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Unterlassungsanspruch – Zeugenaussage über ein Vier-Augen-Gespräch mit potentiellem Täter

AG Osnabrück – Az.: 48 C 1519/18 – Urteil vom 06.11.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Die Parteien sind Lehrer an der BBS W..

Am 01.02.2018 kontaktierte der Kriminalhauptkommissar L. von der Polizeiinspektion O. den Beklagten telefonisch und gab an, dass der Beklagte eine Aussage bezüglich eines Waffenerwerbs des Klägers tätigen soll. KHK L. war durch die Vernehmung anderer Personen zu Ohren gekommen, dass der Kläger sich gegenüber dem Beklagten hinsichtlich eines etwaigen Waffenerwerbs geäußert haben soll. Vor seiner Vernehmung am 05.02.2018 wies der Beklagte auf seine Bedenken hin, dass hier Aussage gegen Aussage stehen könne und er sich nicht dem Vorwurf einer Lüge bzw. Falschaussage aussetzen wolle. KHK L. bestärkte den Beklagten dahingehend, eine Aussage zu tätigen, da man überprüfen müsse, ob der Kläger tatsächlich im Besitz solcher Waffen sei. Er wies den Beklagten auf eine etwaige Notwendigkeit einer Aussage hin. Der Beklagte sagte sodann zur Sache aus. Er erklärte im Rahmen seiner Vernehmung, der Kläger habe zu ihm sagt, er habe zwei Kalaschnikows erworben und würde sie, so sinngemäß, auch dazu einsetzen, Einbrechern „den Kopf weg zu mähen“. Wegen der Einzelheiten der Aussage wird auf das Vernehmungsprotokoll der Polizeiinspektion O. vom 05.02.2018 verwiesen.

Der Beklagte wurde von der Polizei ordnungsgemäß belehrt und bestätigte die Richtigkeit seiner Aussage. Aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts M. wurde am 11.04.2018 das Wohnhaus des Klägers von Polizeibeamten ergebnislos durchsucht. Es wurden keine Waffen gefunden. Das eingeleitete Strafverfahren wurde daraufhin nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Der Kläger forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 03.05.2018 zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Dies lehnte der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 09.05.2018 ab.

Der Kläger behauptet, die vor der Polizei getätigte Aussage sei falsch und vom Beklagten erfunden worden. Er habe gegenüber dem Beklagten nie behauptet, im Besitz zweier Kalaschnikow zu sein oder diese dazu einzusetzen zu wollen, Einbrechern in den Kopf zu schießen.

Er meint, dass den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der Aussage treffe und dass der Beklagte dieser Pflicht nicht nachgekommen sei. Ihn treffe eine sekundäre Darlegungslast, insbesondere hinsichtlich etwaiger Belegtatsachen für seine Behauptung. Der Kläger meint weiter, dass das Durchsuchungsergebnis für die Unwahrheit der Aussage des Beklagten spreche.

Darüber hinaus ist er der Auffassung, dass die Vorwürfe durch den Beklagten zumindest fahrlässig unrichtig erhoben worden seien und den Beklagten aufgrund der Beamtenstellung der Parteien eine besondere Aufklärungs- und Informationspflicht treffe, die Richtigkeit seiner Aussage, insbesondere vor einer Aussage bei der Polizei, zu überprüfen. Der Beklagte habe zumindest wissen können, dass die Aussage für den Kläger weitreichende Konsequenzen habe. Er habe die Anzeige als Rundumschlag gegen den Kläger und zum Zwecke einer Schmähkritik genutzt.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, zu behaupten, zu verbreiten und/oder behaupten oder verbreiten zu lassen,

„Daraufhin sagte Herr T. mir, dass er seinerzeit selbst zwei solche Waffen, als Kalaschnikows erworben habe. Sinngemäß sagte er noch zu mir, dass wenn jemand (bezog sich auf Einbrecher) seinen Kopf über den Zaun stecken würde, dann mähe ich den weg.“,

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot dem Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten anzudrohen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bestreitet, unwahre Tatsachen behauptet zu haben; er habe vielmehr nur das wiedergegeben, was der Kläger ihm mitgeteilt habe.

Hintergrund sei gewesen, dass der Kläger am 15.01.2016 – insoweit unstreitig- von einem Schüler bedroht worden sei, woraufhin der Beklagte den Kläger auf den Vorfall im Lehrerzimmer angesprochen habe. Dieser, so behauptet der Beklagte, habe dann gesagt, der Schüler solle ruhig zu ihm nach Hause kommen, den würde er mit der Kalaschnikow über den Haufen ballern.

Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft M. (Az. ) waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 analog, 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 186 StGB nicht zu.

Nach diesen Vorschriften kann derjenige, dessen geschütztes Rechtsgut in rechtswidriger Weise verletzt wurde, bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr vom für die Beeinträchtigung Verantwortlichen Unterlassen verlangen.

Eine mögliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers war jedenfalls nicht rechtswidrig. Der Beklagte hat berechtigte Interessen i.S.d. § 193 StGB wahrgenommen.

Die Vorschrift des § 193 StGB findet dabei ebenso wie § 186 StGB über § 823 Abs. 2 BGB Anwendung im Zivilrecht (vgl. BVerfG, Urteil vom 07.03.2011 – 1 BvR 3838/14).

Grundsätzlich trifft denjenigen die Beweislast für die Wahrheit der Tatsachenbehauptung, der diese aufstellt (vgl. BVerfGE 114, 339), jedoch kommt es hierauf bei nicht erwiesener Unwahrheit und der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht an.

Bei Tatsachenbehauptungen, die weder erweislich wahr noch erwiesenermaßen unwahr sind, ist zwar grundsätzlich eine Abwägungsentscheidung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht zu treffen (BVerfG, a.a.O.) – dies betrifft sogar Behauptungen, die möglicherweise unwahr sind (vgl. BVerfGE 114, 339). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur, soweit die Behauptung gegenüber privaten Dritten geäußert wird. Gegenüber den zuständigen Behörden besteht keine eigene Aufklärungs- und Informationspflicht, sodass auch nicht erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden dürfen ( Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, StGB § 193 Rn. 20).

Daher sind im Falle einer Aussage in Bezug auf eine Straftat auch bei Nichterweislichkeit der behaupteten Straftat bzw. der Wahrheit der ihr zugrundeliegenden Tatsachenbehauptungen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt, wenn für den Verdacht Anhaltspunkte gegeben sind (Schönke/Schröder, a.a.O.).

Niemand kann daran gehindert werden, angebliche Missstände denjenigen Stellen anzuzeigen, die dazu berufen sind, einem entsprechenden Verdacht nachzugehen (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 03.08.2006 – 4 U 536/06; BGH NJW 1962, 243; BGH, WM 1978, 62). Dies gilt insbesondere für Strafanzeigen (BVerfG, NJW 1987, 1929).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Behauptung des Beklagten ist nicht erwiesen unwahr. Der Kläger hat keinen Beweis dafür angeboten, dass es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt. Auch das Ergebnis der Durchsuchung spricht entgegen der Auffassung des Klägers nicht für die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung des Beklagten.

Die Aussage des Beklagten beschränkte sich auf den Inhalt eines von ihm behaupteten Gesprächs mit dem Kläger. Zu keinem Zeitpunkt hat der Beklagte behauptet, der Kläger sei tatsächlich im Besitz der Waffen. Das Durchsuchungsergebnis ist kein geeigneter Hinweis darauf, ob und mit welchem Inhalt das streitige Gespräch stattgefunden hat. Lediglich hinsichtlich eines vom Beklagten nicht behaupteten tatsächlichen Besitzes hätte das Durchsuchungsergebnis Bedeutung.

