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Unterlassung einer Aufschüttung und Errichtung einer Stützmauer auf dem Nachbargrundstück

LG Erfurt, Az.: 10 O 812/09, Urteil vom 09.06.2010

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Unterlassung einer Aufschüttung auf ihrem Grundstück in Anspruch.

Die Kläger sind Eigentümer des in …, Gemarkung …, gelegenen Grundstücks Flur … Flurstück …. Die Beklagten sind Eigentümer des unmittelbar an das Grundstück der Kläger angrenzenden Nachbargrundstücks, bestehend aus den Flurstücken mit den Nummern … und ….

Auf diesem Grundstück haben die Beklagten im Jahr 2008 auf der Grundlage der ihnen unter dem 09.10.2008 vom Bauamt der Stadt … erteilten Baugenehmigung (Anlage B 1, Bl. 21 ff d.A. ) ein Einfamilienhaus errichtet. Am 02.05.2009 sind sie in das Haus eingezogen. Wegen der Lage der Grundstücke wird auf die als Anlage 1 zur Klageschrift eingereichte Skizze ( Bl. 5 d.A. ) verwiesen.

Unter dem 17.02.2009 stellten die Beklagten beim Bauamt der Stadt … einen Antrag auf Genehmigung einer Aufschüttung auf ihrem Grundstück. Diesem Antrag entsprechend genehmigte das Bauamt am 03.04.2009 diesen Nachtrag und bewilligte die beantragte Aufschüttung (Anlage B 2 Bl. 24 f d.A.).

In Ziffer 8. des Bescheides vom 03.04.2009 wird ausgeführt, dass der Nachtrag eine Geländeaufschüttung entsprechend den zeichnerischen Darstellungen von mehr als 30 m² beinhaltet. Ferner heißt es, dass im Bereich der Aufschüttung an der nördlichen Grundstücksgrenze eine Stützmauer errichtet wird. Die neue Oberfläche des Geländes liegt nach diesem Bescheid in diesem Bereich 192,05 m über NHN. In den Hinweisen ist aufgeführt, dass Nachbargrundstücke durch das oben genannte Vorhaben nicht beeinträchtigt werden dürfen. Die Stützmauer sei vollständig auf dem eigenen Grundstück zu errichten.

Die Kläger behaupten, dass die zu errichtende, bis zu 1,35 m hohe, Stützmauer dem klägerischen Grundstück Licht, insbesondere den aus der Richtung des Grundstücks der Beklagten auf das klägerische Grundstück einfallenden Sonnenschein nehme. Die Stützmauer werde zu einer großflächigen Beschattung des klägerischen Grundstücks führen, in deren weiterer Folge die Nutzbarkeit des von der Beschattung betroffenen Grundstücks teils eingeschränkt sei. Im Rasen werde sich Moos bilden und dort stehende Pflanzen werden eingehen. Zusammen mit dem bereits vorhandenen Sichtschutzzaun komme es in der Mittagszeit zu einem Schattenwurf von 4 m. Nach der Erhöhung des Bodenniveaus sitze man, wenn auf der Aufschüttung noch ein 2 m hoher, dem gegenwärtig vorhandenen Zaun entsprechender Zaun errichtet werde, quasi vor einer 3,35 m hohen Wand, die den Zugang von Licht, Luft und Wasser im Wesentlichen versperre. Dies führe dann zu einem Schattenwurf bis zu 8 m auf wesentliche Teile des Grundstücks der Kläger.

