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Umzugsvertrag – Möbeltransport

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Az: 5 U 24/08

Urteil vom 05.06.2008


In dem Rechtsstreit hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2008 für Recht erkannt:

Die Berufung der Kläger gegen das am 24. Januar 2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.
Die Kläger verlangen von dem Beklagten zu 1., Inhaber eines Transportunternehmens, und von dem Beklagten zu 2., ihrem eigenen Sohn, Schadensersatz wegen Beschädigungen an einer Glasvitrine und darin enthaltenen Porzellanfiguren.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils nebst den beiden Berichtigungsbeschlüssen des Landgerichts vom 6. und 25.2.2008 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Schadensersatzansprüche der Kläger gegen den Beklagten zu 1. seien nach den §§ 451, 439 HGB verjährt. Es liege ein Umzugsvertrag vor. Auf einen tatsächlichen Umzug im Sinne eines Wohnsitzwechsels komme es dafür nicht an. Hier seien zwar die Möbel nach der Zwischenlagerung zum ursprünglichen Objekt zurückbefördert und wieder aufgebaut worden. Insoweit lägen jedoch identische Umstände wie bei einem sonstigen Umzugsvertrag vor: Es gehe nämlich um den Abbau der Möbel, ihre Beförderung und ihren anschließender Wiederaufbau in einer Wohnung. Die Verjährungsfristen des § 439 HGB würden für alle – auch deliktische – Ansprüche gelten, sofern nur ein Bezug zur Beförderung bestehe. Es greife die einjährige Verjährungsfrist ein, weil Vorsatz auf Seiten des Beklagten nicht vorliege. Soweit das OLG Dresden (in Transportrecht 2005, 72 ff) die Auffassung vertreten habe, es würden die allgemeinen Verjährungsvorschriften für deliktische Ansprüche dann gelten, wenn der Schaden außerhalb des (mit Ablieferung der Fracht endenden) Obhutszeitraums eingetreten sei, liege dieser Fall hier nicht vor. Die Schadensanlage sei während des Obhutszeitraums entstanden. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Tag der Ablieferung unabhängig davon, ob ein Schaden bereits erkennbar sei.

Die Kläger hätten auch gegen den Beklagten zu 2. keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Das Verhalten des Beklagten zu 2. sei jedenfalls mitursächlich für den Schadenseintritt, jedoch sei ihm kein Verschulden vorzuwerfen. Aus dem Andrücken der Tür lasse sich ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht ableiten, vielmehr sei eine solche Handlung alltäglich und indifferent. Es sei insbesondere nicht vorgetragen, dass er die Tür kraftvoll und heftig gegen die Vitrine gedrückt hätte.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger. Die Kläger machen geltend:

Ein Umzugsvertrag im Sinne der §§ 451 ff HGB liege nicht vor, wenn das Gut nur vorübergehend verbracht und verhältnismäßig kurze Zeit später zurücktransportiert werde. Das ergebe sich aus der Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes. Als Beispiel würden Ausstellungs- und Messegut genannt.

Unabhängig davon sei der Schaden außerhalb des Obhutszeitraums eingetreten und würde dieser Schadens deshalb, was die deliktische Haftung angehe, nicht unter die Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB fallen. Insoweit sei auf das Urteil des OLG Dresden zu verweisen, auch wenn diese Entscheidung zwischenzeitlich durch den BGH – Urteil vom 10.1.2008, I ZR 13/05 – aufgehoben worden sei.

Der BGH habe seine Entscheidung damit begründet, dass es für den erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs mit der Beförderung ausreiche, wenn die Beschädigung des Transportgutes im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dessen Ablieferung erfolge. An einem solchen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang fehle es hier, weil der Schaden erst viele Jahre später eingetreten sei. Ansonsten würde das merkwürdige Ergebnis eintreten, dass ein Anspruch verjährt sei, bevor er überhaupt entstanden sei. Jedenfalls sei die Verjährungseinrede des Beklagten zu 1. wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unbeachtlich, womit sich das Landgericht nicht beschäftigt habe.

