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Unfallschaden mit Privatfahrzeug – Erstattungsanspruch gegen Arbeitgeber


Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 6 Sa 559/12

Urteil vom 23.04.2013


Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.11.12, AZ: 4 Ca 1949/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Ersatz eines an seinem Personenkraftwagen entstandenen Schadens.

Der in C-Stadt wohnhafte Kläger ist bei dem beklagten Land, vertreten durch den A., auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 14. März 1991 (im Folgenden: AV) als Fernmeldemechaniker in der Fernmeldemeisterei K – Autobahnamt M – beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet jedenfalls kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder in der jeweils geltenden Fassung (TV-L) Anwendung. Am 24. Dezember 2009 befand sich der Kläger im Rufbereitschaftsdienst, den er von zu Hause aus wahr nahm. Er wurde im Rahmen seiner Rufbereitschaft zu einem Einsatz gerufen, um eine Störung der Notrufanlage im Tunnel M-H zu beseitigen, und fuhr mit seinem privaten PKW zur Dienststelle Fernmeldemeisterei K, von wo aus er die Störung zusammen mit einem Kollegen per Computer beseitigte. Gegen 11:40 Uhr trat der Kläger die Rückfahrt zu seinem Wohnort an. Von der Fernmeldemeisterei K fuhr er über die Landstraße L 121 zur Auffahrt M-K, um auf die dort vierspurige Bundesstraße B9 Richtung B aufzufahren. Gegen Ende der Beschleunigungsspur zur B9 befindet sich unter der B9 eine quer verlaufende Straße. Auf der Höhe der Brückenüberführung rutschte das Fahrzeug des Klägers plötzlich mit dem Heck weg und geriet ins Schleudern. Trotz Gegenlenkens und Bremsens rutschte der PKW am Ende der Beschleunigungsspur nach rechts in die Betongleitschutzwand. Zum Zeitpunkt des Unfalls herrschten Außentemperaturen von 2 Grad Celsius bei nasser Fahrbahn. Auf der B9 ist an der Unfallstelle eine Höchstgeschwindigkeit bei Nässe nicht vorgeschrieben. Der Kläger fuhr 60 bis 70 km/h. Dort, wo der Kläger auf die B9 auffahren wollte, ist eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h vorgeschrieben. Bei dem Unfall kam es zu einem Schaden am Fahrzeug des Klägers in Höhe von insgesamt 3.686,92 Euro netto, der bis auf die Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 Euro von der Vollkaskoversicherung des Klägers ausgeglichen wurde. Die Selbstbeteiligung hat der Kläger selbst getragen.

Der Kläger machte den ihm in Höhe des Eigenanteils entstandenen Schaden mit Schreiben vom 05. Februar 2010 beim beklagten Land geltend, welches die Forderung mit Schreiben vom 25. Februar 2010 mit der Begründung zurückwies, nach § 99 Abs. 1 Satz 2 LBG beginne der Dienst nicht mit dem Verlassen der Wohnung. Nach weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien hat der Kläger am 23. Mai 2012 vorliegende Zahlungsklage wegen Schadensersatzes beim Arbeitsgericht Koblenz erhoben.

Er hat erstinstanzlich – im Wesentlichen – vorgetragen, das beklagte Land sei zum Ersatz seines Schadens nach § 670 BGB analog verpflichtet, insbesondere finde § 70 LBG RP (= § 99 LBG RP aF) weder direkt, noch analog auf das privatrechtliche Dienstverhältnis Anwendung. Die Beklagte verkenne, dass er sich im Rahmen der Rufbereitschaft im Dienst befunden habe und sein Fahrzeug mit Billigung im Betätigungsbereich des Arbeitgebers eingesetzt habe. Da das beklagte Land ein unbedingtes Interesse daran habe, dass er bei Störungsfällen in kurzer Zeit am Einsatzort sei, sei der hierbei entstandene Schaden an seinem privaten PKW vom beklagten Land zu ersetzen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, angesichts seiner angepassten Fahrweise ohne überhöhte Geschwindigkeit auf der relativ kurzen Beschleunigungsspur könne ihm grobe Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen werden, zumal er nicht habe erkennen können, dass die Beschleunigungsspur zur B9 über eine Brücke führe und die Straße an der Unfallstelle möglicherweise und unvorhersehbar überfroren gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2010 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage wird abgewiesen.

