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Umschuldungsversuch einer Bank – erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung

 Oberlandesgericht Karlsruhe

Az.: 6 U 51/08

Urteil vom 09.07.2008


Leitsätze:

Richtet eine Bank an die anderen Gläubiger einer GmbH, die bei ihr Kunde ist, im Hinblick auf eine beabsichtigte Umschuldung die Anfrage, ob sie bereit seien, auf ihre Forderungen gegen die GmbH teilweise zu verzichten, so liegt darin nicht in jedem Fall eine unerlaubte Rechtsberatung nach Art. 1 § 1 RBerG bzw. eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung i.S. von § 2 Abs. 1 RDG.


1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 04.04.2008 – 13 O 28/08 KfH I – im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen abgeändert.

Die einstweilige Verfügung vom 04.03.2008 wird aufgehoben. Der Antrag auf ihren Erlass wird zurückgewiesen.

2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

Tatbestand:

Der klagende Anwaltsverein nimmt die beklagte Volksbank im Wege der einstweiligen Verfügung wegen unerlaubter Erbringung von Rechtsdienstleistungen auf Unterlassung in Anspruch, weil diese anderen Gläubigern eines Kunden vorgeschlagen hat, zur Ermöglichung einer Umschuldung auf einen erheblichen Teil ihrer Forderungen zu verzichten.

Die Verfügungsbeklagte stand mit einer ihrer Darlehensnehmerinnen, deren Konto in erheblichem Umfang überzogen war, in Verhandlungen wegen einer Umschuldung. Die Verfügungsbeklagte übersandte mit dem Einverständnis des Geschäftsführers ihrer Kundin an verschiedene Gläubiger derselben ein Schreiben mit folgendem Inhalt:

„Herr X. hat bei uns die Umschuldung der Verbindlichkeiten der X. GmbH beantragt.

Wir haben den Antrag geprüft und festgestellt, dass eine Finanzierung der gesamten Verbindlichkeiten (trotz Absicherung aus privaten Mitteln) nicht darstellbar ist.

Eine Finanzierung von 35 % der uns bisher bekannten Verbindlichkeiten der X. GmbH ist darstellbar.

Wir bitten Sie, uns bis zum 15.01.2008 mitzuteilen, ob Sie einem Vergleich in dieser Größenordnung zustimmen. Wir gehen davon aus, dass wir Ihnen dann bis 31.01.2008 mitteilen können, ob der Vergleich zustande kommen wird.

Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse muss Herr X. für die X. GmbH bei einem nicht Zustandekommen des Vergleichs einen Insolvenzantrag stellen. Entsprechend der Vermögensverhältnisse ist nur mit einer geringen Konkursquote zu rechnen …“

Der Verfügungskläger hat geltend gemacht, das Schreiben der Verfügungsbeklagten sei darauf gerichtet, die Rechtsverhältnisse ihrer Kundin im Verhältnis zu deren Gläubiger umzugestalten. Die Gläubiger sollten im Vergleichswege zu einem teilweisen Verzicht auf ihre Forderungen bewogen werden. Diese Tätigkeit sei als erlaubnispflichtige Schuldenregulierung zu qualifizieren. Das Schreiben könne nur dahin verstanden werden, dass die Verfügungsbeklagte zumindest auch für die X. GmbH auftrete, da nur diese vom Vergleich betroffen sei. Das eigene wirtschaftliche Interesse der Verfügungsbeklagten am Erfolg der Vergleichsverhandlungen führe nicht zur Zulässigkeit ihres Vorgehens. Es zeige vielmehr gerade die Gefährlichkeit ihres Handelns, da ein evidenter Interessenkonflikt vorliege. Zwar sei es der Verfügungsbeklagten nicht verboten, Verhandlungen mit anderen Gläubigern zu führen. Verboten sei jedoch, dass sie zugleich für den Schuldner selbst auftrete. Es handle sich auch nicht um ein notwendiges Hilfsgeschäft im Sinne von Artikel 1 § 5 RBerG.

Das Landgericht hat der Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 04.03.2008 im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel antragsgemäß verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Dritte geschäftsmäßig Schuldenregulierungs- und/oder Vergleichsverhandlungen zu führen und/oder anzubieten.