Auch der Beklagte zu 2. hafte, weil er den Schadenseintritt fahrlässig mit verursacht habe. Das Landgericht sei unzulässigerweise von einem leichten Andrücken der Tür ausgegangen. Die Kläger hätten erstinstanzlich ausdrücklich bestritten, dass der Beklagte zu 2. die Tür nur leicht angedrückt habe. Zu berücksichtigen sei, dass es hier um die Glastür einer filigranen Vitrine mit mehreren Glasplatten und zahlreichen wertvollen Hummel-Figuren gegangen sei. Diese Tür habe sich nach dem von der Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 2. eingeholten Gutachten leicht öffnen und schließen lassen. Das zusätzliche Andrücken der Tür sei deshalb völlig überflüssig gewesen. Dass bei einem solchen Verhalten eine Gefahrenlage für die Vitrine und die Figuren entstehen könne, sei ausreichend. Die Vorhersehbarkeit der Gefahr sei zwar Voraussetzung der Fahrlässigkeit, beziehe sich aber nur auf den Haftungstatbestand und nicht auf die Schadensentwicklung im Einzelnen. Es genüge die allgemeine Vorhersehbarkeit eines schädigenden Erfolges, während der konkrete Ablauf in seinen Einzelheiten nicht vorhersehbar sein müsse. Für die Haftung reiche im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit die nicht ganz fern liegende Möglichkeit einer Schädigung aus. Das sei hier der Fall gewesen.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagten nach Maßgabe der aus dem dortigen Tatbestand ersichtlichen erstinstanzlichen Anträge zu verurteilen, hinsichtlich der vorprozessualen Anwaltsgebühren nach Maßgabe der richtigen Antragsfassung gem. Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 6.2.2008.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Beklagte zu 2. macht geltend, dass ein Anscheinsbeweis zugunsten der Kläger im Hinblick auf den von ihnen zu beweisenden Schadenshergang nicht in Betracht komme. Es fehle auch an der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Schadens. Er habe die erforderliche Sorgfalt nicht missachtet, was nur dann nämlich der Fall sein, wenn nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab ein Handelnder in seiner konkreten Lage den drohenden rechtswidrigen Erfolg seines Verhaltens hätte voraussehen und vermeiden können. Die äußere Sorgfalt beziehe sich dabei auf ein sachgemäßes, den Verhaltenspflichten entsprechendes und damit rechtlich gebotenes und auch zulässiges Verhalten. Die Missachtung dieser Sorgfalt sei Teil des Rechtswidrigkeitsurteils und vom Geschädigten zu beweisen. Diesen Beweis hätten die Kläger nicht geführt.

Der Beklagte zu 1. macht geltend, der vorliegende Transportvertrag sei als Umzugsvertrag zu qualifizieren. Diese Ansicht des Landgerichts stehe in Übereinstimmung mit der Literatur und selbst der Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes. Denn der Fall, wo Möbel nur vorübergehend zu einem neuen Aufstellungsort gebracht und dann zum ursprünglichen Aufstellungsort nach kurzer Zeit wieder zurückgelangen würde, liege nicht vor. Die Möbel seien nicht zu einem neuen Aufstellungsort gebracht – wie etwa bei Ausstellungs- und Messegut – sondern nur zwischengelagert worden. Sie seien nach dem Rücktransport aus dem Zwischenlager dauerhaft wieder in der Wohnung der Kläger aufgestellt worden.

Die Entscheidung des OLG Dresden sei vom BGH aufgehoben worden und im Übrigen in keiner Weise einschlägig, weil sich die Schadenshandlung im vorliegenden Fall innerhalb des Obhutszeitraums ereignet habe und nicht außerhalb desselben. Durch die behauptete fehlerhafte Montage – die allerdings bestritten bleibe – sei auch eine konkrete Verschlechterung der Vermögenslage der Kläger eingetreten, da ab diesem Zeitpunkt jederzeit ein Absturz der Glasplatten gedroht hätte, wenn der klägerische Vortrag als richtig unterstellt werde.

II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, denn das Landgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden.

1.
Ein Anspruch der Kläger gegen ihren eigenen Sohn, den Beklagten zu 2., aus § 823 Abs. 1 BGB – nur diese Anspruchsgrundlage kommt überhaupt in Betracht – scheidet aus. Es kann dahinstehen, ob die Kläger die haftungsausfüllende Kausalität im Sinne einer adäquaten Kausalität ausreichend dargelegt haben. Jedenfalls ist ihr Vorbringen zu dem erforderlichen Verschulden des Beklagten zu 2. nicht schlüssig.