Das beklagte Land hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe einen Anspruch aus § 670 BGB weder unmittelbar noch analog, weil sich Fürsorgeleistungen des Landes wie gegenüber seinen Beamten auch gegenüber seinen Angestellten ausschließlich nach der entsprechenden Anwendung des § 70 LBG RP (= § 99 LBG aF) richteten, wodurch die Gleichbehandlung der Beamten und Angestellten in diesem Bereich gewährleistet werden solle. Der Kläger habe weder nach dieser Vorschrift, noch nach § 670 BGB analog einen Erstattungsanspruch, weil er den Unfall infolge überhöhter Geschwindigkeit grob fahrlässig verschuldet habe und zudem spätestens nach dem Durchdrehen der Räder – als Hinweis auf Glätte – beim Auffahren zur B9 die restliche Auffahrt besonders vorsichtig habe befahren müssen, statt – wie er selbst angegeben habe – noch zu beschleunigen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Klage mit Urteil vom 14. November 2012 (Bl. 75 – 84 d. A.), auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, unter Zulassung der Berufung bis auf einen Zinstag entsprochen und zur Begründung angeführt, das beklagte Land hafte für den entstandenen Schaden nach den Grundsätzen ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 670 BGB analog, da der betrieblich veranlasste und nicht durch besondere Vergütungsbestandteile abgedeckte Schaden bei einem objektiv erforderlichen Einsatz des Fahrzeugs im Betätigungsbereich der Arbeitgeberin entstanden und ein Fahrfehler des Klägers nicht ersichtlich sei. An diesen Grundsätzen ändere auch § 70 LBG RP (= § 99 LBG RP aF) nichts, da die Norm weder unmittelbar, noch analog anwendbar sei. Insbesondere rechtfertige der Gleichbehandlungsgrundsatz eine analoge Anwendung nicht, da dieser als Teilhaberecht konzipiert sei und nicht dazu herangezogen werden könne, das Schutzniveau abzusenken. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 81 ff. d. A. Bezug genommen.

Das beklagte Land hat gegen das ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten am 30. November 2012 zugestellte Urteil mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis 28. Februar 2013 mit Schriftsatz vom 26. Februar 2013, bei Gericht eingegangen am 27. Februar 2013, begründet.

Das beklagte Land macht mit der Berufungsbegründung, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 107 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend,

§ 70 LBG RP (= § 99 LBG aF) sei vorliegend – unter Ausschluss der Haftung nach § 670 BGB analog – analog anwendbar, da das beklagte Land sowohl Landesbeamte als auch nach TV-L Angestellte mit überwiegend identischen Aufgabenstellungen beschäftige und die Nähe ua. ausweislich der Bezugnahmen beispielsweise in § 3 Abs. 3 TV-L, § 4 Abs. 1 TV-L und § 3 Abs. 7 TV-L zum öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnis größer sei als die zum privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis. Außerdem nehme der Kläger hoheitliche Tätigkeiten wahr, weshalb er insoweit als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne gelte. Auch nach § 670 BGB analog sei ein Anspruch des Klägers nicht gegeben. Es fehle bereits an der betrieblichen Veranlassung, da der Schaden des Klägers im Rahmen der Rufbereitschaft während der Rückfahrt zur Wohnung eingetreten sei und ein arbeitgeberseitiges Interesse an einer möglichst zügigen Rückfahrt des Arbeitnehmers nicht anzunehmen sei. Im Übrigen habe der Kläger nicht wie ein Arzt, der dringend zu einem Kranken gerufen werde, an seinem Arbeitsplatz erscheinen müssen, sondern es sei lediglich die Möglichkeit einer zeitnahen Fehlerbehebung am gleichen Tag beabsichtigt gewesen. Auch sei die Annahme des Arbeitsgerichts fehlerhaft, der Kläger habe den Unfall nur leicht fahrlässig verursacht, weil dieser nach dem Durchdrehen der Räder noch beschleunigt habe und die Geschwindigkeitsangaben allein auf seinen Aussagen beruhten. Selbst wenn der Anspruch dem Grunde nach berechtigt sein solle, habe der Kläger den Schaden als berufsbedingte Aufwendung steuerlich geltend machen können und ihm sei insoweit eine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorzuwerfen.

Das beklagte Land beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.11.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.11.2012, Aktenzeichen 4 Ca 1949/12, wird zurückgewiesen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 08. April 2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 181 ff. d. A.) und trägt im Wesentlichen vor, die Anwendbarkeit des § 70 LBG RP lasse sich nicht mit dem TV-L begründen, da dieser hinsichtlich der Haftung des Arbeitgebers für Schäden des Arbeitnehmers gerade nicht auf beamtenrechtliche Vorschriften verweise und eine Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu Lasten des Beschäftigten nicht in Betracht komme. Im Übrigen existiere das behauptete Nebeneinander von Beamten und Angestellten im Tätigkeitsbereich des Klägers nicht. Auch die Ausführungen des beklagten Landes zu § 670 BGB analog überzeugten nicht, da eine Rufbereitschaft bei Störfällen im Bereich der Fernmeldemechanik bezüglich des Interesses des Arbeitgebers am kurzfristigen Erscheinen durchaus vergleichbar sei mit der Dringlichkeit eines Arztes im Rahmen dessen Rufbereitschaft, wobei der PKW selbstverständlich auch für den Rückweg zu nutzen sei. Der Kläger trägt vor, mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte seine Anfahrt – statt durchschnittlich 25 Minuten mit dem PKW – mit mindestens zweimaligem Umsteigen zwischen 1:10 und 1:48 gedauert. Im Übrigen habe er auch nicht fahrlässig gehandelt, sondern sei vorsichtig gefahren, insbesondere habe er zu keiner Zeit behauptet, nach dem Durchdrehen der Reifen nochmals beschleunigt zu haben, sondern er habe nach dem Durchdrehen der Reifen und dem Wegrutschen des Fahrzeugs nur noch versucht, gegenzulenken, wobei das Fahrzeug allerdings gegen die Betonwand gestoßen sei. Auch der Einwand zur Anspruchshöhe greife nicht, da eine geleistete Selbstbeteiligung nicht als berufsbedingte Aufwendung geltend gemacht werden könne und – selbst wenn dem so wäre – eine eventuelle Steuerersparnis nicht die Haftung der Beklagten mindern könne.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes des zweitinstanzlichen Verfahrens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 23. April 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist in der Sache nicht erfolgreich.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe a ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 30. November 2012 mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO) und nach Fristverlängerung bis 28. Februar 2013 mit Schriftsatz vom 26. Februar 2013, eingegangen am 27. Februar 2013 rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO). Die Begründung setzt sich in hinreichender Weise mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr.2, 4 ZPO).

