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Unterbrechung der Stromversorgung wegen Zahlungsrückständen aus anderen Lieferverträgen

AG Alsfeld – Az.: 30 C 508/13 (70) – Urteil vom 19.02.2014

Die Klage wird abgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Einstellung der Stromversorgung in der Wohnung der Verfügungsklägerin durch die Verfügungsbeklagte. Die Verfügungsklägerin war Mieterin in einem Anwesen im H.-Graben in S., welches von der Verfügungsbeklagten mit Strom versorgt wird. Mit in dem Haushalt der Verfügungsklägerin wohnt auch ihr zweijähriges Kind. Die Verfügungsklägerin bezog schon zuvor an zwei verschiedenen Abnahmestellen von der Verfügungsbeklagten Strom. Dabei ist die Verfügungsklägerin seit dem 01.12.2010 mit mehreren Zahlungen in Rückstand. Die Verfügungsbeklagte fordert daraufhin die Verfügungsklägerin mehrmals erfolglos zur Zahlung der rückständigen Beträge und verband damit auch die Ankündigung notfalls die Stromversorgung an der der Abnahmestelle H.-Graben einzustellen. Am 24.07.2013 sperrte die Verfügungsbeklagte die Stromversorgung für die Wohnung der Verfügungsklägerin.

Die Verfügungsklägerin hat am 24.07.2013 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt mittels derer der Verfügungsbeklagten aufgegeben werden sollte den Stromanschluss in der Wohnung der Klägerin in S., H.-Graben unter Verwendung eines Vorauszahlungs-Kartensystems oder ersatzweise eines Münzzählers wiederherzustellen. Am 25.07.2013 erging ein entsprechender Beschluss. Die Verfügungsbeklagte hat daraufhin Widersprich erhoben.

Die Verfügungsklägerin behauptet die Verfügungsbeklagte, hätte am 24.07.2013 durch ihren Mitarbeiter D. telefonisch gegenüber der Verfügungsklägerin erklärt, sie würde die Verfügung durch das Gericht anerkennen.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagte sei verpflichtet gewesen weiterhin Strom zu liefern, die Sperrung sei aufgrund geringfügiger Zahlungsrückstände und aufgrund der Tatsache, dass auch ein Kleinkind betroffen sei unverhältnismäßig.

Nachdem die Verfügungsklägerin im Dezember 2013 aus der Wohnung ausgezogen ist erklärte sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Die Verfügungsbeklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, die Rückstände der Verfügungsklägerin beliefen sich insgesamt auf 1.128,99 EUR. Des Weiteren habe sie das Schreiben in dem sie den konkreten Sperrtermin ankündigte an die Verfügungsklägerin auf die Post gegeben und es sei nicht als unzustellbar zurückgekommen.

Entscheidungsgründe

Unterbrechung der Stromversorgung wegen Zahlungsrückständen aus anderen Lieferverträgen
Symbolfoto: Von Krisana Antharith /Shutterstock.com

Nachdem die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2013 den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt hat, hat sich ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO in einen Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache geändert.

Die Klage ist unbegründet.

Im Fall einer einseitigen Erledigung ist eine Klage begründet, wenn die ursprüngliche Klage, bzw. hier der Erlass der einstweiligen Verfügung zulässig und begründet war und durch ein nach Rechtshängigkeit eintretendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Insbesondere war der Widerspruch der Verfügungsbeklagten nicht unstatthaft.

Die Verfügungsbeklagte hat insoweit keinen Rechtsmittelverzicht erklärt. Dies folgt aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn D. vom 14.10.2013 (Bl. 105 d. A.).

Der Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung war schon vor dem Eintritt des maßgeblichen erledigenden Ereignisses, hier der Auszug der Verfügungsklägerin im Dezember 2013, unbegründet.

