LG Wiesbaden – Az.: 9 S 4/12 – Urteil vom 30.08.2012
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 11.01.2012 zu 93 C 2510/10 (40) wird zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückzahlung einer Kaufpreisanzahlung sowie auf Erstattung vorgerichtlich angefallener und nicht anrechenbarer Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch.
In tatsächlicher Hinsicht wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 11.01.2012 zu 93 C 2510/10 (40) Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen, daß der erstinstanzlich informatorisch gehörte Beklagte in der Sitzung vom 06.12.2010 zu Protokoll des Erstgerichts erklärt hat, sein Vortrag sei so zu verstehen, daß Herr M. seinerzeit persönlich anwesend gewesen sei und den Kaufvertrag mit dem Kläger abgeschlossen und von diesem auch das Geld entgegengenommen habe; auf Nachfrage hat der Beklagte des weiteren ausgeführt, Herr M. sei sein Kunde gewesen und sei in die Werkstatt gekommen, um sein Auto reparieren zu lassen, da sei zufällig der Kläger vorbeigekommen und habe den Wunsch geäußert, dieses Auto zu kaufen.
Das Amtsgericht hat nach Vernehmung der Zeugin K. in der Sitzung vom 03.01.2011, des Zeugen S. in der Sitzung vom 03.01.2011 und in der Sitzung vom 19.12.2011 sowie des Zeugen P. in der Sitzung vom 18.05.2011 der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an den Kläger 2.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jährlich seit dem 07.12.2010 sowie an vorgerichtlich angefallenen und nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren 272,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jährlich seit dem 23.03.2010 zu zahlen. Mit seiner hiergegen frist- und formgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren weiter. Er rügt insbesondere eine fehlerhafte und im Fall des Zeugen P. unterlassene Beweiswürdigung, welches jedenfalls eine erneute Beweiserhebung und Beweiswürdigung in der zweiten Instanz unumgänglich erscheinen lasse.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Wiesbaden vom 11.01.2012 zu 93 C 2510/10 (40) die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und ist der Auffassung, daß die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden sei, das Erstgericht vielmehr die von ihm erhobenen Beweise vollständig und zutreffend gewürdigt habe. Jedenfalls sei ein Fehler in der Beweiswürdigung weder ersichtlich noch beklagtenseits substantiiert dargetan. Insbesondere habe der Beklagte bislang nicht nachvollziehbar dartun können, aus welchem Grund wildfremde Autohändler zufälligerweise just in dem Moment auf dem Betriebsgelände des Beklagten erschienen, wenn sich autosuchende Kunden gleichermaßen auf dem Betriebsgelände aufhielten. Der Vortrag des Beklagten, wonach nicht er, sondern seine Ehefrau Inhaberin der Werkstatt sei, sei unbeachtlich, weil verspätet. Im übrigen sei es bemerkenswert, daß dies dem Beklagten erst rund zwei Jahre nach Klageerhebung eingefallen sein wolle.
Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der zulässigen, insbesondere frist- und formgerecht, eingelegten Berufung blieb der Erfolg versagt, weil das angefochtene Urteil weder im Ergebnis noch in der Begründung zu beanstanden ist. Daß das Erstgericht auf Grund der von ihm erhobenen und gewürdigten Beweise zu der Überzeugung gelangt ist, der klägerischerseits behauptete Kaufvertrag sei nicht zwischen dem Kläger und einem Herrn M., sondern zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits zustande gekommen, weshalb der Beklagte denn auch nach erfolgtem Rücktritt wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages dem Kläger die Rückgewähr der Anzahlung schuldet, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Entgegen der Einschätzung des Beklagten bedarf es einer erneuten Vernehmung der erstinstanzlich angebotenen und vernommenen Zeugen nicht schon deshalb, weil erstinstanzlich ein Dezernentenwechsel stattgefunden hat. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, daß es einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme darstellen kann, wenn nach einem Dezernatswechsel der erkennende Richter die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen und die Glaubwürdigkeit der Zeugen bewertet, ohne die Zeugen selbst vernommen zu haben und ohne aktenkundige Stellungnahme des die Vernehmung durchführenden Richters zum persönlichen Eindruck von den Zeugen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.09.2011 zu 7 U 24/10). Der Beklagte läßt jedoch außer acht, daß der Zeuge P. vorliegend erst nach erfolgtem Dezernatswechsel von demjenigen Richter vernommen worden ist, namentlich in der Sitzung vom 18.05.2011, der