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Unfallersatztarif – Mietwagenpreise als erforderliche Kosten

Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahnweiler

Az.: 3 C 803/05

Urteil vom 20.03.2006


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2006 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.353,45 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.
August 2005 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höbe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus abgetretenem Recht aus einem Fahrzeug-Mietvertrag geltend.

Am 10. Juni 2005 ereignete sich auf der B 257 in Altenahr-Kreuzberg ein Verkehrsunfall, in den Herr … und ein bei der Beklagten … Haftpflichtversicherter involviert waren. Der Versicherungsnehmer der Beklagten haftet zu 100 % für den Unfall.

Herr … erlitt den Unfall mit seinem Fahrzeug LKW Nissan Pick Up Navara Kombi, 2.5. Wegen der Einzelheiten des Fahrzeugs wird auf die Fahrzeug-Daten gemäß dem Sachverständigen … (Bl. 28 d.A.) Bezug genommen. Herr … mietete sich bei der Klägerin für den Zeitraum vom 15. Juni bis 28. Juni 2005 ein Mietfahrzeug der Gruppe 6. Auf die Rechnung der Klägerin vom 30. Juni 2005 in der Gesamthöhe von netto 2.065,00 € leistete die Beklagte eine Zahlung von 711,55 €. Den Restbetrag macht die Klägerin mit der Klage geltend.

Herr … hat der Klägerin seinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte betreffend die Mietwagenforderung am 17. Juni 2005 abgetreten (Bl. 11 d.A.). Die Klägerin verfügt nach einer Erlaubnisurkunde des Präsidenten des Landgerichts Bonn vom 24. Januar 2000 über eine Inkassoerlaubnis.

Die Rechnung vom 30.06.2005 (Bl. 9 d.A.) wurde am gleichen Tag an die Beklagte übersandt.

Die Netto-Beträge in der Rechnung lauten wie folgt:

 

13 Tage inkl. aller KM

1.950,00

Haftungsbefreiung

65,00

Zustellen

25,00

Abholung

25,00

 

Insgesamt ergab sich unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer ein Betrag von 2.395,40 €.

Die Klägerin verfügt nur über einen Tarif. Der von ihr abgerechnete Preis liegt im Rahmen zwischen dem mittleren und höchsten ermittelten Normaltarif der Fahrzeuggruppe in dem betroffenen Postleitzahlengebiet gemäß Schwacke-Liste.

Die Klägerin trägt vor:

Die abgerechneten Mietwagenpreise seien als erforderliche Kosten im Sinne der Rechtsprechung anzusehen. Die von ihr abgerechneten Preise seien ortsüblich und angemessen. Aus der Schwacke-Liste ergebe sich, dass die von ihr berechneten Preise sich um den Mittelwert im Raum Köln bewegten. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten komme nicht in Betracht, da der Geschädigte ein Fahrzeug niedrigerer Fahrzeugklasse angemietet habe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.353,45 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10. August 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

Die Mietwagenkosten seien vorliegend überhöht und daher nicht erforderlich. Es sei für eine besondere betriebswirtschaftliche Situation der Klägerin, die den hier geforderten Tarif begründen könnte, kein Anhaltspunkt erkennbar. Für den Unfallersatztarif sei die Erforderlichkeit weder dargetan noch nachgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Die von der Klägerin in Rechnung gestellten Mietwagenkosten sind vorliegend erforderlicher Aufwand zur Schadensbeseitigung im Sinne des § 249 BGB.

Die Klägerin kann von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 S. l BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietkosten verlangen, wobei Mietwagenkosten regelmäßig zu den Kosten der Schadensbehebung im Sinne des § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB gehören.

Erforderlich sind Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dabei hat der Geschädigte zwar unter dem Gesichtspunkt der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Im Allgemeinen verstoßt der Geschädigte nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensregulierung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, solange dies dem Geschädigten nicht ohne weiteres erkennbar ist. Nach der Rechtsprechung des BGH sind nur die Mietwagenkosten erforderlicher Aufwand zur Schadensbeseitigung im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, die dem für Selbstzahler angebotenen Normaltarif zuzüglich Unfall bedingten Mehraufwandes entsprechen.

Bei der Beurteilung dieser Frage sieht dem Tatrichter aber gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen ein Ermessen gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu.

In Ausübung dieses Ermessens orientiert sich das Gericht vorliegend an den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Sätzen der Nutzungsausfallentschädigung für unfallbeschädigte Pkw nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch, die auf einer Bewertung von Sachverständigen beruhen. Insoweit schließt sich das Gericht in vollem Umfang den überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts Königswinter in seiner Entscheidung vom 27. Juli 2005, Az.: 3 C 192/04 an.

