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Unfallversicherung – Gesundheitsangaben und Dauerschaden

Oberlandesgericht Oldenburg

Az: 5 U 78/09

Urteil vom 21.04.2010


In dem Rechtsstreit hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2010 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Mai 2009 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das genannte Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger macht Ansprüche aus einem Vertrag über eine Unfallversicherung geltend. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Beklagten für die Unfallversicherung (AUB 2001) zugrunde. Der Vertrag kam auf einen Antrag des Klägers vom 10. April 2002 zustande. Zu dieser Zeit litt der Kläger bereits an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II und an Bluthochdruck. Außerdem war ihm kurz zuvor, nämlich am 26. Februar 2002, die linke Kleinzehe wegen diabetesbedingter Nekrosen amputiert worden. In dem vom Kläger unterschriebenen Antragsformular ist die Frage, ob die zu versichernde Person vollständig gesund und ohne körperliche Gebrechen ist, mit „ja“ beantwortet.

Am 20. Februar 2005 rutschte der Kläger auf Glatteis aus und fiel auf den Hinterkopf. Der Unfall ereignete sich vor dem Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr T…. Der Kläger ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und leistete an dem fraglichen Tag allgemeinen Feuerwehrdienst. Hauptberuflich war der Kläger im Unfallzeitpunkt als selbstständiger Gastwirt tätig.

Durch den Sturz erlitt der Kläger unter anderem ein Schädelhirntrauma 2. Grades mit frontaler Schädelfraktur sowie frontaler Subarachnoidal und Subduralblutung. Wegen der Verletzungen wurde er vom 20. Februar 2005 bis zum 10. März 2005 stationär in der A… Klinik in W… behandelt. Daran schloss sich vom 10. März 2005 bis zum 28. April 2005 eine – ebenfalls wegen der Folgen des Sturzes notwendig gewordene – stationäre Rehabilitationsbehandlung im Rehabilitationszentrum O… an.

Am 1. Juni 2005 begann der Kläger ein ambulantes neuropsychologisches Training in der Praxis des Neurologen Dr. S…, das er – mit Unterbrechungen – mindestens bis in das Jahr 2006 hinein fortsetzte. Weitere stationäre Rehabilitationsmaßnahmen wurden vom 8. November 2005 bis zum 6. Dezember 2005 und vom 25. April 2006 bis zum 1. Juni 2006 jeweils in der Klinik am R… in B…. Im Juli 2006 wurde dem Kläger der rechte Unterschenkel amputiert.

Am 13. Dezember 2007 erhielt der Beklagte erstmals eine Schadenanzeige betreffend den besagten Sturz im Februar 2005. In seinem Antwortschreiben vom 17. Dezember 2007 wies der Beklagte darauf hin, dass eine verzögerte Unfallanzeige zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen könne, kündigte aber gleichzeitig eine unverbindliche Prüfung an.

Im Dezember 2007 führte Rechtsanwalt Dr. S… im Auftrag des Klägers ein Telefonat mit Herrn S… aus dem Haus des Beklagten. In dem Telefonat sicherte Herr S… zu, dass der Beklagte bis zum 31. Dezember 2008 darauf verzichten werde, die Einrede der Verjährung zu erheben. Den Inhalt des Telefonats fassten die Bevollmächtigten des Klägers in einem an den Beklagten gerichteten Schriftsatz vom 21. Dezember 2007 zusammen.

Unter dem 29. April 2008 erklärte der Beklagte über seine Bevollmächtigten die Anfechtung des mit dem Kläger geschlossenen Unfallversicherungsvertrages. er machte geltend, der Kläger habe ihn bei Abschluss des Vertrages über seinen damaligen Gesundheitszustand arglistig getäuscht. Leistungen aus dem Versicherungsvertrag erhielt der Kläger nicht.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, bei ihm habe sich innerhalb eines Jahres nach dem Sturz vom 20. Februar 2005 eine Invalidität im Sinne des Unfallversicherungsvertrages eingestellt. Dazu hat er behauptet, die unstreitig durch den Sturz hervorgerufenen Beschwerden, namentlich die Konzentrationsstörungen, die Antriebslosigkeit, der Kopfschmerz und der Schwindel, hätten sich bereits innerhalb eines Jahres nach dem Unfall als Dauerfolgen eingestellt. Weiter habe sich auf Grund der langen Liegezeiten während der stationären Behandlung in seinen Unterschenkeln ein postthrombotisches Syndrom entwickelt. In der Folge habe sein rechtes Bein unterhalb des Knies amputiert werden müssen.

Die unfallbedingte dauerhafte Beeinträchtigung seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit sei, wie in den Versicherungsbedingungen verlangt, innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall durch einen Arzt schriftlich festgehalten worden. Die ersten Feststellungen dazu seien in dem Zwischenbericht der Abteilung für Unfall und Wiederherstellungschirurgie der A… Klinik vom 20. Dezember 2005 (Anlage K 13) enthalten. Entsprechendes ergebe sich aus dem Entlassungsbericht der Klinik am R… vom 19. Januar 2006 (Anlage K 14) und einem weiteren Zwischenbericht der Abteilung für Unfall und Wiederherstellungschirurgie der A…Klinik vom 23. Februar 2006 (Anlage K 15).

Allerdings, so der Kläger, habe er seine Ansprüche nicht innerhalb von 15 Mo¬na¬ten nach dem Unfall gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Das habe seinen Grund in den erlittenen Verletzungen. Wegen unfallbedingter Gedächtnisstörungen habe er sich nicht mehr an den Abschluss einer Unfallversicherung erinnern können. Erst Ende 2007 habe ein in seiner Gaststätte tätiger Mitarbeiter bemerkt, dass er eine Unfallversicherung abgeschlossen habe.

