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Unfallversicherung und Selbstmord – Anspruch auf Versicherungsleistungen

Oberlandesgericht Koblenz

Az: 10 U 1763/05

Beschluss vom 31.08.2006

Vorinstanz: LG Trier 6 O 165/05


Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat am 31. August 2006 e i n s t i m m i g b e s c h l o s s e n :

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Den Klägern wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 14. Oktober 2006.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.

Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg:

Das landgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage und enthält keine Fehler. Die getroffenen Feststellungen sind vollständig und rechtfertigen keine andere Entscheidung:

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Klägern steht die geltend gemachte Todesfallleistung aus der Unfallversicherung ihres verstorbenen Sohnes nicht zu, da dieser nicht durch einen Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen, sondern durch eine freiwillige Selbsttötung zu Tode gekommen ist.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass gemäß § 180 a VVG die Unfreiwilligkeit vermutet wird und dass die Beklagte den Nachweis für eine freiwillige Selbstschädigung zu erbringen hat. Entgegen der Auffassung der Kläger ist dieser Nachweis erbracht.

Da es für die Frage, ob der Sohn der Kläger Suizid begehen wollte, keinen direkten Beweis für seine inneren Absichten in Form etwa eines Abschiedsbriefes gibt, ist diese Frage in einer abwägenden umfassenden Gesamtschau aller objektiven und erkennbaren subjektiven Momente zu prüfen. Dabei ist auch die Möglichkeit eines Indizienbeweises nicht ausgeschlossen. Das Gericht kann im Wege freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) Erfahrungssätze und Hilfstatsachen verwerten und so zu der Überzeugung gelangen, die Vermutung des § 180 a VVG sei widerlegt. Dies erfordert nur ein solches Maß an Gewissheit, dass sie „restlichen Zweifeln Schweigen gebietet“ (Prölss/Martin VVG 27. Aufl. § 180 a, Rdn. 10). Die Freiwilligkeit kann als erwiesen angesehen werden, wenn sich ein unfreiwilliger Vorgang nur durch eine Kette von Ungereimtheiten erklären ließe (OLG Koblenz VersR 1993, 874) oder aber sich eine Erklärung für einen unfreiwilligen Hergang des Geschehens nicht finden lässt. Dies ist vorliegend der Fall.

Schon die äußeren Umstände und der Geschehensablauf, der zum Tod des Sohnes der Kläger führte, welche, so wie sie sich aus der Ermittlungsakte ergeben, unstreitig sind, sprechen zwingend dafür, dass es sich nicht um einen Unfall im Sinne einer unfreiwillig erlittenen Gesundheitsschädigung handelt, sondern dass von einer freiwilligen Selbsttötung auszugehen ist. Der Sohn der Kläger wurde in den späten Nachtstunden, wohl kurz nach 3 Uhr, von einem Zug überfahren. Wie aus der in der Ermittlungsakte vorhandenen – urkundlich zu verwertenden – Karte und der Lichtbilder bezüglich des Unfallortes (BI. 92 ff. EA) ersichtlich ist, befand sich die Unfallstelle nicht nur etwa 500 m vom Bahnhof F entfernt, sondern gänzlich außerhalb der Ortslage von F, zumindest 200 m von jeder Straße entfernt. Des Weiteren hat die Bahnstrecke nach der Darstellung der Karte (BI. 92 EA) von der Unfallstelle nach beiden Seiten hin einen geraden Verlauf und ist gut einsehbar, so dass ein herannahender Zug nicht nur akustisch, sondern auch optisch gut wahrnehmbar war. Eine andere Erklärung als eine beabsichtigte Selbsttötung dafür, warum der Sohn der Kläger sich zu dieser Zeit an dieser eher abgelegenen Stelle auf den Gleisen aufhielt, ist nicht ersichtlich. Da sich an der Unfallstelle auch kein Weg befindet, welcher die Gleise kreuzt, kommt als Alternative auch nicht in Betracht, dass der Sohn der Kläger leichtsinnig vor dem herannahenden Zug noch die Gleise überqueren wollte und die Geschwindigkeit des Zuges dabei unterschätzt hat. Damit wird die Überzeugung des Senats davon, dass der Sohn der Kläger sich freiwillig von einem Zug überrollen ließ, schon durch den objektiven Geschehensablauf begründet. Auch die von der Beklagten vorgetragenen, in ihrem Inhalt unbestrittenen Telefonanrufe bei der Mutter der ehemaligen Freundin weisen – wie das Landgericht zutreffend gewürdigt hat – auf eine beabsichtigte Selbsttötung hin. Soweit die Kläger diese Anrufe damit erklären wollen, dass ihr Sohn sich Sorgen gemacht habe, der neue Freund habe seiner früheren Freundin Drogen gegeben, so lassen weder der Inhalt der Gespräche noch die Uhrzeit erkennen, dass eine derartige Sorge Anlass der Anrufe war.

