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Mietwagenkosten zum Unfallersatztarif – Erstattungsfähigkeit

LG Meiningen

Az: 4 S 9/06 (9)

Urteil vom 13.07.2006

Vorinstanz: AG Meiningen – Az.: 21 C 504/005


In dem Rechtsstreit hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2006 für R e c h t erkannt:

1. Die Berufung gegen das Endurteil des Amtsgerichts Meiningen vom 09.12.2005 – 21 C 504/05 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.
Die Klägerin hat nach dem Unfall am 06.04.2006 gegen 22.00 Uhr noch am selben Abend um 23.00 Uhr ein Ersatzfahrzeug angemietet, da das eigene Fahrzeug nicht mehr fahrbereit war. Das Amtsgericht hat ihr die Mietwagenkosten zum sog. Unfallersatztarif zugesprochen. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts im Urteil vom 09.12.2005 wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Mit der Berufung rügen die Beklagten das Urteil als rechtsfehlerhaft, weil es der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur Mietwagenproblematik widerspräche. Das Amtsgericht hätte erst der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit des in Anspruch genommenen Unfallersatztarifes nachgehen müssen und sich erst anschließend der Frage der „Zugänglichkeit“ eines anderen Tarifes zuwenden dürfen. Wegen der nächtlichen Unfallzeit ihres Fahrzeugbedarfs habe die Klägerin ein Fahrzeug zunächst nur für einen Tag mieten können, „um dann ganz in Ruhe weiter zu sehen und sich bei verschiedenen Autovermietungen zu informieren“ (Schr. v. 6.6.2006).

Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Amtsgerichts Meiningen vom 09.12.2005, Az.: 21 C 504/05, abzuändern und die Klage abzuweisen, ferner die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend (Schriftsatz vom 18.05.2006), die sofortige Anmietung sei erforderlich gewesen, da ihre Tochter sofort ein Ersatzfahrzeug benötigt habe, um am nächsten Tag – 07.04.2005 – um 5.30 Uhr nach Bad Kissingen zur Arbeit fahren zu können. Der Fahrer des Beklagtenfahrzeuges habe ihr eine Autovermietung genannt, bei der sie noch in der selben Nacht ein Ersatzfahrzeug habe bekommen können. Zu Preisvergleichen und Recherchen habe es weder die Zeit noch die Möglichkeit gegeben.

II.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

Das Urteil des Amtsgerichts ist zutreffend.

Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Die im einzelnen geltend gemachten Rechnungspositionen (s. Klageschrift, S. 2, und Rechnung der Autovermietung vom 22.04.2005, Anl. K1) und auch die Nebenforderungen haben die Beklagten mit der Berufung nicht angegriffen. Die Einwendungen der Beklagten richten sich in grundsätzlicher Hinsicht gegen die Erstattungsfähigkeit des Unfallersatztarifs.

Dem Berufungsvorbringen ist entgegen zu halten:

Eingedenk der „subjektbezogenen Schadensbetrachtung“ kommt es auf die „betriebswirtschaftliche Berechtigung“ des in Anspruch genommenen Unfallersatztarifes nicht an, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer (Normal-) Tarif nicht zugänglich war (s. BGH, Urteil vom 14.02.2006, VI ZR 126/05, Ziff. II 2 a), wenn also der in Anspruch genommene Unfallersatztarif für den Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt der einzige zugängliche Tarif war. So liegt es hier. Nach dem Vortrag der Klägerin war sie bzw. ihre Tochter auf einen Ersatzwagen dringend angewiesen und konnte diesen – so ist das Schreiben vom 18.05.2006 jedenfalls zu verstehen- in der Nacht vom 06. auf den 07.04.2005 nur bei der Meininger Agentur der Autovermietung Schmid zu dem der Rechnung vom 22.04.2005 zu Grunde gelegten Unfallersatztarif anmieten.

Dies gestehen die Beklagten im Schreiben vom 06.06.2006 letztlich auch zu (§ 138 Abs. 3 ZPO). Einer „betriebswirtschaftlichen Berechtigung“ muss damit nicht nachgegangen werden. Es verbietet sich auch, den in Anspruch genommenen Unfallersatztarif auf das „erforderliche“ Maß zu reduzieren. Dies käme nur in Betracht, wenn der Klägerin eine unterlassene Erkundigung nach Vergleichstarifen vorzuhalten wäre.
Die Beklagten ziehen sich im wesentlichen auf den Einwand zurück, die Klägerin habe zwar zunächst ein Fahrzeug für den nächsten Tag anmieten dürfen, sich dann aber bei verschiedenen Autovermietungen nach günstigeren Anmietmöglichkeiten erkundigen und – als unausgesprochene Konsequenz ggf. auch zu einem günstigeren Tarif anmieten müssen.

Zu einem Vermieter- und/oder Tarifwechsel im Anschluss an die unfallbedingter Anmietung am 06.04.2005 war die Klägerin auf eigene Initiative indes nicht verpflichtet.

