Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Ein alltäglicher Herbsttag auf dem Fahrrad – mit unerwarteten Folgen
- Wie kam es zum Streit vor Gericht? Der Unfall und die unterschiedlichen Sichtweisen
- Die Kernfragen für das Gericht: Wer war verantwortlich?
- Die Entscheidung des Gerichts: Eine geteilte Verantwortung
- Warum entschied das Gericht so? Die detaillierte Begründung
- Aber was ist mit dem Radfahrer selbst? Das Mitverschulden
- Die Aufteilung der Kosten des Rechtsstreits
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wer ist für die Sicherheit von Radwegen und anderen öffentlichen Wegen verantwortlich?
- Was bedeutet Verkehrssicherungspflicht und wann ist sie verletzt?
- Welche Ansprüche habe ich, wenn ich durch eine Gefahrenstelle auf einem Radweg gestürzt bin?
- Was passiert, wenn ich einen Teil der Schuld an meinem Unfall selbst trage?
- Welche wichtigen Schritte sollte ich nach einem Unfall auf einem öffentlichen Weg unternehmen?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 23 O 145/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Coburg
- Datum: 12.02.2025
- Aktenzeichen: 23 O 145/24
- Verfahrensart: Amtshaftungsklage
- Rechtsbereiche: Amtshaftungsrecht, Verkehrssicherungspflicht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Person, die nach einem Fahrradunfall Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Gemeinde geltend machte, da er eine Verkehrssicherungspflichtverletzung durch ein ungesichertes Betonfundament behauptete.
- Beklagte: Eine Gemeinde, die für die Unterhaltung und Verkehrssicherung des Fahrradwegs zuständig ist und die Klageabweisung forderte, da sie keine Pflichtverletzung sah und dem Kläger eigenes Fehlverhalten vorwarf.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger stürzte mit seinem Fahrrad auf einem Radweg, für dessen Unterhaltung die beklagte Gemeinde zuständig ist. Der Unfall ereignete sich an einem ungesicherten Betonfundament für ein Buswartehäuschen, das in den Radweg ragte und von Laub bedeckt war. Der Kläger erlitt dabei schwere Verletzungen.
- Kern des Rechtsstreits: Zentraler Streitpunkt war, ob die beklagte Gemeinde als Straßenbaulastträgerin ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, indem sie ein Betonfundament auf einem Radweg nicht ausreichend absicherte. Dies hätte dann einen Schadensersatzanspruch des Klägers aufgrund seines Fahrradunfalls zur Folge.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht entschied, dass die beklagte Gemeinde dem Kläger 70 % des entstandenen materiellen und immateriellen Schadens ersetzen muss. Die weitergehende Klage des Klägers wurde abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht stellte eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der beklagten Gemeinde fest, da das Betonfundament eine nicht ausreichend abgesicherte und durch Laub verdeckte Gefahrenstelle darstellte. Dem Kläger wurde jedoch ein Mitverschulden von 30 % angerechnet, weil er auf dem laubbedeckten Radweg nicht ausreichend aufmerksam war und den Sturz hätte vermeiden können.
- Folgen: Die beklagte Gemeinde muss dem Kläger 70 % der entstandenen Schäden zahlen und trägt 70 % der Prozesskosten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Fall vor Gericht
Ein alltäglicher Herbsttag auf dem Fahrrad – mit unerwarteten Folgen
Viele Menschen nutzen im Herbst gerne noch das Fahrrad, sei es für den Weg zur Arbeit oder für eine Tour in der Freizeit. Bunte Blätter auf den Wegen gehören dann oft dazu. Doch was passiert, wenn unter dem Laub eine ungesicherte Gefahrenstelle lauert und es zu einem Unfall kommt? Wer ist dann verantwortlich? Genau um eine solche Situation ging es in einem Urteil des Landgerichts Coburg.

Ein Radfahrer war an einem Oktobertag auf einem Fahrradweg unterwegs. Die Gemeinde, die für diesen Weg zuständig ist, hatte zuvor Arbeiten für ein neues Buswartehäuschen in Auftrag gegeben. Dafür wurde ein Betonfundament gegossen. Nach Abschluss dieser Arbeiten wurde die Baustelle jedoch nicht mehr abgesichert, und das fertige Fundament war zum Unfallzeitpunkt mit Herbstlaub bedeckt.
Wie kam es zum Streit vor Gericht? Der Unfall und die unterschiedlichen Sichtweisen
Der Fall landete vor Gericht, weil der Radfahrer und die Gemeinde sehr unterschiedliche Ansichten darüber hatten, wer für den Unfall verantwortlich war.
Was genau war passiert? Der Sturz des Radfahrers
Der Radfahrer stürzte auf dem Radweg und verletzte sich dabei erheblich. Er zog sich unter anderem einen komplizierten Bruch des Schulterblatts und mehrere Rippenbrüche zu. Er gab an, dass er immer noch unter den Folgen des Unfalls leide. Der Grund für seinen Sturz sei das Betonfundament gewesen, das als scharfkantige Stufe in den Radweg hineingeragt habe. Durch das viele Laub auf dem Weg und die tiefstehende Sonne habe er dieses Hindernis nicht rechtzeitig erkennen können und sei dagegen gestoßen.
