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Tarifliche Unkündbarkeit und außerordentliche Kündigung

Bundesarbeitsgericht

Az: 2 AZR 367/01

Urteil vom 27.06.2002

Vorinstanzen:

I. Arbeitsgericht Lingen – Az.: 1 Ca 156/00 – Urteil vom 16.11.2000

II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen – Az.: 16 Sa 2125/00 – Urteil vom 27.04.2001


Leitsatz:

Es sind Extremfälle denkbar, in denen auch einem nach § 55 BAT tariflich unkündbaren Angestellten des öffentlichen Dienstes nach §626 BGB unter Gewährung einer notwendigen Auslauffrist außerordentlich betriebsbedingt gekündigt werden kann.


In Sachen hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2002 für Recht erkannt:

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. April 2001 -16 Sa 2125/00 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten, mit Auslauffrist erklärten Kündigung.

Der 1952 geborene Kläger war auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 11. März 1981 seit 1. Dezember 1980 zunächst als nebenberufliche Lehrkraft für das Fach Trompete bei dem von der beklagten Stadt und der Samtgemeinde S gegründeten Zweckverband „Musikschule B und S“ beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 16. Juli 1985 vereinbarten der Kläger und der Zweckverband die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in seiner jeweils gültigen Fassung. Der Arbeitsvertrag sah eine Pflichtstundenzahl von 21 Wochenstunden vor. Ab 1. April 1993 wurde dem Kläger die ständige Vertretung des Leiters der Musikschule übertragen und die wöchentliche Arbeitszeit auf 36,5 Stunden festgelegt, darunter 23 Unterrichtsstunden und sieben Zeitstunden zur Wahrnehmung der neuen Funktion. Der Kläger erhielt zuletzt eine Vergütung von 5.200,00 DM nach der Vergütungsgruppe BAT IV b.

Der Zweckverband erwirtschaftete in den Jahren 1993 bis 1999 jährlich ein Defizit zwischen 597.900,50 DM (1994) und 467.777,21 DM (1999). Die Defizite wurden jeweils durch die beiden Träger des Zweckverbandes ausgeglichen. Die Schülerzahlen gingen von 798 im Jahr 1990 auf 628 im Jahr 1999 zurück. Im Jahr 2000 sanken sie auf 488. Im Sommer 1997 wurde der Musikschulbetrieb einer Untersuchung durch den Landesverband Niedersächsischer Musikschulen unterzogen. Der Landesverband konnte keine nennenswerten Möglichkeiten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit aufzeigen. Im November 1997 nahm der Zweckverband Verhandlungen mit einem privaten Anbieter auf, der sich bereit erklärte, die Musikschule zu übernehmen. Während die Beklagte mit Beschluß ihres Stadtrates vom 22. Juni 1998 eine Privatisierung befürwortete, schloß sich die Samtgemeinde S diesem Ansinnen zunächst nicht an. Die Träger einigten sich darauf, der Musikschule eine Gelegenheit zu geben, durch neue Konzepte Einsparungen und Einnahmeverbesserungen zu erzielen. Die damalige Leiterin der Musikschule wurde mit Beschluß des Zweckverbandes vom 11. November 1998 abgelöst. Dem Kläger wurde die kommissarische Leitung und Geschäftsführung der Musikschule übertragen.

Bis Juni 1999 konnte eine Konsolidierung nicht erzielt werden. Die drei vollbeschäftigten Lehrer und der Kläger waren nicht vollständig ausgelastet. Der Kläger wollte die Geschäftsführung ab dem 19. Mai 1999 nicht weiter übernehmen. Hierauf nahm der Zweckverband die Verhandlungen mit dem privaten Anbieter wieder auf. Ab 1. Juli 1999 übernahm dieser die Leitung der Musikschule. Der Zweckverband beabsichtigte, den Kläger und die übrigen drei unkündbaren und vollbeschäftigten Musikschullehrer nach der Privatisierung der Einrichtung im Wege der Personalgestellung auf der Basis des BAT weiterzubeschäftigen. Zum Zweck der Tolerierung einer solchen Personalgestellung führte der Zweckverband vorbereitende Gespräche mit verschiedenen Behörden. Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder riet, zur Vermeidung höherer Ausgleichszahlungen vor Durchführung einer Privatisierung einen Betriebsübergang auf „einen der beiden Träger des Zweckverbandes herbeizuführen. In den weiteren Verhandlungen mit dem privaten Interessenten reduzierte dieser unter Hinweis auf die nicht vollständige Auslastung der Musikschullehrer seine Zusage für die Höhe des Gestellungsentgeltes. Hierauf führten Vertreter des Zweckverbandes am 17. November 1999 ein Gespräch mit den vollbeschäftigten Musikschullehrern, in welchem sie ihnen nahelegten, sich mit einer Verringerung ihrer vertraglichen Unterrichtsstunden und einem Abschlag auf ihre Vergütung einverstanden zu erklären. Der Kläger äußerte sich hierzu nicht. Am 16. Dezember 1999 beschloß die Verbandsversammlung, den Zweckverband zum 31. Dezember 1999 aufzulösen. Auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Samtgemeinde S gingen die bisherigen Aufgaben des Zweckverbandes mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte über.

