Landgericht Gießen
Az: 1 S 21/09
Urteil vom 09.12.2009
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Büdingen vom 11. Dezember 2008 abgeändert und wird die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für die Beklagte aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Hinsichtlich des tatsächlichen Sachverhaltes wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, soweit die dortigen Feststellungen nicht in Widerspruch zum nachfolgend wiedergegebenen Sachverhalt stehen.
Der Kläger begehrt von der Beklagten weiteren Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall. Am Freitag, dem 5. Januar 2007, befuhr der Kläger gegen 22 20 Uhr mit seinem mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 Euro teilkaskoversicherten Pkw Nissan Coupé…, die vorfahrtsberechtigte Gymnasiumstraße in B. An der Kreuzung Gymnasiumstraße/Brunostraße näherte sich dem Kläger von rechts der Fahrer des bei der Beklagten pflichthaftpflichtversicherten Pkws … und fuhr auf die Gymnasiumstraße auf, ohne den vorfahrtsberechtigten Kläger zu beachten, so dass es zu einer Kollision der Fahrzeuge kam. Das am 06.08.1993 erstmals zugelassene Auto des Klägers erlitt bei einem Wiederbeschaffungswert von 3.400 Euro und überschlägigen Reparaturkosten von 10.000 Euro einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Restwert lag bei 500,00 Euro.
Die vollumfängliche Haftung der Beklagten steht zwischen den Parteien außer Streit. Nachdem die Beklagte den übrigen Schadenersatzforderungen des Klägers nachkam, streiten sie noch über eine Ersatzpflicht der Beklagten bezüglich vom Kläger begehrter pauschaler Ab- und Anmeldekosten von 75,00 Euro, fiktiver Begutachtungskosten hinsichtlich des anzuschaffenden Ersatzfahrzeugs von ebenfalls 75,00 Euro und – erstinstanzlich – Kosten für im Unfallauto befindlichen Treibstoff von 20,00 Euro. Außerdem streiten sie über die Ersatzfähigkeit der Kosten für einen vom Kläger in Anspruch genommenen Mietwagen. Hier macht der Kläger insgesamt 3.104,71 Euro geltend, die Beklagte hat hierauf 2.060,00 Euro gezahlt, so dass noch 1.044,71 Euro Gegenstand der Klage sind. Der Kläger begehrt außerdem Ersatz außergerichtlicher Anwaltsgebühren, die er aus einem Gegenstandswert von 1.214,71 Euro in Höhe von 50% einer 1,3 fachen Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG und Umsatzsteuer berechnet und mit 105,02 Euro geltend macht.
Der Kläger mietete das Ersatzfahrzeug am Sonntag, dem 07.01.2007, bei der C- Autovermietung GmbH & Co. KG in G an, die einen Unfallersatztarif nebst Nebenkosten für Winterreifen, Vollkaskoversicherung und Zustellen und Abholen berechnete. Das angemietete Fahrzeug gehörte der Fahrzeugklasse 4, der Unfallwagen des Klägers der Fahrzeugklasse 5 an. Der Kläger legte bis zur Rückgabe am 26.01.2007 eine Entfernung von 1.642 Kilometern zurück. Das Schadensgutachten des Dipl.-Ing. S, auf das sich der Kläger hinsichtlich des von der Beklagten anerkannten Wiederbeschaffungswertes stützt, geht von einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Kalendertagen aus. Auf das Gutachten Bl. 12-16R d.A. wird Bezug genommen. Am 22.01.2007 erhielt der Kläger ein Ersatzfahrzeug, das er zum Preis von 800,00 Euro, zahlbar in monatlichen Raten à 200,00 Euro, von privat erwarb.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei kein Normaltarif zugänglich, die Anmietung zum Unfallersatztarif sei daher erforderlich gewesen. Denn bei Anmietung zum Normaltarif bedürfe es der Stellung einer Kaution oder der Benutzung einer Kreditkarte. Eine Kaution habe er aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten können und er verfüge über keine Kreditkarte. Außerdem müsse beim Normaltarif darauf verzichtet werden, ein bestimmtes Auto zu nutzen und müsse die Anmietdauer exakt definiert sein. Andere Autovermieter in B. hätten bei Vollkaskoversicherung eine höhere Selbstbeteiligung verlangt.
