Das OLG Celle definierte den Grenzwert für einen „bedeutenden Schaden“ beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort neu auf 2.000 Euro netto. Dennoch war für die drohende Entziehung der Fahrerlaubnis letztlich nicht die Schadenssumme, sondern das hartnäckige Leugnen der Tat durch die Verursacherin entscheidend.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Ab welchem Betrag gilt ein Schaden bei Fahrerflucht als „bedeutend“?
- Verliere ich meinen Führerschein, auch wenn der Schaden unter 2.000 Euro liegt?
- Wann droht bei Fahrerflucht nur ein Fahrverbot statt Führerscheinentzug?
- Wird der Grenzwert von 2.000 Euro für den Schaden netto oder brutto berechnet?
- Wie beeinflusst mein Verhalten (Leugnen/Reue) die Strafe bei Fahrerflucht?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 ORs 2/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Celle
- Datum: 21. August 2025
- Aktenzeichen: 3 ORs 2/25
- Verfahren: Revision im Strafverfahren
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Verkehrsstrafrecht
- Das Problem: Eine Fahrerin verursachte einen Unfall mit einem Sachschaden von knapp 1.800 Euro und entfernte sich unerlaubt vom Unfallort. Das Amtsgericht verhängte nur ein dreimonatiges Fahrverbot. Die Staatsanwaltschaft forderte hingegen den sofortigen Entzug des Führerscheins.
- Die Rechtsfrage: Ab welcher Schadenshöhe gilt ein Unfallschaden als so „bedeutend“, dass die Fahrerlaubnis zwingend entzogen werden muss? Und lagen ausreichende Beweise vor, dass die Fahrerin diesen bedeutenden Schaden kannte oder in Kauf nahm?
- Die Antwort: Das Urteil des Amtsgerichts wurde aufgehoben und zur Neuverhandlung zurückverwiesen. Das Amtsgericht muss den Fall erneut prüfen. Es muss genauer feststellen, welchen konkreten Schadensumfang die Fahrerin beim Wegfahren für möglich hielt.
- Die Bedeutung: Das Gericht legt eine wichtige Orientierung für die Zukunft fest. Es tendiert dazu, die Schwelle für den „bedeutenden Schaden“ bei Unfallflucht auf einen Richtwert von circa 2.000 Euro netto zu setzen. Damit lehnt das Gericht höhere Wertansätze ab, die oft von den Vorinstanzen angenommen wurden.
Der Fall vor Gericht
Wann kostet eine Fahrerflucht den Führerschein?
Der erste Fehler war ein unachtsamer Spurwechsel, der zu einem Lackschaden führte. Der zweite Fehler war die Flucht vom Unfallort. Doch der entscheidende Fehler der Fahrerin war ihr Verhalten an einer roten Ampel, als die geschädigte Zeugin sie einholte.

Ihre Weigerung, den Schaden auch nur anzusehen, katapultierte einen alltäglichen Verkehrsunfall vor das Oberlandesgericht Celle. Es ging nicht mehr nur um den Blechschaden, sondern um eine Frage mit weitreichenden Konsequenzen: Wann entlarvt ein solches Verhalten den Charakter eines Fahrers – und kostet ihn den Führerschein?
Was war das erste Urteil und warum war die Staatsanwaltschaft unzufrieden?
Eine Fahrerin verursachte durch einen plötzlichen Spurwechsel eine Kollision. Am Fahrzeug der hinter ihr fahrenden Zeugin entstand ein Lackschaden. Die Verursacherin fuhr weiter. Die Geschädigte holte sie an einer Ampel ein und konfrontierte sie. Die Unfallfahrerin bestritt alles und setzte ihre Fahrt fort, ohne eine Schadensprüfung abzuwarten. Der Schaden wurde später auf 1.792,20 Euro netto beziffert.
Das Amtsgericht Hildesheim verurteilte die Frau wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, einer Straftat nach § 142 des Strafgesetzbuches (StGB). Die Strafe: 40 Tagessätze zu je 40 Euro und ein dreimonatiges Fahrverbot gemäß § 44 StGB. Den Führerschein entzog das Gericht ihr nicht. Es sah die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht als erfüllt an. Die Fahrerin war zuvor nie straf- oder verkehrsrechtlich aufgefallen und zeigte im Prozess Reue.
