Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken
Az.: 2 UF 249/05
Urteil vom 28.07.2006
Vorinstanz: Amtsgericht Neustadt a. d. Weinstr., Az.: 2 F 104/05
In der Familiensache wegen nachehelichen Unterhalts (Abänderung), hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2006 für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße vom 22. November 2005 geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt in Abänderung des Urteils des Senats vom 1. August 2003 (2 UF 28/03) die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höheren nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab April 2004.
Die Parteien waren von 19… bis 19… verheiratet. Die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Ehegattenunterhalt haben sie mit am 13. Dezember 1988 gerichtlich protokolliertem Vergleich (Az. 2 F 296/87 AG Neustadt a. d. Weinstr.) geregelt und in der Folgezeit wiederholt den geänderten Verhältnissen angepasst. Die letzte Anpassung erfolgte durch das vorstehend genannte Urteil des Senats, durch welches der Beklagte zur Zahlung einer nachehelichen Unterhaltsrente von monatlich 2 357,– € ab August 2003 verurteilt wurde.
Auf das außergerichtliche Auskunftsverlangen der Klägerin vom 5. April 2004 belegte der Beklagte sein Erwerbseinkommen durch Vorlage der Lohnsteuerbescheinigung für 2003. Auf dieser Grundlage errechnete die Klägerin zu ihren Gunsten einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 2 896,– €, den sie mit ihrer am 11. Mai 2005 eingereichten, dem Beklagten am 2. Juni 2005 zugestellten Klage für die Zeit ab Mai 2005 fordert. Für die Zeit von April 2004 bis April 2005 begehrt sie die mit außergerichtlichem Schreiben vom 17. Mai 2004 geforderten monatlich 2 831,– €.
Die Parteien streiten darüber, ob das höhere Einkommen des Beklagten in 2003 (Jahresbrutto: 164 104,69 € gegenüber Bruttoeinkünften von 135 463,15 € in 2001) in voller Höhe der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legen ist (so die Klägerin) oder ob dieses teilweise, da auf einem Karrieresprung beruhend, unberücksichtigt zu bleiben hat (so der Beklagte).
Das Familiengericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Verzug mit einem Unterhaltsmehrbetrag in Höhe von monatlich 474,– € bestehe seit April 2004. Den Mehrbetrag von 539,– € könne die Klägerin ab Mai 2005 verlangen, nachdem sie die Abänderungsklage am 11. Mai 2005 anhängig gemacht habe.
Grundlage der Unterhaltsbemessung sei der Vergleich aus dem Jahr 1988. Danach sei auf das Arbeitseinkommen des Beklagten einschließlich des Realsplittingvorteils im Zwei-Jahres-Turnus – für vorliegendes Abänderungsbegehren mithin auf das Einkommen des Beklagten in 2003 – abzustellen. Hinzuzurechnen sei der Nutzvorteil für den Dienstwagen, der dem Beklagten seit Juli 2002 zur Verfügung stehe und den er privat nutzen dürfe; dieser werde mit monatlich 150,– € geschätzt.
Die Voraussetzungen für einen Karrieresprung seien nicht gegeben. Es habe sich schon während der Ehe gezeigt, dass der Beklagte ein überdurchschnittlich begabter Chemiker sei. Deshalb sei er auch regelmäßig befördert worden, zuletzt zum „Research-Fellow“. Die steile Karriere des Beklagten sei zu erwarten gewesen. An den dadurch bedingten Einkommenssteigerungen nehme die Klägerin deshalb teil.
Darüber hinaus sei der geforderte Unterhalt auch bei hypothetischer Berechnung auf der Grundlage des vor der Beförderung erzielten Einkommens unter Berücksichtigung der regelmäßigen betrieblichen Gehaltssteigerungen geschuldet.
