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Unterhalt wegen Krankheit

Oberlandesgericht Nürnberg

Az: 10 UF 1205/07

Urteil vom 28.01.2008


In der Familiensache wegen Ehescheidung u.a., hier: Unterhalt, hat der 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2008 für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Endurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Regensburg vom 21.8.2007 in Ziffer 3 dahin abgeändert, dass die Befristung des Unterhaltsanspruchs entfällt.

II. Die Anschlussberufung des Antragstellers wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.872,00 €.

Gründe:

I.
Die Ehe der Parteien wurde am 24.4.1987 geschlossen. Aus der Ehe sind Kinder nicht hervorgegangen. Die Parteien leben seit Oktober 2005 getrennt. Der Ehemann hat sich einer anderen Frau zugewandt.

Das Amtsgericht Regensburg hat in dem Verfahren 203 F 1595/06 im Scheidungsverbund über Scheidung und Scheidungsfolgen entschieden. Mit Endurteil vom 21.8.2007 hat das Amtsgericht die Scheidung ausgesprochen, den Versorgungsausgleich zu Lasten der Anrechte des Ehemanns durchgeführt und den Ehemann zu einem nachehelichen Unterhalt in Höhe von 156,00 €, gemäß § 1573 Abs. 5 BGB a.F., befristet bis August 2012, verurteilt. Unter Ziffer 4 hat das Gericht die Kosten des Scheidungsverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Mit ihrem Rechtsmittel wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Befristung ihres nachehelichen Unterhaltsanspruchs sowie gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts hinsichtlich der Folgesache Unterhalt.

Der Antragsteller beantragt die Zurückweisung der Berufung und im Wege der Anschlussberufung eine Befristung des nachehelichen Unterhalts auf die Dauer von zwei Jahren.

Die Antragsgegnerin begehrt Unterhalt gemäß § 1572 BGB, da sie krankheitsbedingt nur in der Lage sei, wöchentlich 25 Stunden zu arbeiten. Die gesundheitlichen Einschränkungen ergäben sich aus einem massiven Übergewicht der Antragsgegnerin (115 kg bei einer Größe von 162 cm) mit Folgeschäden im orthopädischen Apparat und beim Blutdruck. 1995 hat sie eine Lymphdrüsenkrebserkrankung bei Bestrahlung und Chemotherapie mit einer fortbestehenden Beeinträchtigung des Haarwachstums überwunden, nach ihren Angaben jedoch verbunden mit einer weiteren Gewichtszunahme. Einer Schilddrüsen Unterfunktion wird medikamentös begegnet.

Laut arbeitsmedizinischem und internistischem Gutachten des Sachverständigen Dr…., München, vom 21.6.2007 ist die Antragsgegnerin nur eingeschränkt hinsichtlich der ihr möglichen Tätigkeiten und nur zeitlich eingeschränkt arbeitsfähig. Die von ihr praktizierte Tätigkeit von etwa 25 Wochenstunden als Arzthelferin sei nach derzeitigem Gesundheitsbild nicht ausweitbar. Eine Ausweitung der Arbeitszeit sei nur bei einer Gewichtsreduktion von mindestens 30 Kilogramm erreichbar. Dies sei innerhalb von zwei Jahren realisierbar (ergänzende Stellungnahme vom 24.7.2007). Die Leistungsfähigkeit könne sich dann auf 75% oder mehr einpendeln.

Die Antragsgegnerin begehrt im Hinblick auf ihre gesundheitliche Situation und eine nach ihrer Ansicht drohende Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit mit zunehmendem Alter eine Verurteilung des Antragstellers ohne zeitliche Befristung.

Die vom Amtsgericht auf § 1573 Abs. 5 BGB a. F. gestützte Befristung sei schon deswegen unrichtig, da kein Aufstockungsunterhalt, sondern ein Unterhalt gemäß § 1572 BGB vorliege.

Der Antragsteller begehrt im Hinblick auf die Unterhaltsreform zum 1.1.2008 eine Befristung gemäß § 1578 b BGB. Er verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2005 und 2006 zu § 1573 Abs. 5 BGB a. F. Die Antragsgegnerin habe keine gemeinsamen Kinder erzogen, ehebedingte Nachteile im Hinblick auf ihre Erwerbstätigkeit seien nicht eingetreten. Bei der Billigkeitsabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin ihre Erwerbsfähigkeit erhöhen könne, wenn sie ihr massives Übergewicht reduziere. Auch sei der Unterhalt aufgrund ihres Essverhaltens gemäß § 1579 Nr. 3 BGB a. F. verwirkt.

Der Senat hat bei der mündlichen Verhandlung am 14.1.2008 ein persönliches Bild von den Parteien gewonnen. Eine gütliche Einigung war nicht zu erzielen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil, die eingereichten Schriftsätze und das Verhandlungsprotokoll vom 14.1.08 Bezug genommen.

II.

Auf die zulässige Berufung der Antragsgegnerin war die Befristung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs durch das Amtsgericht aufzuheben und ein unbefristeter Unterhaltsanspruch in der unstrittigen Höhe von derzeit 156,00 € zuzusprechen. Die Anschlussberufung des Antragstellers war damit zurückzuweisen.