II. Die Berufung ist nicht begründet. Die als Leistungsklage zulässige Klage ist auch in der Sache erfolgreich. Das beklagte Land ist verpflichtet, dem Kläger den ihm entstandenen Unfallschaden in Höhe der Selbstbeteiligung zu ersetzen.

1. Das beklagte Land hat dem Kläger den anlässlich der Heimfahrt im Rahmen seiner Rufbereitschaft am 24. Dezember 2009 infolge des Unfalls mit seinem privaten Fahrzeug entstandenen Schaden in Höhe der Selbstbeteiligung von 500,00 Euro gemäß § 670 BGB analog zu erstatten. Hiervon geht das Arbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen aus.

1.1. Das beklagte Land haftet für den entstandenen Schaden dem Grunde nach gemäß § 670 BGB analog.

a) Nach § 670 BGB hat der Beauftragte gegen den Auftraggeber Anspruch auf den Ersatz von Aufwendungen, die er zum Zwecke der Ausführung des Auftrags gemacht hat und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Ein Arbeitnehmer hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in entsprechender Anwendung des § 670 BGB Anspruch auf Ersatz von Schäden, die ihm bei Erbringung der Arbeitsleistung ohne Verschulden des Arbeitgebers entstehen. Voraussetzung der Ersatzfähigkeit eines Eigenschadens ist, dass der Schaden nicht dem Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen ist und der Arbeitnehmer ihn nicht selbst tragen muss, weil er dafür eine besondere Vergütung erhält (st. Rspr., vgl. BAG 22. Juni 2011 – 8 AZR 102/10 – Rn. 20; 28. Oktober 2010 – 8 AZR 647/09 – Rn. 26; jeweils zitiert nach juris).

Sachschäden des Arbeitnehmers, mit denen nach Art und Natur des Betriebs oder der Arbeit zu rechnen ist, insbesondere Schäden, die notwendig oder regelmäßig entstehen, sind arbeitsadäquat und im Arbeitsverhältnis keine Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB. Handelt es sich dagegen um außergewöhnliche Sachschäden, mit denen der Arbeitnehmer nach der Art des Betriebs oder der Arbeit nicht ohne weiteres zu rechnen hat, so liegt eine Aufwendung nach § 670 BGB vor (vgl. BAG 22. Juni 2011 – 8 AZR 102/10 – Rn. 21, 20. April 1989 – 8 AZR 632/87 – Rn. 16; jeweils zitiert nach juris).

In entsprechender Anwendung des § 670 BGB muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an dessen Fahrzeug entstandene Unfallschäden ersetzen, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich ua., wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müsste (BAG 28. Oktober 2010 – 8 AZR 647/09 – Rn. 28) oder wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordert, das eigene Fahrzeug für eine Fahrt zu nutzen (BAG 22. Juni 2011 – 8 AZR 102/10 – Rn. 22 aaO; 23. November 2006 – 8 AZR 701/05 – Rn. 15; zitiert nach juris).

Ein Arzt, der im Rahmen der vom Arbeitgeber angeordneten Rufbereitschaft zur Arbeitsleistung abgerufen wird und bei der Fahrt von seinem Wohnort zur Klinik mit seinem Privatfahrzeug verunglückt, hat grundsätzlich Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Ersatz des Unfallschadens, wenn er es für erforderlich halten durfte, seinen privaten Wagen für die Fahrt zur Arbeitsstätte zu benutzen, um rechtzeitig zu erscheinen (BAG 22. Juni 2011 – 8 AZR 102/10 – Rn. 28, 33, zitiert nach juris).

b) Ausgehend von diesen vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen, denen sich die Berufungskammer anschließt, ist das beklagte Land zum Ersatz des Unfallschadens grundsätzlich verpflichtet. Die Gefahr eines Eigenschadens am privaten Fahrzeug des Klägers während der streitgegenständlichen Fahrt vom Arbeitsort zu seiner Wohnung im Zusammenhang mit der Rufbereitschaft war nicht seinem Lebensbereich, sondern dem Betätigungsbereich des beklagten Landes zuzurechnen.

