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Unsachgemäß gezündeter Feuerwerkskörper

Verletzung eines Dritten – Haftung

OLG Dresden – Az.: 4 U 1667/20 – Beschluss vom 13.10.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert auf 40.000,00 € festzusetzen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden aus dem Schadensereignis vom 01.01.2015 zu ersetzen.

Die Klägerin verbrachte die Silvesternacht vom 31.12.2014 auf den 01.01.2015 in der B…… in M……. Sie begab sich kurz nach Mitternacht über eine Treppe nach draußen, um das von dem Veranstalter in großer Entfernung zum Gebäude veranstaltete Silvesterfeuerwerk zu beobachten. Der Beklagte ging ebenfalls nach draußen, um eine von ihm erworbene Feuerwerksbatterie auf dem Rasen vor der Treppe zu zünden. Auch von anderen Besuchern der Silvesterparty wurden Feuerwerksbatterien gezündet. Eine der Feuerwerksbatterien fiel nach Inbrandsetzung um und die Feuerwerkskörper flogen in Richtung der Menschenmenge. Hierbei wurde das rechte Auge der Klägerin getroffen. Sie erlitt eine Bulbusruptur und hat ihr Sehvermögen auf dem rechten Auge verloren. Die Zeugin B…… wurde ebenfalls von einem Feuerwerkskörper am linken Schultergelenk getroffen. Die Staatsanwaltschaft Görlitz ermittelte gegen den Beklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung (Az.: 160 Js 10482/15). Das Amtsgericht Görlitz lehnte mit Beschluss vom 03.02.2017 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.

Die Haftpflichtversicherung der Beklagten teilte der Klägerin mit Schreiben vom 06.12.2018 Folgendes mit:

„Mit Wirkung eines Feststellungsurteils vom heutigen Tag bleibt ihrer Mandantin die Geltendmachung von unfallbedingten materiellen und immateriellen Schadensersatzforderungen aus dem Schadensereignis vom 01.01.2015 vorbehalten, soweit die Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen. Bei der Übernahme etwaiger berechtigter Forderungen wird die Haftungsquote von 75 zugrunde gelegt.“

Die Klägerin hat behauptet, dass die vom Beklagten aufgestellte Feuerwerksbatterie umgefallen sei und ihre erhebliche Verletzung verursacht habe. Ein Mitverschulden müsse sie sich nicht anrechnen lassen, da sie lediglich aus dem Gebäude getreten sei, um das Feuerwerk des Veranstalters zu sehen und zu filmen. Sie habe nicht bemerkt, dass weitere Besucher in ihrer Nähe Feuerwerkskörper aufgestellt und abgeschossen hätten.

Der Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin von einem Feuerwerkskörper aus seiner Feuerwerksbatterie getroffen worden sei. Zudem müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen.

Unsachgemäß gezündeter Feuerwerkskörper – Verletzung eines Dritten - Haftung
(Symbolfoto: Von Fotos593/Shutterstock.com)

Das Landgericht hat Zeugen gehört, die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte beigezogen und der Klage mit Urteil vom 19.06.2020 stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er trägt zur Begründung vor, ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage in Höhe von 75 % der Haftung habe schon nicht bestanden, denn die Haftpflichtversicherung des Beklagten habe sich verpflichtet, sämtliche materielle und immaterielle Schäden zu 75 % zu ersetzen. Die Erklärung enthalte keinen Vorbehalt. Das Landgericht habe zu Unrecht das Mitverschulden der Klägerin nicht beachtet. Schon aus dem eigenen Sachvortrag müsse sie sich ein Mitverschulden von 33 %, mindestens jedoch 25 % anrechnen lassen. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass sie den Beklagten mit einer Feuerwerksbatterie gesehen habe, so dass ihr bekannt gewesen sei, dass solche gezündet werden würden. Zudem sei der Beklagte auch nicht der einzige Gast gewesen, der Feuerwerkskörper gezündet habe. Schon in Anbetracht der allgemein bekannten Gefährlichkeit eines Feuerwerkskörpers könne von jedem vernünftig denkenden Menschen verlangt werden, dass er sich und sein Verhalten auf die Risiken einstelle. Wer sich bewusst in die Nähe von Dritten, die Feuerwerkskörper zündeten, geselle und dabei seine Aufmerksamkeit einzig und allein auf einen Punkt richte, ohne das übrige Geschehen um sich herum zu beachten, müsse sich im Fall eines etwaigen Querschlägers ein Mitverschulden entgegenhalten lassen.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

Ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Dieses kann dann nicht verneint werden, wenn dem konkreten, vom Feststellungsantrag betroffenen Recht des Klägers eine Gefahr der Unsicherheit droht und der erstrebte Feststellungsausspruch geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen und unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (vgl. Senat, Urteil vom 12.05.2020 – 4 U 2047/19 – juris). Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, dass ein Feststellungsinteresse allenfalls in Höhe von 25 % bestanden habe, weil die Haftpflichtversicherung der Beklagten in Höhe von 75 % bereits anerkannt habe. Zu Recht hat das Landgericht der Erklärung der Haftpflichtversicherung des Beklagten, die über Regulierungsvollmacht verfügte, kein Anerkenntnis entnommen. Es ist schon unklar, was mit der Formulierung „eines Feststellungsurteils vom heutigen Tag“ gemeint sein soll, denn ein Feststellungsurteil ist am 06.12.2018 nicht ergangen. Die Erklärung, dass der Klägerin die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Ereignis „vorbehalten“ bleibt, lässt vom Wortlaut nicht auf ein Anerkenntnis schließen. Auch der Formulierung „etwaiger berechtigter Forderungen“ kann kein Wille entnommen werden, die Eintrittspflicht dem Grunde und der Höhe nach zu 75 % anzuerkennen. Unabhängig davon ist das Rechtsschutzbedürfnis auch schon deshalb zu bejahen, weil der Beklagte in erster Instanz seine Eintrittspflicht schon dem Grunde nach bestritten und des Weiteren in Abrede gestellt hat, dass seine Haftpflichtversicherung ein wirksames Anerkenntnis abgegeben hat.