Die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung gilt auch nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Den Beklagten trifft keine erweiterte (sekundäre) Darlegungslast. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist diese im Urteil vom BGH vom 22.04.2008, Az.: VI ZR 83/07 angenommene Darlegungslast hier nicht gegeben. Die dort entwickelten Grundsätze sind im Rahmen eines förmlichen Verfahrens nicht anzuwenden.

Wenn jemand der zuständigen Ermittlungsbehörde einen auf eine möglicherweise begangene Straftat bezogenen Verdacht mitteilt, der ihm im Rahmen eines Vier-Augen-Gesprächs vom potenziellen Täter mitgeteilt wurde, ist er nicht verpflichtet Belegtatsachen, die den Inhalt des Gesprächs beweisen, anzugeben.

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Das Recht des Aussagenden, mit seinem Verhalten zur Verfolgung strafbarer Handlungen beizutragen, darf nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt werden. (OLG Dresden, MDR 2007, 8 – 10; vgl. BGH. NJW 1962, 243). Im Hinblick auf die Eigenart des Vier-Augen-Gesprächs, in dem sich nur die widerstreitenden Parteien gegenüberstehen, darf dem Aussagenden nicht die Gefahr einer zivilgerichtlichen Unterlassungsklage aufgebürdet werden. Er hat aber die Umstände des Gesprächs darzulegen. Diesen Anforderungen ist der Beklagte gerecht geworden. Er hat sowohl in seiner Aussage vor der Polizei als auch im Schriftsatz vom 03.07.2018 und 03.08.2018 die Umstände und den Inhalt seiner Behauptung dargelegt. Seine Aussage beinhaltet genügend Anhaltspunkte für den bekundeten Verdacht.

Wird die Aussage vor der untersuchungspflichtigen Behörde getätigt, so trifft den Aussagenden hinsichtlich der Wahrheit der behaupteten Tatsachen auch keine eigene Prüfungs- und Informationspflicht (Schönke/Schröder, a.a.O.). Es ist gerade Aufgabe der Behörde, den Verdacht zu klären. Dies gilt insbesondere, wenn – wie im vorliegenden Fall – die zuständige Behörde auf den Aussagenden zukommt und auf ihn zur Tätigung einer Aussage bestärkend einwirkt.

Den Beklagten trifft keine eigene Prüfungs- und Informationspflicht hinsichtlich seiner Aussage.

Ohne die Aussage des Beklagten wären Untersuchungen der Polizei gegen den Kläger nicht in die Wege geleitet worden. Je schwerer eine Straftat wiegt, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit für ihr wirkliches Vorliegen zu stellen. Dem Beklagten war es zudem auch nicht möglich und erlaubt, weitere Überprüfungen eigenständig vorzunehmen.

Es wäre wenig aussagekräftig und nicht zielführend gewesen, wenn der Beklagte den Kläger hinsichtlich der genaueren Umstände und des Verbleibs der Waffen ausgefragt hätte. Selbst wenn der Kläger die behauptete Aussage relativiert hätte, hätte dies den Beklagten nicht von seiner Pflicht befreit, die zuständigen Behörden zu informieren.

Eine weitergehende Überprüfung wäre ihm zudem nicht gestattet gewesen. Ohne zwingenden Grund ist das Eindringen in den privaten Lebensbereich zur weiteren Überprüfung nicht gestattet (vgl. BGHZ 19, 235). Ein solcher Grund lag hier nicht vor, da gerade die Polizei als zuständige Untersuchungsbehörde verpflichtet war, dem Verdacht nachzugehen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich auch aus der Beamtenstellung der Parteien nichts Anderes.

Angesichts des gesamten Verhaltens des Beklagten im Hinblick auf die streitgegenständliche Behauptung, insbesondere seine gegenüber der Polizei geschilderten Bedenken, liegen auch nicht genügend Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte den Kläger persönlich angreifen wollte und die Anzeige als Rundumschlag gegen den Kläger und zum Zwecke einer Schmähkritik genutzt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 2 GKG.

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