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 (1) Bei der vom Kläger im Rahmen seiner Rufbereitschaft absolvierten Fahrt handelt es sich nicht um eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im herkömmlichen Sinne, für die der Kläger nach allgemeinen arbeitrechtlichen Grundsätzen seine Aufwendungen selbst tragen müsste, da solche Fahrten erforderliche Handlungen des Arbeitnehmers darstellen, um die geschuldete Tätigkeit am Arbeitsplatz überhaupt aufnehmen zu können (vgl. BAG 21. Juli 1993 – 4 AZR 471/92 – Rn. 29, zitiert nach juris). Der Kläger war von der Beklagten am 24. Dezember 2009 in seiner Funktion als Fernmeldemechaniker zur Rufbereitschaft eingeteilt. Rufbereitschaft leisten gemäß dem jedenfalls kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwendbaren § 7 Abs. 4 Satz 1 TV-L Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Der allgemeine Weg zur Arbeitsstelle unterscheidet sich grundlegend vom Weg zur Arbeitsstelle während der Rufbereitschaft. Bei der Rufbereitschaft handelt es sich – wie die nach § 8 Abs. 5 TV-L zu zahlende Rufbereitschaftspauschale zeigt – nicht um Freizeit. Der Arbeitnehmer hat vielmehr im Rahmen der Rufbereitschaft regelmäßig die Pflicht, sich auf Abruf innerhalb einer den Arbeitseinsatz nicht gefährdenden Zeit zu seiner Arbeitsstelle zu begeben. Daher steht es dem Arbeitnehmer – anders als beim allgemeinen Weg zur Arbeit – auch nicht frei, wie er sich zur Arbeitsstelle begibt, sondern er hat regelmäßig die Pflicht, sich „schnellstmöglich“ zur Arbeitsstelle zu begeben (vgl. BAG 22. Juni 2011 – 8 AZR 102/10 – Rn. 30 f., zitiert nach juris).

 (2) Die Benutzung des privaten Fahrzeugs des Klägers aufgrund der von der Beklagten angeordneten Rufbereitschaft fiel in deren Risikobereich; auch wenn die Beklagte ihn hierzu nicht angewiesen haben sollte, durfte der Kläger den Einsatz seines Privatwagens anlässlich seiner Rufbereitschaft für erforderlich halten.

Das beklagte Land hat nicht in Abrede gestellt, dass die Anfahrt des Klägers von C-Stadt zu seiner Dienststelle mit dem Pkw lediglich ca. eine halbe Stunde Zeit in Anspruch nimmt, während sich bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel die Anfahrtszeit mehr als verdoppelt bzw. je nach Verbindung verdreifacht. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger als Fernmeldetechniker im Einsatz war und eine Störung der Notrufanlage im Tunnel M-H zu beseitigen hatte, hatte das beklagte Land ein unbedingtes Interesse daran, dass der Kläger nach Abruf zur Arbeit schnellstmöglich zur Dienststelle gelangt. Soweit sie im Berufungsverfahren vorgetragen hat, es sei lediglich um die „zeitnahe“ Fehlerbehebung gegangen, vermochte dieser Einwand angesichts der drohenden Gefahr für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer bei Ausfall der im Verantwortungsbereich des beklagten Landes stehenden Notrufanlage im fraglichen Tunnel nicht zu einer anderen Beurteilung durch die Berufungskammer zu führen. Ähnlich wie beim in Rufbereitschaft befindlichen Arzt duldete auch der vorliegende Einsatz des Klägers keinen beliebigen Aufschub.

Entgegen der Auffassung des beklagten Landes wird seine Einstandspflicht nicht dadurch beseitigt, dass der Kläger nicht auf dem Weg zur Arbeitsstelle verunfallt ist, sondern sich bereits auf dem Rückweg zu seinem Wohnort nach seinem Rufbereitschaftseinsatz befand. Liegt der Einsatz des privaten Fahrzeuges des Arbeitnehmers bei der Anfahrt zur Dienststelle während der Rufbereitschaft im gesteigerten Interesse des Arbeitgebers, sind auch auf der Rückfahrt entstandene Unfallschäden nach den Grundsätzen zu§ 670 BGB analog zu erstatten. Eine Unterscheidung dergestalt, dass der Arbeitnehmer die Nutzung des privaten Pkw bei der Rufbereitschaft zwar für die Hinfahrt für erforderlich halten darf, für die Rückfahrt jedoch auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel unter Zurücklassung seines Privatwagens bei der Arbeitsstelle verwiesen sein soll, ist – auch unter Berücksichtigung arbeitsvertraglicher Fürsorgepflichten – denknotwendig ausgeschlossen. Dass der Kläger sich nicht auf dem unmittelbaren Heimweg vom Rufbereitschaftseinsatz befunden, sondern zuvor noch privaten Verrichtungen nachgegangen wäre, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.

1.2. Der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers ist nicht nach § 254 BGB gemindert oder gar ausgeschlossen.

a) Der Anspruch ist nicht nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs unter Zugrundelegung des Rechtsgedankens des § 254 BGB eingeschränkt.

