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Fahrzeugkauf – Rücktritt vom Kaufvertrag wegen verschwiegenem Unfall

OLG Düsseldorf

Az: I-1 U 67/06

Urteil vom 23.10.2006


Auf die Berufung des Klägers wird das am 01.03.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.980,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.12.2004 Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs Volkswagen, Typ 1 S 49200 D 8, Fahrzeugidentitätsnummer xxxxxx zu zahlen.

Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 1.952,28 EUR zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeugs seit dem 03.12.2004 in Annahmeverzug befindet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 15 % und die Beklagte zu 85 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.
Die zulässige Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg.

Der Kläger ist zu Recht von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag hinsichtlich des streitgegenständlichen Pkw Golf zurückgetreten. Auf den vereinbarten Haftungsausschluss vermag sich die Beklagte mit Rücksicht auf § 444 BGB nicht zu berufen, da ein arglistiges Verschweigen eines Unfalls des Fahrzeugs zu bejahen ist. Vor diesem Hintergrund vermag der Kläger darüber hinaus Schadensersatz i.H.v. 1.952,28 EUR wegen des vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens des Sachverständigen K. zu diesem Unfallschaden zu beanspruchen.

Anders als das Landgericht geht der Senat bereits davon aus, dass die Beklagte persönlich Kenntnis von dem Unfallschaden des von ihr veräußerten Pkw hatte, wenngleich sich dieser vor dem Erwerb der Beklagten im August 2002 ereignet hatte. So hatte der Ehemann der Beklagten den streitgegenständlichen Pkw zunächst über das Autohaus G. geleast und war sodann mit diesem im Mai 2002 in einen Unfall verwickelt. Der dadurch entstandene Schaden wurde im Autohaus G. zu einem Betrag i.H.v. 5.251,98 EUR repariert. Nach Rückgabe des Leasingfahrzeugs an das Autohaus G. veräußerte dieses das Fahrzeug unter dem 19.08.2002 für insgesamt 12.494,72 EUR an die Beklagte, wobei das Autohaus ausweislich des Bestellformulars erklärte, ihm seien Mängel und Unfallschäden nicht bekannt. Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 25.11.2004 erwarb alsdann der Kläger den Pkw von der Beklagten zum Preis von 8.600,00 EUR. Vor dem Hintergrund dieser Gesamtumstände ist bereits nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Beklagte als die Ehefrau des mit dem Fahrzeug „verunfallten“ Leasingnehmers über den Unfallschaden informiert gewesen ist.

Letztlich kann dies jedoch dahin stehen. Dies deshalb, da sich die Beklagte jedenfalls das Wissen ihres Ehemanns nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss. Nach dieser Vorschrift ist, soweit das Kennen oder Kennenmüssen bestimmter Umstände für ein Rechtsgeschäft erheblich ist, die Person des Vertreters, nicht die des Vertretenen, entscheidend. Zwar ist der Ehemann der Beklagten aufgrund der Anwesenheit bei den Kaufvertragsverhandlungen und der unternommenen Probefahrt – jeweils auf Bitten der Beklagten – nicht allein deshalb rechtsgeschäftlicher Vertreter der Beklagten. § 166 Abs. 1 BGB ist jedoch im Fall der „Wissensvertretung“ entsprechend anwendbar. Wissensvertreter ist jeder, der vom Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und weiter zu geben. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ist insoweit ebenso wenig erforderlich wie eine ausdrückliche Bestellung zum Wissensvertreter. So ist der Verhandlungsgehilfe, dem der Verkäufer die Vorbereitung des Vertrags überlassen hat, ebenso wie der Vertrauensmann, der von einer Partei in die Abwicklung eingeschaltet wird, deren Wissensvertreter.