Die Kläger sind der Auffassung, dass damit eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit vorliege und die Beklagten mit der Anhebung des Geländeniveaus das ihnen obliegende Gebot der Rücksichtnahme missachteten. Die Aufschüttung füge sich nach ihrer Art und Umfang nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Maßnahme führe des Weiteren dazu, dass das Grundstück der Beklagten aus der im näheren Umfeld anzutreffenden Garten- und Hoflandschaft augenscheinlich schubladenartig hervortrete. Außerdem komme es nach Errichtung eines Doppelcarports zu einem erhöhten Eintrag von Lärm. Zudem sei nach Errichtung der Carports noch mit weiterem Schattenwurf bis zu 10 m zu rechnen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 25.01.2010 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, es zu unterlassen, das in der Gemeinde …, Gemarkung …, Flur …, gelegene Grundstück, bestehend aus den Flurstücknummern: … und … auf einer Fläche von mehr als 30 m² mehr als 38 cm aufzuschütten, d. h. das ursprüngliche Geländeniveau auf einer Fläche von mehr als 30 m² über 191,08 m über Null anzuheben.

2. den Beklagten wird angedroht, dass für jede Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1. ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt werden kann.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass die Klage unzulässig sei.

Klägerin bereits den falschen Rechtsweg beschritten habe. Vielmehr hätte ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei dem Verwaltungsgericht gestellt werden müssen. Ferner sei die von den Beklagten durchgeführte Aufschüttung bodenrechtlich irrelevant. Das Vorhaben füge sich auch gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein. Dies gelte auch für die in der Baugenehmigung an einem Punkt erreichte Höhe von 192,05 über NHN. Außerdem habe der Sohn der Kläger auf seinem benachbarten Grundstück ebenfalls Aufschüttungen vorgenommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klage ist zulässig.

An der Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit gem. § 13 GVG bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Als für die Entscheidung maßgebliche gesetzliche Vorschriften kommen hier § 1004 BGB bzw. die Grundsätze des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses, insbesondere auch die Bestimmungen des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes, also Rechtsinstitute des bürgerlichen Rechtes, in Betracht. Die bloße Möglichkeit, dass ein Beteiligter sich auf einen hoheitlichen Akt, hier die den Beklagten erteilte Baugenehmigung, berufen kann, schließt den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht aus. Das gilt vor allem dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine Beeinträchtigung privater Rechte geltend gemacht wird.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Unterlassung der den Beklagten genehmigten Aufschüttung gem. § 1004 BGB.

Zwar schließt das Vorliegen einer wirksamen Baugenehmigung für die Aufschüttung seitens der Beklagten grundsätzlich einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 BGB bzw. aus den Grundsätzen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses nicht aus, da die Baugenehmigung ausdrücklich unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird. Die Kläger haben aber die Voraussetzungen für einen solchen bürgerlichrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht hinreichend dargelegt.

Ein solcher Anspruch kann weder aus § 1004 BGB, noch aus den Regelungen des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes oder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis in Verbindung mit dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben hergeleitet werden.

Die Rechte und Pflichten von Nachbarn richten sich in erster Linie nach den Bestimmungen der §§ 90 ff. BGB und den Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder. Die Anwendung dieser Regelungen hat allerdings stets unter Berücksichtigung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben zu erfolgen. Daraus wird unter dem Begriff des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses für Nachbarn die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme hergeleitet. Eine solche Pflicht wird allerdings schon wegen der zahlreichen gesetzlich normierten nachbarrechtlichen Sonderregeln nur in Ausnahmefällen angenommen und zwar in aller Regel nur dann, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint ( so: OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.01.2007, Az. 8 U 77/06, zitiert nach Juris). Von einem solchen Ausnahmefall kann vorliegend nicht die Rede sein.

