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Unfall wegen fehlerhaften PKW-Assistenzsystems – Wer haftet?

Auffahrunfall durch versagen des Notbremsassistent – Wer haftet bei Fehlfunktionen?

Die Automobilbranche befindet sich derzeitig in einem echten Wandel, was nicht nur die Kraftstoffe der Motoren betrifft. Auch das sogenannte autonome Fahren, sprich das Fahren auf automatischer computerbasierter Art, wird aktuell von den verschiedensten Automobilherstellern ausgiebig getestet. Bereits seit längerer Zeit sind Assistenzsysteme in den modernen Fahrzeugen etabliert, was sowohl ein Segen als auch zugleich ein Fluch sein kann. Der Segen besteht darin, dass dem Autofahrer sehr viele Hilfestellungen im Alltag zur Verfügung gestellt werden. Dies soll, so ist der Grundgedanke, die Sicherheit im Straßenverkehr steigern. An dieser Stelle wird jedoch auch der Fluch von den Assistenzsystemen deutlich, wenn ein Autofahrer sich beispielsweise zu sehr auf die Assistenzsysteme verlässt.

Nicht nur die Automobilbranche entwickelt sich in diesem Bereich weiter. Auch die Rechtsprechung in Deutschland muss mit der Entwicklung Schritt halten, da Technik ja nun einmal versagen kann und in derartigen Situationen die rechtliche Situation natürlich durch die entsprechende Rechtsprechung abgesichert sein muss. Besonders eine Entscheidung, die von dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main getroffen wurde, ist hierbei deutlich hervorzuheben.

Durch eine Fehlfunktion eines Assistenzsystems wurde ein Unfall verursacht

Unfall wegen Fehlfunktion in Notbremsassistent
Unfall wegen Fehlfunktion in Notbremsassistent – Wie ist hier die Haftungsquote? (Symbolfoto: Von HBRH/Shutterstock.com)

Wenn es in Verbindung mit einem Assistenzsystem zu einem Verkehrsunfall kommt, ist stets die Frage nach der Haftung für die aufkommenden Schäden interessant. Die Frage geht dahin, ob sich ein Fahrer auf das Assistenzsystem als fest integrierten Bestandteil des Fahrzeugs auch verlassen darf und ob dieses Assistenzsystem, wenn es denn versagt, den Fahrer aus seiner Schuld bei dem Verkehrsunfall entlässt. Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) beschäftigen. Eine Fahrerin eines Mercedes, welcher mit dem Mercedes-Produkt CPA (Collision Prevention Assists) ausgestattet ist, befuhr die dreispurige Autobahn 5 (BAB 5). Hinter der Fahrerin befuhr auf der dreispurigen Autobahn auf der rechten Spur im Abstand von ca. 35 Metern mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 Km/h ein LKW. Die Fahrt verlief staufrei und normal, allerdings kam es bei dem Mercedes der Fahrerin zu einer Fehlfunktion des CPA. Infolge dieser Fehlfunktion vollzog das Fahrzeug eine abrupte Vollbremsung, sodass der Mercedes zum Stillstand kam. Der LKW-Fahrer hinter der Mercedes-Fahrerin zeigte zwar eine sehr gute Reaktion, allerdings konnte der LKW-Fahrer die Kollision des LKWs mit dem Mercedes nicht verhindern.

Klage bei dem Landgericht Frankfurt

Die Mercedes-Fahrerin reichte daraufhin eine Klage bei dem Landgericht Frankfurt am Main ein und forderte den vollen Schadensersatz in dem Glauben, dass es sich bei dem Unfall um einen Auffahrunfall der klassischen Art handeln würde. Das zuständige Landgericht Frankfurt am Main sprach der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren jedoch nur einen Schadensersatz in Höhe von 1/3 aller von der Klägerin geltend gemachten Forderungen zu. Dies ließ die Klägerin jedoch nicht auf sich sitzen und ging mit ihrer Klage in die nächsthöhere Instanz – dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Der auffahrende Part hat eine Haftung, allerdings lediglich zu einem Anteil von 2/3

Am 09.03.2021 sprach das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in dem besagten Verfahren ein Urteil (Aktenzeichen 23 U 120/20). In diesem Urteil wendete das OLG die Haftungsquote und sprach der Klägerin einen Anteil von 2/3 aller ihrer geltend gemachten Schadensersatzforderungen zu. In der Urteilsbegründung wurde angegeben, dass weder die Fahrerin des Mercedes noch der auffahrende LKW-Fahrer ein unabwendbares Ereignis hatte nachweisen können, sodass eine Abwägung von den beiderseitigen Verursachungsanteilen zu erfolgen hatte.

Die Verschuldensfrage stellt lediglich einen Anteil von mehreren Faktoren bei der Abwägung von den beiderseitigen Verursachungsanteilen dar.