Bei einer „Hochrechnung“ des Nutzungsausfalls gemäß der Tabelle ergibt sich, dass die von der Klägerin angesetzten Preise sich im Rahmen des zuzubilligenden Nutzungsausfalls bewegen würden. Vor diesem Hintergrund erachtet das Gericht die abgerechneten Mietwagenkosten als erforderlichen Aufwand im Sinne des § 249 BGB. Die Bedenken, die die Beklagte gegen die Anwendung der anerkannten Tabelle für Nutzungsausfall auf den hier betroffenen Fall der Frage der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten hegt, teilt das Gericht nicht. Das Gericht erachtet die Interessenlage bei Nutzungsausfall und Mietwagenkosten für ähnlich, so dass es die Anwendung der Tabellensätze auf den vorliegenden Fall im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO für angemessen erachtet.

Die Tabellen Sanden/Danner/Küppersbusch gehen von durchschnittlichen Mietsätzen für Pkw aus als einem vom Markt anerkannten Maßstab für die Bewertung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs aus. Nach Bereinigung um die Gewinnspanne des Vermieters und weiteren Positionen entspricht nach der Rechtsprechung des BGH der verbleibende Betrag 35 bis 40 % der üblichen Miete.

Das unfallbeschädigte Fahrzeug Nissan Pick Up Navani 2,5D ist in die Gruppe H der Nutzungsausfallentschädigungstabelle einzuordnen, denn es ist von seiner Ausstattung vergleichbar mit den Fahrzeugen Nissan Patrol, 2,8 Turbo-Diesel, Kombi, 95 KW sowie Nissan Terruno, 2,7 TD, 92 KW, welche beide in die Gruppe H eingruppiert sind. Die tägliche Nutzungsentschädigung hätte 65,00 € betragen. Das Gericht teilt insoweit die Auffassung der Beklagten nicht, dass der Geschädigte hier ein Fahrzeug der gleichen Gruppe angemietet hat, sondern geht mit der Klägerin davon aus, dass es sich bei dem angemieteten Fahrzeug um eines einer niedrigeren Gruppe handelte.

Nach den Ausführungen des BGH entspricht die Nutzungsausfallentschädigung nach der Tabelle etwa 35 bis 40 % der üblichen Miete für einen Pkw. Nach dem Berechnungsschema für die Ermittlung des Nutzungswertes wird zunächst von dem ermittelten Bruttomietsatz für ein Fahrzeug ein Abschlag von 60 % für Vermittlungsprovision, Gewinn und Verwaltungsaufwand des Autovermieters in Abzug gebracht. Der dann verbleibende 40%ige Bruttomietsatz wird sodann um die für den jeweiligen Fahrzeugtyp geschätzten Betriebskosten als ersparte Eigenbetriebskosten bereinigt Der sich so ergebende Betrag ist der in die Tabelle für Nutzungsausfallentschädigungen eingesetzte Betrag.

Geht man davon aus, dass die tägliche Nutzungsausfallentschädigung für das Fahrzeug des Herrn G… bei 65,00 € liegt, sind vorliegend in Abweichung von dem normalen, gerade aufgeführten Berechnungsweg keine geschlitzten ersparten Eigenbetriebskosten abzuziehen, denn der Geschädigte hat ein Fahrzeug einer niedrigeren Gruppe gemietet. Der Wert des 40%-Mietsatzes beträgt daher 65,00 €. Hochgerechnet auf 100 % ergibt das einen Betrag von 162,50 € täglich. Die Anmietungsdauer beträgt vorliegend 13 Tage! Für die Gesamtmietzeit würde sich dann ein Mietsatz von 2.112,50 € (162,50 € x 13) ergeben.

Die Klägerin hat für diesen Zeitraum einen Netto-Mietpreis von 1.950,00 € in Rechnung gestellt, der unter dem ermittelten Wert liegt und daher als erforderlicher Aufwand, der Schadensbeseitigung anzusehen ist.

Nach Auffassung des Gerichts kommt es vorliegend auf die vom BGH entwickelten Grundsätze der Überprüfung der Betriebswirtschaftlichkeit bei dem Unfallersatztarif nicht an, denn der abgerechnete Tarif liegt bei der von dem Gericht vorgenommenen Ermessensausübung unter Zugrundelegung der anerkannten Sätze für Nutzungsausfall im Rahmen dessen, was als erforderlich anzusehen ist.

Der zugesprochene Zinsschaden beruht auf §§ 286 Abs. 1, Abs. 3, 288 Abs. 1 BGB. Die Rechnung der Klägerin wurde am 30. Juni 2005 an die Beklagte übersandt, so dass sie sich nach § 286 Abs. 3 BGB zumindest seit dem 10. August 2005 mit der Zahlung der restlichen Summe in Verzug befindet.

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Die Kostenentscheidung beruht auf 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPQ.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.353,45 € festgesetzt.

 

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