Die Position des Radfahrers: Eine unsichtbare Gefahr
Der Radfahrer, im juristischen Verfahren als Kläger bezeichnet, forderte von der Gemeinde Schadensersatz. Er war der Meinung, die Gemeinde habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Was bedeutet das? Die Verkehrssicherungspflicht besagt, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder für einen Verkehrsweg verantwortlich ist (hier die Gemeinde für den Radweg), dafür sorgen muss, dass niemand zu Schaden kommt. Er muss also zumutbare Vorkehrungen treffen, um Gefahren abzuwenden. Der Kläger argumentierte, das ungesicherte Fundament sei eine solche vermeidbare Gefahr gewesen. Er verlangte die Feststellung, dass die Gemeinde für alle materiellen (also zum Beispiel Kosten für Arztbesuche, Verdienstausfall) und immateriellen Schäden (Schmerzensgeld) aufkommen müsse.
Die Verteidigung der Gemeinde: Alles halb so schlimm?
Die Gemeinde, im Verfahren die Beklagte, sah das anders. Sie beantragte, die Klage abzuweisen. Ihrer Ansicht nach befand sich das Betonfundament neben dem Radweg und ragte nicht in diesen hinein. Außerdem meinte sie, ein durchschnittlich aufmerksamer Fahrradfahrer hätte das Fundament trotz Laub gut erkennen können, da es sich farblich vom restlichen Weg unterschied. Sie vermutete, der Kläger sei entweder zu schnell gefahren oder sei unaufmerksam gewesen. Die Gemeinde bestritt daher, ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt zu haben. Sie zweifelte zudem an, dass der Kläger überhaupt ein sogenanntes Feststellungsinteresse habe. Ein Feststellungsinteresse liegt vor, wenn ein Kläger ein berechtigtes Interesse daran hat, dass ein Gericht ein bestimmtes Rechtsverhältnis oder einen Anspruch feststellt, oft weil der Schaden noch nicht endgültig beziffert werden kann. Die Gemeinde meinte, die Schadensentwicklung sei bereits abgeschlossen.
Die Kernfragen für das Gericht: Wer war verantwortlich?
Das Gericht musste nun mehrere zentrale Fragen klären:
- War das Landgericht Coburg überhaupt für diesen Fall zuständig?
- Hatte der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht, obwohl vielleicht noch nicht alle Schäden absehbar waren?
- Und die wichtigste Frage: Hat die Gemeinde tatsächlich ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, als sie das Betonfundament ungesichert ließ?
- Wenn ja, war diese Pflichtverletzung auch die Ursache für den Unfall des Klägers?
- Traf die Gemeinde ein Verschulden?
- Und schließlich: Hat der Radfahrer möglicherweise selbst eine Mitschuld am Unfall?
Um diese Fragen zu beantworten, hörte das Gericht den Kläger persönlich an (eine sogenannte informatorische Anhörung) und befragte Zeugen (eine sogenannte uneidliche Einvernahme). Die Zeugen, Mitarbeiter der Baufirma, bestätigten, dass das Fundament Anfang September errichtet und die Baustelle danach nicht mehr gesichert wurde. Das eigentliche Wartehäuschen sollte erst Wochen später kommen. Das Gericht zog auch die Polizeiakte mit Fotos vom Unfallort hinzu.
Die Entscheidung des Gerichts: Eine geteilte Verantwortung
Das Landgericht Coburg kam zu folgendem Ergebnis:
- Es stellte fest, dass die Gemeinde verpflichtet ist, dem Radfahrer 70 % seines materiellen und immateriellen Schadens aus dem Unfall zu ersetzen.
- Die restlichen 30 % des Schadens muss der Radfahrer selbst tragen.
- Die Kosten des Rechtsstreits wurden ebenfalls im Verhältnis 70 % (Gemeinde) zu 30 % (Radfahrer) aufgeteilt.
Was bedeutet das konkret für die Beteiligten? Die Gemeinde muss den überwiegenden Teil des Schadens übernehmen, aber nicht den gesamten.
Warum entschied das Gericht so? Die detaillierte Begründung
Das Gericht begründete seine Entscheidung ausführlich. Schauen wir uns die wichtigsten Punkte genauer an.
Zunächst bestätigte das Gericht seine Zuständigkeit und auch das Feststellungsinteresse des Klägers. Aufgrund der Art der Verletzungen sei es durchaus möglich, dass Spätfolgen auftreten und der Schaden daher noch nicht abschließend beziffert werden könne.
Die Pflicht der Gemeinde zur Sicherheit auf Wegen – die sogenannte Verkehrssicherungspflicht
Der wichtigste Punkt war die Frage der Verkehrssicherungspflicht. Als Gemeinde ist die Beklagte für den Radweg zuständig und somit auch Straßenbaulastträger. Das bedeutet, sie ist für den Bau, die Unterhaltung und eben auch die Sicherheit dieses Weges verantwortlich (gemäß dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz, kurz BayStrWG). Wer eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, muss alles Zumutbare tun, um andere vor Schaden zu bewahren. Bei Straßen und Wegen bedeutet das: Sie müssen so gestaltet sein, dass man sie möglichst gefahrlos benutzen kann. Insbesondere muss vor Gefahren gewarnt oder diese gesichert werden, wenn sie unerwartet sind und man sie bei normaler Benutzung nicht ohne Weiteres erkennen kann.