Die Beklagte hat bestritten, dass der Mietvertrag wirksam geschlossen worden sei, die geltendgemachten Mietkosten tatsächlich angefallen seien und der Kläger und die Autovermietung sich bei Vertragsschluss bereits über den Mietzins geeinigt und diesen nicht erst nachträglich in den Vertag aufgenommen hätten. Sie hat gemeint, da das Auto des Klägers bereits fast 14 Jahre alt gewesen sei, sei der Nutzungswert zwei Gruppen herabzustufen und für die Mietkosten auf ein Fahrzeug der Wagenklasse 3 abzustellen.
Das Amtsgericht hat die Klage hinsichtlich des verlorengegangenen Treibstoffes abgewiesen und ihr im Übrigen stattgegeben. Mit ihrer mit einem am 16. Januar 2009 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz eingelegten und zugleich begründeten Berufung gegen das ihr am 7. Januar 2009 zugestellte Urteil verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag gegen den das amtsgerichtliche Urteil verteidigenden Kläger weiter. Die Beklagte hält ihr bisheriges Vorbringen aufrecht und behauptet außerdem, sie hätte bei einer Information des Klägers, dass er keine Kaution stellen könne, einen Mietwagen vermittelt, indem sie einem der überregionalen Anbieter, mit denen sie Kooperationsvereinbarungen habe, eine Kostenübernahmebestätigung für den ortsüblichen und angemessenen Normaltarif übersandt hätte. Dies hätte sofort und ohne zeitliche Verzögerung geschehen können.
Der Kläger bestreitet diese neuen Behauptungen mit Nichtwissen und wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen.
II.
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf fiktive Kosten einer Begutachtung des Ersatzfahrzeuges gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB oder aus anderen gesetzlichen Bestimmungen i.V.m. § 3 Nr. 1 PflichtversG a.F. zu.
Zunächst folgt die Ersatzfähigkeit fiktiver Untersuchungskosten nicht aus der hierfür bemühten Entscheidung des Bundesgerichtshofes in VersR 1966, 830 = NJW 1966, 1454. Ein derartiger Grundsatz ist dort nicht ausgesprochen. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof dort lediglich ausgeführt, dass sich die Höhe des Schadenersatzanspruches, soweit es um eine Ersatzbeschaffung geht, danach richtet, welchen Betrag der Ersatzberechtigte aufwenden muss, um einen ähnlichen, bereits gebrauchten Wagen zu erwerben. Im dortigen Fall hatte der Sachverständige jedoch nicht diesen Wiederbeschaffungswert, sondern nur den Zeitwert geschätzt, so dass der Bundesgerichtshof einen Aufschlag vorgenommen hat, um den Betrag zu ermitteln, den der Kläger aufwenden muss, um einen ähnlichen Wagen nach einer gründlichen technischen Überprüfung von einem seriösen Gebrauchtwagenhändler zu erwerben und sich von diesem Händler für eine gewisse Zeit eine Werkstattgarantie geben zu lassen. Einen Aufschlag auf den Wiederbeschaffungswert als den bei einem Erwerb des Gebrauchtfahrzeuges voraussichtlich zu zahlenden Preis hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung nicht vorgenommen.