Soweit die Kläger behaupten, die beabsichtigte Aufschüttung bzw. die im Zusammenhang damit herzustellende Stützmauer sowie der von den Beklagten vorgesehene Carport würden zu Beeinträchtigungen der Lichtzufuhr auf das klägerische Grundstück führen, insbesondere die sich daraus ergebende Verschattung führe zu Unzuträglichkeiten für den Pflanzenwuchs und einer Vermoosung wesentlicher Grundstücksteile, vermag das Gericht diese Besorgnisse der Kläger nicht zu teilen. Aber selbst dann, wenn man den Eintritt der von den Kläger befürchteten negativen Auswirkungen der Aufschüttung und der Stützmauer unterstellt, so ergibt sich daraus noch nicht zwangsläufig ein Anspruch der Kläger auf Unterlassung der Aufschüttung. Das wäre nur dann der Fall, wenn die beabsichtigte Aufschüttung und die Stützmauer zu einer ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigung der Kläger führen würde. Von einer derart schwer wiegenden Beeinträchtigung könnte allenfalls dann ausgegangen werden, wenn wesentliche Teile des Grundstücks der Kläger oder sogar ihr Wohnhaus in erheblicher Weise überschattet würden .

Das aber ist nach Lage der Dinge ausgeschlossen.

Eine an der höchsten Stelle 1,35 m hohe Stützmauer ist schon per se ungeeignet, das Grundstück der Kläger in nennenswerter Weise zu beschatten, da ein Schattenwurf bei einer derart geringen Höhe der Stützmauer allenfalls dann erfolgen kann, wenn die Sonne ihren absoluten Tiefpunkt kurz vor dem Untergang erreicht. Damit ist aber auf der Südseite eines Grundstücks nicht zu rechnen. Im Übrigen ist aber auch zu berücksichtigen, dass, vom klägerischen Grundstück aus gesehen, die Erdaufschüttung und die Stützmauer vor dem Wohnhaus der Beklagten gelegen sind, so dass also schon deshalb eine zusätzliche Verschattung zu dem Schattenwurf des Wohnhauses kaum möglich ist.

Auch die in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder aus der beigezogenen Akte 9 O 732/09 lassen keine Anhaltspunkte dafür erkennen dass hier eine nennenswerte Beeinträchtigung durch die Errichtung einer Stützmauer bzw. die Aufschüttung erfolgen wird.

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Im Übrigen hat der Eigentümer eines Grundstücks Nutzungsänderungen auf benachbarten Grundstücken hinzunehmen, sofern sich diese in einem gewissen Rahmen halten und ihre Auswirkungen bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Im vorliegenden Fall ist nicht zu erkennen, dass diese Grenzen überschritten wurden.

Für den von den Klägern erwähnten Effekt eines „schubladenartigen“ Hervortretens des Grundstücks der Beklagten aus der Garten – und Hoflandschaft der Umgebung, sieht das Gericht keine Anhaltspunkte. Abgesehen davon, dass die in der Beiakte vorhandenen Lichtbilder keine Hinweise für ein derartiges „schubladenartiges“ Hervortreten des Grundstücks erkennen lassen, zeigt auch die Nordansicht des Grundstücks der Beklagten (Anl. B 3, Bl. 26 d.A. ), dass die ansteigende Aufschüttung, die lediglich am höchsten Punkt eine Höhe von 1,35 m erreicht, dass diese Besorgnis schon angesichts der geringen Höhe der Aufschüttung nicht gerechtfertigt ist.

Soweit die Kläger die Besorgnis äußern, dass eine zusätzliche Beeinträchtigung dadurch entstehen werde, dass die aufgeschüttete Fläche als Zufahrt für einen noch zu errichtenden Carport dienen solle, ist dies für die Frage der Zulässigkeit der Aufschüttung und der Herstellung einer Stützmauer unerheblich. Über die Frage der Nutzung der aufgeschütteten Fläche und die damit verbundenen Beeinträchtigungen war im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

Auch die Befürchtung der Kläger, dass die Beklagten auf der Aufschüttung und der Stützmauer noch zusätzlich einen zwei Meter hohen Zaun errichten könnten, sodass sie letztlich vor einer 3,35 m hohen Wand sitzen müssten, ist für die vorliegend zu treffende Entscheidung ohne Belang, denn die Klage ist lediglich auf die Unterlassung der Vornahme der Aufschüttung gerichtet.

Da der Klageantrag zu 1. nicht begründet ist, ist die Klage auch in Bezug auf den Antrag zu 2 unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.

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