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Unterleibsbehandlung – Entfernung einer Spirale – Schwangerschaft

LG Dortmund

Az: 4 O 191/09

Urteil vom 22.12.2010


Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden aufgrund einer gynäkologischen Behandlung im Haus der Beklagten zu 3. im Jahr 2008 in Anspruch.

Die Klägerin wurde am 15.11.1970 geboren und war zum Behandlungszeitpunkt 37 Jahre alt. Gemeinsam mit ihrem Ehemann … hat sie zwei Kinder, geboren am 17.03.2001 und 14.02.2003. Diese wurden und werden von dem Ehemann, der Hausmann ist, versorgt. Die Klägerin selbst leitet seit dem Jahr 2000 eine staatlich anerkannte Schule für Pflege- und Gesundheitsberufe, seit 2006 ist sie zusätzlich in einer Schule für Alten- und Familienpflege im Angestelltenverhältnis tätig.

Am 27.04.2008 wurde die Klägerin mit starken Unterbauchschmerzen und stark aufgeblähtem Bauch auf der gynäkologischen Station der Beklagten zu 3. aufgenommen. Chefarzt der Abteilung ist der Beklagte zu 1.. Dieser führte noch am gleichen Tag eine Sonographie durch. Bei bekannten rezidivierenden Ovarialzysten kam er zu der Diagnose, dass massiv freie Flüssigkeit im Abdomen vorhanden sei und riet zu einer Entfernung der Ovarialzysten mittels einer Laparoskopie (Bauchspiegelung). Noch am gleichen Tag führte die Beklagte zu 4. ein Aufklärungsgespräch mit der Klägerin. Insoweit wird auf das Aufklärungsformular Bl. 25 f d.A. verwiesen. Der operative Eingriff fand am Folgetag, den 28.04.2008, statt und verlief ohne Komplikationen. Der Eingriff zur Entfernung der Zyste steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

Während der Durchführung der Laparoskopie entfernte der Beklagte zu 1. bei der Klägerin vaginal die Spirale Mirena. Hierbei handelt es sich um eine Hormonspirale, die eine Liegezeit von 5 Jahren hat. Sie war der Klägerin von ihrer Gynäkologin, der Zeugin S, am 28.04.2004 zum Zweck der Verhütung eingesetzt worden. Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin die Entfernung der Spirale bekannt war und sie der Entfernung zugestimmt hat.

Nach der Operation stellten sich bei der Klägerin leichte vaginale Blutungen ein. Am 02.05.2008 konnte die Klägerin nach unauffälligem Befund bei der Abschlussuntersuchung entlassen werden. Die ambulante Weiterbehandlung übernahm wiederum die Gynäkologin S. Weder der vorläufige noch der endgültige an diese gerichtete Arztbericht vom 02.05.2008 bzw. 20.05.2008 enthielten einen Hinweis auf die Entfernung der Spirale.

Nach mehreren Kontrolluntersuchungen stellte die Gynäkologin S am 19.08.2008 fest, dass die Klägerin schwanger war.

Am 23.03.2009 gebar die Klägerin per Kaiserschnitt eine gesunde Tochter namens ….

Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1. habe während der Operation die Spirale ohne vorherige Rücksprache mit ihr und ohne ihre Einwilligung entfernt. Zu keinem Zeitpunkt sei sie darüber informiert worden. Es habe auch keine absolute Indikation für den Eingriff bestanden, sodass auch nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung auszugehen sei, aufgrund derer man den geplanten Eingriff zur Zystenentfernung hätte erweitern dürfen. Zudem fehle es an jeglicher postoperativen Aufklärung über die Entfernung der Spirale. Obwohl sie über Blutungen geklagt habe, sei ihr auch in diesem Zusammenhang die Entfernung der Spirale nicht mitgeteilt worden. Vielmehr habe die Stationsärztin, die Beklagte zu 2., erklärt, die vaginale Blutung sei nach derartigen Operationen normal. Spätestens beim Verlassen des Hauses habe ihr die Entfernung der Spirale mitgeteilt werden müssen, damit sie sich anderweitig um eine Schwangerschaftsverhütung hätte kümmern können.

Eine Aufklärung sei weder prä- noch postoperativ dokumentiert.