Allerdings hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 29.11.1989, NJW 1990, 3212 (3213) die Auffassung vertreten, es seien neben dem Wiederbeschaffungswert fiktive Gutachterkosten für die Anschaffung des gebrauchten Ersatzfahrzeuges zuzusprechen. Das Oberlandesgericht hat in der Entscheidung ausgeführt, eine technische Überprüfung des in Aussicht genommenen gebrauchten Ersatzfahrzeuges sei ein der vom Schädiger geschuldeten Schadenersatzleistung notwendigerweise innewohnender vermögenswerter Bestandteil. Da die gründliche technische Überprüfung im Allgemeinen nur durch einen Sachverständigen vorgenommen werden könne, und weil es dem Geschädigten nicht zuzumuten sei, sich auf eine solche Überprüfung durch den an einer möglichst reibungslosen Veräußerung interessierten Verkäufer – selbst wenn es sich um einen Fachhändler mit von Markenherstellern autorisierter Werkstatt handele – zu verlassen, sei ihm zuzubilligen, dass er sich Gewissheit über die Mängelfreiheit des Ersatzfahrzeuges durch Einschaltung eines unabhängigen Sachverständigen verschaffe. Ausnahmen hiervon hat das Oberlandesgericht in der Entscheidung jedoch für möglich gehalten, wenn der Verkäufer nach eigener Überprüfung eine ausreichend lang bemessene Garantieerklärung bezüglich Mängelfreiheit und Funktionstüchtigkeit abgebe.
Demgegenüber meint der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Urteil vom 10.03.1984, ZfS 1985, 10, der vom Sachverständigen ermittelte Wiederbeschaffungswert beinhalte normalerweise die Werkstattgarantie für einen technisch geprüften Ersatzwagen. Dass der Wiederbeschaffungswert die Kosten einer Werkstattgarantie enthält, hat auch das Oberlandesgericht Zweibrücken in seinem Urteil vom 18.02.2000, 1 U 139/99 (juris) = Schaden-Praxis 2001, 204, vertreten. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 16.06.1978, VersR 1979, 384, ausgeführt, Aufwendungen des Geschädigten für die Beratung und Untersuchung beim Kauf eines Ersatzfahrzeuges gehörten zum mittelbaren Schaden und seien nur zu ersetzen, wenn sie tatsächlich entstanden seien, es soll also keine fiktive Abrechnung dieser Kosten geben.
Nach Auffassung der Kammer gehören Kosten für die Überprüfung des zu erwerbenden Ersatzfahrzeuges durch einen Sachverständigen regelmäßig nicht zu dem zur Herstellung erforderlichen Betrag. Erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind nur diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch für zweckmäßig und notwendig halten darf (Palandt/Heinrichs, § 249, Rn. 12).
Ist der Verkäufer ein Unternehmer, kann seine Sachmangelhaftung nach neuem Schuldrecht gegenüber einem Verbraucher gemäß § 475 Abs. 1 BGB nicht ausgeschlossen und die Verjährungsfrist etwaiger Sachmangelansprüche höchstens auf ein Jahr verkürzt werden (§ 475 Abs. 2 BGB). Daraus folgt, dass ein Händler die von ihm verkauften Fahrzeuge regelmäßig einer technischen Überprüfung unterziehen wird und es deshalb seitens des den Wagen erwerbenden Verbrauchers keiner Untersuchung durch einen gesondert beauftragten Sachverständigen bedarf. Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seiner Entscheidung NJW 1990, 3212 die Auffassung vertreten hat, es sei dem Käufer nicht zuzumuten, sich auf den an der Veräußerung interessierten Verkäufer zu verlassen, folgt die Kammer dem jedenfalls unter Geltung des neuen Schuldrechts nicht. Der Käufer ist durch seine Sachmangelrechte hinreichend geschützt. Bei dieser Sachlage dürfte es im Übrigen auch einem Unternehmer ohne weiteres möglich sein, einen Gebrauchtwagen ohne Ausschluss der Sachmangelhaftung zu erwerben.
Vorliegend wurde jedoch ein fast 14 Jahre altes Fahrzeug beschädigt. Vergleichbare Fahrzeuge werden heute überwiegend am Privatmarkt angeboten. Ein privater Verkäufer ist regelmäßig nicht sachkundig genug, um das Fahrzeug einer vollständigen technischen Untersuchung zu unterziehen. Auch werden Fahrzeuge im privaten Gebrauchtwagenhandel nach wie vor regelmäßig unter Ausschluss jedweder Sachmangelhaftung veräußert.