Die Verfügungsbeklagte hat Widerspruch eingelegt und geltend gemacht, es fehle bereits an einer Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Die Verfügungsbeklagte habe das gleiche Interesse an einem Zustandekommen des Vergleichs gehabt wie die Darlehensnehmerin. Das Interesse der Darlehensnehmerin schließe nicht aus, dass die Verfügungsbeklagte ein eigenes Geschäft in Vollzug eigener Interessen tätige. Ansonsten wäre kein Gläubiger mehr in der Lage, ohne Beiziehung eines Anwalts zur möglichst umfassenden Rettung eigener Ansprüche mit anderen Gläubigern in Verhandlungen über einen teilweisen Forderungsverzicht einzutreten. Dass die beanstandete Tätigkeit keiner Erlaubnis bedürfe, ergebe sich auch aus der Testamentsvollstreckerentscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Verfügungsbeklagte habe ferner nicht geschäftsmäßig gehandelt, weil sie keine Werbung für einen „Umschuldungsservice“ mache. Jedenfalls komme ihr das Privileg des Artikel 1 § 5 Nr. 1 RBerG zugute.

Mit dem angefochtenen, am 04.04.2008 verkündeten Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die einstweilige Verfügung bestätigt. Hiergegen wendet sich die Verfügungsbeklagte, die mit der Berufung ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

Die Verfügungsbeklagte macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend, ihr Verhalten habe nicht gegen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes verstoßen. Sie sei zudem nach Artikel 1 § 3 Nr. 7 RBerG zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten für ihre Mitglieder befugt gewesen. Diese Befugnis berechtigte sie auch zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten von Kunden die, wie im hier zu Grunde liegenden Fall, keine Genossenschaftsmitglieder seien. Entsprechendes gelte für die Befugnis nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 RDG.

Die beanstandete Tätigkeit verstoße auch nicht gegen § 2 RDG. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien nach dem neuen Recht nur noch die Fälle echter Rechtsanwendung allein dem Anwalt vorbehalten. Die Abgrenzung sei nach den Kriterien vorzunehmen, die der Bundesgerichtshof bereits in der Testamentsvollstrecker-Entscheidung herangezogen habe. Im konkreten Fall sei die Mitwirkung eines Anwalts nicht erforderlich gewesen, weil es nur um die Frage gegangen sei, ob ein Forderungsverzicht ausgesprochen wird oder nicht. Die beanstandete Tätigkeit sei jedenfalls nach § 5 RDG erlaubt, weil sie in engem Zusammenhang zur Kreditgewährung und damit zum eigentlichen Berufs- oder Tätigkeitsbild der Verfügungsbeklagten gestanden habe. Die Haupttätigkeit der Verfügungsbeklagten erfordere weitergehende Rechtskenntnisse als die hier in Rede stehende Tätigkeit.

Darüber hinaus fehle es an einem geschäftsmäßigen Handeln. Die vom Landgericht als unzulässig eingeordnete einmalige Tätigkeit rechtfertige nicht die Annahme einer Wiederholungsabsicht. Gegen ein geschäftsmäßiges Handeln spreche auch, dass die Verfügungsbeklagte für die beanstandete Tätigkeit kein Honorar genommen habe.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 04.04.2008, Geschäftsnummer 13 O 28/08 KfH I die einstweilige Verfügung vom 04.03.2008 aufzuheben und den Antrag der Klägerin vom 03.03.2008 zurückzuweisen. Der Verfügungskläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er macht ergänzend geltend, das beanstandete Verhalten sei auch nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht zulässig. Die Tätigkeit sei als Rechtsdienstleistung anzusehen, weil sie darauf gerichtet sei, konkrete Rechtsverhältnisse der Darlehensnehmerin zu gestalten und zu verändern. Sie erfordere eine rechtliche Prüfung im Einzelfall. Vor der Verhandlung mit den Gläubigern müsse sich die Verfügungsbeklagte mit dem Bestehen und der Durchsetzbarkeit der Forderungen auseinandersetzen. Darüber hinaus erfordere auch der rechtsverbindliche Abschluss eines Vergleichs eine rechtliche Prüfung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Testamentsvollstrecker-Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Der Verfügungskläger macht ferner geltend, die Verfügungsbeklagte habe eine fremde Angelegenheit wahrgenommen. Aufgrund des bestehenden Interessenskonfliktes habe sie zudem gegen § 4 RDG verstoßen. Das Verhalten der Verfügungsbeklagten sei auch nicht nach §§ 5 bis 7 RDG zulässig.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Verfügungsbeklagte nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen. Ihr Verhalten verstößt auch nicht gegen das nunmehr geltende Rechtsdienstleistungsgesetz.

1.