War die Baustelle eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle?
Das Gericht war nach der Anhörung des Klägers, den Zeugenaussagen und den Polizeifotos davon überzeugt, dass das ungesicherte Betonfundament eine solche Gefahrenstelle darstellte. Die Kante des Fundaments zum asphaltierten Radweg war erheblich. Wenn ein Fahrradreifen ungünstig darauf trifft, kann das leicht zu einem Sturz führen. Die Erkennbarkeit dieser Kante war durch das viele Laub stark erschwert. Die Fotos zeigten, dass das Fundament aus der Fahrtrichtung des Klägers nur schlecht zu sehen war. Auch die tiefstehende Sonne, wie vom Kläger geschildert, konnte die Sicht behindern. Zwar müssen Radfahrer ihre Geschwindigkeit den Sichtverhältnissen anpassen, aber die Gemeinde müsse auch damit rechnen, dass Radfahrer nicht immer perfekt reagieren.
Hätte die Gemeinde die Gefahr erkennen und handeln müssen?
Ja, meinte das Gericht. Die Gemeinde hätte die Gefahrenstelle beseitigen, ausreichend absichern (zum Beispiel durch Absperrungen) oder zumindest deutlich davor warnen müssen (etwa durch ein Warnschild). Dass in der Zeit zwischen Fertigstellung des Fundaments und dem Unfall keine weiteren Unfälle gemeldet wurden, ändere nichts an der Pflichtverletzung. Es handelte sich um eine potenzielle Gefahrenstelle, die zumindest ein Warnzeichen erfordert hätte, um Radfahrer zu erhöhter Aufmerksamkeit anzuhalten.
Das Verschulden der Gemeinde: Fahrlässigkeit im Amt
Das Gericht sah auch ein Verschulden bei der Gemeinde. Wenn Mitarbeiter einer Gemeinde ihre Sicherungspflichten bei Bauarbeiten im Bereich öffentlicher Wege nicht beachten, handeln sie fahrlässig. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Die Gemeinde konnte nicht nachweisen, dass sie alles getan hatte, um die Gefahr zu vermeiden. Dieser Verstoß gegen die Amtspflicht führt zu einer Haftung nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit Artikel 34 des Grundgesetzes (GG). Das ist die Grundlage für die sogenannte Amtshaftung: Wenn ein Beamter oder Angestellter des Staates oder einer Gemeinde bei seiner Arbeit (in Ausübung eines öffentlichen Amtes) einen Fehler macht und dadurch jemand einen Schaden erleidet, kann der Staat oder die Gemeinde dafür haftbar gemacht werden.
Aber was ist mit dem Radfahrer selbst? Das Mitverschulden
Das Gericht prüfte auch, ob den Radfahrer ein Mitverschulden trifft. Das ist im § 254 BGB geregelt. Es bedeutet: Wenn jemand einen Schaden erleidet, aber selbst auch etwas falsch gemacht hat, was zum Schaden beigetragen hat, muss er einen Teil des Schadens selbst tragen.
Hier kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Radfahrer tatsächlich eine Mitschuld trug. Das Benutzen eines mit Laub bedeckten Radweges erfordere erhöhte Aufmerksamkeit. Auch wenn das Laub die Sicht erschwerte, sei die Kante den Polizeifotos zufolge zumindest aus kurzer Entfernung erkennbar gewesen. Hätte der Radfahrer seine Geschwindigkeit (er gab 10 bis 15 km/h an) noch besser an die laubbedeckte Fahrbahn angepasst und die nötige Aufmerksamkeit aufgebracht, hätte er den Sturz möglicherweise vermeiden können. Das Gericht bewertete dieses Mitverschulden des Klägers mit 30 %.
Das Gericht wog also ab: Die Gemeinde hatte die Hauptverantwortung, weil sie die gefährliche Situation geschaffen und nicht gesichert hatte. Das wiege schwerer. Aber auch der Radfahrer trug einen Teil der Verantwortung. Daher die Aufteilung des Schadensersatzes im Verhältnis 70 % zu 30 %.
Die Aufteilung der Kosten des Rechtsstreits
Entsprechend dieser Quotelung des Verschuldens entschied das Gericht auch über die Kosten des gesamten Gerichtsverfahrens. Die Gemeinde muss 70 % der Anwalts- und Gerichtskosten tragen, der Radfahrer die restlichen 30 %. Dies ist eine übliche Folgeentscheidung, wenn keine der Parteien vollständig Recht bekommt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Dieses Urteil zeigt, dass Gemeinden für die Sicherheit ihrer Rad- und Gehwege verantwortlich sind und gefährliche Stellen wie ungesicherte Betonfundamente absichern oder zumindest mit Warnschildern kennzeichnen müssen. Gleichzeitig müssen Radfahrer ihre Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit an die Gegebenheiten anpassen – wer bei schlechter Sicht durch Laub oder tiefstehende Sonne unterwegs ist, trägt eine Mitverantwortung für mögliche Unfälle. Das Gericht teilte die Schuld nach dem Verursachungsbeitrag auf: 70% trägt die Gemeinde, weil sie die Hauptverantwortung für die Gefahrenstelle hatte, 30% der Radfahrer wegen mangelnder Vorsicht. Für Betroffene bedeutet das: Auch bei behördlichen Versäumnissen sollten sie mit einer geteilten Haftung rechnen, wenn sie selbst nicht ausreichend vorsichtig waren.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer ist für die Sicherheit von Radwegen und anderen öffentlichen Wegen verantwortlich?