Gleichwohl ist auch bei einem Erwerb des Fahrzeuges am Privatmarkt eine vom Käufer zu bezahlende technische Untersuchung des Fahrzeuges vor dem Abschluss des Kaufvertrages zur Herstellung der Sache nicht erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Denn ein derartiges Vorgehen ist jedenfalls bei einem Fahrzeug mit einem Wert von nur 3.400,00 Euro wirtschaftlich unvernünftig und unzweckmäßig.
Der Kaufinteressent, der sich nach Einholung des Gutachtens gegen den Erwerb entscheidet und nach anderen Fahrzeugen Ausschau hält, müsste dann für diese Fahrzeuge weitere Gutachten einholen. Das bereits eingeholte Gutachten wäre für ihn wertlos. Deshalb würde ohne ersatzpflichtigen Schädiger kein wirtschaftlich denkender Käufer bei einem Kauf auf dem Privatmarkt in der Größenordnung von 3.400,00 Euro die in Betracht kommenden Fahrzeuge vor einem Kauf auf eigene Kosten von einem Sachverständigen untersuchen lassen. Denn er würde, sollte er sich nach der Untersuchung gegen den Kauf des Fahrzeuges entscheiden, die Kosten der Untersuchung selbst zu tragen haben. Für einen entsprechenden Ersatzanspruch gegen den Verkäufer gibt es keine Grundlage. Dabei müsste der Käufer im Zuge seiner Suche nach einem geeigneten Gebrauchtfahrzeug mehrere Gutachten über unterschiedliche Fahrzeuge einholen.
Wirtschaftlich vernünftigem Denken entspricht es vielmehr, dass ein Käufer, der seine Kaufentscheidung vom Vorliegen einer technischen Überprüfung abhängig machen will, vom Verkäufer die Vorlage eines entsprechenden Gutachtens einer unabhängigen Prüfstelle verlangt bzw. nur von einem solchen Verkäufer erwirbt, der ein entsprechendes Überprüfungsergebnis vorlegt. Die Kosten für dieses Gutachten fallen dann dem Verkäufer zur Last, der es, sollte der Kaufvertrag nicht zu Stande kommen, bei den Verhandlungen mit anderen potentiellen Käufern erneut verwenden kann. Der Verkäufer, der die Gutachterkosten insoweit aufzubringen hat, kann aber am Markt gleichwohl nur den in diesem Gutachten ermittelten Preis in Höhe des Wiederbeschaffungswertes erzielen.
Dagegen kann nicht argumentiert werden, am Privatmarkt würden keine Gebrauchtfahrzeuge unter Vorlage eines vom Verkäufer bereits eingeholten seriösen Gutachtens angeboten. Dies ist aufgrund des Wechselspiels von Angebot und Nachfrage nur bei fehlender Nachfrage und damit nur unter der Voraussetzung denkbar, dass verständige, wirtschaftlich denkende Käufer die Vorlage eines solchen Gutachtens tatsächlich nicht für zweckmäßig und notwendig halten.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere 1.044,71 Euro Mietwagenkosten sowie weitere 75,00 Euro pauschale Ab- und Anmeldekosten gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB oder aus anderen gesetzlichen Bestimmungen i.V.m. § 3 Nr. 1 PflichtversG a.F.
a) Gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist bei Beschädigung einer Sache der auf Geld gerichtete Schadensersatzanspruch durch den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag begrenzt. Hinsichtlich des Ersatzes von Mietwagenkosten bedeutet dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der die Kammer folgt, dass der Geschädigte nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlicher vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.
Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifes mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen und ähnliches) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 9.5.2006, VI ZR 117/05 [juris] = NJW 2006, 2106). Dabei ist es nicht erforderlich, die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachzuvollziehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif – unter Umständen auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif – rechtfertigen. War der Unfallersatztarif mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung erforderlich, kann der Geschädigte im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich war.