Zu Recht hat das Landgericht ein Mitverschulden der Klägerin verneint. Der Beklagte bestreitet nicht mehr, für den Schadensfall eintreten zu müssen. Er hat seine Pflicht verletzt, indem er eine Feuerwerksbatterie auf eine nach seinen eigenen Angaben im Ermittlungsverfahren mit leichtem Schnee bedeckten Rasenfläche aufgestellt und entzündet hat. Auf einem solchen unebenen Untergrund besteht stets die Gefahr, dass die Feuerwerksbatterie umfällt. Da niemals ein Fehlstart von Raketen völlig ausgeschlossen werden kann, muss beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können (so BGH, Urteil vom 09.07.1985 – VI ZR 71/84 – juris). Diesen Anforderungen wurde der Beklagte nicht gerecht. Er bestreitet im Berufungsverfahren auch nicht mehr, dass der Feuerwerkskörper, der die Klägerin verletzt hat, aus der von ihm aufgestellten Feuerwerksbatterie stammt.

In der Silvesternacht ist es zulässig und in allen Städten und Gemeinden üblich, nicht erlaubnispflichtige Feuerwerkskörper zu zünden. Auf diesen Brauch richtet sich der Verkehr ein, auch was – in vernünftigen Grenzen – die Maßnahmen zum Selbstschutz betrifft (BGH, Urteil vom 09.07.1985 – VI ZR 71/84 – juris). Jeder vernünftige Mensch, der dem Silvesterfeuerwerk zuschaut, richtet sich auf derartige Gefährdungen selbst ein, sofern sie nicht aus Richtungen kommen, aus denen er sie nicht zu erwarten braucht, oder aufgrund anderer besonderer Umstände das Maß der normalerweise zu erwartenden Gefahr übersteigen (so BGH, a.a.O.).

Ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB ist nicht allein darin zu sehen, dass sich die Klägerin nach draußen begab, um das vom Veranstalter organisierte Feuerwerk zu beobachten. Ebenso wenig ist ihr vorzuwerfen, dass sie nicht wieder zurück ins Gebäude ging, als sie nach ihren Angaben bemerkte, wie jemand mit einer Tüte mit Feuerwerkskörpern an ihr vorbeigegangen ist. Allein der Umstand, dass auf dem Rasen vor dem Gebäude der Beklagte und auch andere Gäste eigenständige Feuerwerksbatterien gezündet haben, hätte die Klägerin nicht veranlassen müssen, sich zum Selbstschutz zurück in das Gebäude zu begeben. Die Möglichkeit des Selbstschutzes von Zuschauern von Feuerwerken in der Silvesternacht hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Insoweit wird es auf die Örtlichkeiten, die Vielzahl der gezündeten Feuerwerkskörper und die Vielzahl der Personen, die als Zuschauer auf der Straße stehen sowie auf die Möglichkeiten, zumutbare eigene Vorkehrungen gegen die Gefährdungen zu treffen, ankommen. Der Beklagte, der die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden der Klägerin und dessen Ursächlichkeit für den Schadenseintritt trägt, muss darlegen und beweisen, welche Vorsorgemaßnahmen von der Klägerin in der konkreten Situation zu erwarten gewesen wären. Dafür reicht allein die Kenntnis des Umstandes, dass er und andere Gäste Feuerwerkskörper in der Nähe gezündet haben, nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin bewusst in unmittelbarer Nähe der Feuerwerkskörper begeben hätte. Nach den Angaben des Beklagten gegenüber der Polizei hat er die Feuerwerksbatterie ca. acht bis neun Meter von der letzten Treppenstufe entfernt aufgestellt. Dies entspricht auch der Entfernungsangabe der Klägerin gegenüber der Polizei. Dies ist eine Entfernung, in der die Klägerin unter normalen Umständen davon ausgehen konnte, dass sie sich keiner Gefährdung durch die Feuerwerksbatterie bei ordnungsgemäßer Bedienung aussetzt. Ebenso wenig ist der Klägerin vorzuwerfen, dass sie ihre Aufmerksamkeit nicht dem Feuerwerk des Beklagten gewidmet hat, sondern dem des Veranstalters. Eine Verpflichtung des Zuschauers, das Entzünden sämtliche Feuerwerke in seiner Nähe „im Auge zu behalten“ besteht nicht. In der Regel werden Zuschauer ihre Aufmerksamkeit und damit ihren Blick auf das Feuerwerk im Nachthimmel richten. Ein Zuschauer ist allenfalls gehalten, sich nicht in Gefahr und damit in unmittelbare Nähe eines Feuerwerkskörpers zu begeben.

Der Senat rät hiernach zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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