Für die Sicherheit von Radwegen und anderen öffentlichen Wegen ist in erster Linie der sogenannte Wegehalter zuständig. Das ist die Person oder Institution, die für den Bau, die Unterhaltung und die allgemeine Verkehrssicherheit des Weges verantwortlich ist. Für Sie als Nutzer bedeutet das, dass es eine klare Anlaufstelle gibt, wenn ein Weg Mängel aufweist.
Die Pflicht des Wegehalters: Die Verkehrssicherungspflicht
Der Wegehalter hat die sogenannte Verkehrssicherungspflicht. Das bedeutet, er muss dafür sorgen, dass der Weg für die üblichen und vorhersehbaren Zwecke sicher genutzt werden kann. Es geht darum, Gefahren zu beseitigen oder zumindest davor zu warnen, die von dem Weg ausgehen könnten und die ein aufmerksamer Nutzer nicht unbedingt erkennen muss.
Was umfasst diese Pflicht konkret?
- Regelmäßige Kontrollen: Der Wegehalter muss den Zustand des Weges regelmäßig überprüfen. Stellen Sie sich vor, das wäre wie eine regelmäßige Inspektion, um Schäden frühzeitig zu erkennen.
- Beseitigung von Gefahren: Gefährliche Stellen, wie tiefe Schlaglöcher, Unebenheiten, abbrechende Kanten oder nicht gestreute Eisflächen im Winter, müssen so schnell wie möglich behoben werden. Wenn eine sofortige Beseitigung nicht möglich ist, muss die Gefahr zumindest ausreichend gekennzeichnet werden, zum Beispiel mit Warnschildern.
- Anpassung an die Nutzung: Wege müssen so beschaffen sein, dass sie für die typische Nutzung sicher sind. Ein Radweg muss also anders beschaffen sein als ein reiner Fußweg, um den Anforderungen des Radverkehrs gerecht zu werden.
Es ist wichtig zu wissen, dass die Verkehrssicherungspflicht keine absolute Garantie für Unfallfreiheit bedeutet. Es wird erwartet, dass ein Wegehalter alles Zumutbare tut, um Gefahren abzuwehren. Kleinere, typische Unebenheiten, mit denen man im Straßenverkehr rechnen muss, fallen in der Regel nicht unter diese Pflicht.
Wer ist der Wegehalter?
Die Verantwortung hängt stark davon ab, wem der Weg gehört und wer ihn unterhält:
- Kommunen (Städte und Gemeinden): Sie sind meist für die Radwege, Gehwege und Straßen innerhalb ihrer Ortschaften zuständig. Dies betrifft die meisten Radwege, die Sie im Alltag nutzen.
- Länder: Für Landstraßen und die zugehörigen Radwege sind in der Regel die jeweiligen Bundesländer verantwortlich.
- Bund: Für Bundesstraßen und Autobahnen sowie deren angrenzende Radwege ist der Bund zuständig.
- Private Eigentümer: Auch private Eigentümer können Wegehalter sein, wenn sie zum Beispiel einen Privatweg oder eine Zufahrt besitzen, die für den öffentlichen Verkehr zugänglich ist – etwa ein Weg auf einem Supermarktparkplatz oder ein zugänglicher Parkweg. Sobald ein privater Weg für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, entsteht auch hier eine Verkehrssicherungspflicht.
Was bedeutet Verkehrssicherungspflicht und wann ist sie verletzt?
Die Verkehrssicherungspflicht ist eine zentrale Verantwortung, die Sie als juristischer Laie oft im Alltag begegnen können, besonders wenn es um Unfälle auf Wegen oder Grundstücken geht. Sie ist ein Eckpfeiler des sogenannten Schadensersatzrechts.
Was ist die Verkehrssicherungspflicht?
Die Verkehrssicherungspflicht bedeutet, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält – sei es ein Grundstück, ein Gebäude, ein Weg oder eine Anlage – dafür sorgen muss, dass andere Personen vor den Gefahren geschützt sind, die von dieser Quelle ausgehen können. Ziel ist es, Schäden Dritter zu vermeiden.
Das bedeutet konkret:
- Schutz vor Gefahren: Derjenige, der die Verkehrssicherungspflicht trägt (der sogenannte „Verkehrssicherungspflichtige“), muss alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um Gefahren für andere zu verhindern.
- Umfang der Pflicht: Diese Pflicht erstreckt sich auf solche Gefahren, die für einen durchschnittlich aufmerksamen und umsichtigen Nutzer des jeweiligen Ortes oder der Anlage nicht ohne Weiteres erkennbar oder unerwartet sind. Eine Fußgängerin muss beispielsweise auf einem Gehweg nicht mit einem plötzlich klaffenden, unsichtbaren Loch rechnen.
- Wer trägt sie? Diese Pflicht trifft zum Beispiel Hauseigentümer, Mieter, Vermieter, Kommunen als Wegebetreiber oder Betreiber von öffentlichen Einrichtungen wie Geschäften oder Sportanlagen.