 (1) Grund für einen Erstattungsanspruch entsprechend § 670 BGB ist, dass der Arbeitgeber das Schadensrisiko nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen darf, wenn er sich dessen eingebrachter Sachen als Arbeitsmittel bedient. Andererseits soll der Arbeitnehmer durch die Einbringung eigener Sachmittel nicht besser gestellt sein, als er bei der Beschädigung betriebseigener Sachmittel stünde. Ein Ersatzanspruch kann daher nur in dem Umfange bestehen, in dem der Arbeitgeber eine Beschädigung seiner eigenen Sachmittel hinzunehmen hätte (innerbetrieblicher Schadensausgleich). Bei der Bewertung, wann und ggf. in welchem Umfange Verschulden des Arbeitnehmers den Ersatzanspruch ausschließt oder mindert, kommen die Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich zur Anwendung. Unter Zugrundelegung des Rechtsgedankens des § 254 BGB bedeutet dies, dass im Falle leichtester Fahrlässigkeit eine Mithaftung des Arbeitnehmers entfällt. Bei normaler Schuld des Arbeitnehmers (mittlere Fahrlässigkeit) ist der Schaden grundsätzlich anteilig unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu verteilen und bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schadensverursachung ist der Ersatzanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ganz ausgeschlossen. Im Prozess über einen Entschädigungsanspruch obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Umstände, die eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadensverursachung ausschließen, wenn er die volle Erstattung des erlittenen Schadens verlangt. Damit muss er, wenn er vollen Aufwendungsersatz entsprechend § 670 BGB verlangt, darlegen, dass er den Unfall allenfalls leicht fahrlässig verursacht hat (vgl. BAG 22. Juni 2011 – 8 AZR 102/10 – Rn. 35 ff. mwN, zitiert nach juris).

 (2) Mit dem Arbeitsgericht geht die Berufungskammer davon aus, dass der Kläger den Unfall am 24. Dezember 2009 allenfalls leicht fahrlässig verursacht hat. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich ausreichende Anhaltspunkte, dass ihm weder grobe, noch mittlere Fahrlässigkeit vorzuwerfen sind. Der Kläger hat, ohne sich auf eine bloße Einschätzung zu berufen, zum Unfallhergang nachvollziehbar angegeben, bei 2 Grad Celsius Außentemperatur auf der nassen Auffahrspur mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/h gefahren zu sein, als sein Wagen plötzlich mit dem Heck weggerutscht, ins Schleudern geraten und trotz Gegenlenkens und Bremsens am Ende der Beschleunigungsspur in die Betongleitschutzwand gerutscht sei. Da zuletzt zwischen den Parteien nicht mehr streitig ist, dass auf der B9 an der Unfallstelle eine Höchstgeschwindigkeit bei Nässe nicht vorgeschrieben ist, ist der Kläger jedenfalls nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren, zumal auf der B9 an der Auffahrstelle eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h gilt und er auf der Beschleunigungsspur eine Geschwindigkeit wählen musste, die für auf der B9 fahrende Verkehrsteilnehmer keine Verkehrsbehinderung darstellte. Da nicht ersichtlich ist, dass der Kläger hätte erkennen können oder gar müssen, dass sich am Ende der Auffahrspur eine Straßenunterführung mit eventueller Vereisungsgefahr befindet, kann von einem Fahrfehler nicht ausgegangen werden. Soweit die Beklagte sich darauf berufen hat, der Kläger habe nicht – wie von ihm angegeben – beschleunigen dürfen, nachdem der Wagen bereits weggerutscht gewesen sei, hat der Kläger derartigen Vortrag nicht gehalten, sondern den Unfallhergang von Anbeginn so dargestellt, dass er zwischen dem plötzlichen Wegrutschen und dem Ins-Schleudern-Geraten des Fahrzeuges lediglich versuchte, gegenzulenken und zu bremsen, was jedoch erfolglos blieb.

b) Das beklagte Land kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nicht in vollem Umfang zu haften, da der Kläger verpflichtet gewesen sei, den Eigenanteil als berufsbedingte Aufwendung steuerlich geltend zu machen und sich die sich ergebende Steuerersparnis anrechnen lassen müsse. Zwar trifft grundsätzlich gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB den Geschädigten eine Schadensminderungspflicht. Der Geschädigte soll im Rahmen des von einem vernünftigen und sorgfältigen Menschen zu Erwartenden dazu beitragen, dass der Schaden nicht unnötig groß wird; darüber hinausgehende Anstrengungen muss der Geschädigte jedoch nicht unternehmen (Münchner Kommentar zum BGB – Oetker 6. Auflage 2012 § 254 BGB Rn. 76). Ausgehend hiervon ist vom Kläger, der den Schaden im Übrigen bereits zugunsten der Beklagten über seine Vollkaskoversicherung abgewickelt hat, nicht zu verlangen, auch den verbleibenden Betrag an Selbstbeteiligung zur Entlastung der Beklagten unter Inanspruchnahme der Allgemeinheit im Rahmen seiner Steuererklärung als besondere Belastung geltend zu machen. Darauf, dass das beklagte Land nicht vorgetragen hat, inwieweit es überhaupt zu einer Steuerersparnis gekommen wäre, kam es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.