Auch die nachbehandelnde Ärztin sei nicht informiert worden. Aus diesem Grund sei mit dieser die Entfernung der Spirale für den Monat März 2009 geplant worden, da erst dann die Liegezeit abgelaufen wäre.

Da sie von der Entfernung der Spirale keine Kenntnis gehabt habe und keine anderen Maßnahmen zur Verhütung getroffen habe, sei sie schwanger geworden. Eine weitere Schwangerschaft sei nicht gewollt gewesen. Die Familienplanung sei mit der Geburt der bereits vorhandenen zwei Kinder abgeschlossen gewesen. In der Schwangerschaft habe sie unter regelmäßigen Schwindel- und Übelkeitsanfällen gelitten.

Die Klägerin erachtet ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.500,00 € für angemessen. Mit Schreiben vom 20.10.2008 unter Fristsetzung bis zum 17.11.2008 forderte sie die Versicherung der Beklagten auf, das geltend gemachte Schmerzensgeld zu zahlen.

Darüber hinaus verlangt sie für sich und ihren Ehemann die Freistellung von Unterhaltsleistungen nach Einkommensgruppe 3 bzw. 9 der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des erhaltenen Kindergeldes für die Dauer ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter …. Sie errechnet einen Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber ihrem Ehemann von monatlich 228,00 € und gegenüber sich selbst von 346,00 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Seite 15 ff der Klageschrift (Bl. 15 ff d.A.) Bezug genommen. Für die Monate März 2009 bis Juli 2009 verlangt sie 5 x 515,00 € (gemeint wohl 574,00 €), nämlich insgesamt 2.870,00 €.

Sie behauptet, es würden noch weitere Schäden drohen. Es sei bekannt, dass die Erziehung und Betreuung eines Kindes mit rund 150.000,00 € bis zum 18. Lebensjahr anzusetzen sei.

Schließlich begehrt sie die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit, und zwar in Höhe von 837,52 € für die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung und in Höhe einer 2-fachen Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Mehrwertsteuer in Höhe von 3.796,10 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung Bl. 20 f d.A. verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld nebst 5-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2008 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen

a. sie von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrer Tochter …., geb. am 23.03.2009, nach Einkommensgruppe 9 der Düsseldorfer Tabelle (152 %), abzüglich des hälftigen Kindergeldes, zahlbar monatlich im Voraus, spätestens zum dritten Werktag eines jeden Monats für die Dauer ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrer Tochter ….., freizustellen;

b. den Kindesvater … von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter …, geb. am 23.03.2009, nach Einkommensgruppe 3 der Düsseldorfer Tabelle (110 %), abzüglich des hälftigen Kindergeldes, für die Dauer seiner Unterhaltspflicht gegenüber ihrer Tochter ….., freizustellen;

c. an sie 2.870,00 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner ihr und dem Kindesvater … als Gesamtgläubiger den aufgrund der Entfernung der Spirale „Mirena“ während der Operation vom 28.04.2008 entstehenden weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr und dem Kindesvater G aufgrund der Entfernung der Spirale „Mirena“ und der Geburt ihrer Tochter …., geb. am 23.03.2009, entstanden ist und noch entstehen wird;

4. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 3.796,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

5. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Spirale sei auf Wunsch und mit Zustimmung der Klägerin entfernt worden. Sie habe angegeben, dass die Spirale Mirena bereits seit 4 ½ Jahren liegen würde. Bei der Sonographie am 27.04.2008 sei die Klägerin deshalb von dem Beklagten zu 1. darauf hingewiesen worden, dass die Spirale in 6 Monaten entfernt werden müsse, da sie dann ihre Wirksamkeit verlieren werde. Hierbei habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass das Einsetzen der Spirale äußerst unangenehm und schmerzhaft gewesen sei. Deshalb habe ihr der Beklagte zu 1. angeboten, die Spirale bei der Operation, wenn sie in Vollnarkose sei, mit zu entfernen. Dies sei auf dem Sonographiebogen und in dem OP-Bericht vermerkt worden.

Die Beklagte zu 2. habe die Klägerin im Rahmen der Visite am 29.04.2008 nochmals ausführlich über den durchgeführten Eingriff und die Entfernung der Spirale informiert. Die Klägerin sei darüber aufgeklärt worden, dass kein Verhütungsschutz mehr bestanden habe.