Das schadensauslösende Verhalten des Beklagten zu 2. soll nach Darstellung der Kläger darin liegen, dass dieser, als er die Tür der Vitrine geschlossen habe, noch einmal dagegen gedrückt habe, um sich zu vergewissern, dass sie tatsächlich geschlossen gewesen sei. Dadurch habe sich von oben das zweite Glasregal gelöst. Dieses Verhalten ist nicht schuldhaft und von dem Landgericht zutreffend als „alltäglich und indifferent“ umschrieben worden. Auch wenn der Schließmechanismus recht leichtgängig gewesen sein mag, entspricht es doch der Erfahrung, dass sich gerade sicherheitsbewusste und korrekt handelnde Menschen oft reflexhaft noch einmal durch weiteres Andrücken vergewissern, dass sie eine zu schließende Tür tatsächlich geschlossen haben. Ein solcher Vorgang kann auch mit Blick auf die hier fragliche Vitrine, wie sie Bl. 10 und 25 d. A. abgebildet ist, nicht als fahrlässig angesehen werden. Diese Vitrine ist nicht derart filigran, dass sich ein weiteres Andrücken ausnahmsweise als schuldhaft darstellen könnte.

Fahrlässig handelt nach § 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Erforderlich ist das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist. Voraussetzung der Fahrlässigkeit ist die Vorhersehbarkeit der Gefahr, die sich aber nur auf den Haftungstatbestand, nicht auf die weitere Schadensentwicklung zu beziehen braucht. Der Schuldner handelt nur dann fahrlässig, wenn er den Eintritt des schädigenden Erfolges vermeiden konnte und musste (etwa Palandt/Heinrichs, BGB, 67. A. 2008, § 276 Rn. 15 ff).

Hier bewegt sich das Verhalten des Beklagten zu 2. nach dem vorher gesagten im Rahmen der Sozialadäquanz. Dass sich ein weiteres – auch mehr als nur leichtes – Andrücken der Tür schädigend auswirkt, war nicht vorhersehbar. Das ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem von den Klägern selbst eingereichten Gutachten des Sachverständigen V, der allerdings im Auftrag der Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 2. tätig geworden ist. Bei dem Schließen der Vitrine und dem Andrücken der Tür handele es sich – so der Gutachter – um eine übliche Verfahrensweise, die bei ordnungsgemäßer Installation der Glasplatten den Schadensfall nicht nach sich gezogen hätte. Dies gelte auch gerade deshalb, weil die Vitrine standfest auf dem Teppichboden im Wohnzimmer abgestellt gewesen sei und beim Andrücken der Tür der Vitrine im belasteten Zustand nur eine geringe Bewegung nachvollziehbar sei, die bei ordnungsgemäßer Montage keine Auswirkungen auf die Standfestigkeit der Glasböden gehabt hätte.

Auch die von den Klägern bemühten Grundsätze des Anscheinsbeweises helfen hier nicht weiter. Ist allerdings ein eingetretener Schaden nach dem typischen Ablauf auf ein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen, wird dieses als prima facie bewiesen angesehen (Zöller/Greger, vor § 284 RdNr. 30 a). Es muss dann aber ein typischer Geschehensablauf vorliegen und darf der Anschein zudem nicht durch die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs erschüttert sein. Jedenfalls letzteres ist hier, was das Verschulden angeht, ersichtlich der Fall, denn die Glasplatten waren derart unsachgemäß befestigt, dass es – wie der Gutachter V festgestellt hat – „zu jeder Zeit zu einem Herausfallen einzelner Glasplatten kommen konnte und zwar in dem Moment, wo die… Plexiglasnase der Halterung unter Last abbricht“ (Bl. 15 d.A.).

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2.
Der Beklagte zu 1. haftet schon deshalb nicht, weil der gegen ihn gerichtete Anspruch nach den §§ 451, 439 Abs. 1 S.1, Abs.2 S.1 HGB verjährt ist und er sich auf Verjährung berufen hat.

a)
Die Kläger gehen zu Unrecht davon aus, mit dem Beklagten zu 1. einen gewöhnlichen Werkvertrag abgeschlossen zu haben. Tatsächlich handelt es sich aber um einen Umzugsvertrag im Sinne des § 451 HGB und kommt deshalb die besondere Verjährungsvorschrift des § 439 Abs.1 S.1, Abs.2 S.1 HGB zur Anwendung.

Ein Umzugsvertrag ist ein Frachtvertrag, der die Beförderung von Umzugsgut zum Gegenstand hat, wie sich aus § 451 HGB ergibt. Es ist allgemein anerkannt, dass der Begriff Umzugsgut weit zu verstehen ist (so schon in der Regierungsbegründung zum Transportrechtsreformgesetz, BT Drs. 13, 8445 S. 90). Er erfasst die Wohnungseinrichtung aus Privathaushalten, wobei allerdings nicht hinderlich ist, wenn Teile der Wohnungseinrichtung am alten Ort verbleiben. Die gleichzeitige Wohnsitzverlegung des Absenders ist kein notwendiges Merkmal des Umzugsvertrages (Regierungsbegr. aaO; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 451 RdNr. 1; Heymann/Joachim, HGB, 2. Aufl. 2005, § 451 RdNr. 3; Münchener Kommentar zum HGB/Dubischar, Aktualisierungsband Transportrecht 2000, § 451 RdNr. 2). Eine etwaige Zwischenlagerung der Sache ist unerheblich für die Einstufung als Umzugsgut (Heymann/Joachim aaO., § 451 RdNr. 5).

In dem Wort „Umzug“ kommt zwar ein Sachverhalt des sozialen Lebens zum Ausdruck, nämlich eine Ortsveränderung beweglicher Sachen, die zu einem bestimmten Zweck verwendet wurden und weiterhin – nicht nur vorübergehend – diesem Zweck dienen sollen. Die vorübergehende Einlagerung und somit der Transport zum Lager ist aber auch Umzug, da nach der Einlagerung das Lagergut wieder zu einer Wohnung transportiert und als Wohnungseinrichtung genutzt werden soll. Deshalb ist bei Aufträgen von Verbrauchern zum Transport von Möbeln im Zweifel ein Vertrag über die Beförderung von Umzugsgut im Sinne von § 451 HGB anzunehmen, wenn es sich um gebrauchte Möbel zur Weiternutzung handelt (Andresen/Valder, Speditions-, Fracht- und Lagerrecht, Loseblatt, Stand Januar 2008, § 451 HGB RdNr. 13).

In der Literatur wird angemerkt, nach der Regierungsbegründung zum Transportsrechtsreformgesetz (BT-Drucksache 13/8445, S. 90) solle ein Gut, das nur vorübergehend zum neuen Aufstellungsort gebracht wird, nicht als Umzugsgut einzuordnen sein (so Koller, Transportrecht, 6. A. 2007, § 451 HGB RdNr. 3) Dese Differenzierung sei aber nicht einfach handhabbar und beeinträchtige die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Sie könne allenfalls anerkannt werden, wenn das Gut – beispielsweise Ausstellungs- und Messegut – nach verhältnismäßig kurzer Zeit zum Absender zurücktransportiert werden solle (Koller, a.a.O.; vgl. auch Heymann/Joachim, aaO., § 451 RdNr. 6).

Dieser Ansicht von Koller (a.a.O.) liegt ein Missverständnis der Regierungsbegründung zugrunde. Sie spricht nämlich lediglich im Zusammenhang mit der Definition des Umzugsgut-Begriffs davon, „entscheidendes Kriterium“ sei „die bisherige und künftige (nicht nur vorübergehende) Zweckbestimmung des beförderten Gutes“. Damit wird nur ausgedrückt, dass das Umzugsgut vor und nach dem Umzug weiterhin dem gleichen Zweck dienen soll.

Im vorliegenden Fall liegt im Übrigen eine solche Situation, wo ein Umzugsgut nämlich nur vorübergehend zum neuen Aufstellungsort verbracht wird, ersichtlich nicht vor. Vielmehr wurden die Möbel aus dem fraglichen Wohnzimmer abgebaut und abtransportiert, sind sodann kurzfristig von dem Transportunternehmen eingelagert worden und schließlich wieder zurücktransportiert sowie endgültig – nicht etwa nur zur kurzfristigen Verwendung – aufgestellt worden. Die Situation einer kurzfristigen Zwischenaufstellung mit anschließendem Rücktransport wie bei Messe- und Ausstellungsgütern – wo sich das Risiko gegenüber dem Normalfall eines Umzugs ändert, weil eine weitere kurzfristige Zwischenaufstellung erfolgt, mit einem weiteren Abbau und Rücktransport – liegt gerade nicht vor. Im vorliegenden Fall ist die vom Normalfall des Umzugs abweichende Besonderheit lediglich darin zu sehen, dass der Rücktransport nach der Einlagerung – also nicht etwa nach kurzfristiger Aufstellung an einem anderen Aufstellungsort – in dasselbe Haus erfolgt, wo die Möbel zuvor aufgestellt waren. Von der Risikolage her besteht dabei aber kein Unterschied zum Normalfall des Umzugs mit Zwischenlagerung. Weil zudem anerkannt ist, dass der Begriff des Umzugsgutes weit zu fassen ist und die gleichzeitige Wohnsitzverlegung nicht erfordert, kann an der Anwendbarkeit des § 451 HGB und damit der Verjährungsvorschrift des § 439 HGB kein Zweifel bestehen.

b)
Gemäß § 439 Abs. 1 S. 1 HGB verjähren Ansprüche aus einer Beförderung, die den Vorschriften dieses Abschnitts unterliegen, in einem Jahr. Nach S. 2 dieser Vorschrift beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre bei Vorsatz oder bei einem dem Vorsatz nach § 435 HGB gleichstehenden Verschulden. § 435 HGB erfordert eine Schadenshandlung, die vorsätzlich oder leichtfertig in dem Bewusstsein begangen worden ist, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Eine Fallgestaltung nach § 439 Abs. 1 S. 2 HGB liegt hier nicht vor, was allerdings ohnehin nicht entscheidend ist. Denn für beide Fälle des § 439 Abs. 1 HGB beginnt die Verjährung nach Abs. 2 S. 1 der Norm mit Ablauf des Tages, an dem das Gut abgeliefert worden ist. Auch bei Annahme einer dreijährigen Verjährungsfrist wäre diese im Jahre 2006 und daher vor Klagerhebung abgelaufen.

Für den Beginn des Laufes der Verjährung nach § 439 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 HGB kommt es nicht darauf an, ob der Schaden erkennbar war oder nicht. Die von den Klägern zitierte Entscheidung des OLG Dresden in Transportrecht 2005, 72 f ist nicht einschlägig, unabhängig davon, dass sie ohnehin durch das Urteil des BGH vom 10.1.2008 (in Transportrecht 2008, 84 ff ) in vollem Umfang aufgehoben worden ist. In jener Fallgestaltung war nämlich die Schadenshandlung selbst erst nach Schluss des sog. Obhutszeitraums vorgenommen worden, also nach der Ablieferung des Frachtgutes an den Empfänger. Der BGH hat abweichend vom OLG Dresden entschieden, dass Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung des Transportgutes im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Ablieferung des Gutes auch dann nach § 439 Abs. 1 HGB verjähren, wenn der Ablieferungsvorgang im Zeitpunkt der Schadenshandlung bereits abgeschlossen war. Um eine solche Fallgestaltung geht es hier aber nicht. Die Schadenshandlung besteht in dem falschen Einstecken der Befestigungsvorrichtungen für die Glasplatten. Hier gehörte aber das Wiederaufbauen der Vitrine und damit auch das Einsetzen der Glasplatten zu dem Umzugsvertrag selbst, wie sich im Übrigen auch aus § 451 a Abs. 1 HGB ergibt. Die vorgeworfene Schadenshandlung liegt also innerhalb des Obhutszeitraums.