2. Das beklagte Land kann sich nicht darauf berufen, seine Verpflichtung zum Ersatz des dem Kläger entstandenen Schadens richte sich aus Gründen der Gleichbehandlung mit den vergleichbar beschäftigten Beamten ausschließlich nach beamtenrechtlichen Regelungen, insbesondere nach dem zum Zeitpunkt des Schadensereignisses geltenden § 99 LBG RP in der Fassung vom 14. Juli 1970, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (GVBl. S. 647) (im Folgenden: LBG aF) (= § 70 LBG RP in der Fassung vom 20. Oktober 2010 (GVBl. S. 319), der zu einem Anspruch des Klägers nicht führe. Die für Beamte im Dienst des beklagten Landes anwendbaren Regelungen finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits keine Anwendung. Darüber hinaus wäre das beklagte Land im vorliegenden Fall, selbst wenn man von der Anwendbarkeit beamtenrechtlicher Regelungen ausgehen wollte, nach Auffassung der Berufungskammer auch danach zum Ersatz des entstandenen Unfallschadens verpflichtet.

2.1. Die Frage, ob das beklagte Land gegenüber dem Kläger zur Erstattung des entstandenen Unfallschadens verpflichtet ist, beurteilt sich nicht nach beamtenrechtlichen Regelungen, insbesondere nicht nach dem Ersatz von Sachschaden regelnden § 99 Abs. 1 LBG RP aF oder der Fürsorge- und Treuepflicht des Dienstherrn nach § 87 LBG RP aF.

a) Da der Kläger kein Beamter ist, unterfällt er gemäß § 1 LBG aF weder dem Anwendungsbereich des § 99 Abs. 1 LBG RP aF, noch dem des § 87 LBG RP aF unmittelbar. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes sind die beamtenrechtlichen Regelungen vorliegend auch nicht analog anzuwenden.

 (1) Die entsprechende Anwendung einer Gesetzesnorm kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn die gesetzliche Regelung planwidrig lückenhaft erscheint und zur Ausfüllung der Lücke die Übertragung der Rechtsfolge eines gesetzlichen Tatbestands auf einen vergleichbaren, aber im Gesetz nicht geregelten Tatbestand erforderlich ist. Dabei muss eine dem Plan des Gesetzgebers widersprechende Lücke bestehen oder sich jedenfalls später durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben haben (BAG 25.06.2009 – 8 AZR 780/07 – Rn. 32; 08. Dezember 2008 – 8 AZR 660/07 – Rn. 32; 13. Februar 2003 – 8 AZR 654/01 – Rn 39, 13. Mai 2004 – 8 AZR 92/03 – Rn. 55; jeweils zitiert nach juris). Die analoge Anwendung einer Bestimmung muss zur Ausfüllung der Lücke erforderlich sein, sodass die Rechtsfolge eines gesetzlichen Tatbestands auf einen vergleichbaren, aber im Gesetz nicht geregelten Tatbestand zu übertragen ist. Der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan ist aus ihm selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu schließen und es ist zu fragen, ob das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig ist (BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 487/10 – Rn. 18; 13. Februar 2003 – 8 AZR 654/01 – Rn 39; jeweils zitiert nach juris).

 (2) Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 99 LBG RP aF oder des § 87 LBG RP aF, auf das Arbeitsverhältnis des als Fernmeldemechaniker in der Fernmeldemeisterei K – Autobahnamt M – beschäftigten Klägers beim beklagten Land, vertreten durch den A., nicht vor. Die beamtenrechtlichen Regelungen, insbesondere § 99 LBG RP aF enthält nicht dadurch eine planwidrige Regelungslücke, dass die Vorschrift hinsichtlich des Ersatzes von Sachschäden durch den Dienstherrn auf angestellte Beschäftigte des beklagten Landes nicht anwendbar ist. Sie ist ausschließlich und ausdrücklich für Beamte bestimmt, während sich die Arbeitsverhältnisse der angestellten Beschäftigten grundsätzlich nach arbeitsrechtlichen Regelungen richten, gegebenenfalls in Form von Tarifrecht. Auch wenn einzelvertraglich oder tarifvertraglich Verweisungen auf Vorschriften des Beamtenrechts denkbar sind, führt dieser Umstand nicht zu einer planwidrigen Lückenwidrigkeit des Beamte erfassenden § 99 LBG aF oder vergleichbarer die Haftung des Dienstherrn für Sachschäden von Beamten betreffender Regelungen. Da bereits keine planwidrige Regelungslücke gegeben ist, kann dahinstehen, ob vorliegend – vom Kläger bestritten – im A. Beamte und Angestellte mit identischen Tätigkeiten beschäftigt sind und wegen einer vergleichbaren Interessenlage unter Berücksichtigung des vom beklagten Land angeführten Gleichbehandlungsgedankens die Übertragung von § 99 LBG aF auf das Anstellungsverhältnis des Klägers gerechtfertigt wäre. Zu berücksichtigen wäre hierbei jedenfalls, dass sich weder die im Beamtenrecht und im Arbeitsrecht anzuwendenden Grundsätze noch alle daraus folgenden Ergebnisse decken (vgl. BVerwG 18. Januar 1996 – 2 C 28/94 – Rn. 19, VGH Baden-Württemberg 19. November 1992 – 4 S 757/92 – Rn. 36, jeweils zitiert nach juris).