Die Wissenszurechnung entfällt allerdings dann, wenn die Partei unzweideutig klarstellt, dass sie nur für eigenes Wissen einstehen will. Personen, die den „Geschäftsherrn“ nur intern beraten haben, oder dessen Bedienstete, die am Vertragsschluss und seiner Vorbereitung nicht beteiligt waren, sind in der Regel nicht als Wissensvertreter anzusehen. Auch im Rahmen des § 123 Abs. 2 BGB ist Dritter nur der am Geschäft Unbeteiligte. Nicht Dritter ist, wer auf Seiten des Erklärungsgegners steht und maßgeblich am Zustandekommen des Vertrags mitgewirkt hat, was für den Vertreter, aber nach dem Rechtsgedanken des § 278 BGB auch für den Verhandlungsgehilfen gilt, der ohne Abschlussvollmacht an den Verhandlungen mitwirkt (vgl. BGH, NJW 1989, 2879).

Der nach seinen eigenen Angaben vor dem Landgericht auf Bitten der Beklagten zu den Verkaufsverhandlungen und zur Probefahrt hinzugezogene Ehemann, der den streitgegenständlichen Wagen zuvor selbst längere Zeit gefahren hatte und nach seinem eigenen Bekunden lediglich bei der Vertragsunterzeichnung nicht dabei gewesen sein will, ist hiernach als Wissensvertreter der Beklagten anzusehen. Er ist aufgrund dieser Umstände als in die Verhandlungen eingeschalteter Vertrauensmann auf Seiten der Beklagten anzusehen und war aufgrund seines Auftretens nach außen auch nicht lediglich ihr interner Berater.

Aufgrund der jedenfalls objektiv wahrheitswidrigen Behauptung der Beklagten, die unstreitig gestellt hat, dass der Kläger sie nach Unfallschäden betreffend den Pkw Golf gefragt und welche sie alsdann verneint habe, hat sie sich das in der Person ihres Ehemanns sicher vorhandene Wissen um den Unfallschaden aus Mai 2002 nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen zu lassen.

Deswegen ist sowohl das Rücktrittsbegehren des Klägers als auch sein Schadensersatzverlangen begründet (§§ 437 Nr. 2, Nr. 3 i.V.m. § 326 Abs. 5, 280 BGB).

Nach § 346 Abs. 1 BGB sind im Falle des Rücktritts die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Zu schätzen ist der Wert der durch den Gebrauch gezogenen Nutzungen eines Kraftfahrzeugs entsprechend § 287 ZPO. Zu berechnen ist die Nutzungsvergütung im Rücktrittsfall unter Heranziehung des für das Gebrauchtfahrzeug gezahlten Kaufpreises und der zu erwartenden Restlaufleistung. Die zweite Berechnungsgröße in Gestalt der voraussichtlichen Restfahrleistung ist dabei im Wege der Schätzung gleichfalls gemäß § 287 ZPO zu bestimmen (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdnrn. 1454 ff.).

Hinsichtlich des streitgegenständlichen Pkw VW Golf Variant TDI ist von einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung von 209.000 km auszugehen (vgl. Schwacke-Liste „Gebrauchsvorteile“). Zur Zeit der Übergabe an den Kläger wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 110.500 km auf. Die zu erwartende Restlaufleistung betrug daher 98.500 km, der Kaufpreis stellte sich auf 8.600,00 EUR. Dies führt zu einer Nutzungsvergütung von 9 Cent pro Kilometer. Im landgerichtlichen Termin vom 01.02.2006 stellte die Beklagte unstreitig, dass der damalige Kilometerstand des Fahrzeugs 128.500 km betrug. Entsprechend § 287 ZPO gelangt der Senat so zu einer Nutzungsvergütung von 1.620,00 EUR (18.000 km x 9 Cent), welche sich der Kläger anrechnen zu lassen hat.

Da die Beklagte mit Schreiben vom 03.12.2004 das berechtigte Rücktrittsbegehren des Klägers zurückgewiesen hat, befindet sie sich seit diesem Tag mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Pkw in Annahmeverzug, so dass auch dies antragsgemäß festzustellen war.

Der zuerkannte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286, 288 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird entsprechend der landgerichtlichen Festlegung am Ende der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils auf 10.702,28 EUR festgesetzt.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

 

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