Skip to content

Unterlassungsanspruch: Bezeichnung einer Person als schwul

Einstweilige Verfügung gegen Antragsgegner wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung

In einem aktuellen Gerichtsverfahren wurde aufgrund einer sofortigen Beschwerde des Antragstellers eine einstweilige Verfügung erlassen, die den Antragsgegner dazu verpflichtet, bestimmte Äußerungen über den Antragsteller zu unterlassen. Bei Zuwiderhandlung drohen dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Die angegriffene Äußerung verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers, woraus ein Unterlassungsanspruch resultiert. Dieser basiert auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 8 Abs. 1 EMRK.

Verantwortlichkeit des Antragsgegners

Der Antragsgegner ist für die strittige Äußerung verantwortlich, da er sie in seine Collage eingebunden hat, ohne offenzulegen, dass er das Video nicht selbst gefilmt und den Text nicht gesprochen hat. Dadurch hat er sich die Äußerung zu Eigen gemacht.

Rechtswidrigkeit der Äußerung

Die Äußerung ist rechtswidrig, weil sie das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers verletzt und im Rahmen der Abwägung mit dem Recht des Antragsgegners auf Meinungs- und Medienfreiheit das Schutzinteresse des Antragstellers überwiegt. Die Äußerung zielt nicht darauf ab, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten und hat keinen nachvollziehbaren Bezug zum behandelten Disput der Parteien.

Kostenentscheidung und Streitwert

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Antragsteller zu einem Drittel und der Antragsgegner zu zwei Dritteln. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.


Urteil im Volltext

OLG Köln – Az.: 15 W 15/22 – Beschluss vom 26.04.2022

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 4. März 2022 und der Nichtabhilfebeschluss vom 16. März 2022 – 28 O 65/22 – abgeändert, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden ist.

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird über die Anordnung in dem vorbezeichneten Beschluss hinaus zusätzlich angeordnet, dass der Antragsgegner es zu unterlassen hat, in Bezug auf den Antragsteller zu verbreiten oder durch Dritte verbreiten zu lassen oder zu veröffentlichen oder durch Dritte veröffentlichen zu lassen

„A, B“,

wenn dies geschieht wie in der am 27. Januar 2022 auf dem C-Kanal „D“ veröffentlichten und auf Blatt 11 der Akten des Beschwerdeverfahrens abgespeicherten C-Story des Antragsgegners.

Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Antragsteller zu einem Drittel und der Antragsgegner zu zwei Dritteln. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist entgegen der Auffassung des Landgerichts auch insoweit zulässig und begründet, als der Antragsteller die Äußerung „A, B“ angreift. Auch insoweit steht dem Antragsteller ein Unterlassungsanspruch zu (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB), denn auch diese Äußerung verletzt sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK), wodurch eine Wiederholungsgefahr indiziert wird.

Die Äußerung bezieht sich unzweifelhaft auf den Antragsteller, der unstreitig unter der Bezeichnung „A“ in der Öffentlichkeit auftritt und der während der Äußerung im Bild gezeigt wird. Der Antragsgegner ist für die Äußerung auch verantwortlich. Denn zwar stammt die fragliche Videosequenz von einem unbekannten Dritten. Indem der Antragsgegner die Sequenz in seine insgesamt gegen den Antragsteller gerichtete Collage eingebunden hat, ohne offenzulegen, dass er das Video nicht selbst gefilmt und auch den Text nicht gesprochen hat, hat er sich die Äußerung jedoch zu Eigen gemacht.

Offen bleiben kann, ob die Äußerung zwingend als rein wertende Äußerung zu verstehen ist oder ob der Abwägung auch ein Verständnis der Äußerung als eine die sexuelle Orientierung des Antragstellers beschreibende Tatsachenbehauptung als nicht entfernt liegende Deutungsvariante zu Grunde zu legen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207 Rn. 35). Im letztgenannten Fall berührt die Äußerung deshalb den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers, weil eine Diskrepanz zwischen öffentlich vorgespiegelter – der Antragsteller kommuniziert öffentlich, dass er in einer heterosexuellen Beziehung lebt – und tatsächlich gelebter sexueller Orientierung behauptet wird. Das muss der Antragsteller nicht hinnehmen, weil die Äußerung, er sei „schwul“, versteht man sie als Tatsachenbehauptung, unstreitig nicht der Wahrheit entspricht.