Im Übrigen sei dem damaligen Vorstandsvorsitzenden des Beklagten, Herrn G… E…, bekannt gewesen, dass er, der Kläger, auf Grund des Unfalls nicht mehr in seiner Gaststätte habe arbeiten können.

Was die Anfechtung des Versicherungsvertrages betrifft, so hat der Kläger den Standpunkt eingenommen, dass die betreffende Erklärung des Beklagten schon deshalb wirkungslos sei, weil eine arglistige Täuschung nicht vorliege. Dazu hat er behauptet, er habe den Antrag auf Abschluss einer Unfallversicherung gar nicht selbst ausgefüllt. Vielmehr habe er den Bogen auf Vorschlag des Versicherungsvertreters G… B… in seiner Gaststätte blanko unterschrieben. Anschließend habe Herr B… das Formular mitgenommen und die notwendigen Eintragungen vorgenommen.

Überdies, so der Kläger, hätte der Beklagte den Unfallversicherungsvertrag selbst dann abgeschlossen, wenn die DiabetesErkrankung in dem Antragsformular vermerkt worden wäre. Zudem sei der Vorstandsvorsitzende …… bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages im Jahr 2002 auf Grund persönlicher Kontakte genau über seinen Gesundheitszustand, insbesondere über die Diabetes Erkrankung, unterrichtet gewesen.

Angesichts der geschilderten Umstände habe er einen Anspruch auf die vereinbarte Invaliditätsgrundsumme in Höhe 100.000,00 €, auf ein Krankenhaustagegeld in Höhe von 8.800,00 € (50,00 € pro Tag für 176 Tage) und auf ein Genesungsgeld in Höhe von 5.000,00 € (50,00 € pro Tag für 100 Tage).

Vor dem Landgericht hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 108.800 € zu zahlen sowie weitere 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat in Abrede gestellt, dass bei dem Kläger innerhalb eines Jahres nach dem Unfall dauerhafte Beeinträchtigungen der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit eingetreten sind. Die Amputation des rechten Unterschenkels, so der Beklagte, sei keine Folge des Sturzes, sondern auf die Diabetes Erkrankung des Klägers zurückzuführen. Was die übrigen nach dem Sturz aufgetretenen Beschwerden angehe, so habe sich innerhalb des ersten Jahres zumindest keine dauerhafte Beeinträchtigung gezeigt.

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Dementsprechend habe auch kein Arzt innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eine Invalidität im Sinne des Versicherungsvertrags schriftlich festgestellt. Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang aufgeführten ärztlichen Berichte enthielten insoweit keine hinreichenden Angaben.

Ebenso wenig habe der Kläger die verspätete Anzeige des Unfalls und der angeblichen Invalidität genügend entschuldigt. Insbesondere belegten die zur Verfügung stehenden Arztberichte nicht, dass der Kläger einen Gedächtnisverlust erlitten habe, der sich auf Umstände jenseits des Unfallgeschehens beziehe. Außerdem ergebe sich weder aus der Schadenmeldung vom 13. Dezember 2007 noch aus sonstigen vorprozessualen Schreiben, dass der Kläger eine Invaliditätsleistung begehre. Einen solchen Anspruch habe er erstmals mit der Klage geltend gemacht.

Der Versicherungsvertrag sei auch wegen arglistiger Täuschung anfechtbar. Vermittelt worden sei der Vertrag durch den damaligen Außendienstmitarbeiter G… B…. Dieser habe sich am 10. April 2002 mit dem Kläger und dessen Ehefrau in deren Gaststätte getroffen. Dort habe Herr B… das Antragsformular nach den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau ausgefüllt. Unter anderem habe er die Frage nach der Gesundheit der Antragsteller vorgelesen. Der Kläger und seine Ehefrau hätten übereinstimmend erklärt, dass sie gesund seien. Dementsprechend habe Herr B… die Felder „ja“ angekreuzt. Schließlich habe der Kläger das ausgefüllte Antragsformular durchgesehen und sodann unterzeichnet.

Wäre die Diabetes Erkrankung bei Antragstellung bekannt gewesen, hätte er, der Beklagte, den Kläger nicht versichert. Denn Diabetes mellitus führe früher oder später zu einer Gefühllosigkeit in den unteren Gliedmaßen und damit zu einer erhöhten Unfallgefährdung.

Das Landgericht hat dem Kläger nach Beweisaufnahme ein Krankenhaustagegeld und ein Genesungsgeld für jeweils 68 Tage, insgesamt also 6.800,00 €, zugesprochen, und zwar nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 3.400,00 € seit dem 21. März 2009. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil, das dem Kläger am 2. Juni 2009 zugestellt worden ist, hat dieser mit einem am 22. Juni 2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. In seiner am 24. Juli 2009 eingegangenen Berufungsbegründung und in ergänzenden Schriftsätzen nimmt der Kläger den Standpunkt ein, das Landgericht habe ihm die Invaliditätsleistung zu Unrecht versagt.

Er vertritt die Auffassung, dass eine Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall durch einen Arzt schriftlich dokumentiert worden sei. Dazu verweist er unter anderem auf den Zwischenbericht der Abteilung für Unfall und Wiederherstellungschirurgie der A… Klinik vom 20. Dezember 2005 (Anlage K 13), namentlich auf die darin enthaltene Formulierung, dass wegen der Unfallfolgen eine Arbeitsfähigkeit in dem zuvor ausgeübten Beruf als Gastwirt nicht wieder eintreten werde. Zwar sei, so der Kläger, bei der Unfallversicherung die Fähigkeit, einen bestimmten Beruf auszuüben, grundsätzlich nicht entscheidend. Doch belegten die zitierten ärztlichen Feststellungen in der vorliegenden Gestaltung zugleich eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. Denn die maßgebenden Symptome – kognitive Defizite, Antriebsstörung, Schwindel, Kopfschmerz – stünden nicht nur speziell einer Tätigkeit als Gastwirt entgegenstehen, sondern wirkten sich insgesamt auf die Lebensführung aus. Insofern belege auch der weitere Zwischenbericht der A… Klinik vom 23. Februar 2005 (Anlage K 15) eine Invalidität im Sinne des Versicherungsvertrages. Immerhin werde darin noch einmal hervorgehoben, dass er, der Kläger, seine Arbeit als selbstständiger Gastwirt auf Dauer nicht mehr werde aufnehmen können, und zwar größtenteils wegen der Unfallfolgen.