Der Rat der beklagten Stadt beschloß in seiner Sitzung vom 31. Januar 2000, die Musikschule zum 31. Juli 2000 zu schließen. Mit Schreiben vom 14. Februar 2000 beantragte die Beklagte bei dem Personalrat die Zustimmung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist gegenüber dem Kläger. Der Personalrat teilte der Beklagten mit Schreiben vom 25. Februar 2000 mit, er widerspreche der Kündigung nicht. Mit Schreiben vom 2. März 2000 kündigte die Beklagte dem Kläger außerordentlich mit einer Frist zum 30. September 2000 und begründete dies mit der beabsichtigten Schließung der Musikschule zum 31. Juli 2000.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam, da eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung bereits nach § 55 BAT ausgeschlossen sei. Im übrigen hätte die Beklagte zunächst mit allen zumutbaren Mitteln seine Weiterbeschäftigung versuchen müssen. Er hätte weiterhin im Schulbereich, im Bereich der Kulturverwaltung, der Sozialverwaltung oder der allgemeinen Verwaltung beschäftigt werden können.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß das seit dem 1.Dezember 1980 auf der Grundlage der Arbeitsverträge vom 11. März 1981, 16. Juli 1985 und 1. April 1993 bestehende Arbeitsverhältnis zwischen dem Zweckverband Musikschule B und S und dem Kläger durch Kündigung der Beklagten vom 2. März 2000 nicht beendet worden ist. Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, es sei ausnahmsweise trotz der tariflichen Unkündbarkeit eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt. Eine Beschäftigung des Klägers nach Schließung der Musikschule sei unter keinen Umständen mehr möglich. Es könne auch kein Zwang bestehen, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis auf Dauer fortzusetzen. Musiklehrer seien von ihr ausschließlich in der Musikschule beschäftigt worden. Ein Einsatz des Klägers in der Verwaltung scheitere daran, daß der Kläger keinerlei Berührungspunkte zur öffentlichen Verwaltung habe. Er sei ausgebildeter Musiker und habe keine Verwaltungskenntnisse. Ein Kulturamt gebe es bei der Beklagten nicht. Kulturelle Angelegenheiten würden von dem Leiter des Fremdenverkehrsamtes mit erledigt. Im Sozialamt sei ein Bedarf nicht vorhanden. Aus dem Stellenplan ergebe sich, daß auch in absehbarer Zeit keine geeignete Stelle für den Kläger frei sein werde. Für eine Sachbearbeitertätigkeit in der Verwaltung sei eine zumindest dreijährige Ausbildung des Klägers erforderlich, was ihm nicht zugemutet werden könne. Im Schulbereich könne ein Einsatz nicht erfolgen, da die Schulen durch das Land betrieben würden. Andere Musikschulen hätten kein Interesse an der Beschäftigung des Klägers, wie sich aus Gesprächen nach Ausspruch der Kündigung ergeben habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die außerordentliche Kündigung nicht beendet worden. Da der Kläger ordentlich unkündbar gewesen sei, habe ihm nach dem BAT nur aus in seinem Verhalten oder in seiner Person liegenden wichtigen Gründen außerordentlich gekündigt werden können. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Ausschluß der betriebsbedingten Beendigungskündigung in § 55 BAT uneingeschränkt gelte. Jedenfalls ergebe vorliegend die Interessenabwägung, daß die Kündigung unberechtigt sei. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, im gesamten Bereich der Gemeindeverwaltung zu prüfen, inwieweit zumutbare, gegebenenfalls auch geringer bewertete Arbeitsplätze vorhanden seien, die dem Kläger hätten angeboten werden können. Erforderlichenfalls hätte ihm auch eine übertarifliche Vergütung gezahlt werden müssen. Jedenfalls seien an die Wirksamkeit der Kündigung die Anforderungen zu stellen, die sich aus dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9. Januar 1987 (TV Rat) ergäben. Danach sei der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Beendigungskündigung auch verpflichtet, einen anderen Arbeitsplatz, notfalls bei einem anderen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst an einem anderen Ort, anzubieten. Derartige Bemühungen der Beklagten seien erst nach Ausspruch der Kündigung und damit zu spät erfolgt. Auch hätte es eines konkreten Vertrags der Beklagten bedurft, welche Fortbildungsmaßnahmen möglich gewesen seien, um den Kläger für eine anders geartete Angestelltentätigkeit in der Verwaltung zu qualifizieren.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung. Die Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien konnte nur durch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB beendet werden, weil gegenüber dem Kläger tarifvertraglich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen war.

a) Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme ist auf das Arbeitsverhältnis der BAT in seiner jeweils gültigen Fassung anzuwenden. Der Kläger ist nach § 53 Abs. 3 BAT ordentlich unkündbar, da er länger als 15 Jahre bei der Beklagten bzw. ihrem Rechtsvorgänger beschäftigt ist und das 40. Lebensjahr vollendet hat.

b) Zur Beschäftigungszeit des Klägers zählt auch die Zeit zwischen dem 1. Dezember 1980 und dem 1. September 1985, als zwischen den Parteien noch ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 3 q BAT aF bestand, auf welches der BAT nicht zur Anwendung kam. Beschäftigungszeit nach § 53 Abs. 3, § 19 Abs. 1 BAT ist die bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses ist im Sinne dieser Norm auch dann erfüllt, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber vom Geltungsbereich des BAT nach §3 ausgenommen war (BAG 9. Juli 1992 -6AZR 507/90- AP BAT § 19 Nr. 3; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand Juni 2002 § 19 Rn. 7).

2. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß nach dem Wortlaut des § 55 BAT auch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgeschlossen ist.

Gemäß § 55 Abs. 1 BAT kann dem nach § 53 Abs. 3 BAT ordentlich unkündbaren Angestellten aus in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden. Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT berechtigen andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, den Arbeitgeber nicht zur Kündigung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen.

3. Damit ist jedoch nicht, wie der Kläger in erster Linie geltend macht, die außerordentliche Beendigungskündigung aus betrieblichen Gründen nach § 626 BGB in jedem denkbaren Fall ausgeschlossen.

a) Tarifliche Beschränkungen des außerordentlichen Kündigungsrechts sind zwar nicht grundsätzlich unzulässig und unvereinbar mit § 626 BGB. Der Senat hat jedoch schon mehrfach darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund in einem Dauerschuldverhältnis nicht völlig beseitigt werden kann und deshalb Fälle denkbar sind, in denen auch im Rahmen des § 55 BAT eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB in Betracht kommen kann (BAG 5. Februar 1998 -2AZR 227/97- BAGE 88, 10, 15; 25. Oktober 2001-2AZR216/00-ZMV2002, 198; vgl. Dassau/Wiesend-Rothbrust BAT § 55 Rn. 4; Oetker ZfA 2001, 287, 332 ff.; ErfK/Müller-Glöge 2. Aufl. § 626 BGB Rn. 239; Kania/Kramer RdA 1995, 287, 288 ff.; APS/Dörner § 626 BGB Rn. 7; KR-Fischermeier 6. Aufl. § 626 BGB Rn. 57 ff.; aA wohl Conze ZTR 1987, 99). Erörtert wird dies zu § 55 BAT etwa für den Fall, daß eine außeruniversitare private Forschungseinrichtung, die zu 100% von Drittmitteln abhängig und dem Drittmittelgeber gegenüber zur Vereinbarung des BAT verpflichtet ist, einem Forscher, den sie anderweitig nicht einsetzen kann, wegen Wegfalls der Drittmittel kündigen möchte; würde hier eine Weiterbezahlung des Forschers bis zu dessen Pensionierung ohne entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit zwangsläufig zur Schließung der Einrichtung führen, weil für eine derartige Gehaltszahlung keine Mittel vorhanden sind, müßte erwogen werden, ob der völlige Ausschluß auch der außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit für derartige Fälle nicht gegen die Unabdingbarkeit des § 626 BGB verstößt (vgl. hierzu Frischmann ZTR 1996, 344 mwN).

b) Wie im einzelnen die Extremfälle abzugrenzen sind, in denen bei einer tariflichen Unkündbarkeit nach § 55 BAT ein wichtiger Grund zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung – unter Gewährung einer Auslauffrist – vorliegt, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte im vorliegenden Fall die Beklagte jedenfalls keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB.

4. Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB gegenüber einem nach § 55 BAT aus betriebsbedingten Gründen unkündbaren Angestellten des öffentlichen Dienstes sind jedenfalls ganz erheblich.

a) Schon nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine (hier tariflich ausgeschlossene) ordentliche Kündigung nur aus dringenden betrieblichen Erfordernissen möglich und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers, ggf. nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen muß, soweit möglich, an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes erfolgen.

b) Ist in einem Tarifvertrag lediglich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen und verweisen die Tarifpartner im übrigen auf § 626 BGB, so ist eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nur in extremen Ausnahmefällen möglich. Betriebsbedingte Gründe rechtfertigen regelmäßig keine außerordentliche Kündigung. Das Betriebsrisiko hat der Arbeitgeber zu tragen. Ausnahmen hat der u Senat im wesentlichen nur dann zugelassen, wenn sonst ein sinnloses Arbeitsverhältnis ggf. bis zur Pensionierung des Arbeitnehmers allein durch Vergütungszahlungen aufrechterhalten werden müßte. Diese Rechtsprechung darf nicht dahin mißverstanden werden, daß bei ordentlicher Unkündbarkeit auf Grund eines Tarifvertrages eine betriebsbedingte Kündigung stets unter etwas verschärften Voraussetzungen nunmehr als außerordentliche Kündigung möglich wäre (BAG 5. Februar 1998 aaO; 13. Juni •o 2002- 2AZR391/00-zur Veröffentlichung vorgesehen).

c) Da § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 BAT auch die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund ausschließt und den Arbeitgeber insoweit auf eine Änderungskündigung zum Zweck der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe verweist, wird damit das Arbeitsverhältnis des Angestellten im öffentlichen Dienst nach der erforderlichen Beschäftigungszeit, was die Intensität der Bindung an-; belangt, einem Beamtenverhältnis angenähert.

Wenn, wie oben dargelegt, in Extremfällen eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung auch im Anwendungsbereich des § 55 BAT zulässig ist, so bedeutet dies allerdings nicht, daß nunmehr jede Umorganisation oder Schließung einer Teileinrichtung mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst entgegen § 55 Abs. 2 BAT zu einer außerordentlichen Kündigung führen kann. Entsprechend Sinn und Zweck der Tarifvorschrift müssen die Anforderungen an eine derartige außerordentliche Kündigung ganz erheblich sein. Es kann nur darum gehen, auch unter Berücksichtigung der Annäherung des Arbeitsverhältnisses an ein Beamtenverhältnis und des Grundsatzes der Einheit des öffentlichen Dienstes zu verhindern, daß ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über einen langen Zeitraum hinweg allein noch durch Gehaltszahlungen aufrechterhalten wird und dadurch der öffentliche Arbeitgeber in erhebliche, vor allem finanzielle Schwierigkeiten gerät. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend dargelegt hat, sind als Mindestvoraussetzungen für die Wirksamkeit einer derartigen Kündigung die Grundsätze heranzuziehen, die die Tarifpartner im Tarifvertrag über

den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9. Januar 1987 (TV Rat) für einen Wegfall des Arbeitsplatzes infolge von Rationalisierungsmaßnahmen ausdrücklich vereinbart haben. Damit haben die Tarifpartner Wertungsmaßstäbe für vergleichbare Fälle aufgestellt, die bei der Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB nicht unbeachtet bleiben dürfen.

5. Die Beklagte hat hier für die Voraussetzungen, unter denen eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nach § 626 BGB in Betracht kommen kann, keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Nach den zutreffenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte bereits die bestehenden Möglichkeiten, eine außerordentliche Kündigung als allerletztes Mittel zur Lösung des Konfliktes zu vermeiden, nicht ausgeschöpft.

Die Beklagte muß sich schon entgegenhalten lassen, daß sie die Verhandlungen mit dem privaten Interessenten über die Übernahme der Musikschule zu früh abgebrochen hat. Unstreitig war der Interessent, der private Betreiber einer Musikschule in einem anderen Ort, grundsätzlich bereit, die Musikschule der Beklagten zu übernehmen und auch die unkündbaren Musikschullehrer auf der Basis von Personalgestellungsverträgen weiterzubeschäftigen. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist diese Übernahme der Musikschule daran gescheitert, daß die Beklagte die tariflich unkündbaren Musikschullehrer zu erheblichen finanziellen Zugeständnissen bewegen wollte (beim Kläger nur noch 17,25 Stunden und ca. 9 % weniger Gehalt) und deren Ablehnung der neuen Arbeitsbedingungen zum Anlaß für den Abbruch der Verhandlungen genommen hat. Die Beklagte hatte aber, wie schon § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT zeigt, dem Kläger gegenüber keinen Anspruch darauf, daß dieser sich in derart einschneidender Weise finanziell daran beteiligte, die wirtschaftlichen Nachteile der Schließung bzw. Übertragung der Musikschule auf einen Dritten auszugleichen. Damit hat die Beklagte eine zumutbare Möglichkeit, die Weiterbeschäftigung des Klägers sicherzustellen und nur noch für die Differenz zwischen der bisherigen Vergütung des Klägers und den Zahlungen des privaten Anbieters eintreten zu müssen, ohne zwingenden Grund ausgeschlagen. Die außerordentliche Kündigung kann schon deshalb nicht als ultima ratio angesehen werden, zumal die Beklagte vor Ausspruch der Beendigungskündigung keine Änderungskündigung zur Vergütungsabsenkung versucht hat.

b) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht weiter davon ausgegangen, daß die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat, daß in ihrer eigenen Gemeindeverwaltung keine zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger bestanden.

Nachdem der Kläger dargelegt hatte, wie er sich eine Weiterbeschäftigung in der Verwaltung der Beklagten vorstellte, genügte die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht durch Vorlage des Stellenplanes und die pauschale Behauptung, für den Kläger sei keine Stelle vorhanden. Angesichts des besonderen tariflichen Kündigungsschutzes des Klägers reichte es nicht aus, wenn im Zeitpunkt der Kündigung der Stellenplan der Gemeinde keinen freien Arbeitsplatz für einen Trompeter mehr enthielt. Der Kläger besaß Verwaltungserfahrung. Die Beklagte selbst hatte ihn längere Zeit für Verwaltungsaufgaben nicht lediglich untergeordneter Bedeutung eingesetzt. Es hätte deshalb konkreteren Sachvortrags bedurft, weshalb nicht durch etwaige Umorganisation der Gemeindeverwaltung in absehbarer Zeit ein Arbeitsplatz geschaffen werden konnte, den der Kläger, ggf. nach Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe hätte ausfüllen können. Auch die Möglichkeiten einer Umschulung waren dabei zu prüfen. Angesichts des völlig unzureichenden Sachvortrags der Beklagten kann dahinstehen, ob auch in Betracht zu ziehen war, durch Kündigung etwa eines Arbeitnehmers ohne Kündigungsschutz einen Arbeitsplatz für den Kläger zu schaffen (vgl. zu § 15 KSchG, BAG 18. Oktober 2000 – 2 AZR 494/99 – BAGE 96, 78).

Mit dem Landesarbeitsgericht ist außerdem davon auszugehen, daß die Beklagte die Pflicht hatte, auch eine Unterbringung des Klägers an anderen Musikschulen im Umkreis zu versuchen. Sie ist dieser Pflicht jedenfalls vor Ausspruch der Kündigung nicht hinreichend nachgekommen. Insoweit durften sich die Bemühungen der Beklagten schon nicht darauf beschränken, lediglich nachzufragen, ob eine andere Musikschule zur einer Übernahme des Klägers in ein BAT-Angestelltenverhältnis bereit war. Es war auch die Möglichkeit eines Personalgestellungsvertrages ggf. mit einer Differenzzahlung der Beklagten in die Überlegungen einzubeziehen.

Der TV Rat, der in § 3 Abs. 2 bis 5 eine entsprechende Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers enthält, dem Angestellten einen Arbeitsplatz in einer anderen Verwaltung/einem anderen Betrieb ggf. nach entsprechender Fortbildung oder Umschulung zu sichern, ist zwar hier weder unmittelbar noch analog anwendbar. Er enthält jedoch die Wertung der Tarifparteien, welche Maßnahmen dem Arbeitgeber bei einer ausnahmsweise möglichen Kündigung eines nach § 55 BAT unkündbaren Angestellten zumutbar sind, ehe er kündigen darf. Schränkt man den völligen Ausschluß auch der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung in § 55 BAT im Wege der geltungserhaltenden Auslegung dahin ein, daß in Extremfällen eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist nach § 626 Abs. 1 BGB zulässig bleibt, so darf der Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit einer derartigen Kündigung nicht unter das absinken, was die Tarifpartner in vergleichbaren Fällen für dem öffentlichen Arbeitgeber zumutbar halten.

d) Da die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts überhaupt keine Versuche unternommen hat, den Kläger anderweitig im öffentlichen Dienst zu vermitteln, kann dahinstehen, ob sie ggf. nicht auch verpflichtet gewesen wäre, den Kläger angesichts seiner Verwaltungserfahrung, evtl. nach einer entsprechenden Umschulung, auf einen Verwaltungsposten bei einem anderen öffentlichen Arbeitgeber zu vermitteln.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

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