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Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers der Waschanlage

LG Bonn – Az.: 8 S 143/18 – Urteil vom 12.02.2019

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das am 18.07.2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts Siegburg, Az. 107 C 140/14, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß der §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, während die des Klägers unbegründet ist.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 631, 823 Abs. 1 BGB nicht zu, da der Beklagten die Verletzung einer werkvertraglichen Schutzplicht nicht vorzuwerfen ist.

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der eine Gefahrenlage – etwa durch den Betrieb einer Waschstraße – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst dabei diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 II BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise – hier der Betreiber von Waschstraßen – für ausreichend halten darf, um andere Personen – hier die Kunden – vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht (BGH, Urteil v. 19.07.2018, Az. VII ZR 251/17 in NJW 2018, 2956).

Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers der Waschanlage
(Symbolfoto: Von REDPIXEL.PL/Shutterstock.com)

Unter Berücksichtigung dieses Maßstab durfte die Beklagte zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalls den in dem Einfahrtbereich zur Waschanlage erteilten Hinweis, den Motor der jeweiligen Fahrzeuge vor Beginn des Waschvorgangs auszuschalten, für ausreichend und richtig halten.

Denn unstreitig handelte es sich bei dem schädigenden Ereignis vom 24.05.2014 um das erste dieser Art in der Waschanlage der Beklagten, bei dem es infolge des automatischen Aktivierens der elektrischen Parkbremse bei ausgeschaltetem Motor zur Beschädigung eines Fahrzeugs gekommen ist. Dabei kann nur dies allein nach den  überzeugenden Ausführungen des erstinstanzlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. K die Ursache für das Ausscheren des klägerischen Fahrzeugs aus dem Schleppband der Waschanlage sein, denn das Amtsgericht Siegburg hat, unangefochten und für die Kammer bindend, festgestellt, dass der Motor zur fraglichen Zeit tatsächlich ausgeschaltet war.

Die Verantwortlichen der Beklagten waren nach Überzeugung der Kammer auch nicht gehalten, sich im Hinblick auf die Funktionsweisen der elektrischen Parkbremse in Verbindung mit der Auto-Hold-Funktion Sonderkenntnisse zu verschaffen und so im Einzelfall abweichende, fahrzeugspezifische Hinweise zu erteilen. Denn auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass es infolge des ersten Auftretens eines Vorfalls dieser Art für die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt keinen Anhalt gab, diesbezüglich weiter nachzuforschen. Im Übrigen handelt es sich nicht um einen offensichtlichen und leicht zu erschließenden Ursachenzusammenhang, den die Beklagte auch ohne Rückschlüsse aus Vorerfahrungen mit anderen Vorfällen hätte erkennen müssen. Dies wird bereits darin deutlich, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. K diese Kausalitätskette im Zusammenspiel mit der in dem klägerischen Fahrzeug verbauten Auto-Hold-Funktion erst im zweiten Nachtragsgutachten nach umfassender Testung sowohl des Pkw als auch der Waschanlage vollständig durchdrungen hat.

Im Übrigen muss Berücksichtigung finden, dass es bei Beachtung des weiteren von der Beklagten erteilten Hinweises, zusätzlich zu dem Ausschalten des Motors auch die Handbremse zu lösen, zur Beschädigung des Fahrzeuges des Klägers überhaupt nicht gekommen wäre. Denn die, wenn auch automatische, Aktivierung der elektrischen Parkbremse, deren Eingreifen zu dem Ausscheren des Fahrzeugs geführt hat, stellt letztlich nichts anderes als das Feststellen einer Handbremse dar. In Kombination haben die beiden Hinweise daher auch aus heutiger Sicht weiterhin Gültigkeit.

Im Übrigen konnte auch eine anderweitige Pflichtverletzung der Beklagten nicht festgestellt werden. So hat der Sachverständige Dipl.-Ing. K einen Defekt der Waschanlage, die grundsätzlich auch für die Reinigung des klägerischen Pkw im Hinblick auf dessen Abmessungen geeignet war, nicht ermitteln können und es zudem auch nachvollziehbar ausgeschlossen, dass eine fehlerhafte Einweisung durch die Mitarbeiter der Beklagten zu der Beschädigung des klägerischen Pkw geführt habe, da es in diesem Fall bereits in einem vorherigen Abschnitt der Waschanlage, und nicht erst nach dem Zurücklegen einer Strecke von 9,2 m, zu einem Ausscheren des Fahrzeugs gekommen wäre.

Hinsichtlich einer Pflichtverletzung der Beklagten oblag dem Kläger auch weiterhin die Beweislast. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass in Abweichung von der grundsätzlichen Beweislast des Geschädigten ausnahmsweise von einer Schädigung auf eine Pflichtverletzung des Handelnden geschlossen werden kann, wenn der Gläubiger dartut und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Handelnden herrühren kann (so z.B. OLG Hamm, Urteil v. 12.4.2002 in NJW-RR 2002, 1459). Vorliegend war jedoch, wie dargestellt, nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. K die Schadenskonstellation nur durch Einflussnahme des Klägers bzw. dessen Fahrzeug erklärbar.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

 

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