Eine dauerhafte Beeinträchtigung seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit ergebe sich außerdem aus einem sozialmedizinischen Gutachten des Priv.Doz. Dr. M… vom 20. Juni 2005, das im Rahmen eines von ihm geführten sozialgerichtlichen Verfahrens (Az.: S 3 LW 14/04) durch das Sozialgericht Oldenburg eingeholt worden sei. In dem Gutachten, so der Kläger, werde ausgeführt, dass sein Leistungsvermögen für alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes infolge des Unfalls vollständig aufgehoben sei.

Dass er das Gutachten nicht bereits in der ersten Instanz vorgelegt habe, beruhe nicht auf Nachlässigkeit. Auf Grund seiner unfallbedingten Gedächtnisstörungen und seiner allgemein geringen Leistungsfähigkeit habe er sich nicht mehr an das Gutachten und die darin enthaltenen Feststellungen erinnern können. Vielmehr sei es sein Mitarbeiter B… R… gewesen, der sich nach Abschluss des Verfahrens vor dem Landgericht daran erinnert habe, dass 2005 in dem sozialgerichtlichen Verfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Herr R… arbeite nicht nur in der Gaststätte mit, sondern kümmere sich seit dem Unfall auch zunehmend um seine finanziellen Angelegenheiten.

Was die verspätete Geltendmachung der Invaliditätsleistung betrifft, so vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag, wonach er sich wegen des Unfalls nicht mehr an den Abschluss einer Unfallversicherung erinnern konnte. Das Bestehen einer Unfallversicherung sei dem Mitarbeiter R… erst Ende 2007 aufgrund der regelmäßigen Beitragsüberweisungen aufgefallen.

In einem Schriftsatz vom 6. April 2010 – überreicht in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 7. April 2010 – führt der Kläger weiter aus, seine Ehefrau habe sich wegen einer Schadenanzeige telefonisch mit dem Beklagten in Verbindung gesetzt. Daraufhin seien – nach Anmeldung – zwei Außendienstmitarbeiter erschienen und hätten mit ihm, dem Kläger, und seiner Ehefrau gesprochen. Sodann hätten die Außendienstmitarbeiter das Formular für die Schadenanzeige „nach eigenem Gutdünken“ ausgefüllt und ihm zur Unterschrift vorgelegt. Anschließend hätten die Außendienstmitarbeiter die Schadenanzeige mitgenommen. Insofern sei davon auszugehen, dass sie auch die in dem Formular genannte Anlage in Empfang genommen haben.

Ein Anfechtungsrecht des Beklagten vermag der Kläger nach wie vor nicht zu erkennen. Eine arglistige Täuschung stellt er in Abrede. Überdies habe Herr G… E…, Mitglied im Vorstand des Beklagten, im Jahr 2006 erfahren, dass ihm, dem Kläger ein Bein amputiert worden sei. Deshalb sei anzunehmen, dass ihm auch die Diabetes Erkrankung nicht verborgen geblieben sei. Damit habe die einjährige Anfechtungsfrist für den Beklagten im Jahr 2006 begonnen mit der Folge, dass sie bei Erklärung der Anfechtung im Jahr 2008 verstrichen gewesen sei.

Nachdem der Kläger in der Berufungsbegründung die Zahlung weiterer 100.000,00 € nebst Zinsen begehrt hatte, hat er die Klage mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2009 erweitert.

Der Kläger beantragt nunmehr, das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn – über die zugesprochenen 6.800,00 € hinaus – weitere 400.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat. Auch das erst in der Berufungsinstanz vorgelegte sozialmedizinische Gutachten des Priv. Doz. Dr. … vom 20. Juni 2005 belegt nach seiner Auffassung nicht, dass der in Rede stehende Sturz zu einer Invalidität des Klägers geführt hat. Vielmehr, so der Beklagte, ergebe sich aus dem Gutachten, dass der Kläger auf Grund von vielfältigen Vorerkrankungen bereits vor dem Unfall arbeitsunfähig gewesen sei und eine vollständige Invalidität vorgelegen habe. Außerdem sei eine Verwertung des Gutachtens im Berufungsverfahren unzulässig, weil der Kläger nicht hinreichend dargetan habe, weshalb ihm eine Vorlage nicht bereits in erster Instanz möglich gewesen sei.

Die verspätete Unfallanzeige hält der Beklagte nach wie vor nicht für entschuldigt. Dies umso weniger, als er – unstreitig – im Januar 2005 und Februar 2005 den Beitrag für die Unfallversicherung angemahnt hat. Am 3. März 2005, so der Beklagte, sei der Rückstand dann ausgeglichen worden. Wenn es dem Kläger gelungen sei, den Beitrag für die Unfallversicherung kurz nach seinem Sturz zu zahlen, hätte er auch eine Schadenmeldung übermitteln können.

Schließlich erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.