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der Abänderungsklage weiter. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Karrieresprungs seien entgegen der Auffassung des Familiengerichts gegeben. Die fiktive Vergleichsberechnung sei fehlerhaft.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Neustadt a. d. Weinstr. vom 22. November 2005 auf seine Berufung hin aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Das Familiengericht habe die Voraussetzungen für den Karrieresprung zu Recht verneint. Es fehle schon an einer nicht unerheblichen Gehaltserhöhung und damit an einer wesentlichen Voraussetzung für die Annahme eines Karrieresprungs. Der Beklagte übe seit Juli 2002 auch keine andere Tätigkeit aus als zuvor. Er sei nach wie vor leitender Angestellter.
Zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die verfahrensrechtlich nicht zu beanstandende Berufung hat in der Sache vollen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist abzuändern und die Klage abzuweisen. Das Abänderungsbegehren der Klägerin ist unbegründet; für die Zeit ab April 2004 besteht zu ihren Gunsten kein die titulierten monatlich 2 357,– € übersteigender Unterhaltsanspruch.
1.
Entsprechend der von den Parteien im gerichtlich protokollierten Unterhaltsvergleich vom 13. Dezember 1998 getroffenen Vereinbarung, die der Senat im – dem nunmehrigen Abänderungsbegehren der Klägerin zugrunde zu legen-den – Urteil vom 11. August 2003 fortgeschrieben hat, ist dem Abänderungsbegehren der Klägerin das vom Beklagten im Jahr 2003 erzielte Einkommen zugrunde zu legen. Eine etwaige Unterhaltsanpassung sollte nach dem Willen der Parteien alle zwei Jahre auf der Basis der vom Beklagten in diesem Rhythmus vorzulegenden Gehaltsbescheinigungen erfolgen. Dementsprechend wurden im vorgenannten Urteil des Senats die Einkünfte des Beklagten im Kalenderjahr 2001 zugrunde gelegt. Folgerichtig hat die Klägerin ihr aktuelles Abänderungsbegehren auf die Einkünfte des Beklagten im Jahr 2003 gestützt. Soweit sie mit Schriftsatz vom 7. Juli 2006 nunmehr Einkünfte des Beklagten in 2004 herangezogen wissen will, kann sie deshalb damit nicht gehört werden. Im Übrigen ist dieser Vortrag nicht vom der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2006 eingeräumten Nachschubrecht (zur Beantwortung des Schriftsatzes der Gegenseite vom 16. Juni 2006) gedeckt.
2.
Der Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin für die Zeit ab April 2004 kann das Erwerbseinkommen des Beklagten in 2003 allerdings nicht in der tatsächlichen Höhe zugrunde gelegt werden, da dieses aus einer Tätigkeit des Beklagten herrührt, die die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Für die Bedarfsbemessung des nachehelichen Unterhalts ist grundsätzlich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten bei Rechtskraft der Scheidung abzustellen. Einkommensverbesserungen, die auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ehegatten erst nach der Ehescheidung eintreten, erhöhen den Unterhaltsbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liegt, die aus der Sicht zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und wenn diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt hatte (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung – zuletzt BGH FamRZ 2006, 683 [685]). Die Erwartung dieser späteren Änderung muss die ehelichen Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung in einer Weise geprägt haben, die es den Ehegatten ermöglichte, ihren Lebenszuschnitt im Hinblick auf diese künftige Entwicklung schon während Bestehens der Ehe entsprechend zu gestalten (BGH FamRZ 1987, 459). Entscheidend ist, ob die – spätere – Beförderung zum Zeitpunkt der Scheidung derart wahrscheinlich war, dass die Ehegatten ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise bereits darauf einstellen konnten (BGH aaO, 461).
Das Aufrücken des Beklagten aus dem mittleren Management der Fa. B… (Gruppenleiter Forschung Ebene 5) in die obere Führungsebene dieser Firma (Ebene 3) erfolgte rund 21 Jahre nach Scheidung der Ehe der Parteien. Diese Beförderung in eine Position, die es im Stammwerk der Fa. B… in Ludwigshafen am Rhein nur insgesamt viermal und weltweit in diesem Unternehmen nur etwa 200 mal gibt, ist nach Ansicht des Senats nicht als Normalverlauf der beruflichen Entwicklung eines promovierten Chemikers in einem Unternehmen wie der Fa. B… zu werten. Anders als bei den in der Vergangenheit seit Rechtskraft der Scheidung erfolgten Beförderungen des Beklagten vom Sachbearbeiter im Hauptlabor zum leitenden Angestellten war diese letzte Beförderung in den Bereich der oberen Führungskräfte nicht in einer Art und Weise vorhersehbar, dass sich die Parteien darauf bei Scheidung ihrer Ehe in 1981 bereits hätten einstellen können. Eine solche Beförderung ist von vielen – auch außerhalb der beruflichen Qualifikation liegenden – Unwägbarkeiten abhängig und daher nicht über einen so langen Zeitraum zuverlässig planbar.
3.
Der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin für die Zeit ab April 2004 ist daher – fiktiv – ein Einkommen des Beklagten zugrunde zu legen, wie er es ohne das Aufrücken in die obere Führungsebene im Juli 2002 im Jahr 2003 erzielt hätte.
Bei einem Verbleib des Beklagten im „außertariflichen Bereich des Gehaltsverbandes GV“ über den 30. Juni 2002 hinaus hätte er ausweislich der mit der Berufungsbegründung vorgelegten Bestätigung seiner Arbeitgeberin vom 29. Dezember 2005 im Jahr 2003 ein Vertragsgehalt in Höhe von 111 520,– € und eine Bonuszahlung von 24 300,– €, insgesamt also ein Bruttoeinkommen von 135 820,– € erhalten. Damit wäre sein Jahresbruttoeinkommen nicht wesentlich höher gewesen als in 2001 (ohne die nach dem abzuändernden Urteil nicht zu berücksichtigende Erfindervergütung 264 942,90 DM, das entspricht rund 135 463,– €).
Nach Bereinigung dieses Einkommens entsprechend den Vorgaben im abzuändernden Urteil (Abzug von Einkommens- und Kirchensteuer sowie Solidaritätsbeitrag unter Berücksichtigung möglicher Steuervorteile des begrenzten Realsplittings aus dem Höchstbetrag von 13 805,– € gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG, Arbeitnehmerzahlungen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung von monatlich 7 956,– € – Beitragsbemessungsgrenze: 61 200,– € -, Beiträge zur Krankenversicherung sowie Pensions- und Sterbekasse in der in der Lohnsteuerbescheinigung 2005 ausgewiesenen Höhe, zusätzliche Vorsorgeaufwendungen von monatlich 66,47 €, Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen und vom Beklagten an die Klägerin zu erstattender Steuernachteils von monatlich 21,72 € in 2004) verbleibt ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund 5 272,– € in 2004 bzw. 5 294,– € in 2005.
Damit wäre ohne Beförderung des Beklagten sein Einkommen im Vergleich zu den im abzuändernden Urteil des Senats zugrunde gelegten 5 388,83 € nicht gestiegen; der sich nach Berücksichtigung des Erwerbsanreizes auf Seiten des Beklagten ergebende Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Zeit ab April 2004 mithin nicht höher als die titulierten monatlich 2 357,– €.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Einkommensverbesserungen nach Rechtskraft der Ehescheidung bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfes zu berücksichtigen sind, hat der Bundesgerichtshof erst kürzlich (Urteil vom 15. März 2006 – FamRZ 2006, 683 [685]) entschieden; die Entscheidung des Senates orientiert sich an dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Beantwortung der Frage, ob unter Zugrundelegung dieser Grundsätze die Beförderung des Beklagten als Karrieresprung zu werten ist, ist eine Einzelfallentscheidung.
Beschluss:
Der Streitwert wird für beide Instanzen – für die erste Instanz in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Neustadt an der weinstraße vom 30. August 2005 – auf
13 189, 00 €
festgesetzt (einschließlich Rückstände für April 2004 bis Mai 2005 13 x [2831,00 € ./. 2 357,00 €] = 6 162,00 € + 13 x [ 2 896,00 € ./. 2 357,00 €] = 7 007,00 €).