Die Befristung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin richtet sich gemäß §36 Nr. 7 EGZPO nach dem ab 1.1.2008 geltenden Recht. Gemäß § 1578 b BGB können nun sämtliche Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten herabgesetzt oder/und zeitlich begrenzt werden. Gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB ist ein Unterhaltsanspruch zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Anspruch unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.

Der Gesetzgeber hat damit Kriterien in das Gesetz übernommen, die der Bundesgerichtshof insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 zu § 1573 b Abs. 5 BGB a.F. entwickelt hat, beginnend mit Urteil vom 25.10.2006 (FamRZ 2007, 200), alsdann vom 28.2.2007 (FamRZ 2007, 793), 23.5.2007 (FamRZ 2007, 1232), 26.9.2007 (FamRZ 07, 2049) und 14.11.2007 (FamRZ 08,134).

Wendet man diese Kriterien auf den vorliegenden Fall an, so wäre die vom Amtsgericht ausgesprochene Begrenzung auf 5 Jahre bei einem Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB auch nach Ansicht des Senats zutreffend bemessen. Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von 156,00 € rechtfertigt sich jedoch aus § 1572 BGB, da die Antragsgegnerin krankheitsbedingt nur 25 Stunden arbeitet und bei einer vollen Erwerbstätigkeit unschwer den titulierten Unterhalt verdienen könnte. Damit tritt der Aufstockungsunterhalt aus § 1573 BGB zurück, (vgl. BGH, NJW 1999, Seite 1547). Der Unterhalt wegen Krankheit wird jedenfalls derzeit und auf absehbare Zeit unabhängig von einer Verbesserung des Gesundheitszustandes bei längerer Diät geschuldet. Ob in einigen Jahren eine Abänderung allein deswegen gerechtfertigt ist, weil keine ausreichenden diätischen Maßnahmen ergriffen wurden, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Auf die darauf gerichteten Beweisangebote kommt es daher nicht an.

Nach der Neuregelung des Unterhaltsänderungsgesetzes kann allerdings grundsätzlich auch der Unterhalt wegen Krankheit herabgesetzt oder zeitlich befristet werden. In der Begründung des Regierungsentwurfs des Unterhaltsänderungsgesetzes wird ausgeführt (Seite 32), dass die neue Vorschrift auch die Fälle erfasst, in denen es nicht um die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern allein um das Ausmaß der darüber hinausgehenden ehelichen Solidarität geht, für die der Dauer der Ehe wesentliche Bedeutung zukomme.

Greifbare ehebedingte Nachteile vermag der Senat für die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Sie war zu Beginn der Ehe Arzthelferin und arbeitet nun in diesem Beruf bei gutem Gehalt, allerdings zeitlich beschränkt aufgrund ihrer Adipositas und sonstiger gesundheitlicher Einschränkungen. Damit kommt der Dauer der Ehe von über 20 Jahren (bis zum Erlass des Scheidungsurteils) und der Erkrankung der Antragsgegnerin besondere Bedeutung zu. Hinzu kommt die nahe Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit weiteren beruflichen Einschränkungen. Diese Verschlechterung könnte gerade dann eintreten, wenn ein zeitlich begrenzter Unterhalt ausläuft. Es erscheint dem Senat angemessen, die nacheheliche Solidarität gerade im Fall einer Verschlechterung zum Tragen kommen zu lassen, denn der aktuelle Gesundheitszustand der Antragsgegnerin hat sich nicht erst jüngst, sondern während der lange dauernden Ehe entwickelt. Ein Unterhaltsanspruch kann aber wegen des Erfordernisses der lückenlosen Anknüpfung an Scheidung und einen Unterhaltstatbestand nur gesichert werden, wenn keine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs ausgesprochen wird.

Für diese Abwägung war die vom Gutachter für möglich gehaltene deutliche Gewichtsreduktion innerhalb von zwei Jahren mit einer Steigerung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht von entscheidender Bedeutung. Die Frage einer Obliegenheitsverletzung wird vielmehr im Rahmen eines Unterhaltsabänderungsverfahrens zu gegebener Zeit unter Berücksichtigung der sonstigen Entwicklung zu berücksichtigen sein.

Die geschilderten Gegebenheiten (Erkrankung, Dauer der Ehe, gesteigerte Relevanz der Erkrankung möglicherweise in einigen Jahren) sprechen auch gegen eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs im Maß. Der derzeitige Unterhaltsanspruch garantiert der Antragsgegnerin einen mäßig über dem Mindestunterhalt liegenden Bedarf. Ein Anspruch in dieser Höhe ist im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse der Parteien auch in Zukunft angemessen.

Angesichts der gesetzlichen Neuregelung des § 1578 b BGB, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Befristung gemäß § 1573 BGB und fehlender Rechtsprechung zu deren Übertragung auf den Unterhalt wegen Krankheit gemäß § 1572 BGB erscheint es geboten, die Revision zuzulassen.

Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Kostenausspruch des Verfahrens erster Instanz richtet, hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Von der Kostenaufhebung gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist im Scheidungsverbundverfahren hinsichtlich Folgeanträgen allenfalls dann abzuweichen, wenn ersichtlich erfolglose und kostentreibende Anträge gestellt werden. Das war hier nicht der Fall.

Der Antragsteller hat gemäß § 97 ZPO die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen, da der Berufungsantrag der Antragsgegnerin erfolgreich war und der Antragsteller mit seinem Antrag nicht.

Der Schriftsatz des Antragstellers vom 24.1.2008 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen; die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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