Der Verfügungsklägerin steht kein durchsetzbarer Verfügungsanspruch zu. Dieser könnte sich für die Verfügungsklägerin allein aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben. Danach wird der Verkäufer einer Sache durch den Kaufvertrag verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen; die Lieferung von Energie wird dabei wie der Verkauf von Waren behandelt, auch wenn es sich insoweit nicht um eine Sache im Sinne des bürgerlichen Rechts handelt. Dem Anspruch steht jedoch ein Zurückbehaltungsrecht der Verfügungsbeklagten aus § 273 BGB und § 320 BGB i.V.m § 19 Abs. 2 StromGVV entgegen. Die dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen in § 19 Abs. 2 StromGVV eingeräumte Befugnis, die Stromversorgung des Kunden vier Wochen nach Androhung zu unterbrechen, sofern dieser Zahlungsverpflichtungen trotz Mahnung nicht erfüllt, ist eine besondere Ausgestaltung der Leistungsverweigerungsrechte nach §§ 273, 320 BGB.

Der Anspruch aus § 19 StromGVV steht nach zutreffender Auffassung dem Grundversorger zu. Dies war bis zur Beendigung des Versorgungsvertrages unstreitig die Verfügungsbeklagte. Bei der Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung ist der Grundversorger danach berechtigt, die Grundversorgung vier Wochen nach Androhung sowie einer dem Beginn der Sperre drei Werktage vorausgehenden Ankündigung unterbrechen zu lassen und den zuständigen Netzbetreiber nach § 24 NAV mit der Unterbrechung der Grundversorgung zu beauftragen, wenn der Kunde nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 100,00 € in Verzug ist. Dies gilt nicht, wenn die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen oder der Kunde darlegt, dass hinreichende Aussicht besteht, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt.

Ob die Einstellung der Stromversorgung, wofür einiges spricht, schon alleine aus den nichterfüllten Zahlungsverpflichtungen des Stromlieferungsvertrages betreffend der Abnahmestelle H.-Graben gerechtfertigt ist und somit gemäß § 320 BGB ein und derselbe gegenseitige Vertrag betroffen ist kann hier dahinstehen. Denn die Verfügungsbeklagte kann die Einstellung der Stromversorgung gemäß § 273 BGB i.V.m § 19 Abs. 2 StromGVV auch auf die nichterfüllten Zahlungsverpflichtungen aus den zwei, dem aktuellen vorgehenden, Stromlieferungsverträgen stützen. Nach dem substantiierten Vortrag der Verfügungsbeklagten steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die nicht erfüllten Zahlungsverpflichtungen in Höhe von mindestens 1.128,99 EUR bestehen. Dies hat die Verfügungsklägerin nicht substantiiert bestritten. Gemäß § 273 BGB genügt es, wenn die sich gegenüberstehenden Ansprüche aus demselben rechtlichen Verhältnis stammen. Dabei reicht es aus, wenn ihnen ein innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt, beide also, falls sie – wie hier – eine vertragliche Grundlage haben, aus Rechtsgeschäften hervorgegangen sind, die in einem solchen natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den der anderen Seite zustehenden geltend gemacht und durchgesetzt werden könnte.

Ein derartiger Zusammenhang ist gegeben wenn ein Stromabnehmer in demselben Versorgungsgebiet in eine andere Wohnung verzieht und hinsichtlich der aufgegebenen Wohnung Zahlungsrückstände bestehen. Neben der Identität der Vertragspartner und des Vertragsgegenstandes stellen hier die gleichartigen Abnahmeverhältnisse den erforderlichen Zusammenhang her, der es in diesen Fällen in der Tat treuwidrig erscheinen ließe, wenn der Kunde auf der Energiebelieferung aus dem neuen Versorgungsverhältnis beharren könnte, ohne seine Rückstände aus dem früheren Versorgungsverhältnis zu bezahlen.

Des Weiteren hat die Verfügungsbeklagte die rückständigen Zahlungen mehrfach angemahnt und auch die Einstellung der Stromversorgung angekündigt. Dies steht nach dem unbestrittenen Vortrag der Verfügungsbeklagten fest. Die von der Verfügungsbeklagten substantiiert vorgetragen Umstände lassen in der Tat den Schluss zu, dass die Verfügungsklägerin die Sperrankündigung erhalten hat. Insbesondere das Verhalten der Verfügungsklägerin nach dem Erhalt der Sperrankündigung lassen sich nicht vernünftig erklären, wenn man davon ausginge, die Beklagte habe das Schreiben nicht erhalten.

Die Einstellung der Strombelieferung durch die Verfügungsbeklagte ist auch nicht im Hinblick darauf, dass die Verfügungsklägerin eine Ratenzahlungsvereinbarung angeboten hat unverhältnismäßig. Denn sie hat sich in der Vergangenheit nicht in irgendeiner Weise bemüht, ihren Zahlungspflichten gerecht zu werden odereine vereinbarte Ratenzahlung mit der Verfügungsbeklagten einzuhalten. Dies steht nach dem unbestrittenen Vortrag der Verfügungsbeklagten zur Überzeugung des Gerichts fest. Wenn die Verfügungsklägerin sich nun erst nach Einstellen der Stromzufuhr veranlasst sieht, wieder Maßnahmen zu ergreifen, hat sie die Höhe ihrer Rückstände selbst zu verantworten und kann nicht erwarten, dass die Verfügungsbeklagte ihr weiterhin ihre Zahlungsrückstände finanziert.

Darüber hinaus ist auch die Einstellung der Stromversorgung ohne Bereitstellen eines Vorauszahlungssystems nicht unverhältnismäßig.

Die StromGVV sieht schon nicht vor, dass die Einstellung der Versorgung nur als letztes Mittel zur Verfügung steht, nachdem die angeblich milderen Mittel, wie etwa kürzere Ablesezeiträume, höhere Vorauszahlungen oder der Einbau eines Münzzählers ohne Wirkung geblieben seien. Die Voraussetzungen für die Einstellung der Stromzufuhr sind vielmehr konkret in § 19 StromGVV geregelt, und das Scheitern milderer Mittel gehört gerade nicht dazu. Darüber hinaus erscheint es aber auch als sinnlos, von zahlungsunfähigen Kunden weiterhin Vorauszahlungen zu fordern. Hinsichtlich des Einbaus eines Münzzählers ist zu berücksichtigen, dass diese Maßnahme weitere Kosten hervorruft, die von dem Versorgungsunternehmen vorzufinanzieren wären. Letztlich muss es der Entscheidungsbefugnis des Stromversorgers unterliegen, welche gesetzlich zulässige Maßnahme er ergreifen möchte.

Die Verfügungsklägerin hat im Übrigen nicht ausreichend vorgetragen inwiefern die Einstellung der Stromversorgung im Hinblick auf die Versorgung ihres Kleinkindes unverhältnismäßig sei.

Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Energieversorgungsunternehmen, bedürftige Kunden notfalls kostenlos mit Energie zu versorgen; die Unterstützung Bedürftiger ist letztlich Sache der Sozialverwaltung. Demgegenüber hat der säumige Kunde die mit einer Stromsperre regelmäßig verbundenen Härten auch dann hinzunehmen, wenn sie für ihn erheblich sind. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die mit dem Ausfall des Stromversorgung verbundenen Unannehmlichkeiten einen Umfang annehmen, der über den Normalfall in besonderem Maße hinausgeht; namentlich dann, wenn durch die Lieferungsunterbrechung eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben der dadurch Betroffenen zu besorgen ist.

Die Verfügungsklägerin hat sich hier jedoch nur darauf bezogen, dass durch die Einstellung der Stromversorgung die Haushaltsführung mit Kleinkind beeinträchtigt sei. Davon ausgehend kann jedoch von einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben in dem zuvor in Bezug genommenen Sinne keine Rede sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.

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