b) Auch kraft einzelvertraglicher Vereinbarung finden die beamtenrechtlichen Regelungen auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Eine ausdrückliche Vereinbarung diesbezüglich enthält der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 14. März 1991 nicht. Auch der jedenfalls kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwendbare TV-L enthält keine Verweisung auf beamtenrechtliche Regelungen zur Erstattung von im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit entstandenen Sachschäden der Arbeitnehmer durch den Dienstherrn. Hiervon geht auch das beklagte Land zutreffend aus.

c) Der Anwendungsbereich beamtenrechtlicher Regelungen ist nicht kraft betrieblicher Übung eröffnet. Es kann dahinstehen, ob die Anwendung beamtenrechtlicher Regelungen zur Erstattungspflicht des Dienstherrn bei Sachschäden unter Ausschluss der vom Bundesarbeitsgericht zu § 670 BGB analog entwickelten Grundsätze Gegenstand einer betrieblichen Übung sein könnte und ob vorliegend davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung insoweit gegeben sind. Einer derartigen betrieblichen Übung stünde jedenfalls § 2 Abs. 3 Satz 1 TV-L entgegen. Nach dieser Vorschrift sind Nebenabreden nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart sind. § 2 Abs. 3 TV-L betrifft Gegenstände, die entweder Sekundärcharakter oder jedenfalls nicht unmittelbar mit den Hauptrechten und Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag zu tun haben (Breier/Dassau/Kiefer u.a., TV-L, Stand 04/13, § 2 Rn. 134; vgl. zu § 4 Abs. 2 BAT: BAG 07. Mai 1986 – 4 AZR 556/83 – Rn. 25, zitiert nach juris). Die Norm erfasst auch Nebenabreden, die auf eine betriebliche Übung gestützt werden; Sinn und Zweck dieser Tarifnorm ist, dass Nebenabreden nur im Weg der Schriftform und nicht anderweitig wirksam begründet werden sollen (vgl. BAG 18. September 2002 – 1 AZR 477/01 – Rn. 16, zitiert nach juris). Auch wenn die Frage der Haftung des Dienstherrn für dem Angestellten anlässlich der dienstlichen Tätigkeit entstandene Sachschäden dem Bereich der Nebenabreden zuzuordnen ist, ist nicht erkennbar, dass dem Schriftformgebot des § 2 Abs. 3 Satz 1 TV-L hinsichtlich der Anwendung beamtenrechtlicher Regelungen auf das Arbeitsverhältnis des Klägers eingehalten wäre (vgl. BAG 08. Mai 1980 – 3 AZR 82/79 – Rn. 17; 01. März 1972 – 4 AZR 208/71 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).

2.2. Selbst wenn man mit dem beklagten Land von der Eröffnung des Anwendungsbereichs der beamtenrechtlichen Regelungen zum Ersatz von Sachschäden ausgehen wollte, stünde dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Sachschadens zu.

a) Es kann dahinstehen, ob sich ein Anspruch des Klägers aus § 99 Abs. 1 Satz 1 LGB RP aF ableiten lässt. Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 LBG RP aF kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde Ersatz leisten, wenn bei Ausübung des Dienstes durch ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis, das keinen Körperschaden verursacht hat, einem Beamten Kleidungsstücke oder sonstige Gegenstände, die bei Wahrnehmung des Dienstes üblicherweise getragen oder mitgeführt werden, beschädigt oder zerstört worden oder abhanden gekommen. Der Weg von und nach der Dienststelle gehört nicht zum Dienst im Sinne des Satzes 1 (§ 99 Abs. 1 Satz 2 LBG RP aF). Es spricht nach Auffassung der Berufungskammer einiges dafür, dass § 99 Abs. 1 Satz 2 LBG RP aF nach seinem Sinn und Zweck einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass der Weg von und zur Dienststelle lediglich das Aufsuchen der Stammdienststelle im Rahmen des regulären Dienstes betrifft, nicht jedoch eine – aus den unter A I 1.1. b) (2) dargelegten Gründen – dringliche Fahrt im Interesse des Arbeitgebers im Rahmen einer Rufbereitschaft. Mit § 99 Abs. 1 LBG RP aF soll das Schadensrisiko vom Dienstherrn übernommen werden, das der Beamte durch die Ausübung des Dienstes notwendigerweise eingeht (OVG RP 15. März 2003 – 2 A 11521/03 – Rn. 23; zitiert nach juris). Wird ein privates Fahrzeug im dringenden Interesse des Dienstherrn zur Abwendung drohender Gefahren bei einem Störungseinsatz während der Rufbereitschaft eingesetzt, sind die Voraussetzungen für die Übernahme des Schadensrisikos gegeben. Allerdings sieht Nr. 1.3.1. der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern und für Sport vom 10. Juni 1994 (MinBl. S. 248) – SachschädenVV – einen Ersatz von Sachschäden lediglich bei anerkannt privateigenen Kraftfahrzeugen bei Dienstreisen, für die die Anerkennung gilt oder an anderen privateigenen Kraftfahrzeugen, deren dienstlicher Einsatz genehmigt worden ist, vor. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Einsatz des Privatfahrzeugs des Klägers im Rahmen der Rufbereitschaft zumindest genehmigt gewesen wäre. Letztlich kann jedoch offen bleiben, ob aufgrund ermessensbindender Wirkung der Verwaltungsvorschrift in Nr. 1.3.1. SachschädensVV (OVG RP 15. März 2003 – 2 A 11521/03 – Rn. 20; vgl. allgemein auch VGH Baden-Württemberg 19. November 1992 – 4 Sa 757/92 Rn. 27 – Rn. 27; jeweils zitiert nach juris) ein Anspruch nach § 99 LGB RP aF ausgeschlossen ist.