Soweit das Landgericht dem Kläger ein Krankenhaustagegeld und ein Genesungsgeld in Höhe von insgesamt 6.800,00 € nebst Zinsen zugesprochen hat, hält der Beklagte das Urteil für fehlerhaft. Er hat sich deshalb der Berufung des Klägers angeschlossen. Der betreffende Schriftsatz ist am 26. August 2009 und damit innerhalb der für die Berufungserwiderung gesetzten Frist (28. August 2009) bei Gericht eingegangen.

Nach Ansicht des Beklagten ist das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass ihm der Beweis einer arglistigen Täuschung beim Abschluss des Versicherungsvertrages nicht gelungen ist. Auf der Grundlage des aktuellen Sach und Streitstandes seien die Angaben der Zeugin D… vor dem Landgericht nicht glaubhaft. Das gelte insbesondere für die Aussage, mit dem Zeugen B… sei am 10. April 2002 bei der Aufnahme des Antrags über die Diabetes Erkrankung des Klägers gesprochen worden. Wie dem sozialmedizinischen Gutachten des Priv. Doz. Dr. M… zu entnehmen sei, sei dem Kläger kurz vor der Antragstellung die linke Kleinzehe wegen Nekrosen amputiert worden. Die Amputation habe die Zeugin D… vor dem Landgericht – unstreitig – nicht erwähnt. Dass der Kläger und seine Ehefrau den Zeugen B… zwar über die Diabetes Erkrankung als solche, nicht aber über die Amputation der Zehe unterrichtet haben, sei nicht plausibel. Da die Amputation in der Beweisaufnahme nicht zur Sprache gekommen sei, sei vielmehr der Schluss gerechtfertigt, dass die Aussage des Zeugen B… zutreffe, wonach der Kläger und seine Ehefrau sich damals als gesund bezeichnet haben.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit ihm 6.800,00 € zugesprochen worden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen…. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 7. April 2010 verwiesen.

II. Die Berufung des Klägers ist zulässig. In der Sache musste ihr jedoch der Erfolg versagt bleiben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Invaliditätsleistung.

1. Die Forderung des Klägers scheitert bereits daran, dass der Beklagte den fraglichen Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten hat. Der Vertrag ist deshalb als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 22 VVG a. F. in Verbindung mit §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB).

a) Ausweislich des vorgelegten Versicherungsscheins (Anlage K 1) unterhielt der Kläger am 20. Februar 2005, dem Zeitpunkt des Sturzes, bei der Beklagten eine Unfallversicherung des Typs „Unfall Exclusiv“. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Beklagten für die Unfallversicherung (AUB 2001 – Anlage K 2) zugrunde. Auf den Vertrag ist das Versicherungsvertragsgesetz in seiner alten Fassung anzuwenden. Da er vor dem 1. Januar 2008 geschlossen worden ist, handelt es sich um einen Altvertrag im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EGVVG. Ist bei Altverträgen ein Versicherungsfall – wie hier – bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten, ist das Versicherungsvertragsgesetz in der alten Fassung maßgebend (Art. 1 Abs. 2 EGVVG).

b) Mit vorprozessualem Schriftsatz vom 29. April 2008 (Anlage B 5) hat der Beklagte gegenüber den Bevollmächtigten des Klägers die Anfechtung des Unfallversicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt. Der Beklagte macht insbesondere geltend, der Kläger habe sich bei Beantragung der Unfallversicherung als vollständig gesund dargestellt, obwohl er damals bereits seit Jahren unter einem medikamentös behandelten Bluthochdruck und insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ II gelitten habe und obwohl ihm erst wenige Wochen zuvor die linke Kleinzehe wegen Nekrosen amputiert worden sei. Hätte er, der Beklagte, bei Antragstellung von der DiabetesErkrankung des Klägers gewusst, hätte er einen Unfallversicherungsvertrag mit dem vorliegenden Inhalt nicht abgeschlossen. Denn bei Personen mit Diabetes mellitus stelle sich vielfach eine Gefühllosigkeit/Taubheit an den unteren Gliedmaßen ein, was die Unfallgefahr erhöhe.

c) Die Anfechtungserklärung des Beklagten ist wirksam.

aa) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB i. V. m. § 22 VVG a. F. kann der Versicherer den Versicherungsvertrag anfechten, wenn er arglistig über erhebliche Gefahrumstände getäuscht worden ist. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn ein Versicherungsnehmer bei der Antragstellung seine Anzeigepflicht nach § 16 Abs. 1 VVG a. F. verletzt hat. So verhält es sich hier.

(1) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger bei der Aufnahme des Antrags auf Abschluss einer Unfallversicherung im April 2002 der Wahrheit zuwider erklärt hat, er sei gesund.

(a) Der Zeuge … …, der den Antrag seinerzeit – unstreitig – entgegengenommen hat, hat in der Beweisaufnahme vor dem Senat bekundet, der Kläger habe sich so geäußert, wie es in dem Antragsformular angekreuzt sei. Als er den Kläger und dessen Ehefrau wegen der Aufnahme des Antrags – nach Vereinbarung eines entsprechenden Termins – aufgesucht habe, sei das Antragsformular zwar im Wesentlichen schon ausgefüllt gewesen. das habe eine Kollegin übernommen. Noch nicht angekreuzt gewesen sei aber die Antwort auf die Frage, ob die zu versichernde Person vollständig gesund und ohne körperliche Gebrechen sei. Diese Frage habe er, der Zeuge B…, dem Kläger und seiner Ehefrau vorgelesen. Daraufhin hätten beide geantwortet, sie seien gesund. Irgendwelche Krankheiten hätten sie nicht angesprochen. Insbesondere sei kein Diabetes zur Sprache gekommen. Daran könne er sich konkret erinnern. Er meine auch, es sei nicht erwähnt worden, dass dem Kläger kurz vor dem Treffen ein Zeh amputiert worden sei. in diesem Punkt sei er aber nicht völlig sicher. Falls die Amputation erwähnt worden wäre, hätte er sich aber auf jeden Fall erkundigt, warum es dazu gekommen sei. Keinesfalls hätten der Kläger oder seine Ehefrau erläutert, dass die Amputation auf den Diabetes des Klägers zurückgehe.

