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Unfall beim Überholen: Wer hat Schuld? Beweislast für zu geringen Seitenabstand

Bei einem Unfall beim Überholen auf einer breiten Straße klagte der Fahrer des überholten Wagens auf 100 Prozent Schadensersatz wegen zu geringen Seitenabstands. Trotz der erhöhten Sorgfaltspflicht des Überholenden konnte das Gericht den Anscheinsbeweis gegen ihn nicht anwenden.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 25 U 85/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Kammergericht Berlin
  • Datum: 14.11.2024
  • Aktenzeichen: 25 U 85/24
  • Verfahren: Beabsichtigte Zurückweisung der Berufung
  • Rechtsbereiche: Verkehrsunfallrecht, Beweisrecht, Straßenverkehrsrecht

  • Das Problem: Ein Autofahrer überholte einen anderen Wagen auf einer breiten Straße, wobei es zur Kollision kam. Die Gegenseite wollte erreichen, dass der Überholende die größere Schuld am Unfall trägt.
  • Die Rechtsfrage: Muss der Fahrer, der überholt hat, eine höhere Schuld am Unfall tragen, weil er angeblich zu wenig Abstand gehalten oder unzulässig die Fahrspur gewechselt hat?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht hält die erhöhte Schuld des Überholenden für nicht bewiesen. Die breite Straße bot Platz für zwei Fahrspuren, und die Gegenseite konnte den angeblich zu geringen Seitenabstand nicht konkret belegen.
  • Die Bedeutung: Wer einem überholenden Fahrer eine erhöhte Schuld zuweisen will, muss den Verkehrsverstoß (wie z. B. unzureichenden Abstand) konkret beweisen. Eine bloße Behauptung oder der Unfall selbst reichen dafür in der Regel nicht aus.

Der Fall vor Gericht


Warum beweist ein Unfall nicht automatisch die Schuld des Überholenden?

Ein Überholmanöver, eine Kollision. Für viele scheint der Fall klar: Wer überholt, trägt eine besondere Verantwortung und hat bei einem Unfall wahrscheinlich einen Fehler gemacht. Mit genau dieser Annahme zog ein Unfallbeteiligter vor Gericht, um die Schuldfrage neu zu klären. Er setzte auf den sogenannten Anscheinsbeweis – die Idee, dass der Unfallhergang für sich selbst spricht. Doch das Kammergericht Berlin erteilte dieser vereinfachten Logik eine Absage. Es erklärte, warum ein Zusammenstoß beim Überholen nicht automatisch die Schuld des Überholenden beweist.

Die Unfallstelle: Hier wird die erhöhte Sorgfaltspflicht des Überholenden und der unzureichende Seitenabstand verhandelt.
Unfall beim Überholen beweist nicht automatisch die Schuld des Überholenden. | Symbolbild: KI

Der Unfallgegner argumentierte, der Überholende müsse eine Sorgfaltspflicht verletzt haben, sonst wäre es nicht zum Unfall gekommen. Ein solcher Anscheinsbeweis würde die Beweislast umkehren. Der Überholende müsste dann beweisen, dass er alles richtig gemacht hat. Die Richter des Kammergerichts sahen das anders. Sie stellten klar, dass die Rechtsprechung einen solchen Automatismus ablehnt. Zwar muss ein Überholender besonders aufpassen. Ein Unfall allein ist aber kein Beweis für sein Verschulden. Die Gerichte müssen immer die konkreten Umstände des Einzelfalls prüfen. Der pauschale Vorwurf reicht nicht aus.

Wie bestimmt ein Gericht, ob eine breite Straße eine oder zwei Spuren hat?

Der zentrale Streitpunkt war die Beschaffenheit der Straße. Der Unfallgegner behauptete, der Kläger habe ihn verbotenerweise „innerhalb desselben Fahrstreifens“ überholt. Ob das stimmte, hing von einer simplen Frage ab: Wie viele Fahrstreifen hatte die Straße eigentlich? Eine Markierung fehlte.

Das Gericht griff auf die Definition des Gesetzes zurück. Ein Fahrstreifen ist der Teil der Fahrbahn, den ein Auto zum Fahren braucht, so steht es in der Straßenverkehrs-Ordnung (§ 7 Abs. 1 StVO). Die Richter stellten fest, dass die Fahrbahn in die jeweilige Richtung rund sechs Meter breit war. Unter Berufung auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs legte das Kammergericht fest: Eine solche Breite genügt, um von zwei Fahrstreifen auszugehen. Zwei normale Autos können hier problemlos nebeneinander fahren.

Zusätzliche Beweise untermauerten diese Einschätzung. Der überholende Fahrer hatte ein Foto eingereicht, das zwei Pkw nebeneinander auf der Strecke zeigte. Auch Aufnahmen aus Google Street View dokumentierten solche Situationen. Der entscheidende Punkt war aber eine Aussage des Unfallgegners selbst. In seiner Anhörung hatte er bestätigt, dass für beide Fahrtrichtungen zwei Spuren vorhanden seien. Damit war sein eigenes Argument, der Kläger habe innerhalb eines Fahrstreifens überholt, vom Tisch. Das Gericht stufte die Behauptung als nicht substantiiert ein.

Wer muss einen zu geringen Seitenabstand beweisen?

Nachdem das Argument mit dem einen Fahrstreifen gescheitert war, brachte der Unfallgegner seinen zweiten Vorwurf vor: Der Überholende habe den erforderlichen seitlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten. Das Gesetz schreibt hier einen „ausreichenden Seitenabstand“ vor (§ 5 Abs. 4 StVO), ohne diesen in Metern zu definieren. Die Distanz hängt immer von den Umständen ab – Geschwindigkeit, Fahrzeugtypen, Wetter.

Hier lag der Denkfehler des Unfallgegners im Prozessrecht. Wer einem anderen einen Fehler vorwirft, der die Haftung erhöht, muss diesen Fehler auch beweisen. Der Unfallgegner behauptete nur pauschal, der Abstand sei zu gering gewesen. Er legte keine konkreten Fakten vor. Er sagte nicht, wie groß der Abstand war oder wie groß er hätte sein müssen. Diese bloße Behauptung genügte dem Gericht nicht.

Der überholende Fahrer konnte sich zwar nicht mehr exakt an den Abstand erinnern – „schwer zu sagen“, gab er zu Protokoll. Er lieferte aber ein nachvollziehbares Argument: Er sei sich sicher, dass er an dieser Stelle auch einen breiteren Kastenwagen hätte überholen können. Das Gericht wertete seine Erinnerungslücke nicht als Eingeständnis eines Fehlers. Die Beweislast lag beim Unfallgegner, und dieser konnte sie nicht erfüllen.

Der Senat kündigte an, die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung des Landgerichts, das dem Überholenden keinen haftungserhöhenden Verkehrsverstoß anlastete, hatte Bestand.

Die Urteilslogik

Die Rechtsprechung lehnt einen Automatismus bei der Schuldzuweisung nach Verkehrsunfällen strikt ab und verlangt die lückenlose Klärung der tatsächlichen Gegebenheiten.

  • Die Anscheinsbeweis-Falle vermeiden: Ein bloßer Unfall beim Überholvorgang begründet noch keinen Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Überholenden, denn Gerichte müssen stets die individuellen Sorgfaltspflichten und die konkreten Umstände des Einzelfalls analysieren.
  • Fahrstreifen nach Breite definieren: Die Anzahl der Fahrstreifen bestimmt sich primär nach der tatsächlichen Fahrbahnbreite und dem verfügbaren Raum für Kraftfahrzeuge. Eine Fahrbahn gilt als mehrspurig, wenn ihre Breite ausreicht, damit zwei Normalfahrzeuge problemlos nebeneinander fahren können, selbst wenn keine Markierungen existieren.
  • Beweislast für Abstandsklagen: Wer dem Unfallgegner die Verletzung einer spezifischen Pflicht – etwa den Verstoß gegen den erforderlichen Seitenabstand – vorwirft, muss die konkreten Fakten darlegen und die Beweislast tragen. Eine pauschale Anschuldigung entbindet den Kläger nicht von seiner Substantiierungspflicht.

Für die Klärung der Haftungsquote ist entscheidend, dass alle Prozessparteien ihre Behauptungen präzise belegen und nicht auf vereinfachte Vermutungen vertrauen.


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Experten Kommentar

Im Prozessrecht sehen wir oft den Irrglauben, dass eine Kollision beim Überholen die Schuldfrage quasi von selbst klärt. Doch dieses Urteil ist ein klares Signal an alle Unfallbeteiligten: Der Anscheinsbeweis greift hier nicht automatisch, da die Gerichte die konkreten Umstände stets im Detail prüfen müssen. Wer einen Verstoß, wie beispielsweise einen zu geringen Seitenabstand, geltend macht, muss diesen konkret beweisen. Die bloße Behauptung eines Fehlers reicht nicht aus, um die Beweislast umzukehren – das ist die zentrale Lektion für jeden, der nach einem Verkehrsunfall vor Gericht nicht nur auf das Bauchgefühl hoffen will.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Bin ich bei einem Unfall als Überholender automatisch haftbar?

Nein, die bloße Tatsache, dass Sie überholt haben, führt nicht automatisch zu Ihrer Haftung oder Ihrem Verschulden. Obwohl die Sorgfaltspflicht beim aktiven Überholmanöver nach der Straßenverkehrs-Ordnung besonders hoch ist, lehnen Gerichte den vereinfachten Anscheinsbeweis ab. Ihr Unfallgegner muss konkrete Beweise für eine von Ihnen begangene Sorgfaltspflichtverletzung vorlegen.

Die besondere Verantwortung aus § 5 StVO verpflichtet Überholende zu erhöhter Vorsicht, bedingt jedoch keine automatische Umkehrung der Beweislast zu Ihren Lasten. Die Rechtsprechung anerkennt keinen Automatismus, der besagt, dass ein Überholunfall nur durch die Schuld des Überholenden entstehen kann. Gerichte müssen stets die konkreten Umstände des Einzelfalls prüfen, statt sich auf einen pauschalen Vorwurf zu verlassen.

Ihr Unfallgegner muss die gesamte Beweislast dafür tragen, welche konkreten Vorschriften Sie verletzt haben, beispielsweise das Nichteinhalten des ausreichenden Seitenabstands. Argumentiert die Gegenseite lediglich, der Unfall wäre ohne Ihr Zutun „sonst nicht passiert“, akzeptiert das Gericht diese vereinfachte Logik nicht. Der Unfall allein beweist demnach nicht automatisch Ihr Verschulden.

Sichern Sie alle verfügbaren Beweise, die Ihre korrekte Fahrweise und die Einhaltung aller Regeln belegen, um die Notwendigkeit des Anscheinsbeweises von vornherein zu untergraben.


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Reicht der Anscheinsbeweis aus, um die Schuld beim Überholunfall zu beweisen?

Nein, der Anscheinsbeweis greift bei einem Überholunfall in der Regel nicht automatisch. Das Kammergericht Berlin lehnte diesen vereinfachten Beweisweg explizit ab. Der Unfallhergang ist beim Überholen oft nicht so eindeutig, dass er eine automatische Sorgfaltspflichtverletzung des Überholenden belegt. Wer die Haftung durch das Standardargument des Anscheinsbeweises schnell auf den Überholenden abwälzen will, wird scheitern.

Die Richter verhindern damit eine unzulässige Umkehrung der Beweislast. Gerichte wenden den Anscheinsbeweis nur an, wenn der Unfallverlauf nach der Lebenserfahrung absolut typisch für eine bestimmte Pflichtverletzung ist. Bei Überholvorgängen sind die möglichen Fehlerquellen jedoch zu vielfältig, um von einem solchen Automatismus auszugehen. Die Rechtsprechung anerkennt keinen Automatismus, der besagt, dass ein Überholunfall nur durch die Schuld des aktiven Fahrers entstehen kann.

Der Anscheinsbeweis würde nur greifen, wenn ein Unfall ohne Fehler des Überholenden niemals hätte passieren dürfen – dies verneinten die Richter in ihrem Urteil. Folglich trägt der Kläger die gesamte Beweislast für die geltend gemachte Pflichtverletzung. Er muss genau belegen, welche konkrete Vorschrift, etwa ein unzureichender Seitenabstand nach § 5 Abs. 4 StVO oder zu hohe Geschwindigkeit, verletzt wurde. Sich ausschließlich auf den Unfall als solchen zu berufen, gilt als pauschaler Vorwurf und reicht nicht aus.

Stellen Sie sicher, dass Sie nicht nur den Unfall als solchen beschreiben, sondern welche konkrete Vorschrift der Überholende verletzt hat, und liefern Sie Beweise dafür.


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Wie beweise ich im Prozess, dass der Überholende den Seitenabstand nicht eingehalten hat?

Die Beweislast für das Nichteinhalten des ausreichenden Seitenabstands (§ 5 Abs. 4 StVO) liegt stets bei Ihnen als Kläger. Im Prozess reicht es nicht aus, pauschal zu behaupten, die Distanz sei subjektiv zu gering gewesen. Das Gericht verlangt stattdessen konkrete Fakten und messbare Beweise zur tatsächlichen oder geschätzten Distanz.

Wer einem anderen einen Fahrfehler vorwirft, der eine Haftung begründen soll, muss diesen Fehler auch zweifelsfrei nachweisen. Die Richter benötigen detaillierte Angaben darüber, wie groß der tatsächliche Abstand zwischen den Fahrzeugen im Überholvorgang war. Darüber hinaus müssen Sie substantiiert darlegen, welche Distanz unter den gegebenen Bedingungen (Fahrzeugtypen, Geschwindigkeit) als objektiv ausreichender Seitenabstand anzusehen gewesen wäre. Die pauschale Behauptung des Mangels genügt diesem Anspruch nicht.

Selbst wenn sich der Überholende vor Gericht nur vage an den genauen Abstand erinnern kann („schwer zu sagen“), wird dies nicht automatisch als Schuldeingeständnis gewertet. Diese Erinnerungslücke entbindet Sie nicht von Ihrer eigenen Beweispflicht. Um substanzielle Fakten zu liefern, sollten Sie einen Sachverständigen oder Verkehrsunfallanalytiker beauftragen. Dieser Experte kann mithilfe von Fotos der Unfallstelle, Reifenspuren oder dem Schadensbild den minimal möglichen Seitenabstand im Kollisionsmoment rückwirkend berechnen.

Sammeln Sie alle messbaren Daten und nutzen Sie Expertenwissen, da bloße Vermutungen die Beweislast nicht erfüllen.


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Wie bestimmt das Gericht die Anzahl der Fahrstreifen auf einer Fahrbahn ohne Markierung?

Die Anzahl der Fahrstreifen richtet sich nicht nur nach Markierungen, sondern primär nach der tatsächlichen Breite der Straße. Das Gericht prüft, wie viele Fahrzeuge die Fahrbahnkapazität realistisch zulässt. Relevant ist dabei die gesetzliche Definition des § 7 Abs. 1 StVO. Die entscheidende Frage lautet: Können zwei normale Autos bequem und sicher nebeneinander fahren, ohne sich gegenseitig zu gefährden?

Die Regelung definiert einen Fahrstreifen als den Teil der Fahrbahn, den ein Fahrzeug benötigt, um reibungslos zu fahren. Die Gerichte stützen sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, um die Mindestanforderungen an die Breite festzulegen. Eine Breite von rund sechs Metern pro Fahrtrichtung gilt dabei als ausreichend, um die Existenz von zwei Fahrstreifen anzunehmen. Ist diese ausreichende Breite der Fahrbahn gegeben, liegt kein verbotenes Überholen innerhalb desselben Fahrstreifens vor.

Konkret: Liegt die gemessene Breite im Bereich von sechs Metern, geht man von zwei Spuren aus, selbst wenn keine Linien gezogen wurden. Um diese Einschätzung zu untermauern, ziehen Richter oft zusätzliche Beweismittel heran. Fotos, Aufnahmen aus dem Straßenkataster oder Google Street View, welche die parallele Nutzung durch zwei Fahrzeuge dokumentieren, bestätigen die Kapazität der Straße. Auch widersprüchliche Aussagen des Unfallgegners zur möglichen Zweispurigkeit können die juristische Bewertung untermauern.

Messen Sie die Fahrbahnbreite exakt aus und sichern Sie visuelle Beweise, die belegen, dass zwei Fahrzeuge nebeneinander Platz finden.


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Welche konkreten Fakten muss ich vor Gericht vorlegen, um meine Behauptungen zu untermauern?

Wenn Gerichte Behauptungen als „nicht substantiiert“ einstufen, fehlen objektive Fakten, die über pauschale Vorwürfe hinausgehen. Sie müssen klare, messbare Daten liefern, welche die reine subjektive Wahrnehmung ersetzen. Konkrete Beweise sind visuelle Dokumentationen und exakte Maße, die Ihre Argumentation objektiv belegen. Bloße juristische Schlussfolgerungen oder allgemeine Schätzungen reichen für die Beweisführung niemals aus.

Das Gericht fordert eine genaue Beschreibung des Fehlers, den Sie der Gegenseite vorwerfen. Geht es beispielsweise um die Verletzung des notwendigen Seitenabstands, müssen Sie diesen Fehler quantifizieren. Es genügt nicht auszusagen, der Abstand sei zu gering gewesen. Sie müssen die konkrete Distanz in Metern benennen und darlegen, warum diese unter den spezifischen Umständen fahrlässig war. Nur durch diese substanziierte Darlegung lassen sich Ihre Behauptungen objektiv überprüfen und sind nicht lediglich unbewiesene Annahmen.

Um strittige Punkte zu klären, verwenden Sie präzise Maße und visuelle Nachweise. Wollten Sie die Existenz von zwei Fahrstreifen belegen, liefern Sie die exakte Fahrbahnbreite, zum Beispiel sechs Meter. Visuelle Beweise wie Unfallfotos oder Aufnahmen von Kartendiensten können die Nutzungskapazität der Straße untermauern. Achten Sie außerdem auf Widersprüche in der Aussage des Gegners. Bestätigt der Unfallgegner selbst einen Sachverhalt (etwa die Zweispurigkeit der Straße), der Ihrer Position zugutekommt, ist dies ein wichtiges prozessuales Indiz.

Erstellen Sie eine Tabelle der strittigen Punkte und vermerken Sie für jeden Punkt, welches exakte Maß, welche Skizze oder welches visuelle Dokument Ihre Behauptung beweisen soll.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Anscheinsbeweis

Juristen nennen den Anscheinsbeweis eine Erleichterung im Prozess, bei der ein typischer Unfallhergang vermuten lässt, dass eine bestimmte Person einen Fehler gemacht hat. Dieses juristische Werkzeug kommt zum Einsatz, wenn die Lebenserfahrung einen klaren Schluss zulässt – es erspart die detaillierte Beweisführung, wenn das Geschehene für sich spricht.
Beispiel: Das Kammergericht lehnte den Anscheinsbeweis ab, da ein Überholunfall zu vielfältige Fehlerquellen hat, um automatisch auf die Schuld des Überholenden zu schließen.

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Berufung als offensichtlich unbegründet zurückweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO)

Nach § 522 Abs. 2 ZPO kann das Gericht eine Berufung per Beschluss ablehnen, wenn es sicher ist, dass die Rechtsmittelinstanz keine Chance auf Erfolg hat und keine neue mündliche Verhandlung nötig ist. Diese Vorschrift dient der Prozessökonomie, indem sie die Gerichte entlastet und zeitaufwändige, unnötige Hauptverhandlungen in der zweiten Instanz vermeidet.
Beispiel: Der Senat des Kammergerichts kündigte an, die Berufung des Unfallgegners zurückzuweisen, weil dessen Argumente in der zweiten Instanz als offensichtlich unbegründet eingestuft wurden.

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Beweislast

Die Beweislast regelt im Zivilprozess, wer für eine bestimmte Tatsachenbehauptung Beweise vorlegen muss, um sie vor Gericht als wahr gelten zu lassen. Wer aus einer Tatsache einen rechtlichen Vorteil ziehen will, muss diese Tatsache beweisen; kann er das nicht, geht der Prozess für ihn verloren (non liquet).
Beispiel: Im vorliegenden Fall lag die Beweislast dafür, dass der Überholende den Sicherheitsabstand unterschritten hatte, vollständig beim klagenden Unfallgegner.

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Fahrstreifen (Definition nach StVO)

Ein Fahrstreifen ist nach der Straßenverkehrs-Ordnung der Teil der Fahrbahn, den ein Fahrzeug benötigt, um reibungslos zu fahren und bestimmt die reale Kapazität der Straße. Diese gesetzliche Definition ist entscheidend, um zu klären, ob auf einer unmarkierten Straße Platz für zwei Fahrzeuge nebeneinander ist und somit Überholen legal war.
Beispiel: Weil die Fahrbahnbreite von rund sechs Metern ausreichte, um zwei Pkw sicher nebeneinander fahren zu lassen, ging das Gericht von der Existenz von zwei Fahrstreifen aus.

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Nicht substantiiert (Behauptung/Argument)

Eine Behauptung gilt als nicht substantiiert, wenn sie nur pauschal aufgestellt wird, ohne dass konkrete Fakten oder messbare Details zu ihrer Untermauerung geliefert werden. Das Gericht kann eine Behauptung nur prüfen, wenn der vortragende Part so detailliert ist, dass der Gegner darauf reagieren und die Richtigkeit beweisen oder widerlegen kann.
Beispiel: Die Behauptung des Unfallgegners, der Seitenabstand sei zu gering gewesen, wurde vom Gericht als nicht substantiiert abgewiesen, weil er keine Maße oder konkreten Umstände nannte.

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Sorgfaltspflichtverletzung

Eine Sorgfaltspflichtverletzung liegt vor, wenn eine Person die im Verkehr erforderliche und vernünftigerweise erwartbare Achtung und Vorsicht außer Acht lässt. Dieses Konzept ist die Basis für die Verschuldenshaftung: Nur wer die Regeln aktiv missachtet (Fahrlässigkeit oder Vorsatz), soll für den Schaden haften.
Beispiel: Der Unfallgegner musste im Verfahren eine konkrete Sorgfaltspflichtverletzung des Überholenden nachweisen, zum Beispiel die Missachtung des ausreichenden Seitenabstands gemäß § 5 Abs. 4 StVO.

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Umkehrung der Beweislast

Die Umkehrung der Beweislast bedeutet, dass die an sich beweisbelastete Partei von dieser Pflicht entbunden wird und nun der Gegner beweisen muss, dass er keinen Fehler gemacht hat. Dies geschieht meist, wenn die beweisbelastete Partei typischerweise nicht über die nötigen Informationen verfügt, oder wenn ein Anscheinsbeweis greift.
Beispiel: Die Richter lehnten im Urteil eine unzulässige Umkehrung der Beweislast ab, da der bloße Überholvorgang keinen Automatismus für die Schuld des Überholenden darstellt.

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Das vorliegende Urteil


KG Berlin – Az.: 25 U 85/24 – Beschluss vom 14.11.2024


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