Wichtig ist zu verstehen: Es geht nicht darum, jede noch so kleine Gefahr auszuschließen. Ein gewisses Maß an Eigenverantwortung wird von jedem erwartet. Sie selbst müssen also auch eine übliche Sorgfalt walten lassen und auf Ihre Umgebung achten.
Wann ist die Verkehrssicherungspflicht verletzt?
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt vor, wenn der Verkehrssicherungspflichtige seine Schutzpflichten missachtet hat und dadurch ein Schaden entsteht. Dies ist dann der Fall, wenn:
- Eine Gefahr besteht, die nicht offensichtlich war: Wenn eine Gefahrenquelle vorliegt, die für den durchschnittlichen Nutzer nicht leicht zu erkennen oder unerwartet ist. Stellen Sie sich vor, Sie gehen auf einem öffentlichen Weg und dort befindet sich ein tiefes Schlagloch, das von Laub bedeckt ist und daher kaum zu sehen ist.
- Mangelhafte Sicherung oder Beseitigung der Gefahr: Der Verkehrssicherungspflichtige hat nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr zu beseitigen oder abzusichern. Zum Beispiel wurde das unsichtbare Schlagloch nicht ausgebessert oder zumindest mit einem Warnschild versehen.
- Fehlende oder unzureichende Warnung: Es wurde nicht ausreichend oder überhaupt nicht vor der Gefahr gewarnt, obwohl eine Beseitigung nicht sofort möglich war. Wenn auf einem frisch gewischten Boden in einem Supermarkt kein Warnschild („Achtung, Rutschgefahr!“) steht, könnte dies eine Verletzung darstellen.
Die Bedeutung der „Zumutbarkeit“
Ein entscheidender Faktor bei der Beurteilung einer Verkehrssicherungspflichtverletzung ist die Zumutbarkeit der Sicherungsmaßnahmen. Das bedeutet:
- Der Verkehrssicherungspflichtige muss nur solche Maßnahmen ergreifen, die objektiv sinnvoll, technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar sind. Es kann nicht verlangt werden, dass jeder Quadratzentimeter eines Gehwegs ständig kontrolliert und sofort repariert wird.
- Die Kosten der Sicherungsmaßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Grad der Gefahr und dem potenziellen Schaden stehen.
- Es wird stets eine Abwägung vorgenommen zwischen der Art und Häufigkeit der Nutzung, der Art der Gefahr, der Möglichkeit der Erkennbarkeit und dem Aufwand für die Sicherung.
Wenn also beispielsweise ein Weg an einem Tag wegen unerwartet starkem Schneefall sehr rutschig wird, kann vom Wegebetreiber nicht verlangt werden, innerhalb von Minuten jede Stelle des Weges zu räumen und zu streuen. Eine gewisse Zeit zur Reaktion ist immer einzuräumen, und nur unverhältnismäßig langes Nichtstun bei erkennbarer Gefahr stellt eine Verletzung dar.
Welche Ansprüche habe ich, wenn ich durch eine Gefahrenstelle auf einem Radweg gestürzt bin?
Wenn Sie durch eine Gefahrenstelle auf einem Radweg stürzen, können daraus verschiedene Arten von Ansprüchen entstehen. Grundsätzlich haftet derjenige, der eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Das bedeutet: Wer für den Radweg zuständig ist (z.B. eine Kommune oder ein privater Eigentümer), hat die Pflicht, diesen in einem verkehrssicheren Zustand zu halten und mögliche Gefahren zu beseitigen oder ausreichend zu kennzeichnen. Wird diese Pflicht verletzt und entsteht Ihnen dadurch ein Schaden, können Sie unter bestimmten Umständen Entschädigung verlangen.
Materielle Schäden (Schadensersatz)
Materielle Schäden sind alle finanziellen Verluste, die direkt durch den Unfall entstehen und sich konkret beziffern lassen. Das Ziel des Schadensersatzes ist, den Zustand wiederherzustellen, der ohne den Unfall bestanden hätte. Dazu gehören:
- Behandlungskosten: Dies umfasst alle Kosten für medizinische Versorgung, die nicht von der Krankenversicherung übernommen werden oder bei denen Sie in Vorleistung treten müssen. Dazu zählen Arztbesuche, Medikamente, Physiotherapie, Hilfsmittel wie Krücken oder Bandagen sowie Fahrtkosten zu den Behandlungen.
- Verdienstausfall: Wenn Sie aufgrund der Verletzungen nicht arbeiten können und dadurch Einkommen verlieren, können Sie diesen Ausfall als Schaden geltend machen. Dies betrifft sowohl Arbeitnehmer als auch Selbstständige.
- Haushaltsführungsschaden: Falls Sie aufgrund Ihrer Verletzungen Ihren Haushalt nicht mehr selbst führen können und dafür Hilfe benötigen (z.B. Reinigungskraft, Einkaufsdienst), können diese Kosten ebenfalls als Schadenersatz beansprucht werden. Dies gilt auch, wenn Familienmitglieder diese Aufgaben übernehmen.
- Sachschäden: Beschädigungen an Ihrem Fahrrad, Ihrer Kleidung, Ihrem Helm, Smartphone oder anderen persönlichen Gegenständen, die beim Sturz kaputt gegangen sind, fallen ebenfalls unter materielle Schäden. Hier wird entweder die Reparatur oder der Zeitwert des zerstörten Gegenstandes ersetzt.
Immaterielle Schäden (Schmerzensgeld)
Neben den finanziellen Einbußen können Sie auch einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden verlangen. Dies wird als Schmerzensgeld bezeichnet und dient dazu, den körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen durch den Unfall Rechnung zu tragen. Es ist eine Entschädigung für nicht direkt in Geld messbare Schäden.
Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Art und Schwere der Verletzungen, der Dauer der Schmerzen, notwendigen Operationen, der Heilungsdauer, möglichen bleibenden Schäden oder Narben und psychischen Folgen des Unfalls. Auch die Intensität der medizinischen Behandlungen und Einschränkungen im Alltag spielen eine Rolle.
Feststellungsinteresse für zukünftige Schäden
Manchmal sind die vollständigen Folgen eines Unfalls nicht sofort absehbar. Es kann sein, dass erst Monate oder Jahre nach dem Sturz Spätfolgen auftreten, beispielsweise chronische Schmerzen, Bewegungseinschränkungen oder die Notwendigkeit weiterer Operationen. Um auch für diese zukünftigen, derzeit noch nicht bezifferbaren Schäden abgesichert zu sein, besteht ein Feststellungsinteresse.
Dies bedeutet, dass Sie rechtlich feststellen lassen können, dass die verantwortliche Partei auch für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall haftet. Eine solche Feststellung ist wichtig, da spätere Ansprüche ansonsten verjähren könnten oder im Nachhinein nur schwer durchzusetzen wären. Sie stellt sicher, dass auch nicht vorhersehbare Spätfolgen des Sturzes finanziell abgedeckt sind, sobald sie eintreten und konkret bezifferbar werden.
Was passiert, wenn ich einen Teil der Schuld an meinem Unfall selbst trage?
Wenn Sie in einen Unfall verwickelt sind und Ihr eigenes Verhalten ebenfalls zum Unfallgeschehen oder zur Höhe des entstandenen Schadens beigetragen hat, spricht man von Mitverschulden. Dieses Konzept ist im deutschen Recht, insbesondere in § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), verankert. Es bedeutet, dass nicht nur der Unfallgegner, sondern auch Sie selbst eine Rolle bei der Entstehung des Schadens gespielt haben könnten.
Was bedeutet Mitverschulden konkret?
Mitverschulden liegt vor, wenn Sie durch eigene Unachtsamkeit, ein Fehlverhalten oder die Verletzung von Verkehrsregeln (wie zum Beispiel leichte Überschreitung der Geschwindigkeit, unzureichende Aufmerksamkeit oder Missachtung der Gurtpflicht) dazu beigetragen haben, dass der Unfall überhaupt passiert ist oder der Schaden größer wurde, als er sonst gewesen wäre. Es geht also um den Anteil Ihres eigenen Verhaltens an der Schadenentstehung.
Wie wirkt sich Mitverschulden auf den Schadensersatz aus?
Das Vorliegen eines Mitverschuldens führt in der Regel nicht dazu, dass Ihre Ansprüche auf Schadensersatz vollständig entfallen. Stattdessen wird der Ihnen zustehende Schadensersatz anteilig gekürzt. Das bedeutet: Der gesamte Schaden wird zwischen den beteiligten Parteien aufgeteilt, entsprechend dem Grad ihres jeweiligen Verursachungsbeitrags.
Stellen Sie sich vor, der Schaden beträgt 10.000 Euro. Wird Ihr Mitverschulden auf 20 Prozent festgelegt, erhalten Sie nur 80 Prozent des Schadens, also 8.000 Euro.
Die genaue Aufteilung der Schuldanteile (z.B. 20% zu 80% oder 30% zu 70%) ist von Fall zu Fall unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab, die gerichtlich bewertet werden. Dabei wird eine umfassende Abwägung der beidseitigen Verursachungsbeiträge vorgenommen.
Welche Faktoren spielen bei der Bewertung des Mitverschuldens eine Rolle?
Bei der Bewertung, wie hoch der Anteil Ihres Mitverschuldens ist, werden alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Dazu gehören zum Beispiel:
- Art und Schwere des Fehlverhaltens beider Parteien (z.B. ein grober Verkehrsverstoß des Unfallgegners gegenüber einer leichten Unachtsamkeit Ihrerseits).
- Einhaltung von Verkehrsregeln: Wer hat gegen welche Regeln verstoßen und wie schwerwiegend war dieser Verstoß?
- Aufmerksamkeit und Reaktion: War eine Partei unaufmerksam, während die andere angemessen reagiert hat?
- Sichtverhältnisse und Witterung: Haben äußere Umstände die Situation beeinflusst und wurden diese ausreichend beachtet?
- Betriebsgefahr der Fahrzeuge: Auch die bloße Anwesenheit und der Betrieb eines Kraftfahrzeugs stellen eine abstrakte Gefahr dar, die in die Abwägung einfließen kann.
- Schadensminderungspflicht: Hätten Sie den Schaden durch eigenes Handeln (z.B. das Tragen eines Fahrradhelms oder das Anlegen des Sicherheitsgurtes) mindern können, und haben Sie dies unterlassen?