Bis zu dem Gespräch sei ihm nichts über den Gesundheitszustand des Klägers bekannt gewesen. Wenngleich er sich mit dem Ehepaar D… – auf dessen Vorschlag hin – geduzt habe, hätten außer geschäftlichen Kontakten keinerlei Berührungspunkte mit der Familie D… existiert. Den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau entsprechend habe er bei der besagten Gesundheitsfrage die Felder „ja“ angekreuzt. Anschließend habe der Kläger das Formular unterschrieben.

(b) Die Bekundungen des Zeugen B… sind nach Überzeugung des Senats glaubhaft. Der Senat verkennt nicht, dass der Zeuge als Mitarbeiter des Beklagten ein Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits hat. Gleichwohl liegen – auch nach dem persönlichen Eindruck, den der Zeuge in der Sitzung am 7. April 2010 hinterlassen hat – keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er sich deshalb zu einer falschen Aussage hat hinreißen lassen. Seine Angaben waren nicht nur in sich schlüssig, sondern er war auch erkennbar darum bemüht, wahrheitsgemäß zu antworten und vorhandene Gedächtnislücken zu offenbaren. Auf die Frage, ob über die Zehamputation des Klägers gesprochen worden sei, hat er beispielsweise unumwunden eingeräumt, insoweit nicht „hundertprozentig sicher“ zu sein. Diese Einschränkung weist darauf hin, dass es nicht die Intention des Zeugen B… war, dem Beklagten durch eine für diesen möglichst günstige, notfalls auch unwahre Aussage zu einem Obsiegen in dem vorliegenden Rechtsstreit zu verhelfen.

Schließlich erscheint es nach der Lebenserfahrung auch unwahrscheinlich, dass der Zeuge B… den Abschluss eines Unfallversicherungsvertrages mit dem Kläger „um jeden Preis“ herbeiführen wollte. Wie der Zeuge bereits vor dem Landgericht bekundet hat, unterhielt das Ehepaar D… im Zeitpunkt des fraglichen Gesprächs bereits mehrere Versicherungen bei dem Beklagten. Da der Zeuge nach eigenem Bekunden bereits seit 1996 bei dem Beklagten tätig ist, hatte er dort bis 2002 schon mehrere Jahre Erfahrung gesammelt. Es ist daher zu erwarten, dass ihm eher daran gelegen war, (provisions) wirksame Verträge abzuschließen, als durch eklatant falsche Angaben in einem Antragsformular die gute Geschäftsbeziehung zu dem Ehepaar D… zu gefährden und eine Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber zu riskieren.

(c) Die Aussage der Zeugin … … vermag die Bekundungen des Zeugen … aus Sicht des Senats nicht zu erschüttern.

(aa) Allerdings hat sie in der Beweisaufnahme am 7. April 2010 geschildert, sie und ihr Ehemann – der Kläger – hätten dem Zeugen B… während des besagten Gesprächs über den Diabetes berichtet. Sie hätten auch die Auswirkungen dargelegt, zum Beispiel den Bluthochdruck und die Tatsache, dass dem Kläger wegen diabetesbedingter Nekrosen der kleine Zeh amputiert worden sei. Der Zeuge B… habe jedoch sinngemäß erwidert, dass jeder Zweite unter Diabetes leide und diese Krankheit nichts mit einer Unfallversicherung zu tun habe.

(bb) Der Senat vermochte diesen Angaben keinen Glauben zu schenken. Schon der Anlass dafür, Auskünfte zu dem Gesundheitszustand des Klägers zu geben, ist nach der Aussage der Zeugin D… nicht recht nachvollziehbar. Ihren Bekundungen zufolge hat der Zeuge B… die in dem Antragsformular niedergelegte Gesundheitsfrage nicht vorgelesen. Wie man konkret auf die Erkrankungen des Klägers zu sprechen gekommen ist, vermochte die Zeugin nicht zu sagen.

Im Hinblick auf die Gesundheitsfrage wichen ihre Angaben vor dem Senat auch von denjenigen Bekundungen ab, die sich in dem Protokoll der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vom 24. April 2009 finden. So heißt es dort zunächst: „Diese Gesundheitsfragen, die sind gestellt worden.“ Im Anschluss daran findet sich die Aussage: „Wenn ich sagen soll, ob Herr B… sie vorgelesen hat, so weiß ich das nicht. […] Ich glaube, dass er diese Frage nicht vorgelesen hat, so genau wörtlich jedenfalls nicht.“ Diesen Formulierungen zufolge hatte die Zeugin D… vor dem Landgericht gar keine sichere Erinnerung daran, ob der Zeuge B… die Gesundheitsfrage vorgelesen hat oder nicht.

Mit Blick auf die Frage, inwieweit das Antragsformular ausgefüllt gewesen ist, als der Kläger es unterschrieben hat, hat die Zeugin D… vor dem Landgericht ausweislich des Protokolls vom 24. April 2009 erklärt: „Es hat dann einen Termin mit Herrn B… gegeben […]. Wir haben vorn in der Gaststätte gesessen und das besprochen und alles andere auch, weil man sich ja schließlich gut kennt. Er hat alles angekreuzt und mein Mann hat nur unterschrieben, nichts anderes.“

Demgegenüber hat die Zeugin D… vor dem Senat ausgesagt, der Kläger habe das Formular blanko unterschrieben. es sei in diesem Zeitpunkt an keiner Stelle ausgefüllt gewesen. Nachdem der Beklagtenvertreter der Zeugin D… die erstinstanzliche Aussage vorgehalten hatte, hat die Zeugin erklärt, sie habe vor dem Landgericht dasselbe gemeint wie vor dem Senat.