Schließt man hingegen ein Verständnis als Tatsachenbehauptung als fernliegende Deutungsvariante aus, so wird der durchschnittliche Betrachter der Video-Collage die angegriffene Äußerung als ehrenrührige Herabsetzung verstehen. Nach dem Duden hat „schwul“ in der Jugendsprache die Bedeutung „in Verdruss, Ärger, Ablehnung hervorrufender Weise schlecht, unattraktiv, uninteressant“, wobei die Verwendung des Wortes in diesem Sinne als diskriminierend gilt (https://www.duden.de/rechtschreibung/schwul). Auch hat eine Studie der E ergeben, dass F Schüler das Wort „schwul“ nach ihren Angaben häufig als Schimpfwort verwenden (Seiten 46 f. der Anlage Ast 14 zur Beschwerdeschrift). Es liegt deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeerwiderung auf der Hand, dass auch der durchschnittliche und unbefangene Nutzer von C, der die vom Antragsgegner veröffentlichte Video-Collage betrachtet, die Äußerung, sofern er sie nicht als eine die sexuelle Orientierung des Antragstellers beschreibende Tatsachenbehauptung versteht, in dem hier zu beurteilenden Kontext der Collage als Beleidigung auffassen wird. In diesem Verständnis wird der Betrachter dadurch bestärkt, dass der Sprecher den Antragsteller wenige Sekunden später auch als „Bastard“ bezeichnet, was unzweifelhaft – auch nach Ansicht des Landgerichts – als grobe Beleidigung anzusehen ist. Aus der vom Antragsgegner angeführten Entscheidung des Landgerichts Tübingen folgt nichts anderes, da diese sich nicht mit dem Begriff „schwul“ befasst (Urteil vom 18. Juli 2012 – 24 Ns 13 Js 10523/11, NStZ-RR 2013, 10).

Die Äußerung „A, B“ ist auch dann rechtswidrig, wenn man sie entsprechend den vorstehenden Ausführungen als rein wertend versteht. Ohne dass es dann darauf ankommt, ob es sich um eine Schmähkritik handelt, überwiegt jedenfalls im Rahmen der gebotenen Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht des Antragsgegners auf Meinungs- und Medienfreiheit das Schutzinteresse des Antragstellers (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680 Rn. 30 ff.). Es ist nicht erkennbar, dass die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Die angegriffene Äußerung hat auch keinen nachvollziehbaren Bezug zu dem in der Video-Collage behandelten Disput der Parteien über einen mutmaßlichen körperlichen Übergriff des Antragstellers auf seine Ehefrau. Vielmehr wird der Antragsteller gezeigt, während er auf offener Straße und ohne erkennbaren Anlass angepöbelt und jedenfalls durch den Begriff „Bastard“ grob beleidigt wird. Allein der Umstand, dass der Sprecher dem Antragsteller dabei auch vorwirft, er habe den Cousin des Antragsgegners beleidigt, rechtfertigt die angegriffene Äußerung „A, B“ nicht, zumal dieser Vorwurf in der Video-Collage auch nicht weiter erläutert wird oder sich sonst erschließt. Entsprechendes gilt für weitere, in der Beschwerdeerwiderung angesprochene Äußerungen des Antragstellers, die in der Video-Collage nicht erkennbar behandelt werden. Zu Lasten des Antragsgegners ist ferner zu berücksichtigen, dass die angegriffene Äußerung nicht ad hoc in einer hitzigen Situation gefallen ist, sondern der Antragsgegner die fragliche Video-Sequenz eines Dritten – die dieser selbst offenbar nicht mehr weiter verbreitet hat – mit Bedacht in eine eigene Video-Collage eingebunden hat. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Äußerung angesichts der Bekanntheit der Parteien – ihre YouTube-Kanäle haben unstreitig jeweils über eine Million Abonnenten – eine erhebliche Breitenwirkung hatte.

Die Tenorierung unter Verweis auf die in den elektronischen Akten des Senats archivierte Datei ist unter Beachtung der Ausführungen des Senats zu dieser Möglichkeit im Beschluss vom 12. Juli 2021 – 15 W 45/21, GRUR-RS 2021, 26526 Rn. 29 erfolgt.

Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 890 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wegen § 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgeschlossen.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt im vorliegenden Fall die allgemeinen Bestimmungen des deutschen Zivilrechts, wie z.B. Vertragsrecht, Schuldrecht und Sachenrecht. Im gegebenen Text könnten Regelungen zur Vertragsgestaltung, Vertragsabschluss, Leistungsstörungen, Schadensersatz oder Gewährleistung von Bedeutung sein.
  2. Handelsgesetzbuch (HGB) – In dem juristischen Text könnten Handelsrechtliche Bestimmungen eine Rolle spielen, wenn eine oder beide Parteien als Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuchs auftreten. Im HGB finden sich Regelungen zu Handelsgeschäften, Handelsvertretern, Handelsgesellschaften, Prokura und Handelsregister.
  3. Arbeitsrecht – In dem gegebenen Text könnten auch arbeitsrechtliche Aspekte relevant sein, wenn es beispielsweise um Arbeitsverträge, Kündigungen, Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche oder Arbeitsschutz geht. Dieser Rechtsbereich umfasst Gesetze wie das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) oder das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), die den rechtlichen Rahmen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorgeben.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos