BUNDESFINANZHOF
Az.: X R 153/97
Urteil vom 24.10.2001
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz
Leitsatz:
Bisher unterlassene AfA können jedenfalls dann nicht nachgeholt werden, wenn ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens erstmals bilanziert wird.
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Inhaber eines Installateurbetriebs. Er ermittelt den Gewinn nach den §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Am 3. April 1989 kaufte der Kläger einen PKW BMW 535i. Die Rechnung lautete auf seine Firma, der Kaufpreis wurde aus Mitteln beglichen, die Ende März 1989 „dem Betrieb entnommen worden waren“. In den Bilanzen für das Jahr 1989 und die Folgejahre wurde der PKW nicht aktiviert. Erstmals in der Bilanz für das Streitjahr 1993 aktivierte der Kläger den PKW mit den Anschaffungskosten in Höhe von 55 442,98 DM, nahm eine Nutzungsdauer von sechs Jahren an und verteilte die Absetzung für Abnutzung (AfA) auf die hieraus errechnete Restnutzungsdauer von zwei Jahren. Als Privatanteil legte der Kläger eine Pauschale von 4 200 DM zu Grunde.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) dagegen sah den Vorgang als Einlage zum Wert von 15 459 DM an und berücksichtigte auf der Grundlage einer Restnutzungsdauer von zwei Jahren die AfA für das Streitjahr mit 7 729,50 DM.
Der hiergegen eingelegte Einspruch führte lediglich dazu, dass das FA den Teilwert des BMW zum Zeitpunkt der Einlage nunmehr auf 30 917 DM und die AfA für das Streitjahr auf 15 459 DM erhöhte sowie die private Nutzung des PKW mit 25 v.H. ansetzte.
Die Klage, mit der die Kläger weiterhin eine Verteilung der Anschaffungskosten auf zwei Jahre erstrebten, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging zwar (nach Beweisaufnahme in einem Parallelverfahren) davon aus, dass die betriebliche Nutzung des BMW über 50 v.H. betrug und das Fahrzeug von Anfang an notwendiges Betriebsvermögen darstellte. Das Wirtschaftsgut sei aber mit dem Wert anzusetzen, mit dem es ausgewiesen werden müsste, wenn es von Anfang an zutreffend bilanziert worden wäre, d.h. mit dem fortentwickelten Buchwert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Veröffentlichung des angefochtenen Urteils in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 27 verwiesen.
Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter, die gesamten Anschaffungskosten in Höhe von 55 442 DM auf die Restnutzungsdauer von zwei Jahren zu verteilen, im Streitjahr also einen Teilbetrag von 27 721 DM (statt 15 459 DM) anzusetzen. Zur Begründung berufen sich die Kläger weiterhin darauf, eine Aktivierung in der Bilanz zum 31. Dezember 1989 und in den Folgejahren sei nur versehentlich unterblieben. Die vom FG vertretene Ansicht zum Wert der Einbuchung sei nicht zwingend. Die Berichtigung von Bilanzansätzen, die an der Fehlerquelle nicht mehr möglich sei, müsse in der Schlussbilanz des ersten noch änderbaren Jahres nachgeholt werden. Wenn es hierbei zur Berücksichtigung von Aufwand im „falschen“ Jahr komme, so sei dies durch den Grundsatz der gleichmäßigen Steuererhebung gerechtfertigt, der eine Versteuerung nicht erzielter Gewinne nicht zulasse und hier die Nachholung der Abschreibung gebiete.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1993 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 1996 dahin zu ändern, dass ein um 12 262 DM verminderter Gewinn aus Gewerbebetrieb angesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es schließt sich nunmehr der Meinung des FG an, der PKW sei zu Recht mit dem „fortentwickelten Buchwert“ angesetzt worden.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das dem Verfahren beigetreten ist, teilt die Ansicht des FA und hat zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Nachholung von AfA scheide bei der Gewinnermittlung nach den §§ 4 Abs. 1, 5 EStG aus, sofern das betreffende Wirtschaftsgut –wie im Streitfall– bislang nicht aktiviert worden sei. Dies entspreche der in R 44 Abs. 10 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) und H 44 der Einkommensteuerhinweise (EStH) festgelegten Verwaltungsmeinung. Der dort formulierte Grundsatz der Nachholungsmöglichkeit beziehe sich –allerdings „unausgesprochen“– nur auf solche Fälle, in denen das betreffende Wirtschaftsgut bei Anschaffung/Herstellung aktiviert und nur die AfA vergessen worden sei. Die Nachholung von AfA erfordere, dass das Wirtschaftsgut überhaupt aktiviert worden sei, „weil nur dann ausweislich der Bilanz Aufwand entstanden ist und es nur dann erst möglich wäre, diesen entstandenen Aufwand, dessen Verteilung versehentlich vergessen wurde, nachträglich noch zu verteilen“. Folge man dem Begehren der Kläger, so verstoße dies gegen das Gebot, Wirtschaftsgüter zu jedem Bilanzstichtag mit ihren um die AfA verminderten Anschaffungskosten anzusetzen.
II.
Die Revision ist unbegründet.
1. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) gehört der PKW zum notwendigen Betriebsvermögen des vom Kläger unterhaltenen Gewerbebetriebs. Dies hat gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 Abs. 1 EStG zur Folge, dass er das Wirtschaftsgut auf der Aktivseite seiner Bilanz ausweisen muss. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sind Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, mit den Anschaffungskosten, vermindert um die AfA (§ 7 EStG), anzusetzen. Den hiernach maßgebenden Wert hat das FA für den Streitfall zutreffend aus den um die AfA der vorausgegangenen Jahre verminderten Anschaffungskosten errechnet.
War nämlich ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens bislang in der Bilanz nicht aktiviert worden, so hat dies keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung (s. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 10. Juli 1974 I R 223/70, BFHE 113, 209, BStBl II 1974, 736, unter 3. c, und vom 12. Oktober 1977 I R 248/74, BFHE 123, 478, BStBl II 1978, 191, unter 1. b, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 19. Februar 1991 VIII R 84/88, BFH/NV 1992, 161, 162, unter 1. b). Die nachträgliche Aufnahme eines solchen Wirtschaftsguts in die Bilanz ist eine berichtigende Einbuchung; sie ist –mangels tatsächlicher Zuführung zum Betriebsvermögen– ebenso wenig eine Einlage i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG wie –mangels Änderung der tatsächlichen Verwendung– die bilanzberichtigende Ausbuchung eine Entnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 bis Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist (s. BFH-Urteil in BFHE 123, 478, BStBl II 1978, 191, unter 1. b, m.w.N.).
Demgemäß bestimmt sich der Bilanzansatz für eine fehlerberichtigende Einbuchung bei unterlassener Aktivierung eines Wirtschaftsguts nach dem Wert, mit dem das bisher zu Unrecht nicht bilanzierte Wirtschaftsgut bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde (BFH-Urteile in BFHE 123, 478, BStBl II 1978, 191, unter 1. b, und, für den Fall erstmaliger Bilanzerstellung, vom 30. Oktober 1997 IV R 76/96, BFH/NV 1998, 578, 579; vgl. auch BFH-Urteil vom 21. August 1984 VIII R 1/81, BFH/NV 1985, 34, 36). Das erfordert für die Ermittlung des Einbuchungswerts eine „Schattenrechnung“, d.h. die Absetzung der bisher unberücksichtigt gebliebenen AfA-Beträge von den Anschaffungskosten. Das BMF hat klargestellt, dass der Anweisung in R 44 Abs. 10 EStR nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist.
2. Für die von den Klägern begehrte „Nachholung der AfA“ findet sich keine Stütze im Gesetz. Vor allem widerspräche sie dem Grundsatz, dass die Einkommensteuer –dem Grunde wie der Höhe nach– als Jahressteuer (§ 2 Abs. 7 EStG) kraft Gesetzes jeweils mit Ablauf eines jeden Veranlagungszeitraums entsteht (§ 38 der Abgabenordnung –AO 1977– i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dieses Prinzip der Abschnittsbesteuerung betrifft auch den einkünftebezogenen Aufwand, der daher, wenn er –wie im Streitfall– nur im Wege der AfA abgezogen werden darf (§ 4 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 7 EStG), zeitanteilig den Veranlagungszeiträumen (§§ 2 Abs. 7, 25 Abs. 1 EStG) zwischen Anschaffung/ Herstellung und dem Ende der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zuzuordnen ist. Diese Aufteilung ist zwingend (Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 7 EStG Rz. 93 ff.; Werndl in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7 Rdnr. A 40 ff.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., 2001, § 7 Rz. 6). Eine Ausnahme hiervon ist ebenso wenig vorgesehen wie bei der zeitlichen Zuordnung der mit der Verausgabung abzusetzenden Aufwendungen. Gegenüber diesem Prinzip der abschnittsweisen Erfassung des Wertverzehrs von der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (zutreffend von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 9 Rdnr. I 120 ff., m.w.N.) tritt der Gedanke der richtigen Erfassung des Totalgewinns zurück (a.A. z.B. Weber-Grellet, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4 Rdnr. D 165).
In Übereinstimmung mit diesen materiell-rechtlichen Grundsätzen und ebenfalls unabhängig von der buchmäßigen Behandlung (s. dazu unter 1.) gehört der nach den Vorschriften des EStG ermittelte anteilige AfA-Jahresbetrag von Gesetzes wegen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) zu den Besteuerungsgrundlagen der jeweiligen Jahressteuerbescheide (§ 155 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AO 1977). Die für den angefochtenen Einkommensteuer-Bescheid erstrebte „Nachholung“ kommt daher nicht in Betracht.
3. Inwieweit sich aus den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs etwas anderes ergibt, kann hier auf sich beruhen, weil diese Grundsätze –wie auch das BMF im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat– jedenfalls dann nicht gelten, wenn ein Bilanzansatz, der fortgeführt werden könnte, fehlt (BFH-Entscheidungen vom 28. Januar 1992 VIII R 28/90, BFHE 168, 30, BStBl II 1992, 881, unter 5.; in BFH/NV 1998, 578, 579, unter 3. a, sowie vom 23. Juni 2000 VIII B 52/99, BFH/NV 2000, 1487). So liegt es im Streitfall. Dem entspricht es, dass die BFH-Entscheidungen, die sich für eine Nachholung ausgesprochen haben, soweit ersichtlich, ausnahmslos zu Fällen ergangen sind, in denen das betreffende Wirtschaftsgut in der Bilanz angesetzt und nur die AfA entweder gar nicht (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1993 X R 102/92, BFH/NV 1994, 543, 545 f.) oder in unzutreffender Höhe berücksichtigt worden war (s. z.B. BFH-Urteile vom 3. Juli 1980 IV R 31/77, BFHE 131, 229, BStBl II 1981, 255; vom 11. Dezember 1987 III R 266/83, BFHE 152, 128, BStBl II 1988, 335, unter 2., und vom 26. Juni 1996 XI R 41/95, BFHE 180, 572, BStBl II 1996, 601, unter II. 2.).