Allerdings hat die Schadenshandlung hier nur zu einer Gefährdungslage geführt, die sich nachfolgend zu jeder Zeit realisieren konnte und deshalb die Kläger und ihre Vermögen bereits negativ belastete. Ob deshalb innerhalb der Jahresfrist des § 439 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 HGB ein Schaden bereits in dem Sinne entstanden war, dass die Kläger Feststellungsklage hätten erheben können, braucht nicht entschieden zu werden. Denn anders als § 199 Abs. 1 BGB knüpft § 439 HGB den Beginn der kurzen Verjährung gerade nicht an das Entstehen des Schadens, sondern allein – § 439 Abs. 2 S. 1 HGB – an den Ablauf des Tages, an dem das Gut abgeliefert wurde. Angesichts dieser unzweideutigen Regelung ist es bei notwendiger Beachtung des möglichen Wortsinns als Auslegungsgrenze nicht möglich, den Verjährungsbeginn an die Entstehung des Schadens zu knüpfen. Der Gesetzgeber hat auf eine solche weitere Differenzierung bewusst verzichtet und allein an den Ablauf des Tages der tatsächlichen Ablieferung angeknüpft, weil dieser Moment für beide Vertragsparteien deutlich erkennbar ist. Die Norm soll gerade wegen der nach Jahr und Tag schwierigen Beweislage im Falle eines Umzugsvertrages dafür sorgen, dass innerhalb kurzer Zeit Rechtsklarheit entsteht und sich auch der Transportunternehmer darauf verlassen kann, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Andresen/Valder, a.a.O., § 439 Rdnr. 20-22). Abweichend von der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung sind dem Recht auch anderweitig Verjährungsregelungen nicht fremd, wo Beginn und Ablauf der Verjährung unabhängig von der Schadensentstehung sind, die Verjährung mithin bei Schadensentstehung schon eingetreten sein kann. So war etwa für die Anwaltshaftung in § 51 b BRAO a.F. bis einschließlich 2004 geregelt, dass die dort dreijährige Verjährungsfrist zwar im Grundsatz mit der Entstehung des Anspruchs begann, unabhängig davon aber spätestens mit dem Mandatsende (absolute Grenze für den Beginn der Verjährung auch im Falle der sog. Sekundärverjährung).

Soweit in der Literatur gefordert wird, im Falle des § 439 HGB solle die Verjährung abweichend von der getroffenen Regelung ein bzw. drei Jahre nach Entstehen des Anspruchs beginnen (Koller, a.a.O., § 439 HGB Rdnr. 20), handelt es sich um eine Forderung an den Gesetzgeber, die angesichts der aufgezeigten Auslegungsgrenze nicht durch Richterspruch verwirklicht werden kann.

Es ist im Übrigen nicht streitig, dass die besonderen Verjährungsvorschriften der §§ 451, 439 HGB alle Ansprüche aus der Beförderung – gleich gegen wen und aus welchem Rechtsgrund – erfassen, einschließlich etwaiger außervertraglicher Ansprüche (vgl. nur Baumbach/Hopt/Merkt, aaO., § 439 RdNr. 1 und Andresen/Valder, aaO., § 439 HGB RdNr. 1 f).

c)
Es ist auch nicht treuwidrig, dass sich der Beklagte zu 1. hier auf Verjährung beruft.

Wegen der dargestellten kurzen Verjährungsfrist – unabhängig von der Kenntnis oder Erkennbarkeit eines Schadens – kann allerdings im Einzelfall das Berufen auf den Eintritt der Verjährung arglistig sein und deshalb nach § 242 BGB ausnahmsweise ausscheiden. Unzulässig ist danach die Verjährungseinrede, wenn der Schuldner den Gläubiger von der rechtzeitigen Klagerhebung abgehalten hat (Andresen/Falter, aaO., § 439 HGB RdNr. 38).

Ersichtlich liegt ein solcher Fall hier aber nicht vor. Es handelt sich geradezu um den Normalfall, wo die kurze Verjährungsfrist sicherstellen soll, dass ein Jahr nach Ablieferung auch für den Transportunternehmer Rechtsicherheit eintritt. Es liegt auf der Hand, dass nach Jahr und Tag nur schwierig entschieden werden kann, ob ein Schaden tatsächlich noch auf ein schuldhaftes Verhalten des Transportunternehmers zurückzuführen ist. Das zeigt gerade der vorliegende Fall, bei dem in keiner Weise fern liegend ist, dass zwischenzeitlich der Eigentümer oder sonstige Dritte (Kinder, Personal) sich etwa im Zusammenhang mit Reinigungsarbeiten, mit Veränderungen an der Aufstellung der Vitrine oder im Zusammenhang mit Renovierungsarbeiten in dem Wohnzimmer selbst an dieser zu schaffen gemacht und die Einstellung der Glasplatten geändert haben könnten. Das soll nach Ablauf der Jahresfrist auch nicht mehr aufgeklärt werden müssen.

3.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.

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