Die genaue Ermittlung der Mitverschuldensquote ist oft komplex und erfordert eine detaillierte Betrachtung des gesamten Unfallhergangs. Für Sie als Betroffene(r) bedeutet dies, dass Ihr eigener Beitrag zum Unfall immer eine Rolle bei der Frage des Schadensersatzes spielen kann, aber in der Regel nicht zu einem vollständigen Verlust Ihrer Ansprüche führt.
Welche wichtigen Schritte sollte ich nach einem Unfall auf einem öffentlichen Weg unternehmen?
Wenn Sie auf einem öffentlichen Weg, wie einem Bürgersteig, einem Parkweg oder einer Straße, stürzen oder in einen Unfall verwickelt werden, sind bestimmte Schritte wichtig, um den Vorfall richtig zu erfassen und spätere Fragen klären zu können.
Sicherheit und ärztliche Versorgung priorisieren
Zuerst sollten Sie Ihre eigene Sicherheit und die anderer Unfallbeteiligter gewährleisten. Suchen Sie bei Schmerzen oder sichtbaren Verletzungen umgehend ärztliche Hilfe auf. Dies ist nicht nur für Ihre Gesundheit entscheidend, sondern auch, um Ihre Verletzungen und deren Umfang medizinisch dokumentieren zu lassen. Die ärztliche Dokumentation kann später entscheidend sein, um den Zusammenhang zwischen dem Unfall und den erlittenen Verletzungen nachzuweisen.
Umfassende Dokumentation des Unfallorts
Eine sorgfältige Dokumentation des Unfallorts ist von großer Bedeutung. Machen Sie Fotos und Videos aus verschiedenen Perspektiven. Halten Sie dabei den Zustand des Weges fest, der zum Unfall geführt hat (z.B. Schlaglöcher, Unebenheiten, Glatteis, lockere Platten, fehlende Markierungen). Achten Sie darauf, sowohl Detailaufnahmen der Unfallstelle als auch Übersichtsaufnahmen der Umgebung anzufertigen, um den genauen Ort und die Gegebenheiten zu belegen. Auch das Wetter, die Lichtverhältnisse und die genaue Uhrzeit des Unfalls sind wichtige Informationen, die Sie notieren sollten.
Zeugen finden und Kontaktdaten sichern
Waren andere Personen anwesend, die den Unfall beobachtet haben? Versuchen Sie, die Kontaktdaten von Zeugen zu erhalten. Dazu gehören Namen, Adressen und Telefonnummern. Zeugenaussagen können später helfen, den Unfallhergang zu rekonstruieren und die Verantwortlichkeit zu klären. Es ist hilfreich, wenn Zeugen den Unfallort und die Umstände aus ihrer Perspektive schildern können.
Unfallmeldung und weitere Beweissicherung
Der Unfall sollte der zuständigen Stelle gemeldet werden. Dies ist in der Regel die Kommune oder Stadt, die für die Instandhaltung des öffentlichen Weges verantwortlich ist. Bei bestimmten Wegen können auch andere Träger zuständig sein, beispielsweise das Land oder der Bund. Es ist wichtig, die Meldung des Unfalls schriftlich festzuhalten und eine Bestätigung zu erhalten. Bewahren Sie zudem alle Kleidung und Schuhe, die Sie zum Zeitpunkt des Unfalls getragen haben, unverändert auf. Diese können später als wichtige Beweismittel dienen. Auch alle medizinischen Unterlagen, Belege für entstandene Kosten (z.B. Taxifahrten zum Arzt, Medikamente) sollten sorgfältig gesammelt werden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Verkehrssicherungspflicht
Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet jede Person oder Institution, die eine Gefahrenquelle schafft oder für einen Verkehrsweg verantwortlich ist, dafür zu sorgen, dass andere dabei keinen Schaden nehmen. Sie müssen alle zumutbaren Maßnahmen treffen, um Gefahren zu erkennen, zu beseitigen oder durch Warnungen zu sichern, wenn die Gefahr nicht sofort erkennbar ist. Diese Pflicht ist im Zivilrecht verankert und dient dazu, Unfälle durch vermeidbare Gefahrenstellen, wie im vorliegenden Fall das ungesicherte Betonfundament auf dem Radweg, zu verhindern. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst nicht die Pflicht zur Unfallverhütung insgesamt, sondern verlangt eine angemessene und verhältnismäßige Gefahrenabwehr.
Beispiel: Eine Gemeinde muss einen Radweg so unterhalten, dass beispielsweise Schlaglöcher repariert oder bei Bauarbeiten Warnschilder aufgestellt werden, damit Radfahrer sicher fahren können.
Feststellungsinteresse
Das Feststellungsinteresse ist das berechtigte Interesse einer Partei, dass ein Gericht klärt, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis besteht oder ein Anspruch zukünftig gültig ist. Es liegt vor, wenn zum Beispiel noch nicht alle Folgen oder der genaue Umfang eines Schadens feststehen, aber Rechtssicherheit benötigt wird. Im Text ist es wichtig, weil der Radfahrer verhindern möchte, dass die Gemeinde spätere Ansprüche für Spätfolgen ablehnt. Das Feststellungsinteresse ist eine Voraussetzung für eine sogenannte Feststellungsklage nach der Zivilprozessordnung (ZPO).
Beispiel: Jemand ist durch einen Unfall verletzt, aber wie schwer die Langzeitfolgen sind, ist noch unklar. Er beantragt eine gerichtliche Entscheidung, dass der Gegner für alle zukünftigen Schäden haftet.