Für das ausschließlich auf Unterlassung gestützte Begehren sind nunmehr die am 01.07.2008 in Kraft getretenen Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes maßgeblich. Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch setzt jedoch zusätzlich voraus, dass das beanstandete Verhalten auch nach den zuvor geltenden Regeln des Rechtsberatungsgesetzes verboten war (vgl. BGH GRUR 2005, 353, 354 – Testamentsvollstreckung durch Banken).

2.

Das beanstandete Verhalten der Verfügungsbeklagten verstieß nicht gegen Artikel 1 § 1 RBerG.

a) Allerdings hat die Verfügungsbeklagte mit dem Schreiben an die Gläubiger ihrer Darlehensnehmerin eine fremde Angelegenheit besorgt.

Die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Angelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt. Wird die Angelegenheit nicht nur im eigenen, sondern auch im fremden Interesse besorgt, führt dies nicht notwendig dazu, dass es sich um eine fremde Angelegenheit im Sinne von Artikel 1 § 1 RBerG handelt. Ein lediglich mittelbares Eigeninteresse macht eine fremde Rechtsangelegenheit allerdings nicht zu einer eigenen (BGH GRUR 2007, 978 Rn. 22 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer).

Im vorliegenden Fall lag der Abschluss des angebotenen Vergleichs im Interesse der Darlehensnehmerin, die als Schuldnerin unmittelbar von den Wirkungen einer solchen Vereinbarung profitiert hätte. Zwar hatte auch die Verfügungsbeklagte ein Interesse am Zustandekommen einer solchen Vereinbarung, weil sie bei Abschluss des Vergleichs einen neuen Kredit an ihre Kundin ausreichen konnte und anderenfalls weitergehende Ausfälle mit eigenen Forderungen zu befürchten hatte. Dies stellt jedoch nur ein mittelbares Interesse dar und macht den Abschluss des den Gläubigern vorgeschlagenen Vergleichs nicht zu einer eigenen Angelegenheit der Verfügungsbeklagten.

b) Zutreffend hat das Landgericht auch ein geschäftsmäßiges Handeln der Verfügungsbeklagten bejaht.

Geschäftsmäßig handelt derjenige, der beabsichtigt – sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit – die Tätigkeit zu wiederholen, um sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil eines Erwerbs zu machen (BGH GRUR 2001, 357 – Heizkraftwerke mwN). Als Anzeichen für eine solche Wiederholungsabsicht kann bereits der Umstand ausreichen, dass der Berater für seine rechtsberatende oder rechtsbesorgende Tätigkeit ein Honorar gefordert hat, zumal, wenn dies im Rahmen seiner hauptberuflichen Tätigkeit geschehen ist (BGH, NJW 1986, 1050, 1052). Dies ist indes nicht erforderlich. Erfolgt die Handlung im Rahmen einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, ist vielmehr davon auszugehen, dass der Handelnde bereit ist, dieselbe Dienstleistung bei sich bietender Gelegenheit auch für andere Kunden zu wiederholen (vgl. BGH NJW 1986, 1050, 1052). Von letzterem ist das Landgericht im vorliegenden Fall zutreffend ausgegangen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Verfügungsbeklagte die beanstandete Tätigkeit als besondere Gefälligkeit nur für diese eine Darlehensnehmerin erbracht hat.

c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Verfügungsbeklagte keine Rechtsangelegenheit besorgt. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag vielmehr auf wirtschaftlichem Gebiet.

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelte es sich allerdings stets um die Besorgung einer Rechtsangelegenheit im Sinne von Artikel 1 § 1, wenn eine Tätigkeit ihrer Natur nach darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten und zu verändern (BGH GRUR 1987, 714, 715 – Schuldenregulierung). Diesen Maßstab hat der Bundesgerichtshof mittlerweile aber – auch im Lichte der verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. dazu BVerfG GRUR 1998, 556, 560 – Patentgebührenüberwachung) – modifiziert. Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung ist zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Es ist daher zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht (BGH GRUR 2007, 245 Rn. 16 – Schulden Hulp mwN; vgl. auch OLG Karlsruhe GRUR-RR 2007, 51, 52). Bei der Regulierung fremder Schulden ist demgemäß entscheidend, ob sich die Tätigkeit hauptsächlich auf rechtliche Fragen wie beispielsweise die inhaltliche Prüfung der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen, die Vorbereitung eines Insolvenzverfahrens oder die Geltendmachung eigener Forderungen des Schuldners gegen seine Gläubiger bezieht oder ob die wirtschaftliche Seite der Überschuldung im Vordergrund steht. Letztere war vom Rechtsberatungsgesetz nicht berührt (BGH GRUR 2007, 245 Rn. 16 – Schulden Hulp; BVerwG NJW 2005, 1293, 1296 f.).