Die Staatsanwaltschaft sah das anders. Sie legte Revision ein. Ihre Argumentation war klar: Ein Schaden von fast 1.800 Euro ist ein „Bedeutender Schaden“ im Sinne des Gesetzes. Bei einem solchen Schaden ist die Entziehung der Fahrerlaubnis die Regel, nicht die Ausnahme. Das milde Urteil des Amtsgerichts sei ein Rechtsfehler.
Warum hob das Oberlandesgericht die Entscheidung auf?
Das Oberlandesgericht Celle kassierte das Urteil des Amtsgerichts im Punkt der Fahrerlaubnis. Die Richter fanden einen fundamentalen Mangel in der Begründung. Das Amtsgericht hatte zwar festgestellt, die Fahrerin habe den Eintritt eines Schadens „billigend in Kauf genommen“. Das war dem OLG zu wenig. Eine solche Formulierung ist eine juristische Leerformel.
Der entscheidende Punkt war: Welche Schadenshöhe hatte die Fahrerin sich konkret vorgestellt, als sie einfach weiterfuhr? Dachte sie an einen Kratzer für 200 Euro oder rechnete sie mit einem Schaden im vierstelligen Bereich? Ohne eine klare Feststellung zu diesem Vorstellungsbild konnte das OLG nicht prüfen, ob die gesetzliche Regelvermutung für die Entziehung der Fahrerlaubnis greift. Das Gesetz verlangt hier eine präzise Begründung, die eine rechtliche Nachprüfung erlaubt (§ 267 Abs. 6 S. 1 Strafprozessordnung). Das Urteil war an dieser Stelle lückenhaft. Die Sache musste neu verhandelt werden.
Ab wann gilt ein Schaden bei Unfallflucht als „bedeutend“?
Das OLG Celle nutzte die Gelegenheit, um eine der umstrittensten Fragen im Verkehrsrecht neu zu beleuchten: Wo liegt die finanzielle Grenze für einen „bedeutenden Schaden“? Frühere Urteile setzten diese Grenze oft bei 1.300 Euro oder später bei 1.500 bis 1.800 Euro an. Diese Werte sind angesichts gestiegener Preise und explodierender Reparaturkosten veraltet.
Das Gericht wog verschiedene Faktoren ab: die allgemeine Inflation, die besondere Kostenentwicklung in Kfz-Werkstätten und die durchschnittlichen Einkommen. Eine rein mathematische Anpassung an einen Index lehnten die Richter ab. Das würde zu ständigen Neuberechnungen und Rechtsunsicherheit führen.
Stattdessen legte der Senat eine neue, praxisnahe Leitlinie vor. Er deutete an, dass künftig ein Richtwert von 2.000 Euro als angemessene Schwelle für die Annahme eines bedeutenden Schadens dienen könnte. Der hier entstandene Schaden von 1.792,20 Euro liegt knapp darunter.
Kann der Führerschein auch bei geringerem Schaden entzogen werden?
Ja. Das OLG stellte klar, dass die starre Schadensgrenze nicht das einzige Kriterium ist. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis kommt auch dann in Betracht, wenn die Tat selbst und das Verhalten des Täters eine besondere Gleichgültigkeit und charakterliche Mängel offenbaren. Juristen sprechen hier von einem „unbenannten Fall“ der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen (§ 69 Abs. 1 StGB).
Das Verhalten der Fahrerin im vorliegenden Fall lieferte dafür Anhaltspunkte. Sie flüchtete nicht nur, sie leugnete den Unfall auch hartnäckig, als sie direkt darauf angesprochen wurde. Sie zeigte keinerlei Interesse an der Klärung. Ein solches Verhalten kann die Annahme rechtfertigen, dass jemandem die charakterliche Eignung zum Führen eines Fahrzeugs fehlt – unabhängig von der exakten Schadenshöhe.
Das Amtsgericht hatte diesen Aspekt in seiner Gesamtwürdigung nicht ausreichend berücksichtigt. Eine andere Abteilung des Gerichts muss den Fall nun erneut prüfen. Sie muss aufklären, was genau die Fahrerin über den möglichen Schaden dachte und ihr gesamtes Verhalten neu bewerten. Erst dann wird endgültig entschieden, ob sie ihren Führerschein behalten darf.
Die Urteilslogik
Der Entzug der Fahrerlaubnis bei Unfallflucht hängt nicht nur von der Höhe des Schadens ab, sondern maßgeblich von der charakterlichen Haltung des Täters zur Verantwortung.
- [Neuer Richtwert für bedeutenden Schaden]: Die Schwelle für einen „bedeutenden Schaden“, der typischerweise den Führerscheinentzug nach sich zieht, verschiebt sich angesichts stark gestiegener Reparaturkosten auf einen Richtwert von etwa 2.000 Euro.
- [Subjektive Feststellung des Täters]: Eine Entziehung der Fahrerlaubnis setzt voraus, dass das Gericht präzise ermittelt, welche konkrete Schadenshöhe der Täter im Moment seiner Flucht subjektiv annahm oder billigend in Kauf nahm.
- [Ungeeignetheit durch Gleichgültigkeit]: Weist das Verhalten eines Fahrers nach der Kollision eine tiefgreifende Gleichgültigkeit oder hartnäckige Leugnung auf, manifestiert dies die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen, unabhängig von der exakten Schadenssumme.
Die Gesamtbewertung des Täterverhaltens entscheidet über die Frage, ob ein Fahrverbot ausreicht oder die Fahrerlaubnis zwingend entzogen werden muss.
Benötigen Sie Hilfe?
Ist der angenommene Grenzwert des bedeutenden Schadens in Ihrem Fall korrekt angesetzt? Lassen Sie Ihren Fall auf Basis dieser neuen Rechtsprechung rechtlich einschätzen.
Experten Kommentar
Viele denken, bei der Fahrerflucht geht es nur um eine klare Euro-Grenze. Das OLG Celle hat zwar einen neuen Richtwert von 2.000 Euro für den „bedeutenden Schaden“ angedeutet, doch die eigentliche Gefahr lauert im eigenen Verhalten. Die Richter machen unmissverständlich klar: Die reine Schadenshöhe ist nicht der einzige Gradmesser für den Entzug des Führerscheins. Wer nach einem Unfall konsequent leugnet oder sich weigert, den Schaden auch nur anzusehen, zeigt eine Gleichgültigkeit, die die charakterliche Eignung für den Straßenverkehr infrage stellt. Wer meint, er kann einen Unfall ignorieren, riskiert den Führerschein, auch wenn die 2.000-Euro-Grenze knapp unterschritten wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ab welchem Betrag gilt ein Schaden bei Fahrerflucht als „bedeutend“?
Die Justiz hat den finanziellen Grenzwert für einen bedeutenden Schaden bei Fahrerflucht neu diskutiert. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle schlug in einer Leitlinie einen Richtwert von 2.000 Euro netto vor. Erreicht der Schaden diese Schwelle, gilt die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in der Regel als zwingend.
Dieser neue Richtwert reagiert auf die stark gestiegenen Reparaturkosten und die allgemeine Inflation der vergangenen Jahre. Zuvor nutzten Gerichte oft niedrigere Grenzen, beispielsweise 1.300 Euro oder 1.500 Euro. Das OLG Celle befand diese alten Schwellenwerte als nicht mehr zeitgemäß, um die tatsächliche Schwere eines Unfallschadens angemessen zu beurteilen. Eine starre, automatische Indexanpassung der Grenze lehnten die Richter jedoch ab, da dies zu ständiger juristischer Rechtsunsicherheit führen würde.
Der Richtwert von 2.000 Euro dient als klare juristische Marke für die sogenannte Regelvermutung, bei der das Gericht die Entziehung des Führerscheins normalerweise anordnen muss. Liegt der Schaden knapp darunter, ist die Entziehung nicht automatisch vom Tisch. Gerichte bewerten zusätzlich das Verhalten des Fahrers am Unfallort, etwa wenn jemand den Schaden hartnäckig leugnet oder ignoriert.
Wenn ein Strafbefehl eintrifft, prüfen Sie sofort den Nettobetrag des Schadens, um das Risiko eines Führerscheinentzugs korrekt einzuschätzen.
Verliere ich meinen Führerschein, auch wenn der Schaden unter 2.000 Euro liegt?
Der Führerscheinentzug hängt nicht allein von der Höhe des Blechadens ab, sondern maßgeblich von Ihrem Verhalten am Unfallort. Selbst wenn der Schaden unter der aktuellen Richtlinie von 2.000 Euro liegt, kann das Gericht die Fahrerlaubnis entziehen. Dies geschieht, wenn festgestellt wird, dass Ihnen die charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt.
Die Regelvermutung des Paragraphen 69 Absatz 2 des Strafgesetzbuches greift zwar primär bei einem bedeutenden Schaden über 2.000 Euro. Die Gerichte prüfen jedoch immer auch den sogenannten unbenannten Fall der Ungeeignetheit gemäß Absatz 1. Dieses Kriterium erlaubt es, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn die Tat oder die Reaktion darauf eine besondere Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Eigentum oder der Rechtsordnung erkennen lässt. Das Gericht bewertet in diesem Rahmen die gesamte Persönlichkeit des Täters.
Konkret wird das Verhalten direkt nach der Kollision bewertet. Hartnäckiges Leugnen des Unfalls oder die Weigerung, den verursachten Schaden auch nur anzusehen, dienen als Gleichgültigkeitsbeweis. Das Gericht nimmt eine umfassende Gesamtwürdigung aller Umstände vor. Eine nachträgliche Regulierung des Schadens kann das am Unfallort gezeigte Verhalten nicht nachträglich neutralisieren, denn das initiale Fehlverhalten bleibt als starkes Indiz für die fehlende Eignung bestehen.
Sichern Sie alle Beweise, die Ihre Reue und Ihr Bemühen zur Klärung unmittelbar nach dem Unfall dokumentieren, um eine Feststellung charakterlicher Mängel zu vermeiden.
Wann droht bei Fahrerflucht nur ein Fahrverbot statt Führerscheinentzug?
Ein zeitlich begrenztes Fahrverbot nach § 44 StGB droht, wenn die strengeren Voraussetzungen für den dauerhaften Führerscheinentzug nicht erfüllt sind. Dies ist primär der Fall, wenn der verursachte Schaden unter dem aktuellen Richtwert von 2.000 Euro liegt und dem Täter eine positive Sozialprognose gestellt wird. Entscheidend ist die juristische Gesamtwürdigung, die die tatsächliche Schadenshöhe und Ihr Vorleben berücksichtigt.
Gerichte verhängen das mildere Fahrverbot, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht zwingend erscheint. Der wichtigste Faktor ist das Fehlen eines sogenannten bedeutenden Schadens, dessen Grenze das Oberlandesgericht Celle aktuell bei 2.000 Euro sieht. Liegt der Schaden darunter, greift die automatische Regelvermutung für den Entzug des Führerscheins nicht. Richter prüfen zudem, ob Sie zuvor straf- oder verkehrsrechtlich unauffällig waren und ob eine positive charakterliche Entwicklung zu erwarten ist.
Ein Beispiel dafür lieferte das Amtsgericht Hildesheim, das eine Fahrerin bei einem Nettoschaden von 1.792,20 Euro verurteilte. Da die Fahrerin im Prozess glaubhafte Reue zeigte und keine Vorstrafen hatte, verhängte das Gericht lediglich 40 Tagessätze und ein dreimonatiges Fahrverbot. Allerdings zeigte dieser Fall auch das Revisionsrisiko auf: Die Staatsanwaltschaft legte sofort Berufung ein, weil sie den Schaden als zu hoch und das Urteil als zu milde empfand, was eine Neuverhandlung erzwang.
Lassen Sie sofort durch Ihren Anwalt prüfen, ob die festgestellte Schadenshöhe wirklich unter der kritischen 2.000-Euro-Grenze liegt und ob Ihre Akte eine positive Prognose zulässt.
Wird der Grenzwert von 2.000 Euro für den Schaden netto oder brutto berechnet?
Die juristische Bewertung des „bedeutenden Schadens“ orientiert sich fast immer am Nettobetrag der reinen Wiederherstellungskosten. Die Schwelle von 2.000 Euro, die das Oberlandesgericht Celle als neuen Richtwert vorgeschlagen hat, ist daher eine Netto-Größe. Dieser Betrag bildet die tatsächliche Schadenssubstanz ab, also die Kosten ohne die Mehrwertsteuer, und ist maßgeblich für die strafrechtliche Einordnung.
Die Nettokosten spiegeln die tatsächlichen Material- und Arbeitskosten wider, die für die Schadensbeseitigung notwendig sind. Sie dienen als primäre Bezugsgröße, weil die Mehrwertsteuer (Brutto) nur dann relevant ist, wenn der Geschädigte sie tatsächlich an die Werkstatt zahlen muss. Ist der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt, spielt die Umsatzsteuer für die juristische Beurteilung der Erheblichkeit des Schadens keine Rolle. Nur die Netto-Größe definiert somit die rein materiellen Auswirkungen der Fahrerflucht.
Dieser Fokus auf den Nettowert ist entscheidend, um die Regelvermutung für den Führerscheinentzug auszulösen. Im untersuchten Gerichtsfall wurde der exakte Schaden mit 1.792,20 Euro netto beziffert. Obwohl dieser Wert knapp unter den 2.000 Euro lag, kann das Gericht den Gesamtkontext und auch einen sehr hohen Bruttoschaden bei knapper Unterschreitung in seine Gesamtwürdigung miteinbeziehen. Die 2.000 Euro (netto) definieren jedoch die Schwelle für die automatische Führerscheinentziehung.
Wenn Ihnen ein Schadensgutachten vorliegt, gleichen Sie unbedingt den festgestellten Reparaturkosten Nettobetrag mit der kritischen Schwelle von 2.000 Euro ab.
Wie beeinflusst mein Verhalten (Leugnen/Reue) die Strafe bei Fahrerflucht?
Das Verhalten direkt nach der Fahrerflucht und im späteren Prozess wirkt sich massiv auf die Strafzumessung aus. Hartnäckiges Leugnen des Unfalls oder die demonstrative Weigerung, sich um den Schaden zu kümmern, dient Gerichten als starkes Indiz für die charakterliche Ungeeignetheit. Diese Bewertung kann selbst bei geringeren Schadenshöhen zum Entzug des Führerscheins führen. Der Fokus verschiebt sich weg von der reinen Schadenshöhe hin zur Frage der Verantwortung.
Gerichte prüfen nicht nur die Höhe des Blechschadens, sondern vor allem, ob der Täter die charakterliche Eignung zum Führen eines Fahrzeugs vermissen lässt. Wer an der Unfallstelle Gleichgültigkeit zeigt, indem er den Schaden ignoriert oder das Geschehen abstreitet, liefert einen Beweis für mangelnde Verantwortung. Das Oberlandesgericht Celle betonte, dass diese Gleichgültigkeit eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB rechtfertigen kann, weil das Verhalten die charakterlichen Mängel offenbart.
Für die richterliche Bewertung ist außerdem entscheidend, was Sie sich im Moment der Flucht an Schadenshöhe vorgestellt haben. Nehmen wir an: Eine Fahrerin im OLG-Fall katapultierte ihren Fall erst vor das höhere Gericht, weil sie den Unfall hartnäckig abstritt, als sie direkt konfrontiert wurde. Die Richter werteten die Weigerung, den Schaden auch nur anzusehen, als direkten Beleg für ihre Eignungslücke. Das initiale Fehlverhalten am Unfallort wiegt somit oft schwerer als nachträglich gezeigte Reue.
Lassen Sie durch Ihren Anwalt eine detaillierte psychologische Würdigung Ihres Verhaltens (etwa Schocksituation) vorlegen, um die richterliche Feststellung der „besonderen Gleichgültigkeit“ aktiv zu entkräften.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Bedeutender Schaden
Der bedeutende Schaden bezeichnet im Kontext der Fahrerflucht eine Schadenshöhe, ab der das Gesetz die Entziehung der Fahrerlaubnis regelmäßig als zwingend ansieht. Dieses Kriterium hilft der Justiz, die Schwere der Tat objektiv zu messen, wobei die aktuelle Rechtsprechung den Nettowert von 2.000 Euro als relevanten Richtwert ansieht. Juristen nutzen die Höhe des Schadens, um festzustellen, ob die Regelvermutung für den Führerscheinentzug greift.