Das OLG vertrat im Gegensatz zu dem Landgericht Frankfurt am Main im Zusammenhang mit der Hauptverursachung des Unfalls eine andere Ansicht. Das Landgericht sah die Hauptverursachung für den Verkehrsunfall in dem grundlosen Abbremsen des Mercedes und damit aufseiten der Fahrerin des Mercedes, während das OLG jedoch das Auffahrverschulden von dem LKW-Fahrer als Hauptverursachung für den Verkehrsunfall angesehen hat. Das OLG stützte diese Auffassung jedoch nicht auf die allgemeinen Grundsätze von einem Anscheinsbeweis getreu der Maxime „derjenige Fahrer, welcher auf ein anderes Fahrzeug auffährt, hat auch stets den erforderlichen Abstand nicht eingehalten“. Vielmehr nahm das OLG den § 4 Absatz 3 StVO zur Begründung für das Urteil. Die Geschwindigkeit des LKWs wurde mit ca. 80 Km/h nachgewiesen, sodass der Abstand von knapp 5 Metern als nicht ausreichend angesehen werden musste. Vielmehr hätte der LkW einen Mindestabstand von rund 50 Metern einhalten müssen. Im Zuge der Abwägung wurde jedoch auch der § 4 Absatz 1 Satz 2 StVO zurate gezogen, wonach die Klägerin einen Verstoß aufgrund des abrupten grundlosen Abbremsen ihres Mercedes vorgenommen hatte.

Im Zusammenhang mit dem abrupten grundlosen Abbremsen konnte seitens des OLG jedoch bei der Klägerin kein Verschulden nachgewiesen werden. Auch der Umstand, dass die Warnblinkanlage seitens der Klägerin nicht eingeschaltet worden ist, konnte der Klägerin nicht angelastet werden. Es ist nicht offensichtlich, dass der auffahrende LKW-Fahrer in einem derartigen Fall auch früher hätte abbremsen können.

Besondere Beachtung bei einem Unfall ist erforderlich

Auffahrunfälle geschehen in Deutschland sehr häufig. Hierbei sollte stets, auch unabhängig von den Assistenzsystemen, die Frage fokussiert werden, ob der auffahrende Part des Verkehrsunfalls gegen die drei Grundregeln vertoßen hat:

  • zu dicht aufgefahren / Mindestabstand nicht eingehalten
  • mit erhöhter Geschwindigkeit gefahren
  • nicht die erforderliche Aufmerksamkeit an den Tag gelegt

Und ob dieser Verstoß auch ohne einen Rückgriff auf einen Anscheinsbeweis nachgewiesen werden kann. Für LKWs gilt dabei stets der Mindestabstand von rund 50 Metern, wobei LKWs in der Regel über Fahrtenschreiber verfügen. Hierdurch kann die Beweisführung massiv erleichtert werden.

Auf die technischen Assistenzsysteme sollte sich im Fall eines Auffahrunfalls keine beteiligte Partei des Auffahrunfalls berufen. Technisches Versagen gilt nicht als Begründung für die Berufung auf eine sogenannte Unabwendbarkeit eines Unfalls. In diesem Zusammenhang muss stets auch die sogenannte „Betriebsgefahr“, welche von einem Fahrzeug im laufenden Betrieb im Straßenverkehr ausgeht, berücksichtigt werden. Eine allgemeine pauschalisierte rechtliche Bewertung dieser Frage ist nicht möglich. Allgemeinhin wird jedoch davon ausgegangen, dass durch die Assistenzsysteme die Betriebsgefahr des Fahrzeugs im laufenden Betrieb im Straßenverkehr eher eine Verringerung erfährt. Sollte es jedoch zu einem unerwarteten Ausfall der technischen Assistenzsysteme kommen, so müsste von einer Erhöhung der Betriebsgefahr des Fahrzeugs im laufenden Betrieb im Straßenverkehr ausgegangen werden. In einem derartigen Fall müsste jedoch seitens des Unfallopfers entweder der Hersteller des Assistenzsystems oder der Verkäufer des Fahrzeugs für den unregulierten Part des Schadensersatzes in Regress genommen werden. Hierbei würde es sich dann um ein neuerliches, gesondertes Verfahren handeln.

Der Ausgang eines derartigen Verfahrens ist stets als ungewiss anzusehen, da es diesbezüglich nur sehr wenig vergleichbare Fälle und erst Recht kein Präzedenzurteil gibt. Ob jetzt das jeweilige Gericht eine klägerpositive Haltung einnimmt oder ob allgemeinhin auch davon ausgegangen werden muss, dass ein derartiges Assistenzsystem auch versagen kann, lässt sich im Vorfeld nur schwerlich abschätzen. Für einen rechtlichen Laien ist dies daher stets ein uneinschätzbares Risiko, sodass die rechtsanwaltliche Vertretung in einer derartigen Ausgangslage ohnehin unerlässlich ist. Hierbei spielen sehr viele Faktoren eine Rolle, die von Gericht zu Gericht auch unterschiedlich gewichtet werden.

Sollten Sie weitergehende Fragen zu dieser Thematik haben oder von einem derartigen Fall betroffen sein, so können Sie sich selbstverständlich sehr gern vertrauensvoll an uns wenden. Nehmen Sie hierfür einfach mit uns über unsere Internetpräsenz oder per E-Mail bzw. auf dem fernmündlichen Weg Kontakt auf und schildern Sie uns den Sachverhalt. In einem ersten Beratungsgespräch werden wir dann gemeinsam die sich Ihnen bietenden Möglichkeiten ausloten und im Fall einer Mandatierung Ihrerseits werden wir Sie sowohl auf dem außergerichtlichen Weg als auch im Zuge eines Gerichtsprozesses vertreten.

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