Im vorliegenden Fall stand nach Auffassung des Senats die wirtschaftliche Seite der Überschuldung im Vordergrund. Zwar war die Tätigkeit der Verfügungsbeklagten auf die Änderung von Rechtsbeziehungen gerichtet, weil die Gläubiger im Rahmen des vorgeschlagenen Vergleichs auf einen Teil ihrer bestehenden Forderungen verzichten sollten. Die Verfügungsbeklagte hat ihren Vorschlag aber ausschließlich auf wirtschaftliche Gesichtspunkte gestützt, nämlich ihre Einschätzung, dass allenfalls eine Finanzierung von 35 % der bekannten Verbindlichkeiten „darstellbar“ sei. Rechtliche Aspekte, etwa der Rechtsbestand der Forderungen oder die Chancen einer gerichtlichen Durchsetzung, werden in dem beanstandeten Schreiben hingegen nicht einmal ansatzweise angesprochen. Die Verfügungsbeklagte hat darüber hinaus keine individuellen Verhandlungen angeboten, sondern lediglich um Mitteilung gebeten, ob die Adressaten mit einem Verzicht in der vorgeschlagenen Größenordnung einverstanden sind oder nicht. Sie hat sich damit – noch – im Rahmen einer zulässigen Geschäftsbesorgung gehalten und keine unerlaubte Rechtsbesorgung vorgenommen.

Eine Anwendung von Art. 1 § 1 RBerG auf die beanstandete Tätigkeit ist auch nicht durch den Gesetzeszweck geboten. Zweck der Vorschrift war, die Rechtssuchenden vor einer unsachgemäßen Erledigung ihrer rechtlichen Angelegenheiten schützen und im Interesse einer reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrs fachlich ungeeignete oder unzuverlässige Personen von der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten fern halten (BGH NJW 2003, 1594, 1595). Dieser Zweck gebietet es nicht, einen Rechtsanwalt zur Beurteilung der Frage hinzuzuziehen, in welcher Höhe eine Schuldentilgung wirtschaftlich realistisch ist. Ein Rechtsanwalt, der von einem Schuldner mit der Regulierung seiner Verbindlichkeiten betraut ist, kann diese wirtschaftlichen Aspekte jedenfalls nicht besser beurteilen als eine Bank. Er wird im Sinne einer umfassenden Betreuung seines Mandanten häufig sogar gehalten sein, wegen dieser Frage Rücksprache mit den für eine Finanzierung in Frage kommenden Banken zu halten. Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht des Senats die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht geboten, soweit es um eine rein wirtschaftliche Lösung des Schuldenproblems geht.

Dass die Verfügungsbeklagte im vorliegenden Fall eigene Interessen hatte und deshalb eine Interessenkollision denkbar war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes ist nur dann betroffen, wenn sich fachlich ungeeignete oder unzuverlässige Personen mit der Besorgung von Rechtsangelegenheiten befassen. Auf die Frage einer Interessenkollision kommt es hierbei nicht an.

3.

Die beanstandete Tätigkeit der Verfügungsbeklagten stellt auch keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG dar.

a) Nach § 2 Abs. 1 RDG ist als Rechtsdienstleistung nur eine Tätigkeit anzusehen, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Dies ist bei der hier angegriffenen Tätigkeit nicht der Fall.

(1) In dem Schreiben an die Gläubiger ist die Verfügungsbeklagte auf rechtliche Aspekte nicht eingegangen. Sonstige Anhaltspunkte, die nahelegen könnten, dass die Verfügungsbeklagte im Vorfeld des Schreibens oder im weiteren Verlauf des Geschehens eine rechtliche Prüfung der bekannt gewordenen Verbindlichkeiten vorgenommen hat, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

(2) Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers ist eine rechtliche Prüfung für die Durchführung der beanstandeten Tätigkeit weder objektiv noch nach den berechtigten Erwartungen des Kunden erforderlich.

Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob eine seriöse Beratung von Verbrauchern, die den Überblick über ihre Verbindlichkeiten verloren haben und deshalb umfassender Hilfestellung bedürfen und sich deshalb an einen Berater wenden, grundsätzlich eine rechtliche Prüfung erfordert. Bei Verhandlungen einer GmbH mit ihrer kreditgebenden Bank über die Möglichkeiten einer Umschuldung ist eine solche Prüfung jedenfalls nicht geboten. Die Bank darf mangels besonderer Anhaltspunkte – deren Vorliegen hier nicht ersichtlich ist – davon ausgehen, dass der Geschäftsführer einer GmbH selbst in der Lage ist zu erkennen, ob der rechtliche Bestand von Verbindlichkeiten einer rechtlichen Prüfung bedarf. Sie braucht eine solche Prüfung nicht von sich aus anzuregen oder vorzunehmen, sondern darf sich auf die wirtschaftlichen Aspekte der angestrebten Umschuldung beschränken. Auch der Geschäftsführer, der mit der Bank über die Möglichkeiten einer Umschuldung verhandelt, wird in der Regel weder erwarten noch wünschen, dass diese unaufgefordert den rechtlichen Bestand der aufgelaufenen Verbindlichkeiten prüft.

Eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls ist auch nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss des vorgeschlagenen Vergleichs geboten. Allerdings ist, wie der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers in der mündlichen Verhandlung aufgezeigt hat, durchaus denkbar, dass einzelne oder mehrere Gläubiger entgegen der an sie gerichteten Aufforderung Gegenvorschläge unterbreiten, die eine rechtliche Prüfung der Forderung nahelegen oder deren Umsetzung einer detaillierten rechtlichen Vereinbarung bedarf. Wenn die Verfügungsbeklagte auch bei einer solchen Entwicklung weiter für ihre Kundin tätig würde, läge eine Rechtsdienstleistung zweifellos vor. Mit dem hier beanstandeten Schreiben hat die Verfügungsbeklagte sich aber – noch – nicht auf dieses Terrain begeben. Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers führt diese Tätigkeit nach Einschätzung des Senats auch nicht zwangsläufig dazu, dass Rechtsdienstleistungen der genannten Art im weiteren Verlauf erforderlich werden. Nach dem Wortlaut des Schreibens hat die Verfügungsbeklagte lediglich in Aussicht gestellt, innerhalb relativ kurzer Frist mitzuteilen, ob alle Gläubiger ihrem Vorschlag zugestimmt haben oder nicht. Im einen wie im anderen Fall mag es Anlass geben, mit einzelnen Gläubigern in detaillierte Verhandlungen einzutreten. Durch ihr Schreiben hat sich die Verfügungsbeklagte aber weder verpflichtet, solche Verhandlungen für ihre Kundin zu führen, noch den Eindruck oder die berechtigte Erwartung geweckt, dass sie gegebenenfalls auch diese Tätigkeit übernehmen werde. Angesichts dessen stellt das hier zu beurteilende Verhalten der Verfügungsbeklagten noch keine Rechtsdienstleistung dar.

b) Eine Subsumtion der beanstandeten Tätigkeit unter § 2 Abs. 1 RDG ist auch nicht aufgrund des Normzwecks geboten.

§ 2 Abs. 1 RDG erfasst nur juristische Tätigkeiten (Römermann NJW 2008, 1250, 1251), nicht aber Tätigkeiten auf wirtschaftlichem oder sonstigem Gebiet. Für die Abgrenzung dieser Bereiche ist nach Auffassung des Senats wie bisher nicht auf formale Kriterien abzustellen, sondern darauf, in welchem Gebiet der Kern bzw. Schwerpunkt der jeweiligen Tätigkeit liegt. So ist die bloße Mitwirkung bei einem Vertragsschluss oder einer Vertragskündigung nicht schon deshalb als rechtliche Tätigkeit anzusehen, weil sie auf die Gestaltung von konkreten Rechtsverhältnissen gerichtet ist (vgl. Kleine-Cosack BB 2007, 2637, 2639). Vielmehr ist – wie bisher – entscheidend, ob die rechtliche Seite im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht oder ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bestimmte Tätigkeiten, die bislang von Artikel 1 § 1 RBerG erfasst waren, auch nach neuen Recht noch erlaubnispflichtig sind (zu Stellvertretung und Treuhand vgl. vom Stein, AnwBl 2008, 385, 386 und Bundestags-Drucksache 16/3655, Seite 46) und ob der Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes in einzelnen Beziehungen weiter ist als der des früheren Rechts (vgl. dazu Bundestags-Drucksache 16/3655, Seite 37). § 2 Abs. 1 RDG umfasst jedenfalls nicht solche Tätigkeiten, deren Schwerpunkt auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die deshalb schon nach altem Recht keine Rechtsbesorgung zum Gegenstand haben. Letzteres ist hier, wie bereits oben dargelegt, der Fall. Damit greift § 2 Abs. 1 RDG im vorliegenden Fall nicht.

4.

Nach allem war das angefochtene Urteil auf die Berufung der Verfügungsbeklagten abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

 

 

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