Beispiel: Im vorliegenden Fall lag der festgestellte Nettoschaden von 1.792,20 Euro knapp unter der vom OLG Celle vorgeschlagenen Schwelle für einen bedeutenden Schaden, weshalb die automatische Führerscheinentziehung zunächst nicht eintrat.
Entziehung der Fahrerlaubnis
Die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) ist eine strafrechtliche Maßnahme, bei der die Behörde dem Verurteilten die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen dauerhaft aberkennt. Durch diese Sanktion soll die Allgemeinheit vor Kraftfahrern geschützt werden, die sich aufgrund ihrer charakterlichen oder fachlichen Mängel als ungeeignet für den Straßenverkehr erwiesen haben. Im Gegensatz zum Fahrverbot wird hier der Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung verhängt.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft forderte die Entziehung der Fahrerlaubnis, weil sie das Verhalten der Fahrerin nach der Kollision an der Ampel als Beweis für ihre charakterliche Ungeeignetheit ansah.
Regelvermutung
Juristen nennen die Regelvermutung ein gesetzliches Prinzip, bei dem unter bestimmten, klar definierten Umständen – wie einem bedeutenden Schaden bei Fahrerflucht – die Entziehung der Fahrerlaubnis als die zwingende Konsequenz gilt. Das Gesetz legt damit fest, dass bei besonders schweren Vergehen die Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Fahrzeugs angenommen wird, es sei denn, es liegen seltene Ausnahmen vor, die diese Vermutung widerlegen. Dadurch wird eine einheitliche und strenge Bestrafung bei schweren Delikten sichergestellt.
Beispiel: Das Amtsgericht prüfte im Ausgangsurteil, ob die Regelvermutung des Paragraphen 69 Absatz 2 StGB wegen der Schadenshöhe ausgelöst wurde oder ob nur ein milderes Fahrverbot anzuwenden war.
Tagessatz
Ein Tagessatz ist die Maßeinheit, mit der die Höhe einer Geldstrafe im deutschen Strafrecht bestimmt wird, wobei die Gesamtstrafe durch die Multiplikation der Anzahl der Tagessätze mit dem individuellen Vermögen des Täters berechnet wird. Dieses System gewährleistet, dass eine Geldstrafe Täter mit unterschiedlichem Einkommen gleich hart trifft, da die Höhe des einzelnen Satzes an die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten angepasst wird.
Beispiel: Die Fahrerin wurde zunächst zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt, was nach dieser Berechnung einer Gesamtstrafe von 1.600 Euro entspricht.
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB), landläufig als Fahrerflucht bezeichnet, ist eine Straftat, bei der sich ein Unfallbeteiligter vom Ort des Geschehens entfernt, bevor er seine Personalien feststellen ließ und die notwendige Wartepflicht erfüllt hat. Die Norm soll gewährleisten, dass die zivilrechtliche Schadensregulierung möglich ist und Geschädigte nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben, indem der Unfallverursacher zur Aufklärung des Geschehens verpflichtet wird.
Beispiel: Aufgrund des unerlaubten Entfernens vom Unfallort und der Hartnäckigkeit, den Schaden zu leugnen, musste die Fahrerin mit einer deutlich härteren Strafe rechnen, als es der reine Blechschaden allein vermuten ließ.
Unbenannter Fall der Ungeeignetheit
Der unbenannte Fall der Ungeeignetheit ist die juristische Bezeichnung für eine Situation, in der dem Täter die Fahrerlaubnis entzogen wird, weil sein Verhalten charakterliche Mängel oder eine generelle Gleichgültigkeit offenbart, ohne dass die Voraussetzungen der strengen Regelvermutung erfüllt sein müssen. Dieses zusätzliche Kriterium erlaubt es den Richtern, die Fahrerlaubnis auch dann zu entziehen, wenn die Schadenshöhe geringer ist, aber die Gesamtbetrachtung der Tat zeigt, dass dem Fahrer die notwendige Verantwortung im Straßenverkehr fehlt.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Celle betonte, dass der unbenannte Fall der Ungeeignetheit greifen könnte, da die Fahrerin den Unfall an der Ampel hartnäckig abstritt und dadurch eine besondere Gleichgültigkeit gegenüber dem Fremdschaden zeigte.
Das vorliegende Urteil
OLG Celle – Az: 3 ORs 2/25 – Urteil vom 21.August 2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