Von der Ermittlung des grundsätzlich nach § 249 BGB ersatzfähigen Tarifes ist jedoch die Frage zu trennen, inwieweit der Geschädigte im konkreten Fall gem. § 254 Abs. 2 BGB zur Anmietung zu einem anderen, günstigeren Tarif verpflichtet war (BGH, Urt. v. 14.02.2006, VI ZR 32/05 [juris] = NJW 2006, 1508) oder ansonsten gegen seine Schadensminderungs- und Hinweispflicht verstoßen hat.
Vorliegend steht jedenfalls § 254 Abs. 2 BGB einem weiteren Schadensersatzanspruch des Klägers hinsichtlich der Mietwagenkosten entgegen.
Der Kläger macht geltend, er habe nicht zum Normaltarif anmieten können, weil er über keine Kreditkarte verfüge und eine Kaution nicht habe aufbringen können. Dies ist im Hinblick auf die für den Ersatzwagen abgeschlossene Ratenzahlungsvereinbarung auch glaubhaft. Soweit er weiter vorträgt, bei einem Normaltarif müsse darauf verzichtet werden, einen bestimmten Wagentyp anzumieten, überzeugt sein Vorbringen nicht. Kein Tarifmodell verschafft vor Abschluss des Vertrages einen Anspruch auf einen bestimmten Pkw, vielmehr bietet der Vermieter bei den Vertragsverhandlungen einen bestimmten zur Verfügung stehenden Pkw an und bezieht sich der Vertrag dann gegebenenfalls auf dieses Auto. Der Kläger hätte auch ohne weiteres abschätzen können, dass er den Mietwagen für mehr als eine Woche benötigen würde und den Vertrag später gegebenenfalls verlängern oder einen neuen Vertrag abschließen können.
Dem Kläger musste aufgrund des üblicherweise für den Erwerb eines Gebrauchtwagens erforderlichen Zeitraums bzw. der ersichtlich erheblichen, nur einer zeitaufwendigen Reparatur zugänglichen, Beschädigungen des Unfallwagens bereits vor Vorliegen des Schadensgutachtens des Dipl. Ing. S vom 09.01.2007 klar sein, dass die Anmietung sich nicht auf wenige Tage beschränken würde. So ist auch der Zeuge K, der den Mietvertrag für den Autovermieter mit dem Kläger aushandelte, nach seiner Aussage vor dem Amtsgericht von einer Mietzeit von ca. 2 Wochen ausgegangen. Der Kläger konnte erkennen, dass die Gefahr drohte, dass die Mietwagenkosten bei Abschluss zum Unfallersatztarif außer Verhältnis zum Wert der entzogenen Sache standen. Jedenfalls in dieser Situation war der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungs- und Hinweispflicht aus § 254 Abs. 2 BGB gehalten, den Schädiger bzw. die Beklagte als dessen Haftpflichtversicherer darauf hinzuweisen, dass ihm die Mittel zur Stellung einer Kaution fehlten. Die Beklagte hätte dann einen Ersatzwagen im Rahmen der Kooperationsvereinbarungen vermittelt und eine Kostenübernahmeerklärung bzgl. des ortsüblichen angemessenen Normaltarifs abgegeben. Die Kammer folgt dem diesbezüglichen – mit Nichtwissen bestrittenen – Vorbringen der Beklagten. Es ist glaubhaft, da ein solches Vorgehen wirtschaftlicher Vernunft entspricht und bei Pkw-Haftpflichtversicherungen üblich ist.
Da eine solche Information der Beklagten jedoch erst am Montag, dem 8.1.2007 möglich gewesen sein dürfte, ist eine Anmietung zu einem Unfallersatztarif für die ersten zwei Tage nicht zu beanstanden.