Zwar ist eine solche sprachliche Ungenauigkeit nicht völlig ausgeschlossen. Doch hat der Kläger seinerseits einen Ablauf vortragen lassen, der wiederum von den Angaben der Zeugin D… abweicht. Ausweislich seines Schriftsatzes vom 9. März 2009 hat er gar „keine Angaben über seinen Krankheitszustand gemacht“. Vielmehr soll der Zeuge B… erklärt haben, er wisse alles Notwendige und werde das Formular ausfüllen. er, der Kläger, müsse es nur blanko unterschreiben.

Bemerkenswert ist ferner, dass die Zeugin D… in der ersten Instanz auf die Frage, was denn eigentlich konkret über den Diabetes ausgeführt worden sei, dem Protokoll zufolge geantwortet hat, es sei „einfach nur so“ über die Erkrankung gesprochen worden. Unerwähnt gelassen hat die Zeugin D… in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass dem Kläger am 26. Februar 2002 und damit wenige Wochen vor der fraglichen Antragstellung die linke Kleinzehe wegen diabetesbedingter Nekrosen amputiert worden war. Nachdem der Beklagte diese Auffälligkeit in seiner Anschlussberufungsschrift vom 25. August 2009 hervorgehoben hatte, hat die Zeugin D… vor dem Senat – wie dargelegt – bekundet, der Zeuge B… sei auch über die Amputation unterrichtet worden. Warum sie vor dem Landgericht diesen auf eine besonders einschneidende Maßnahme bezogenen Teil des Gesprächs nicht erwähnt hat, vermochte die Zeugin auf Nachfrage des Beklagtenvertreters nicht zu erklären. Im Übrigen geht der Kläger in seinem Schriftsatz vom 15. Oktober 2009 offenbar selbst davon aus, dass die Amputation seines Zehs nicht zur Sprache gekommen sei („[…] Dass nicht explizit über die Amputation des Zehs […] gesprochen wurde, steht dem nicht entgegen.“).

Schließlich hat die Zeugin D… als Ehefrau des Klägers ein erhebliches Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits. Aus Sicht des Senats bedeutet das zwar nicht zwingend, dass die Klägerin bewusst falsch ausgesagt hat. Es besteht auch die Möglichkeit, dass sie durch häufige Rekapitulation der für sie bedeutsamen Vorgänge inzwischen davon überzeugt ist, dass ihre Schilderungen dem tatsächlich Geschehenen entsprechen, zumal seit der Aufnahme des Antrags inzwischen 8 Jahre vergangen sind. In keinem Fall sind die vielfach pauschalen, teilweise wechselhaften und mit mehreren Ungereimtheiten behafteten Angaben der Zeugin D… jedoch geeignet, die plausible und nach der Lebenserfahrung wahrscheinliche Aussage des Zeugen B… in Frage zu stellen.

(d) Danach steht fest, dass der Kläger und seine Ehefrau sich bei der Aufnahme des fraglichen Versicherungsantrags – den Angaben auf dem Formular entsprechend – als gesund bezeichnet haben. Insbesondere haben sie den Zeugen B… nicht über den Diabetes des Klägers oder Folgeerkrankungen unterrichtet. Selbst in dem – vom Zeugen B… nicht sicher auszuschließenden – Fall, dass eine Zehamputation des Klägers erwähnt worden ist, haben die Eheleute D… nicht offenbart, dass diabetesbedingte Nekrosen der Grund für diesen Eingriff waren. Auch nachdem der Zeuge B… die Aussage der Zeugin D… gehört hatte, war er sich sicher, dass über einen Diabetes mit keinem Wort gesprochen worden sei. Überdies hat er glaubhaft bekundet, vor der Aufnahme des Antrags nichts über den Gesundheitszustand des Klägers gewusst zu haben.

(2) Allerdings vertritt der Kläger die Auffassung, es fehle unabhängig davon, was dem Zeugen B… bei Antragstellung mitgeteilt worden sei, an einer Täuschung des Beklagten.

(a) Dazu trägt er vor, der damalige Vorstandsvorsitzende des Beklagten, Herr G… E…, sei vollständig und umfassend über seine gesundheitliche Situation informiert gewesen. Herr E… sei seinerzeit auch hauptberuflich Auktionator gewesen und habe in dieser Eigenschaft in geschäftlichem Kontakt mit ihm, dem Kläger, gestanden. Es habe sich ein enger persönlicher Kontakt entwickelt, der fast als Freundschaft zu bezeichnen sei. Bereits im Jahr 2002 seien Herrn E… alle seine körperlichen Beeinträchtigungen bekannt gewesen.

(b) Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Umstände, die es ermöglichen könnten, das angebliche Wissen des Herrn E… dem Beklagten zuzurechnen, sind nicht dargetan. Weder ist substaniiert vorgetragen, was genau Herr E… wann erfahren haben soll, noch ist dem Vortrag des Klägers zu entnehmen, dass Herr E… sein angebliches Wissen in seiner Eigenschaft als Repräsentant des Beklagten erlangt hat. Überdies war Herr E…, soweit ersichtlich, nicht unmittelbar in den konkreten Versicherungsabschluss eingebunden. Der Kläger konnte deshalb nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die für den Vertragsabschluss zuständige Abteilung über Herrn E… von seinen gesundheitlichen Einschränkungen Kenntnis erlangt.

(3) Nach dem Gesagten hat der Kläger den Beklagten bei Abschluss des Unfallversicherungsvertrages über erhebliche Gefahrumstände getäuscht.