Im Übrigen fehle es an einer Aktivlegitimation, um einen Schaden des Kindsvaters geltend zu machen.

Es werde bestritten, dass der Klägerin die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Rechnung gestellt worden seien und dass überhaupt eine Deckungszusage eingeholt worden sei. Die Höhe sei unangemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Das Gericht hat die Parteien angehört und Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen……… Wegen der Anhörung der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 10.12.2009 Bl. 132 – 138 und vom 16.09.2010 Bl. 177 – 189 d.A. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten weder ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz noch auf Freistellung von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter B oder auf Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden zu, und zwar weder aufgrund von vertraglichen Ansprüchen nach §§ 611, 280, 278, 253, 249 BGB noch aufgrund von deliktsrechtlichen Ansprüchen nach §§ 823, 831, 31, 253, 249 BGB..

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I. Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld

Soweit die Klägerin aufgrund einer vermeintlich ungewollten Schwangerschaft Schmerzensgeldansprüche gegen sämtliche Beklagten geltend macht, scheitern vertragliche Ansprüche gegen die Beklagten zu 1., 2. und 4. bereits an einem fehlenden Vertragsverhältnis. Die Klägerin ist bei der neuen BKK gesetzlich versichert. Am 27.04.2008 ist mit ihr ein Behandlungsvertrag in Form eines sogenannten totalen Krankenhausaufnahmevertrages zustande gekommen. Nur gegen die Beklagte zu 3. könnten vertragliche Ansprüche bestehen.

Deliktsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagten zu 1., 2. und 4. sowie vertragliche und deliktsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 3. bestehen aber nicht. Die Klägerin hat entgegen der vorliegenden Dokumentation der Behandler nicht zu beweisen vermocht, dass die Spirale ohne ihre Zustimmung entfernt worden ist.

Dabei unterliegt es zunächst keinen Zweifeln, dass eine Zustimmung der Klägerin zu der Entfernung der Spirale erforderlich war, da die Entfernung, die vaginal stattfindet und ohne Narkose mit Schmerzen verbunden ist, einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Klägerin darstellte und ihr Selbstbestimmungsrecht tangierte.

Die Entfernung der Spirale war auch nicht durch die Einwilligung zur Laparoskopie zum Zweck der Entfernung der Ovarialzyste gedeckt und stellte auch keine notwendige Ausdehnung dieses Eingriffes dar. Denn die Parteien sind sich einig, dass die Operation der Ovarialzyste und die Spiralenentfernung in keinem inneren Zusammenhang standen. Der eine Eingriff erfolgte ausschließlich laparoskopisch im Bauchraum, der andere vaginal. Auch nach Darstellung der Beklagten handelte es sich um eine weitere, von der Zystenentfernung unabhängige Behandlung.

Es ist grundsätzlich Sache des Krankenhausträgers bzw. der behandelnden Ärzte zu beweisen, dass diesem zusätzlichen Eingriff eine Zustimmung der Klägerin vorausgegangen ist. An die Darlegungs- und Beweislast der Behandlerseite sind aber keine überzogenen Anforderungen zu stellen.

Für eine Zustimmung der Klägerin spricht die Dokumentation des Beklagten zu 1.. So ist auf dem Sonographiebefund vom 27.04.2008 handschriftlich von dem Beklagten zu 1. vermerkt:

“ Procedere Dg on LSK + IUP Entfernung. (Pat ist über die IUP – Entfernung aufgeklärt !!) „

In dem OP-Bericht vom Folgetag heißt es: „…Die noch in situ liegende Mirena wird, wie mit der Patientin besprochen, entfernt….“

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der ärztlichen Dokumentation und den darin enthaltenen Angaben bis zum Beweis der Unrichtigkeit Glauben zu schenken ist, sofern die Eintragungen zeitnah und nicht erst nachträglich erstellt worden sind und auch keine Umstände ersichtlich sind, die zu Zweifeln an der allgemeinen Vertrauenswürdigkeit der Niederlegungen berechtigen (BGH NJW 1978, 1681; vgl. Schmid, NJW 1987,681 m.w.N.).