Das Landgericht ist auch zu Recht den Beweisangeboten der Kläger nicht nachgegangen. Die aufgezeigten und unter Beweis gestellten Umstände sind insgesamt unerheblich und nicht geeignet, den durch den Geschehensablauf erbrachten Nachweis der Selbsttötung zu erschüttern. Soweit die Kläger geltend machen, ihr Sohn sei nicht der Typ gewesen, der zu einem Suizid in der Lage gewesen wäre, und sich hierfür auf das Zeugnis von Freunden ihres Sohnes berufen, so ist die unter Beweis gestellte Behauptung nichtssagend und einem Zeugenbeweis nicht zugänglich. Menschliches Verhalten lässt sich nicht typisieren in dem Sinn, dass anhand des Typs sicher vorhersehbar ist wie ein Mensch in einer gegebenen Situation reagieren wird. Die Zeugen können hier allenfalls ihre persönliche Meinung widergeben. Angesichts des Umstandes, dass menschliches Verhalten sich nicht mit Sicherheit vorhersagen lässt, und der gerichtlichen Erfahrung, dass es immer wieder gerade auch im Zusammenhang mit einem Suizid zu Handlungen kommt, die für die Angehörigen und Freunde des Betroffenen unverständlich und aufgrund ihres Eindruckes nicht nachvollziehbar sind, ist der Umstand, dass seine Eltern und Freunde den Sohn der Kläger eines Suizids nicht für fähig halten, nicht geeignet, die eindeutig Beweislage zu erschüttern. Soweit die Kläger geltend machen, ihr Sohn sei kein Typ gewesen, der etwas für sich habe behalten können, er habe außerdem Pläne für Fastnacht gemacht, eine neue Arbeitsstelle in Aussicht gehabt und eine Vereinbarung über die Reparatur des Schlosses an der Tür zum Sportplatz getroffen, spricht auch dies nicht gegen eine freiwillige Selbsttötung. Bei einem in der Nacht spontan getroffenen Entschluss, der zu einer Kurzschlusshandlung mit tragischem Ausgang führt, fallen derartige Erwägungen nicht ins Gewicht. Gleiches gilt für die Frage eines Abschiedsbriefes. Im Übrigen ist auch das Fehlen eines Abschiedsbriefes kein Indiz gegen einen Suizid.

Der Senat nimmt in Aussicht, den Streitwert auf 12.500 € festzusetzen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ
Az: 10 U 1763/05


BESCHLUSS
(gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO)

in dem Rechtsstreit XXX

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat  am 23. Oktober 2006 e i n s t i m m i g b e s c h l o s s e n :

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 17. November 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe.

Der Senat hat mit Hinweisbeschluß gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom 31. August 2006 darauf hingewiesen, daß die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordere und die Berufung auch keine Aussicht auf Erfolg habe.

Die Kläger haben eine weitere Stellungnahme nicht abgegeben.

Die Berufung ist nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Der Senat hält an seinem Hinweis fest und nimmt auf ihn auch zur Begründung seiner abschließenden Entscheidung Bezug (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstands für das Berufungsverfahren wird auf 12.500 € festgesetzt.

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