(a) Gefahrerheblich ist jeder Umstand, der geeignet ist, auf den Entschluss des Versicherers, einen Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen abzuschließen, Einfluss auszuüben (vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 16, Rn. 2, 7 m. w. N.).

(b) Das trifft auf den insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II und die Folgeerkrankungen zu. Die Darlegungen des Beklagten, wonach er den Unfallversicherungsvertrag mit dem Kläger nicht oder nicht mit demselben Inhalt abgeschlossen hätte, wenn er bei Vertragsschluss über die insulinpflichtige DiabetesErkrankung unterrichtet worden wäre, ist – auch unter Berücksichtigung des damaligen Alters des Klägers (54 Jahre) – überzeugend. Wie unter anderem dem mit der Berufungsbegründung vorgelegten sozialmedizinischen Gutachten vom 20. Juni 2005 zu entnehmen ist, hat sich die vom Beklagten geltend gemachte Gefahr einer Polyneuropathie mit Gangunsicherheit bei dem Kläger bereits verwirklicht. Hinzu kommt die schon vor der Antragstellung durchgeführte Amputation der linken Kleinzehe, die ebenfalls auf den Diabetes zurückgeht und bei Offenbarung dieses Zusammenhanges das Risiko eines weiteren Verlustes von Extremitäten nahe gelegt hätte.

(4) Ein arglistiges Handeln des Klägers ist nach Überzeugung des Senats ebenfalls zu bejahen.

(a) Um den Versicherer arglistig zu täuschen, muss der Versicherungsnehmer nicht nur die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen, sondern er muss zusätzlich auf die Entschließung des Versicherers Einfluss nehmen wollen und sich daher bewusst sein, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er die Wahrheit sage (vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 22, Rn. 4 m. w. N.). Diese subjektiven Voraussetzungen können durch Indizien bewiesen werden. Deshalb ist das verlangte Bewusstsein, durch Falschangaben die Vertragsgestaltung möglicherweise zu beeinflussen, in der Regel anzunehmen, wenn schwere Erkrankungen oder erkennbar chronische Erkrankungen verschwiegen worden sind (vgl. OLG Koblenz, NVersZ 2001, 503 m. w. N.).

(b) Ein solcher Fall ist hier gegeben. Unstreitig litt der Kläger bei Beantragung er Unfallversicherung (2002) an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II. Ausweislich des sozialmedizinischen Gutachtens des Priv.Doz. Dr. M… vom 20. Juni 2005 wird der Diabetes bereits seit 1999 mit Insulin behandelt. Außerdem war dem Kläger erst einige Wochen vor dem fraglichen Treffen mit dem Zeugen B… infolge der DiabetesErkrankung die linke Kleinzehe amputiert worden. Angesichts dieser schweren und chronischen Erkrankung rechtfertigen die festgestellten unwahren Angaben des Klägers aus Sicht des Senats den Schluss, dass sein Vorgehen auf Arglist in dem zuvor definierten Sinne beruht.

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Anfechtung innerhalb der dafür vorgesehenen Frist erklärt worden.

(1) Gemäß § 124 BGB muss die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung binnen Jahresfrist erfolgen. die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt. Die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände, die zu einem Erlöschen des Anfechtungsrechts führen, trägt der Anfechtungsgegner. Er muss daher auch beweisen, wann der Anfechtungsberechtigte von der arglistigen Täuschung Kenntnis erlangt hat (vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 69. Aufl., § 124, Rn. 5 m. w. N.).

(2) In dem Schriftsatz vom 29. April 2008, mit dem der Beklagte die Anfechtung erklärt hat, hat dieser dargelegt, dass er erst 2008 von der Diabetes Erkrankung und dem Bluthochdruck des Klägers erfahren habe, und zwar durch den angeforderten Bericht der A… Klinik vom 8. Februar 2008 und den Bericht des Chefarztes der neurologischen Abteilung des Rehabilitationszentrums O… vom 4. März 2008. Dem ist der Kläger in der Berufungsbegründung mit der Argumentation entgegengetreten, der Beklagte habe mit Schriftsatz vom 18. März 2009 selbst eingeräumt, dass das Vorstandsmitglied G… E… im Jahr 2006 wahrgenommen habe, dass er, der Kläger, im Rollstuhl sitze, weil ihm ein Unterschenkel amputiert worden sei. Deshalb sei davon auszugehen, dass Herrn E… die Diabetes Erkrankung spätestens 2006 bekannt gewesen sei.

Das vermag aus zwei Gründen nicht zu überzeugen. Zum einen deutet eine Unterschenkel Amputation nicht zwingend auf eine Diabetes Erkrankung hin, so dass der vom Kläger gezogene Schluss einer hinreichenden Grundlage entbehrt. Zum anderen sind keine Umstände dargetan, die es rechtfertigen könnten, eine eventuelle private Wahrnehmung eines in die Sachbearbeitung nicht unmittelbar eingebundenen Vorstandsmitglieds dem Beklagten zuzurechnen.

Im Ergebnis hat der Beklagte die Anfechtung des Versicherungsvertrages damit fristgemäß erklärt. Folglich ist der Vertrag als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB). Schon deshalb kann der Kläger aus ihm keinen Anspruch auf eine Invaliditätsleistung ableiten.