sodann unter dem 11.01.2012 das Urteil gefällt hat. Der Zeuge S. ist indessen sowohl von dem erkennenden Richter, namentlich in der Sitzung vom 19.12.2011, als auch von dessen Vorgängerin im Dezernat in der Sitzung vom 03.01.2011 vernommen worden. Von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme kann insoweit also – entgegen der Einschätzung des Beklagten – nicht die Rede sein. Vielmehr wird die Vorgehensweise des Erstgerichts der vorzitierten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main allemal gerecht. Nichts anderes folgt daraus, daß der erkennende Richter von einer erneuten Vernehmung der Zeugin K., die nur von seiner Vorgängerin im Dezernat vernommen worden ist, und zwar in der Sitzung vom 03.01.2011, abgesehen hat. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme kann hierin schon deshalb nicht erblickt werden, weil der erkennende Richter ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Zeugin K. weder auf deren Glaubwürdigkeit abstellte noch Überlegungen zu der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen anstellte. Vielmehr hat sich der erkennende Richter insoweit darauf beschränkt, den protokollierten Inhalt der Bekundungen der Zeugin K. mit der Aussage des Zeugen S. abzugleichen. In einem solchen Fall kann von einer erneuten Vernehmung selbst unter Zugrundelegung der vorzitierten Grundsätze in der Tat abgesehen werden. Ohnehin stellt sich vorliegend die Frage, inwiefern der Aussage eines Zeugen, der sein Wissen erklärtermaßen im wesentlichen von der Partei bezieht, von welcher er benannt worden ist, überhaupt ein wie auch immer zu bewertender Beweiswert zukommt. Daß das Erstgericht insoweit sich indessen nur darauf beschränkte, die Bekundungen des Zeugen S. mit denjenigen der Zeugin K. abzugleichen, dürfte allerdings nicht zu beanstanden sein, weil das angefochtene Urteil unverkennbar in tragenden Teilen auf einer wertenden Gegenüberstellung der Bekundungen der Zeugen S. und P. beruht, die von dem erkennenden Richter höchst selbst vernommen worden sind, weshalb das Erstgericht insoweit denn auch sowohl Überlegungen zu deren Glaubwürdigkeit anstellen durfte als auch zu der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen. Der Beklagte macht auch vergeblich geltend, die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei, insbesondere was die Aussagen der Zeugen S. und P. angeht, fehlerhaft und die Beweisaufnahme allein deshalb zu wiederholen. Der Beklagte läßt mit dieser Berufungsrüge außer acht, daß die Beweiswürdigung des Erstgerichts grundsätzlich nur daraufhin überprüfbar ist, ob sie wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat, in sich widersprüchlich ist oder Beweisregeln, Denkgesetzen, Naturgesetzen oder Erfahrungssätzen zuwiderläuft. Denn grundsätzlich ist das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Erstgerichts gebunden. Bei einem Angriff auf die Beweiswürdigung muß die Berufung dementsprechend Anhaltspunkte aufzeigen, die derart gewichtige Zweifel an den erhobenen Beweisen und deren Würdigung aufzeigen, daß ein Neueinstieg in die Beweisaufnahme sich förmlich aufdrängt (§§ 513 Abs. 1, 529 Abs. 1, 546 ZPO – vgl. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 546, Rdnr. 11 f.; Ball, in: Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 546, Rdnr. 9 f.). Derlei vermag der Beklagte nicht darzutun. Insbesondere ist es als nicht ausreichend anzusehen, wenn der Beklagte geltend macht, die Beweiswürdigung hätte bei einer anderen Gewichtung der von den Zeugen S. und P. jeweils getätigten Aussagen auch zu einem ihm, dem Beklagten, günstigen Ergebnis führen können und aus seiner Sicht auch führen müssen. Denn eine Berufung kann grundsätzlich nicht allein darauf gestützt werden, daß die erstinstanzlich vorgenommene Beweiswürdigung bei anderer Gewichtung der im einzelnen abzuwägenden Aspekte durchaus auch ein anderes Ergebnis hätte hervorbringen können. Dies stellt grundsätzlich kein beachtliches Berufungsvorbringen dar. Dieses setzt nämlich stets das Aufzeigen konkreter Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung voraus. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare und intersubjektiv vermittelbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGH, NJW 2004, 1876). Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutung der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen demgegenüber nicht (BGH, NJW 2004, 2828). Denn die Berufungsinstanz soll nicht vollwertige zweite Tatsacheninstanz sein, sondern der Fehlerkontrolle und -beseitigung dienen. Dieses Ziel läßt sich nur dann verwirklichen, wenn das Berufungsgericht grundsätzlich an eine rechtsfehlerfrei getroffene Feststellung des Erstgerichts gebunden ist und nur bei konkreten Anhaltspunkten, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung begründen, eine erneute Beweisaufnahme durchführt. Solche Zweifel liegen nicht bereits dann vor, wenn es nur möglich erscheint, sondern erst wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, daß im Falle der – erneuten – Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird. Dies kann für den zur Beurteilung anstehenden Fall – entgegen der Einschätzung des Beklagten – nicht angenommen werden. Das Gegenteil trifft zu. Das Erstgericht gelangte auf Grund einer dezidierten und jederzeit nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit den Bekundungen des Zeugen S. und des Zeugen P. zu dem Ergebnis, daß letztlich der klägerischen Darstellung des Streitstoffs der Vorzug zu geben ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen. Das von dem Erstgericht dort gefundene Ergebnis beruht auf einer letztlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung, und zwar einschließlich der Einschätzung des Erstgerichts von der Glaubwürdigkeit des Zeugen S. beziehungsweise dem Fehlen einer solchen hinsichtlich des Zeugen P. Entsprechend den vorstehend skizzierten Erwägungen zur Berufungsfähigkeit von Beweiswürdigungen ist es grundsätzlich nicht Sache des angerufenen Gerichts, an die Stelle der vom Erstgericht vorgenommenen Beweiswürdigung eine eigene, womöglich dem Beklagten genehmere, zu setzen. Derlei sieht das geltende Berufungsrecht nicht vor. Aufgabe des Berufungsgerichts als einer beschränkten Tatsacheninstanz ist es, evidente Fehler zu beheben. Da es sich bei der erstinstanzlichen Beweiswürdigung und deren Ergebnis letztlich aber um Tatsachenfeststellung handelt, bedeutete die bedingungslose Wiederholung der Beweisaufnahme erster Instanz einschließlich der zugehörigen Beweiswürdigung ohne das Vorhandensein besonderer Umstände einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das reformierte Berufungsrecht. Solche besonderen Umstände vermochte der Beklagte indes nicht darzutun. Es mag zwar sein, daß ein anderer Richter in der konkreten Situation des erkennenden unter Umständen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Dies ist aber allein für sich genommen nicht ausreichend, die Beweisaufnahme erster Instanz entsprechend der Forderung des Beklagten zu wiederholen. Hinzu kommt, daß der Beklagte gegen diejenigen Umstände, auf welche das Erstgericht seine Erwägungen auch stützt, letztlich nichts einzuwenden vermag. So hat das Erstgericht den Zeugen S. nicht nur auf Grund des von diesem gewonnen Eindrucks für glaubwürdig gehalten, sondern sah dessen Aussage insbesondere im Abgleich mit den klägerischerseits vorgelegten Kontounterlagen als glaubhaft an. Umgekehrt begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, wenn der Zeuge P. allein seines aus Sicht des Erstgerichts selektiven Gedächtnisses wegen letztlich für unglaubwürdig und seine Aussage für wenig glaubhaft gehalten wurde. Hier kann in Ergänzung zu den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nicht außer acht bleiben, daß der Zeuge P. noch nicht einmal den wesentlichen Inhalt des Beklagtenvortrags bestätigen konnte, wozu nach den Einlassungen des in der Sitzung vom 06.12.2010 informatorisch gehörten Beklagten neben einem Vertragsschluß zwischen dem Kläger und einem Herrn M. auch die Hingabe einer wie auch immer gearteten Anzahlung gehört hätte. Zieht man schließlich in Betracht, daß der Beklagte den Einwand, selbst nicht Werkstattbetreiber zu sein, erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorbrachte und mit eben diesem nunmehr ausgeschlossen ist (§ 296a Satz 1 ZPO), ohne daß er den insoweit sich aus der klägerischerseits präsentierten Visitenkarte ergebenden Widerspruch erklären könnte, und daß nach wie vor kaum nachzuvollziehen ist, wie denn ein außenstehender Dritter namens M. dazu komme, in dem Gewerbebetrieb eines anderen eigene Geschäftsabschlüsse zu tätigen, kommt man nicht umhin zu konstatieren, daß die angefochtene Entscheidung berufungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, weshalb das Erstgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat, so daß der hiergegen gerichteten Berufung kein Erfolg beschieden sein konnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den Vorschriften der §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt. In diesem Umfang ist der Beklagte durch das stattgebende Urteil erster Instanz beschwert. Die vorgerichtlich angefallenen und nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren wirken sich nicht streitwerterhöhend aus (§ 4 ZPO).