Amtshaftung
Amtshaftung bezeichnet die Verpflichtung eines öffentlichen Trägers (wie einer Gemeinde), für Schäden einzustehen, die durch Pflichtverletzungen von Beamten oder Angestellten bei der Erfüllung ihrer amtlichen Aufgaben entstanden sind. Gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG haftet der Staat oder die Gemeinde, wenn bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes fahrlässig gehandelt wird und dadurch ein Schaden entsteht. Im Fall bedeutet das, dass die Gemeinde für das Nichtabsichern der Gefahrenstelle verantwortlich ist, weil ihre Mitarbeiter ihre Amtspflichten verletzt haben.
Beispiel: Wenn ein städtischer Mitarbeiter die Reparatur einer gefährlichen Stelle auf einem Radweg unterschlägt und dadurch jemand verletzt wird, kann die Stadt für den Schaden haftbar gemacht werden.
Mitverschulden
Mitverschulden liegt vor, wenn der Geschädigte den Schaden teilweise durch eigenes Fehlverhalten mitverursacht hat. Nach § 254 BGB führt ein Mitverschulden dazu, dass der Schadensersatzanspruch entsprechend gekürzt wird. Dabei wird der Anteil, den jede Partei am Schaden trägt, anhand aller Umstände des Einzelfalls bestimmt. Im Text wird das Mitverschulden des Radfahrers festgestellt, weil er seine Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit trotz erschwerter Sichtverhältnisse nicht ausreichend angepasst hat.
Beispiel: Wenn jemand bei glatter Fahrbahn zu schnell fährt und stürzt, trifft ihn eine Mitschuld neben dem möglicherweise fehlerhaften Zustand der Fahrbahn.
Straßenbaulastträger
Der Straßenbaulastträger ist die Person oder Behörde (z. B. eine Gemeinde), die rechtlich verantwortlich für Bau, Erhaltung und Sicherheit einer öffentlichen Straße oder eines öffentlichen Weges ist. Diese Verantwortung ist in den jeweiligen Landesgesetzen wie dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) geregelt. Im konkreten Fall bedeutet es, dass die Gemeinde als Baulastträger für den Radweg und dessen sichere Gestaltung verantwortlich ist – also für den Zustand des Weges, die Beseitigung von Gefahren und die Verkehrssicherungspflicht.
Beispiel: Eine Gemeinde ist Baulastträger für einen Radweg und muss sicherstellen, dass keine lose Kanten oder Hindernisse eine Gefahr für Radfahrer darstellen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht): Regelt, dass jemand, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit oder das Eigentum eines anderen rechtswidrig verletzt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Radfahrer verlangt Schadensersatz von der Gemeinde, weil er durch eine vermeidbare Gefahrenquelle verletzt wurde; damit ist § 823 Abs. 1 BGB die Anspruchsgrundlage für seine Schadenersatzforderung.
- Verkehrssicherungspflicht (gerichtliche Grundsätze / BayStrWG): Besagt, dass der Straßenbaulastträger (hier die Gemeinde) dafür sorgen muss, dass öffentliche Verkehrswege so gesichert sind, dass keine vermeidbaren Gefahren für die Nutzer bestehen. Unerwartete Gefahrenstellen müssen beseitigt oder ausreichend gekennzeichnet werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gemeinde hat durch das ungesicherte Betonfundament auf dem Radweg ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil sie eine offensichtliche Gefahrenquelle nicht beseitigte oder absicherte.
- § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (Amtshaftung): Regelt die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Staates oder seiner Bediensteten für Amtspflichtverletzungen, wenn ihnen durch schuldhaftes Verhalten ein Schaden entsteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gemeinde haftet für die Fahrlässigkeit ihrer Mitarbeiter, die das Betonfundament ungesichert ließen, wodurch dem Radfahrer der Schaden entstand.
- § 254 BGB (Mitverschulden): Bestimmt, dass ein Geschädigter seine Entschädigung kürzen muss, wenn er den Schaden wenigstens mitverursacht oder dessen Entstehung durch eigenes Verhalten mitbedingt hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht erkannte an, dass der Radfahrer durch unzureichende Anpassung der Fahrtgeschwindigkeit und Aufmerksamkeit am Unfall mitverschuldet ist, weshalb er 30 % des Schadens selbst tragen muss.
- Bayrisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG): Stellt die Rechtsgrundlage für die Verpflichtungen des Straßenbaulastträgers in Bayern dar, einschließlich der Erhaltungspflicht und Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen und Wege. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Gemeinde den Radweg betreut, ist sie gemäß BayStrWG verantwortlich für die Sicherheit der Wegbenutzer und damit für die regelmäßige Kontrolle und das Absichern von Gefahrenstellen.
- Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere Feststellungsinteresse: Erfordert, dass ein Kläger ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung hat, wenn ein Rechtsverhältnis oder Anspruch unklar ist und der Kläger dadurch Rechtssicherheit gewinnen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht erkannte das Feststellungsinteresse des Radfahrers an, weil noch nicht alle Schäden abschließend beziffert waren und eine Klärung der Haftungsfrage weitergehende Folgen hatte.
Das vorliegende Urteil
LG Coburg – Az.: 23 O 145/24 – Endurteil vom 12.02.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz