom 26.02.1992, – XII ZR 58/91 -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.07.2008, – 9 U 198/00 -; OLG Zweibrücken, Urteil vom 28.05.1993, – 4 U 3/93 -; OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 19.06.1990, 12 U 26/90 -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.04.1988, – 9 U 50/87 -; auch: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 04.11.2008, – 14 K 1641/08 -; MünchKomm/BGB-Küpper, 6. Auflage, 2013, § 1968 Rn 6 f., Schlüter in: Erman, BGB, Kommentar, 13. Auflage, 2011, § 168 Rn 2) fortentwickelten Rechtsprechung gestaltet sich die Rechtslage in einem Fall wie dem Vorliegenden nach folgenden Erwägungen:

Das Recht zur Totenfürsorge steht demjenigen zu, den der Verstorbene damit betraut hat; es kann von dem Erblasser auf einen Dritten, der nicht Angehöriger ist, z. B. einem Lebensgefährten, übertragen werden. Die Totensorge beinhaltet Rechte und Pflichten des Sorgerechtsinhabers, u. a. für die Bestattung an einem von dem Verstorbenen bestimmten Ort zu sorgen. In diesem Sinne umfasst die Totenfürsorge auch das Recht und die Pflicht zur Umbettung des Leichnams für den Fall, dass der Ort der letzten Ruhestätte nicht derjenige ist, den der Verstorbene bestimmt hat.

Beherrschender Grundsatz des Totensorgerechts ist die Maßgeblichkeit des Willens des Verstorbenen. Bei der Ermittlung dieses für die Wahrnehmung der Totensorge maßgebenden Willens des Erblassers kommt es nicht nur auf dessen ausdrückliche Willensbekundungen, etwa in einer letztwilligen Verfügung, an; vielmehr genügt es, wenn der Wille aus dem Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann. Lediglich wenn und soweit ein Wille des Verstorbenen nicht erkennbar oder nicht ermittelbar ist, sind die nächsten Angehörigen des Erblassers berechtigt und verpflichtet, über den Leichnam zu bestimmen und über u. a. die letzte Ruhestätte zu entscheiden.

Unbeschadet öffentlich-rechtlicher Belange ist bei einem Streit über die Berechtigung zur Umbettung zwischen Prätendenten die Entscheidung im Zivilrechtsweg zu treffen. Eine Klage desjenigen, der das Totensorgerecht wahrnimmt, ist auf Zustimmung widersprechender (nächster) Angehöriger zur Umbettung zu richten. Die mit Verfassungsrang ausgestattete Achtung vor der Totenruhe kann einem Verlangen nach Umbettung entgegenstehen. Diese Einschränkung gilt jedoch regelmäßig dann nicht, wenn der Verstorbene selbst den Ort seiner letzten Ruhestätte bestimmt hat und die Umbettung der Durchsetzung dieses Willens des Verstorbenen dient.

Die Darlegungs- und Beweislast für die o. b. Umstände trägt derjenige, der das Totensorgerecht für sich in Anspruch nimmt und die Umbettung wünscht.

Die vorstehenden rechtlichen Kriterien, die das Recht und die Pflicht der Totenfürsorge nach allgemeiner Ansicht in einem Fall wie dem vorliegenden bestimmen, sind von dem Amtsgericht erkannt und in rechtlich zutreffender Weise zur Rechtsanwendung gebracht worden. Die Beweiswürdigung der Tatrichterin ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Kammer hat im Hinblick auf die Beweiswürdigung berücksichtigt, dass unter einem Fehler der von § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO geforderten Beweiswürdigung u. a. Widersprüche zwischen der protokollierten Aussage und den Urteilsgründen, ein Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüchlichkeiten oder Lückenhaftigkeit sowie eine Verkennung des Beweismaßes zu verstehen sind. Die Kammer hat in diesem Zusammenhang auch beachtet, dass der Tatrichter nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO in einem Urteil lediglich die seine Überzeugungsbildung leitenden Gründe angeben muss. Es muss erkennbar werden, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung mit dem Beweiswert des Beweismittels erfolgt ist. Andererseits muss sich der Tatrichter in dem Urteil nicht mit jeden denkbaren Gesichtspunkt, jeder Behauptung oder jeder Zeugenaussage ausdrücklich oder gar ausführlich auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang ist auch § 313 Abs. 3 ZPO zu beachten, wonach die Entscheidungsgründe nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten sollen, auf denen die Entscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Allein der Umstand, dass sich die Gründe einer Entscheidung mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt daher nicht die Annahme, das Gericht habe diesen Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung nicht erwogen. Vielmehr bedarf es hierzu besonderer Umstände (vgl. Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, 5. Auflage, 2013, § 4, Rn 445 ff, unter Hinweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung).