Bei der Berechnung des dem Kläger danach zustehenden Ersatzanspruches ist darauf abzustellen, welcher Betrag für eine Anmietung zum Unfallersatztarif für zwei Tage und bei Gestellung einer Kaution für eine Anmietung zum Normaltarif für die Folgezeit erforderlich war. Obwohl der Unfallwagen nur teilkaskoversichert war, ist ein Zuschlag für einen Vollkaskoschutz zu berücksichtigen, da der gemietete Pkw einen höheren Wert hatte, als der Unfallwagen des Klägers. Eine möglicherweise im Vergleich zur C-Autovermietung GmbH & Co KG höhere Selbstbeteiligung im Falle eines weiteren Unfalles bis 1.000,00 Euro, wie sie der Kläger vorträgt, hätte er dabei im Interesse der Wirtschaftlichkeit der Anmietung jedenfalls deshalb hinnehmen müssen, weil sein verunfallter Pkw gegen selbstverschuldete Unfälle nicht versichert war – es bestand nur Teilkaskoschutz –, so dass ihm bei selbstverschuldeten Unfällen ein weitaus höherer Schaden bis zum Wiederbeschaffungswert von 3.400 Euro drohte.
Für die Schätzung des erforderlichen Betrages – die Einzelheiten des Tarifs der C-Autovermietung GmbH & Co KG sind nicht vorgetragen – ist der Modus des Schwacke Automietpreisspiegels, hier in der Ausgabe 2007, eine geeignete Grundlage. Danach fallen im PLZ-Gebiet … bei Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 4 (eine Stufe unter dem Unfallwagen des Klägers) folgende Kosten einschließlich Mehrwertsteuer an, wobei der Kläger den Mietwagen nur vom 7.01.2009 bis zur tatsächlichen Neuanschaffung am 22.01.2009 (nicht: bis zur Rückgabe am 26.01.2007), also für 16 Tage benötigte:
2 Tage Unfallersatztarif 2 x 180,90 361,80 €
2 Wochen Normaltarif 2 x 489,34 978,68 €
Vollkasko 2 Tage à 22,00 44,00 €
Vollkasko 2 Wochen à 132,00 264,00 €
Winterreifen 16 Tage à 15,00 240,00 €
Zustellen/Abholen Pkw Unfallersatztarif 2×25,00 50,00 €
Zustellen/Abholen Pkw Normaltarif 2×25,00 50,00 €
Insgesamt 1.988,48 €
Damit ist der Kläger hinsichtlich der Mietwagenkosten, auf die die Beklagte bereits 2.060 Euro geleistet hat, überzahlt und ist für einen weiteren Anspruch kein Raum. Es kann deshalb insoweit auch dahinstehen, ob, wie die Beklagte meint, nur die Kosten eines Pkw der Wagenklasse 3 zu ersetzen wären.
b) Es kann ebenfalls dahinstehen, ob Ab- und Anmeldekosten pauschal zu ersetzen sind. Jedenfalls überschreitet eine solche Pauschale den Betrag von 50 bis 60 Euro nicht (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 10.01.2008, 21 S 121/07 [juris] = Schaden-Praxis 2008, 155, Rn. 45; LG Wiesbaden, Urt. v. 21.03.2007, 10 O 6/05 [juris] = Schaden-Praxis 2008, 155). In der Klagebegründung geht der Kläger selbst davon aus, 50 Euro seien angemessen. Die Beklagte hat den Kläger hinsichtlich der Mietwagenkosten um 71,52 Euro überzahlt. Mietwagenkosten und Ab-/Anmeldekosten sind nur unselbständige Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs des Klägers auf Ersatz seines materiellen Schadens gem. § 249 BGB. Auch wenn die Ab-/Anmeldekosten damit pauschal mit maximal 60 Euro zu ersetzen sein sollten, wäre der einheitliche Schadensersatzanspruch des Klägers bereits vollumfänglich erfüllt.
3. Da die Klage somit in der Hauptsache keinen Erfolg hat, ist auch für einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten oder Zinsen kein Raum.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Kammer lässt gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision gegen das (gesamte) Urteil zu. Hinsichtlich der Frage, inwieweit der Geschädigte verpflichtet ist, den Unfallgegner bzw. seine Versicherung auf eine Kautionsstellung anzusprechen (offengelassen in BGH, Urt. v. 06.03.2007, VI ZR 36/06 [juris] = NJW 2007, 1676) und der Ersatzfähigkeit fiktiver Begutachtungskosten bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts bzw. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch die obersten Bundesgerichte erfolgt.