Für die „Zugänglichkeit“ eines günstigeren Tarifes stellt der BGH in allen Entscheidungen seit Oktober 2004 auf die erste Anmietsituation nach dem Unfall ab. Auch im Urteil vom 14.02.2006 (14-tägige Anmietdauer) sowie im Urteil vom 09.05.2006 (VI ZR 117/05; 17 Tage Anmietdauer) hat der BGH keinen Anlass zu Erörterungen gesehen, ob der unterbliebene Wechsel in
einen günstigeren Tarif zu einer „Nicht-mehr-Erforderlichkeit“ des Unfallersatztarifes führen kann.

Mit Blick auf die vom BGH mehrfach betonte „subjektbezogene Schadensbetrachtung“ , kann der Geschädigte jedenfaIIs von sich aus von einer Austauschanmietung absehen, weil er sich damit auch weiteren Einwendungen des Schädigers aussetzen kann. Jedenfalls bei einem Vermieterwechsel – wie ihn die Beklagten hier einfordern- fallen regelmäßig neue Fixkosten an, etwa für Zustellung und Abholung, ggf. Endreinigung etc. Zudem sind bei fast allen Autovermietungen die Preise nach Mietdauer gestaffelt, d.h., mit Ablauf einer bestimmten Mietzeit, üblicherweise nach jeweils 1 Woche, reduziert sich der Tagesmietpreis. Insoweit könnte dem Geschädigten vorgehalten werden, er habe diese Vergünstigung durch die Beendigung des zunächst abgeschlossenen Mietvertrages vereitelt. Es steht auch nicht fest, dass eine kurzfristige Beendigung der Anmietung stets unproblematisch möglich ist, wenn etwa die Autovermietung sich auf längere Anmietzeit eingerichtet hat und ggf. an die aus ihrer Sicht vorzeitigen Beendigung weitere Ansprüche knüpft.

Im vorliegenden Fall hat das Fahrzeug der Klägerin bei dem Unfall einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten. Der Abrechnung der beklagten Versicherung vom 13.05.2005 (Anlage K2) ist zu entnehmen, dass für die voraussichtliche Dauer der Ersatzbeschaffung nach Gutachten angemietet worden ist. Es lässt sich aber nicht ohne weiteres vorhersehen, wann die Ersatzbeschaffung gelingt (im Gegensatz zu einer Reparatur, deren Dauer sich im allgemeinen ziemlich sicher vorhersagen lässt). Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Ersatzbeschaffung auch vor der prognostizierten Dauer, u.U. nach wenigen Tagen, Erfolg hat und die Notwendigkeit eines Ersatzfahrzeuges spontan wegfallen kann. Auch dies konnte hier die geschädigte Klägerin davon abhalten, schon am nächsten Tag nach dem Unfall, wie die Beklagten meinen, oder in den darauffolgenden Tagen nach günstigeren Anmietmöglichkeiten zu suchen (wobei sie im übrigen diese Zeit nicht für die Suche nach einem anzuschaffenden Ersatzfahrzeug aufwenden kann).

Das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Pflicht zur Schadensgeringhaltung mit der Folge einer Leistungskürzung kann dem Geschädigten auch nicht vorgehalten werden, soweit der Schädiger bzw. die dahinter stehende Versicherung selbst die Einsicht und die Möglichkeiten hatte, auf die Schadensgeringhaltung hinzuwirken. Die Kfz-Versicherer sind mit der Problematik der Erstattungsfähigkeit des Unfallersatztarifes ständig befasst und mit dieser Problematik vertraut, was sich für den Geschädigten nicht ohne weiteres annehmen lässt. Dies zeigen auch im vorliegenden Fall deutlich die Hinweise der Beklagten zu 2. im Schreiben vom 13.05.2006. Es ist eigentlich kein Grund ersichtlich, warum diese Ausführungen erst erfolgen, nachdem die Anmietung des Ersatzfahrzeuges bereits abgeschlossen ist und die Aufwendungen entstanden sind und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt, in dem die Aufwendungen in dieser Höhe sich noch hätten verhindern lassen. Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1. seiner Pflicht aus § 7 Ziffer 4 Abs. 1 AKB genügt hat und nach einem Unfall, der voraussichtlich eine Leistungspflicht herbeiführt, unverzüglich die Beklagte zu 2. als Versicherer informiert hat. Diese hätte dann die Möglichkeit, zeitnah auf den Geschädigten zuzugehen und im Falle der Inanspruchnahme eines Mietwagens zum Unfallersatztarif die Anmietung zu einem günstigeren Tarif anzuregen, ggf. sogar eine günstigere Anmietmöglichkeit konkret zu benennen. Der Vorhaltungen an den Geschädigten, sich nicht wie ein „Selbstzahler“ verhalten zu haben, fällt insofern auch auf die andere Seite zurück. Letztlich legen die Versicherer ihre Ersatzleistungen und die Aufwendungen der Schadensregulierung und eines geführten Rechtstreits auch auf alle Beitragszahler um.

Die Berufung hat nach alledem keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Soweit es um eine vom Geschädigten zu verlangende „Austauschvermietung“ geht, ist zu erwarten, dass der BGH dies allenfalls als eine vom Tatrichter für den jeweiligen Einzelfall zu entscheidende Frage ansehen würde, wie etwa den zumutbaren Einsatz der Kreditkarte (BGH, Urteil vom 19.04.2005, VI ZR 37/04).

 

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