Entgegen der Berufung unterscheidet das Amtsgericht rechtlich zutreffend und widerspruchsfrei zwischen der Übertragung des Rechtes zur Totenfürsorge und dem Willen der Verstorbenen bzgl. ihrer letzten Ruhestätte. Das ergibt sich unmittelbar aus den Entscheidungsgründen; UA 6, II 2 a) b) (vgl. auch beispielhaft: OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.07.2001, – 9 U 198/00 -).

Bei der von § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO geforderten Gesamtwürdigung verkennt die Tatrichterin nicht das Beweismaß. Die erkennende Richterin hat eine umfassende Würdigung der Beweismittel und sonstigen Erkenntnisquellen in ihrer Beziehung zueinander vorgenommen (UA 6-12). Sie ist dabei – positiv – zu der tatrichterlichen Feststellung gelangt, dass die Verstorbene dem Kläger das Recht zur Totensorge übertragen hat und das es der Wille der Erblasserin war, in Bremen bestattet zu werden (UA 6, 9, 12).

Die Tatrichterin hat ihrem Wertungsprozess ersichtlich das Beweismaß aus § 286 ZPO zugrunde gelegt. Das wird auch von der Berufung nicht bezweifelt, die geltend macht, dass hier ein über den sog. Vollbeweis hinausgehendes, gesteigertes Beweismaß Anwendung finden müsse. Die Berufung leitet dies aus der verfassungsrechtlich geschützten Totenruhe ab.

Nach Auffassung der Kammer gilt in einem Fall wie dem vorliegenden das Beweismaß aus § 286 ZPO. Die Kammer verkennt insoweit nicht die herausragende verfassungsrechtliche Bedeutung, mit der die Totenruhe ausgestattet ist; sie verkennt auch nicht, dass Obergerichte ausgeführt haben, dass der Tatrichter auf den Willen der Verstorbenen mit Sicherheit schließen müsse. Damit ist die Rechtsprechung zur Überzeugung der Kammer aber nicht von dem Erfordernis des Vollbeweises (nach oben) abgewichen; dies ist, soweit ersichtlich, in keiner diesbezüglichen Entscheidung kundgetan worden. Auch die Kommentatur enthält, soweit ersichtlich, keinen entsprechenden Hinweis. Eine Beweismaßerhöhung ist auch in der Sache nicht gerechtfertigt. § 286 ZPO verlangt von dem Richter (bereits) die volle Überzeugung, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet (MünchKomm/ZPO-Prütting, 4. Auflage, 2013, § 286 Rn 35 mit Hinweisen auf die obergerichtliche Rechtsprechung). Eine jeden Zweifel und jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende, absolute Gewissheit lässt sich nicht erreichen und kann deshalb auch nicht verlangt werden (Laumen in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. Auflage, 2013, § 286 Rn 22 unter Bezugnahme auf den BGH). Jedenfalls aber bedürfte eine solche Beweismaßerhöhung einer besonderen gesetzlichen Grundlage, die der ZPO nicht zu entnehmen ist und die im Sinne einer Rechtsfortbildung ebenfalls nicht vorliegt (Musielak, ZPO, 11. Auflage, 2014, § 286 Rn 19 f.). Die Kammer gibt insoweit zu bedenken, dass, wollte man absolute oder quasi-absolute Gewissheit verlangen, in einem Fall wie dem vorliegenden vorgezeichnetes Ergebnis sein kann, dass der Wille der Verstorbenen, den Ort der letzten Ruhe betreffend, nicht erfüllt werden kann. Im Ergebnis stünde dann der Schutz der Totenruhe höher als der Wille der Verstorbenen, was nach Auffassung der Kammer auch verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist und zudem eine gesetzliche Grundlage nicht findet.

Entgegen der Auffassung der Berufung hat die Tatrichterin rechtlich zutreffend hier ein „non liquet“ nicht erörtert. Eine solche Darlegung war nicht geboten, weil die von der Tatrichterin – positiv – getroffenen Feststellungen, wie dem Urteil zweifelsfrei zu entnehmen ist, zu ihrer – im o. b. Sinne – Gewissheit feststehen.

Einen Fehler in der Beweiswürdigung haben die Beklagten – darüber hinaus – nicht dargetan. Dass u. U. auch eine andere Gewichtung der Beweise und der Verhandlungsergebnisse möglich ist, begründet keinen Fehler bei der tatrichterlich vorgenommenen Wertung. Vielmehr genügt die Beweiswürdigung in jeder Hinsicht den sich aus § 286 ZPO ergebenden Anforderungen; sie ist in besonderem Maße sorgfältig und der Bedeutung der Sache angemessen; die Kammer teilt das gefundene Beweisergebnis. Die Darlegungen des Amtsgerichts genügen auch darüber hinaus den Anforderungen des § 313 Abs. 3 ZPO; sie sind in jeder Hinsicht nachvollziehbar.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

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