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Unterhaltspflicht (gesteigerte): Ausnutzung der Arbeitskraft

Oberlandesgericht Köln

Az: 4 WF 31/03

Beschluss vom 11.04.2003

Vorinstanz: Amtsgericht Bonn – Az.: 40 F 466/02


Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

G r ü n d e

Das als sofortige Beschwerde gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegte Rechtsmittel ist nicht begründet. Zu Recht hat das Amtsgericht der Beklagten Prozesskostenhilfe nur insoweit bewilligt, als der Kläger Kindesunterhalt für jedes der beiden Kinder der Parteien in Höhe von mehr als jeweils 130,00 EUR monatlich begehrt. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, zu Unterhaltsleistungen über den von ihr schriftsätzlich anerkannten Monatsbetrag von 30,39 EUR pro Kind hinaus nicht verpflichtet zu sein, hat ihre Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Denn das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ihr nach derzeitigem Sachstand über die aus zwei Teilzeittätigkeiten erzielten Einkünfte von (604,91 EUR + 265,00 EUR =) 869,91 EUR hinaus ein monatliches Nettoeinkommen von 1.100,00 EUR (fiktiv) als erzielbar zuzurechnen ist. Dass sie außer Stande ist, im Rahmen ihrer unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit ein solches Nettoeinkommen zu erzielen, auf dessen Grundlage sie unter Beachtung ihres Selbstbehalts die vom Amtsgericht angenommenen Unterhaltsbeiträge leisten könnte, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch unter Berücksichtigung ihres Beschwerdevorbringens jedenfalls bislang nicht dargetan.

Gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ist die Beklagte gegenüber ihren minderjährigen Kindern gesteigert unterhaltspflichtig. Diese gesteigerte Unterhaltspflicht verlangt die Heranziehung aller verfügbaren Mittel, insbesondere also die Ausnutzung der Arbeitskraft und des Vermögens. Soweit es danach um die vorliegend in erster Linie in Betracht kommende Ausnutzung der Arbeitskraft geht, bestimmt sich die Leistungsfähigkeit des Antragsstellers als Unterhaltsschuldner nicht allein nach seinem tatsächlichen Einkommen, sondern nach den in zumutbarer Weise erzielbaren Einkünften (vgl. Senat FamRZ 2002, 1426). Nach diesen Grundsätzen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei den gebotenen und ihr zumutbaren Anstrengungen kein Nettoeinkommen in der vom Amtsgericht angenommenen Höhe zu erzielen vermag.

Die Erwerbsobliegenheit verpflichtet die Beklagte grundsätzlich zur Aufnahme einer Vollerwerbstätigkeit. Das bedeutet, dass es auch einem Unterhaltsschuldner, der eine sichere Teilzeitbeschäftigungsstelle oder mehrere solcher Stellen hat, obliegt, sich nachhaltig um eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zu bemühen (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 25). Die Beklagte kann deshalb nicht damit gehört werden, dass sie – wie sie meint – „schlecht beraten“ wäre, ihre bisherige „sichere Stelle“ bei der Diakonie aufzugeben.

Der unterhaltsrechtlichen Obliegenheit, sich nachhaltig um eine Vollzeittätigkeit zu bemühen, steht auch nicht die ausweislich der Bescheinigung des X-Berufskollegs der Stadt C vom 31. Januar 2003 mit Wirkung ab dem 6. Februar 2003 begonnene 1 1/2-jährige Ausbildung zur Hauswirtschafterin entgegen. Da die Ausbildung lediglich an zwei Abenden pro Woche jeweils von 17:30 Uhr bis 22:00 Uhr stattfindet, ist sie mit einer vollschichtigen Berufstätigkeit grundsätzlich vereinbar; das gilt auch für das Erfordernis, den Lehrstoff der beiden Fortbildungsabende vorzubereiten bzw. nachzuarbeiten. Es ist nicht ersichtlich, dass eine solche Vor- oder Nachbereitung nicht an anderen Tagen abends bzw. an den Wochenenden geleistet werden könnte.

Nach den Erfahrungen des Senats aus zahlreichen anderen Unterhaltsverfahren trifft es im übrigen auch nicht zu, dass ungelernte (weibliche) Kräfte regelmäßig nicht mehr als 800,00 EUR bis 900,00 EUR pro Monat netto verdienen können. Der insoweit erforderliche konkrete Sachvortrag kann nicht unter Hinweis auf pauschale Erfahrungssätze oder auch die Einholung einer Auskunft des Arbeitsamtes ersetzt werden. Die Feststellung, dass ein bestimmtes – nicht von vornherein unrealistisches – Einkommen auch bei Vornahme hinreichender Bemühungen um eine Ausweitung der bisherigen Berufstätigkeit nicht erzielbar ist, kann vielmehr erst dann getroffen werde, wenn der Unterhaltsschuldner derartige Bemühungen in dem gebotenen Maße entfaltet hat und sie sämtlich erfolglos geblieben sind. Entsprechende Bemühungen hat die Beklagte, ihrem Sachvortrag zufolge, indes noch nicht einmal unternommen. So tritt sie etwa dem Vortrag des Klägers bezüglich einer Tätigkeit bei der Firma M allein damit entgegen, es sei „nicht klar“, ob sie überhaupt genommen würde. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte offenbar bislang nicht einmal entsprechende Erkundigungen eingeholt oder sich um eine Einstellung ernsthaft bemüht hat. Selbst hinsichtlich der Frage einer – spürbaren – Ausweitung ihrer Tätigkeit bei der N GmbH behauptet die Beklagte lediglich, es sei „nach Kenntnisstand“ jedenfalls keine Vollzeitstelle verfügbar. Im übrigen ist die Beklagte bei ihren Erwerbsbemühungen ohnehin nicht auf die vorstehenden – beispielhaft genannten – Arbeitgeber beschränkt.

Angesichts dieser insgesamt unzureichenden Anstrengungen der Beklagten, ihre derzeitige berufliche Situation in einer Weise zu verändern, dass zumindest der Mindestunterhalt der Kinder sichergestellt werden kann, kann mithin jedenfalls auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstands nicht festgestellt werden, dass die Beklagte außer Stande wäre, im Rahmen einer ihr zumutbaren Vollzeittätigkeit mindestens 1.100,00 DM netto zu verdienen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

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