Die Kammer hat nach Anhörung des Beklagten zu 1. keine Zweifel, dass er die Eintragungen in den Sonographiebericht am 27.04.2008 vorgenommen hat und auch den OP-Bericht zeitnah erstellt hat. Die Klägerin behauptet selbst nichts Gegenteiliges. Damit oblag es der Klägerin die von der Dokumentation ausgehende Indizwirkung zu widerlegen und zu beweisen, dass ihre dort niedergelegte Zustimmung anlässlich des Sonographiegesprächs tatsächlich nicht erteilt worden ist.

Dieser Beweis ist der Klägerin nicht gelungen. Nach Anhörung der Parteien, Vernehmung von Zeugen und Würdigung der sonstigen Umstände hat die Kammer nicht feststellen können, dass die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin entgegen der Dokumentation die richtige ist.

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2010 den Beklagten zu 1. als behandelnden Chefarzt und die Klägerin angehört. Der Beklagte zu 1. hat erklärt, dass die Klägerin im Hinblick auf die Spirale erklärt habe, dass diese etwa 4 ½ Jahre liegen würde und er darauf hingewiesen habe, dass in einem halben Jahr ein Wechsel stattfinden müsse. Die Klägerin habe erklärt, dass die Einlage schmerzhaft gewesen sei. Da auch die Entfernung schmerzhaft sein könne, habe er eine Entfernung während der ohnehin anstehenden Operation angeboten. Dies sei von der Klägerin bejaht worden. So sei es auf dem Sonographiebogen und in dem OP-Bericht vermerkt worden.

Die Klägerin hat dem gegenüber angegeben, dass sie nachgefragt habe, ob die Zystenbildung an der Spirale liegen könne, was der Beklagte zu 1. verneint habe. Auf die Frage nach der Liegezeit habe sie erklärt, dass die Spirale 1 Jahr nach der Geburt der Tochter (14.02.2003) eingesetzt worden sei und daher im nächsten Jahr gewechselt werden solle. Es sei nicht darüber gesprochen worden, dass die Einbringung der Spirale problematisch gewesen sei. Dies sei auszuhalten gewesen. Wenn, dann hätte sie sich auch eine neue Spirale einsetzen lassen. Wenn über die Entfernung gesprochen worden wäre und sie eine Zustimmung erklärt hätte, dann hätte sie dies auch gegenüber der aufklärenden Ärztin, der Beklagten zu 4., erwähnt bzw. die Entfernung wäre Teil des Aufklärungsgespräches gewesen.

Beide Parteien schließen ein Missverständnis aus.

Aufgrund des persönlichen Eindrucks von den Parteien konnte die Kammer nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Darstellung der Klägerin mehr Glauben zu schenken ist als der des Beklagten zu 1.. Beide Parteien haben vor der Kammer einen gleich guten Eindruck hinterlassen.

Es gibt gewichtige Argumente, die für die Richtigkeit der Darstellung der Klägerin sprechen und das behauptete Einverständnis zur Entfernung der Spirale wenig nachvollziehbar erscheinen lassen. Die Spirale war, wie die Befragung der Zeugin …. ergeben hat, am 28.04.2004 eingesetzt worden und konnte tatsächlich noch ein ganzes Jahr bis April 2009 belassen werden. Es ist also wenig verständlich, warum die Klägerin einer Entfernung der Spirale ein ganzes Jahr zu früh zugestimmt haben sollte. Nichts Anderes gilt im Übrigen, wenn die verbleibende Liegezeit nur ein halbes Jahr betragen hätte. Probleme durch die liegende Spirale bestanden nicht. Dies hat die Befragung der Zeugin … ergeben. Wenig nachvollziehbar ist auch, warum sich die Klägerin im Hinblick auf angebliche Schmerzen bei der letzten Einbringung die Spirale hätte entfernen lassen sollen, ohne direkt in Narkose eine neue einsetzen zu lassen. Dann hätte sie sich nämlich unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt der schmerzhaften Neueinlage bei ihrer Frauenärztin unterziehen müssen. Gegenüber einem Wechsel im Folgejahr, bei dem Frau … nach ihren Angaben Herausnahme und Einsetzen zeitgleich durchgeführt hätte, bestanden keine Vorteile. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass die Klägerin entsprechend der von ihr geschilderten Frage an den Behandler doch einen Zusammenhang mit der Zystenbildung befürchtete und aus diesem Grund einer Neubildung durch die Entfernung der Spirale begegnen wollte.

Auch für die Richtigkeit der Darstellung des Beklagten zu 1. gibt es auf der Hand liegende Argumente. Er hatte nämlich ohne Einverständnis der Klägerin keinerlei Veranlassung, die Spirale zu entfernen. Vaginal wurde nicht operiert. Mit den Angaben des Beklagten zu 1. deckt sich auch, dass in dem Aufnahmebogen aufgeführt ist, dass nach den Angaben der Klägerin die Spirale bereits seit 4 ½ Jahren liegen würde. Dies war zwar nicht richtig. Die Klägerin hat aber ausweislich der Dokumentation diese Angabe gemacht.

Beide Darstellungen sind in sich schlüssig, miteinander aber unvereinbar.

Eine weitere Klärung der Erörterungen anlässlich des Sonographiegespräches am 27.04.2008 war nicht möglich. Die Beklagte …, die an der Behandlung teilgenommen haben soll, hatte bei ihrer Befragung keine Erinnerung an das Geschehene.

Die Beklagte … hat alsdann das Aufklärungsgespräch zu der geplanten Operation geführt. Eine konkrete Erinnerung an das Gespräch hatte sie ebenfalls nicht. Soweit in dem Aufklärungsbogen zur geplanten Laparoskopie die Entfernung der Spirale keine Erwähnung findet, misst die Kammer dem keine durchgreifende Bedeutung bei. Mit der Entfernung der Spirale waren keine Risiken verbunden, über die hätte aufgeklärt werden müssen. Das Aufklärungsgespräch bezog sich stattdessen auf die Laparoskopie, die mit der Spiralenentfernung nicht im inneren Zusammenhang stand. Ausweislich der Dokumentation war die Entscheidung zur Entfernung der Spirale schon am 27.04.2008 getroffen worden.

Obwohl sich auch aus dem Folgegeschehen Argumente für die Ahnungslosigkeit der Klägerin ableiten lassen, ist die Kammer letztlich nicht überzeugt, dass es von Anfang an an einer Zustimmung zur Entfernung der Spirale fehlte.

Insbesondere spricht dabei für die Darstellung der Klägerin, dass sie nach den bestätigenden Angaben ihrer Gynäkologin … die Entfernung der Spirale für den Monat April oder Mai 2009 plante. In diesem Zusammenhang möchte die Kammer ausschließen, dass die Klägerin dies bewusst getan hat und in Wirklichkeit den Wunsch nach einer Schwangerschaft gehabt hätte. Nach Befragung der Klägerin und ihres Ehemannes ist die Kammer davon überzeugt, dass die Familienplanung abgeschlossen war. Die Klägerin selbst war seit dem Jahr 2000 beruflich stark eingespannt und sorgte für das Familieneinkommen. Der Ehemann, der als Hausmann die Betreuung der beiden Kinder übernommen hatte, plante die Aufnahme einer Berufstätigkeit.

Die von der Klägerin beklagten Blutungen sind in diesem Zusammenhang nicht richtungsweisend. Die Beklagten tragen selbst vor, dass diese Blutungen postoperativ durch die Entfernung der Zyste bedingt sein konnten. Bei den Nachuntersuchungen durch die Zeugin S waren teils leichte Blutungen vorhanden, teils keine. Es ist zwar ungewöhnlich, war aber nicht ausgeschlossen, dass es unter der Hormonspirale zu leichten (Regel)-Blutungen kam.

Auch die Tatsache, dass nach der Entfernung der Spirale kein Faden mehr zu tasten war, lässt keinen Rückschluss zu. Bereits der Beklagte zu 1. hat bei seiner Befragung eingeräumt, dass der Faden der Spirale für die Klägerin nicht zwingend spürbar war und ihr das Fehlen nicht zwingend hätte auffallen müssen. Das Gleiche hat die Gynäkologin S bestätigt, die die Klägerin nach der Operation sogar vaginal untersucht hat und der selbst nicht der Verdacht gekommen ist, dass die Spirale entfernt sein könnte.

