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Umgangsverweigerung – nicht sorgeberechtigter Elternteil

Oberlandesgericht Nürnberg

Az: 10 UF 638/06

Beschluss vom 16.11.2006


In der Familiensache erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg, 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen folgenden Beschluss:

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Regensburg vom 12.4.2006 aufgehoben. Der Antrag, den Antragsgegner zum regelmäßigen Umgang mit seinem Sohn … zu verpflichten, wird zurückgewiesen.

II. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

V. Beiden Parteien wird Prozesskostenhilfe bewilligt.

Der Antragstellerin wird Rechtsanwältin … dem Antragsgegner Rechtsanwalt … beigeordnet.

Gleichzeitig wird angeordnet, dass der Antragsgegner auf die Prozesskosten monatliche Raten von 30,00 EUR zu erbringen hat, die im Anschluss an die Ratenzahlung fällig werden, die mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Regensburg vom 23.12.2005 angeordnet wurden.

Gründe:

I.
Der Antragsgegner ist verheiratet und hat zwei ehelich geborene Kinder, die 15 bzw. 26 Jahre alt sind.

Darüber hinaus ist der Antragsgegner Vater des am 30.11.2001 geborenen Kindes …, das aus einer außerehelichen Beziehung mit der Antragstellerin hervorgegangen ist.

Diese Beziehung endete schon vor der Geburt von …. Zu dem Kind hatte der Antragsgegner nur bis August 2002 gelegentlichen Kontakt.

Die Antragstellerin möchte erreichen, dass der Antragsgegner regelmäßigen Umgang mit dem gemeinsamen Kind ausübt. Der Antragsgegner lehnt einen solchen Umgang nachdrücklich ab.

Das Amtsgericht – Familiengericht – Regensburg hat nach Anhörung der Parteien und des Jugendamtes am 12.4.2006 einen Beschluss erlassen, mit dem der Antragsgegner zur Ausübung des Umgangsrechtes gezwungen werden soll, zunächst allerdings in der Weise, dass eine Umgangsanbahnung in Begleitung durch die Familienberatungsstelle am Amtsgericht Regensburg stattfindet. Der Umgang soll gegebenenfalls ausgeweitet werden. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass der nicht sorgeberechtigte Elternteil nach § 1684 Abs. 1 BGB zum Umgang mit einem gemeinsamen Kind verpflichtet sei und deswegen dazu gezwungen werden kann. Dem Umgangsrecht des Kindes gebühre der Vorrang vor dem Recht des Vaters auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit bzw. dem Schutz seiner Ehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Vaters, der ausführt, dass der erzwungene Umgang nicht dem Wohle des Kindes diene und nicht zwangsweise durchgeführt werden könne. Er selbst lehne einen Umgang entschieden ab und auch seine Frau widersetze sich vehement einer derartigen Regelung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss (Blatt 87 -91 d.A.), die gewechselten Schriftsätze und die Stellungnahme des Jugendamtes Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Im vorliegenden Verfahren hat der Senat die Sach- und Rechtslage in seinem die Gewährung von Prozesskostenhilfe betreffenden Beschluss vom 16.11.2005 (Blatt 55-58 d.A.) ausführlich dargelegt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Frage, ob der nicht sorgeberechtigte Elternteil nach § 1684 Abs. 1 BGB zum Umgang mit einem gemeinsamen Kind gezwungen werden kann, nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die Ausführungen und die zahlreichen Zitate nimmt der Senat deswegen Bezug. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist, soweit ersichtlich, noch nicht ergangen.

Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in einer nach Erlass des Beschlusses ergangenen Entscheidung eingehend zu Umgangsrecht und Umgangspflicht Stellung genommen (vgl. BVerfG in FamRZ 2006, 187). Es hat ausgeführt, der Gesetzgeber habe durch das KindRG die familienrechtlichen Rahmenbedingungen verändert. Nach § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB gehöre zum Wohle des Kindes in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gemäß § 1684 Abs. 1 BGB habe das Kind ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Jeder Elternteil sei zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Das bis dahin lediglich als Elternrecht ausgestaltete Umgangsrecht solle in der Neufassung des § 1684 BGB einen Bewusstseinswandel bei den Eltern bewirken, dass sie nicht nur ein Recht auf Umgang haben, sondern im Interesse des Kindes auch die Pflicht, diesen Umgang zu ermöglichen. Die gesetzliche Umgangspflicht solle die Eltern darauf hinweisen, dass der Umgang mit ihnen, auch und gerade wenn das Kind nicht bei ihnen lebt, für die Entwicklung und das Wohl des Kindes eine herausragende Bedeutung habe.

Hinzuzufügen ist allerdings, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Fallgestaltung betrifft, in der der nicht sorgeberechtigte Vater Interesse an dem Umgang hat. In einer früheren Entscheidung vom 30.1.2002 (FamRZ 2002, 534) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, wenn der umgangsunwillige Vater durch ein Zwangsgeld zum Umgang angehalten werde, könne der durch die Zwangsgeldandrohung hervorgerufene psychische Druck gegen den Vater, der sich einem Treffen mit dem Kind nicht gewachsen fühle und seine Ehe dadurch in Gefahr sehe, auch gesundheitliche Folgen für ihn nach sich ziehen, weshalb die vorläufige Aufhebung der Zwangsgeldandrohung durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung möglich sei.

Insgesamt ist eine umfassende Prüfung erforderlich, inwieweit ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl noch dienen kann. Der 7. Senat des Oberlandesgerichtes Nürnberg hat hierzu in einem Beschluss vom 11.6.2001 (FamRZ 2002, 413) ausgeführt, dass gegen einen unbeirrten Willen ein Umgang nicht angeordnet werden könne, denn eine fehlende elterliche Fürsorge und Gesinnung könne nicht per Dekret ersetzt und erzwungen werden. Es bestehe vielmehr die Gefahr, dass durch die Anordnung eines Umganges beim Kind Erwartungen auf Kontakte geweckt werden, die der Vater dann enttäusche. Diese Ansicht teilt auch der erkennende Senat. Die Fronten sind im vorliegenden Verfahren derartig verhärtet, dass ohne die Festsetzung eines Zwangsgeldes, welches den Vater in zusätzliche finanzielle Bedrängnis bringen würde, voraussichtlich kein Umgang zustande käme. Ob es ihm bei der absehbaren Verärgerung über den Lauf der Dinge gelingen könnte, dem Sinne des Umganges gerecht zu werden, nämlich unter anderem die verwandtschaftlichen Bande zu pflegen, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen (vgl. BGH in NJW 69, 422), erscheint mehr als zweifelhaft. Dass der Vater bei begleiteten oder freien Umgangsterminen der Bedeutung des Umganges gerecht würde, ist nicht wahrscheinlich. Zu erwarten ist vielmehr, dass er die Erwartungen des Kindes, wenn es denn aus eigenem Antrieb die Umgangstermine wahrnehmen würde, sehr enttäuschen würde. Der Versuch einer derartigen Kontaktaufnahme birgt wahrscheinlich mehr Risiken für das Wohl des Kindes als der Vertust, den es erleidet, wenn es ohne den leiblichen Vater aufwächst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a FGG, die Festsetzung des Geschäftswertes auf § 30 KostO.

Die Rechtsbeschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Prozesskostenhilfe: §§ 14 FGG, 114 ff ZPO.

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