2. Im Übrigen scheitert ein solcher Anspruch auch an den formellen Voraussetzungen, die in Ziffer 2.1.1.1 AUB 2001 normiert sind. Danach liegt Invalidität vor, wenn die versicherte Person durch einen Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Die Invalidität muss innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein. Weiter muss sie innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei dem Unfallversicherer geltend gemacht worden sein.

a) Die 15monatige Frist zur Geltendmachung der Invalidität, die hier mit dem 20. Mai 2006 abgelaufen ist, hat der Kläger unstreitig nicht eingehalten. Die erste Schadenanzeige ist am 13. Dezember 2007 bei dem Beklagten eingegangen. Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei der genannten Frist um eine Ausschlussfrist handelt, deren Versäumung unbeachtlich bleibt, wenn sie ausreichend entschuldigt wird (vgl. BGH, NJW 1995, S. 2854 [BGH 05.07.1995 – IV ZR 43/94] m. w. N.). Indes können selbst die verspätete Schadenanzeige und die daran anknüpfenden Schreiben des Klägers nicht als Geltendmachung einer Invalidität gemäß Ziffer 2.1.1.1 AUB 2001 angesehen werden.

(1) Geltendmachung einer Invalidität setzt voraus, dass der Versicherte einen konkreten unfallbedingten Dauerschaden nennt, der durch bestimmte Symptome gekennzeichnet wird. Die Angabe von Verletzungsfolgen reicht nur dann aus, wenn diese notwendig zur Invalidität führen. Die Geltendmachung eines bestimmten Anspruchs ist hingegen nicht erforderlich (vgl. BGH, NJWRR 1988, S. 212. ferner Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AUB 94, Rn. 19 f. mit w. N.).

(2) Diesen Anforderungen wird die vorgelegte Schadenanzeige nicht gerecht. Ein unfallbedingter Dauerschaden ist darin nicht konkret bezeichnet. Entsprechendes gilt für die vorprozessualen, an den Beklagten gerichteten Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 21. und 28. Dezember 2007 (Anlagen B 6 und B 7) sowie vom 21. Januar 2008 (Anlage B 8).

Auf die Frage nach Verletzungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat der Kläger unter Ziffer 10 des Formulars für die Schadenanzeige lediglich mitgeteilt: „Schädeltrauma, Beine [[?]] etc. laut Anlage“. Die genannte Anlage liegt nicht vor. Der Beklagte hat dazu erklärt, der Schadenanzeige seien keinerlei Anlagen beigefügt gewesen.

Aus dem ergänzenden Vortrag des Klägers vom 6. April 2010 lassen sich die an eine Geltendmachung der Invalidität zu stellenden Mindestanforderungen ebenfalls nicht ableiten – unabhängig davon, ob man diesen erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichten Schriftsatz als beachtlich ansieht oder nicht. Dass der Kläger dem Beklagten oder dessen Außendienstmitarbeitern im Zusammenhang mit der Schadenanzeige aus Dezember 2007 einen konkreten, durch bestimmte Symptome gekennzeichneten unfallbedingten Dauerschaden genannt hat, legt der Kläger nach wie vor nicht mit Substanz dar.

Vielmehr untermauert die übermittelte vorprozessuale Korrespondenz der Parteien (Anlagen K 22 bis 24, B 7 bis 8) den Eindruck, dass die Schadenanzeige nicht auf eine Invalidität des Klägers abgezielt hat. Denn die betreffenden Schreiben beschränken sich im Wesentlichen auf die Frage nach unfallbedingten Krankenhausaufenthalten. Das ist insofern nachvollziehbar, als der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2007 (Anlage B 7) ausdrücklich ein Krankenhaustagegeld beantragt hat. Dass daneben eine Invaliditätsleistung geltend gemacht worden ist, ist nicht erkennbar.

(3) Darauf, dass die notwendigen Angaben später – etwa in dem vorliegenden Verfahren – nachgeholt worden sind, kann der Kläger sich nicht zurückziehen. Selbst wenn ein Versicherungsnehmer zunächst schuldlos gehindert war, die Frist für die Geltendmachung der Invalidität einzuhalten, so muss er die betreffende Anzeige unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses nachholen (vgl. BGH, NJW 1995, S. 2854, 2855 [BGH 05.07.1995 – IV ZR 43/94]).

(4) Dem Beklagten ist es auch nicht etwa nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die verspätete Geltendmachung einer Invalidität zu berufen. Insbesondere hat der Beklagte durch sein Schreiben vom 17. Dezember 2007 (Anlage K 22) und durch die nachfolgende Korrespondenz (Anlagen K 23 und 24) nicht – wie der Kläger meint – den Eindruck erweckt, er werde „eine Entschädigung aus der Unfallversicherung jedenfalls nicht an der Versäumung der Frist der Geltendmachung der Invalidität scheitern lassen“. Denn in dem Schreiben vom 17. Dezember 2007 hat der Beklagte gerade hervorgehoben, dass ein Unfall unverzüglich anzuzeigen ist und dass anderenfalls eine Leistungsfreiheit des Versicherers droht. Zwar zielt dieser Hinweis – wie der Kläger zutreffend ausführt – auf eine Obliegenheitsverletzung und nicht auf die Frist nach Ziffer 2.1.1.1 AUB 2001 ab. Doch bestand seinerzeit gar keine Veranlassung, die Fristen der Ziffer 2.1.1.1 AUB 2001 zu thematisieren, weil sich aus der Schadenanzeige kein konkreter Hinweis auf eine Invalidität ergab (siehe oben).

Insofern fehlen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte aus Sicht des Klägers einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, der einen Verweis auf die formellen Voraussetzungen der Ziffer 2.1.1.1 AUB 2001 als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt. Das gilt umso mehr, als der Beklagte in dem Schreiben vom 17. Dezember 2007 betont hat, er wolle die Sachlage trotz des Zeitablaufs „unverbindlich“ prüfen.

III. Die zulässige Anschlussberufung hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf das ihm vom Landgericht zugesprochene Krankenhaustagegeld und das Genesungsgeld. Wie oben eingehend dargelegt, ist der Unfallversicherungsvertrag, auf den der Kläger seine Forderungen stützt, wegen der vom Beklagten unter dem 29. April 2008 erklärten Anfechtung nichtig.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache besitzt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

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