b) Das beklagte Land würde dem Kläger bei Anwendung beamtenrechtlicher Grundsätze jedenfalls unmittelbar aufgrund der allgemeinen Fürsorge- und Treuepflicht des Dienstherrn gemäß § 87 LBG aF haften. Gemäß § 87 Satz 1 LBG RP hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten zu sorgen.

 (1) Die Vorschriften über die Fürsorgepflichten des Dienstherrn enthalten keine Normierung dieser Pflicht in der Weise, dass die aus ihr fließenden zahlreichen Einzelverpflichtungen des Dienstherrn sowie die Art und Weise ihrer Erfüllung abschließend geregelt wären. Die Einzelpflichten lassen sich nicht abstrakt festlegen. Welches Verhalten in einer bestimmten Situation dem Prinzip der Fürsorge gemäß ist, und deshalb dem Dienstherrn nach § 87 LBG aF obliegt, kann nur anhand der Gesamtumstände der konkreten Situation festgestellt werden. Soweit für einen abgrenzbaren Bereich der Fürsorge – wie bezüglich des Ersatzes von Sachschäden nach § 99 LBG RP aF – bereits eine Konkretisierung dieser Pflicht spezialgesetzlich geregelt ist, ist dies allerdings in dem Sinne als eine abschließende Regelung anzusehen, dass aus dieser Vorschrift über die allgemeine Fürsorgepflicht grundsätzlich keine Ansprüche hergeleitet werden können, welche über die in den speziellen Normen statuierten hinausgehen. In besonders gelagerten Härtefällen muss dieser Grundsatz jedoch eine Ausnahme erfahren, nämlich dann, wenn bei Versagung der begehrten Leistung unter Berufung auf die bestehende abschließende Regelung die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht in ihrem Wesenkern verletzt würde (vgl. OVG RP 18. Dezember 1985 – 2 A 43785 – NJW 1986, 1830 mwN; zitiert nach juris).

 (2) Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend gegeben. Aus den unter A I 1.1. b) (2) dargestellten Gründen durfte der Kläger den Einsatz seines privaten Kraftfahrzeugs im Zusammenhang mit dem dringlichen Störfall während der Rufbereitschaft am 24. Dezember 2009 für erforderlich halten. Er hat sein Fahrzeug nicht überwiegend im eigenen Interesse, sondern im überwiegenden Interesse des Dienstherrn eingesetzt und war in der Wahl, auf welchem Weg er zur Dienststelle nach K zur Beseitigung der Störung der Notrufanlage im Tunnel M-H gelangt, angesichts des mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verbundenen Zeitaufwandes nicht frei. Hätte der Kläger nicht sein privates Fahrzeug zum Einsatz gebracht, hätte das die Rufbereitschaft anordnende beklagte Land zur Erledigung der Dienstaufgabe des Klägers auf ein Dienstfahrzeug zurückgreifen müssen. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger den ihm entstandenen Schaden überwiegend über seine Versicherung abgewickelt hat und er lediglich noch den Ersatz der Selbstbeteiligungskosten in Höhe von 500,00 Euro verlangt, wäre ein Rückgriff auf die allgemeine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht bei Eröffnung deren Anwendungsbereichs angemessen und zwar auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes auf Grund von § 670 BGB analog Ersatz erhalten würde (vgl. Grabendorf Arend LBG RP Stand 11.1.11 § 99 LBG Erläuterungen zu 6 mwN). Darauf, ob die Fahrt des Klägers während der Arbeitszeit erfolgte oder ob ihm hierfür eine Wegstreckenentschädigung zustehen würde (verneinend zu § 6 BRKG: BVerwG 28. August 1991 – 10 C 4/91 – zitiert nach juris), kommt es nicht entscheidungserheblich an.

3. Dem Kläger stehen die auf den zuerkannten Betrag geltend gemachten Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Verzuges beginnend ab 26. Februar 2010 nach den §§ 291, 286 Abs. 1, 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB zu.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus den § 97 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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