Der vermeintlichen Ahnungslosigkeit der Klägerin steht aber entgegen, dass in den Krankenunterlagen am Folgetag der Operation vermerkt ist: „Info OP“. Die Beklagte zu 2. selbst hatte zwar keine Erinnerung mehr an das Gespräch bei der Visite. Da aber in der Kurve ein OP-Eintrag „Ex-IUP“ von dem Zeugen U vorhanden war, hat sie nachvollziehbar darauf verwiesen, dass sie – wenn sie an der Operation nicht beteiligt war – sich bei dem Nachgespräch an der Eintragung orientiert und üblicherweise über das berichtet, was in den Unterlagen eingetragen ist. Dann muss auch die Entfernung der Spirale Gegenstand der Unterredung bei der Visite gewesen sein.

Die Kammer kann daher nicht feststellen, dass dem Beklagten zu 1. bei Absprache des Operationsumfangs oder der Beklagten zu 4. als aufklärende Ärztin oder der Beklagten zu 2. als Behandlerin am Folgetag ein Versäumnis vorzuwerfen ist.

Soweit im Übrigen unstreitig ist, dass die nachbehandelnde Ärztin in beiden Briefen nicht von der Entfernung der Spirale in Kenntnis gesetzt worden ist, sieht die Kammer hierin keinen Fehler in der (therapeutischen) Aufklärung und keinen Haftungsgrund gegenüber der Klägerin. Die Kammer hat die Klägerin als energische, intelligente und moderne Frau kennengelernt. Dass einer solchen bei Entfernung der Spirale klar war, dass ggf. ein anderer Weg der Verhütung gewählt werden musste, ist offensichtlich und bedurfte keiner postoperativen weiteren Aufklärung. Die jetzige Handhabung im Haus der Beklagten zu 3., den Patientinnen die Spirale auf das Nachtschränkchen zu stellen, ist nachvollziehbar, aber nicht zwingend erforderlich.

II. Anspruch auf Zahlung bzw. Freistellung von der Unterhaltslast

Die Klägerin hat gegen die Beklagten auch keinen Schadensersatzanspruch in Höhe der Unterhaltsbelastung, die ihr und ihrem Ehemann durch die Geburt der Tochter … entstanden ist (§ 249 BGB).

Eine Haftung der Beklagten zu 1., 2. und 4. scheidet bereits aus, weil für diese ohnehin nur eine Haftung aufgrund von deliktsrechtlichen Vorschriften in Betracht käme und eine solche Vermögensschäden nicht abdeckt. Die Geburt des gesunden Kindes B ist erfreulich und stellt keinen Schaden dar. Die Kammer verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Der Schutz der Menschenwürde gemäß Artikel 1 des Grundgesetzes verbietet es, die Existenz eines Kindes als Schaden zu bewerten (BGH VersR 1995, 964; BVerfG NJW 1993, 1751).

Ob unter rechtlichen Gesichtspunkten eine Haftung der Beklagten zu 3. aus Vertragsrecht zumindest für den Mindestunterhalt in Betracht käme und der Fall der mutwilligen Entfernung eines Verhütungsmittels den Fällen gleichzustellen wäre, bei denen der Schutz vor wirtschaftlichen Belastungen durch die Geburt eines Kindes Gegenstand des jeweiligen Behandlungs- oder Beratungsvertrages war, kann dahinstehen. Wie bereits dargetan, hat die Klägerin entgegen der Dokumentation nicht beweisen können, dass für den Eingriff keine Zustimmung ihrerseits vorlag.

III. Anspruch auf Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht sowie weitere Schadensersatzansprüche

Da die Klägerin entgegen der Dokumentation ihre fehlende Zustimmung nicht beweisen kann, scheitern auch die geltend gemachten weiteren Ansprüche auf Zahlung und Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden.

Im Übrigen wäre auch bei einer Haftung wegen einer ungewollten Schwangerschaft der Schadensersatzanspruch auf den eventuellen Mindestunterhaltsbedarf begrenzt, sodass weitere Betreuungskosten für ein gesundes Kind oder damit verbundener Verdienstausfall ohnehin nicht verlangt werden könnte (BGH NJW 1997, 1638).

IV. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Über die Kosten der Nebenintervention war nicht zu entscheiden, da der Beitritt erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt ist (vgl. Zöller, ZPO § 101, 2).

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