LG München – Az.: 20 U 5102/11 – Urteil vom 13.06.2012
I. Auf die Berufung der Klägerin und der Nebenintervenienten wird das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 10.11.2011, Az. 74 O 915/09, aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 590.400,- nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.02.2008 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des im Unternehmenskaufvertrag vom 16.12.2007 bezeichneten Unternehmens Café, Restaurant „B.“.
Ferner wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5.189,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.04.2009 zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer I. bezeichneten Unternehmens seit 06.03.2009 in Verzug befindet.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 65 %, die Klägerin 35 %. Von den Kosten der Nebenintervention im Berufungsverfahren trägt die Beklagte 65 %, im Übrigen tragen die Nebenintervenienten ihre Kosten selbst.
Die Beklagte trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der dort angefallenen Kosten der Nebenintervention.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien und die Nebenintervenienten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
VII. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zur Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012 auf 901.520,- EUR, ab diesem Zeitpunkt auf 590.400,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises für einen Unternehmenskauf nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Mit Kaufvertrag vom 16.12.2007 (Anlage K 1) verkaufte die Beklagte an die Klägerin das Café, Restaurant „B.“.
Die Übergabe des Lokals erfolgte am 01.02.2008.
Gemäß § 2 Nr. 1 des Kaufvertrages waren sich die Parteien einig, „dass der Gesamtkaufpreis sich aus dem materiellen und ideellen Wert der verkauften Vermögensgegenstände zusammensetzt.“ § 2 Nr. 2 des Vertrages lautet: „Der Gesamtkaufpreis beträgt somit 600.000,00 € (hiervon sind noch die Beträge für die Gutscheine und die Kaffeemaschine(n) abzuziehen)… „.
§ 5 Nr. 3 des Kaufvertrages lautet: „Gutscheine, für die der Verkäufer die Vergütung bereits erhalten hat, werden vom Käufer eingelöst. Ein Betrag in Höhe von Euro 6.000.00 wird vom Kaufpreis abgezogen.“
Nach den somit im Kaufvertrag vorgesehenen Abzügen ergab sich ein Kaufpreis in Höhe von 590.400,- EUR.
§ 4 Nr. 2 a) des Vertrages lautet wie folgt: „Der Verkäufer beschäftigt zur Zeit die in der Anlage aufgeführten Arbeitnehmer. Den Parteien ist bekannt, dass durch diesen Kaufvertrag ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB vorliegt, womit die in der Anlage bezeichneten Arbeitsverträge auf den Käufer übergehen. Der Verkäufer versichert, dass er keine weiteren, nicht in der Anlage aufgeführten Arbeitnehmer beschäftigt. Die Anlage enthält alle zur Zeit bestehenden Arbeitsverhältnisse nebst den jeweiligen wesentlichen Daten zu Vertragsbeginn, Gehalt, betrieblichen Versor-gungsanspüchen, Urlaub und sonstigen Nebenleistungen. Die jeweiligen Arbeitsverträge sind, soweit in schriftlicher Form vorhanden, der Anlage beigefügt.“
Die in dieser Regelung bezeichnete Anlage wurde der Klägerin nicht übergeben. Die Beklagte hatte bis zur Übergabe des Lokals ihren Arbeitnehmern neben den offiziellen Gehältern auch Schwarzlöhne bar ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 07.11.2008 (Anlage K 2) erklärte die Klagepartei die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, was sie mit anwaltlichem Schreiben vom 11.12.2008 (Anlage K 9) wiederholte. Mit Schreiben vom 24.02.2009 (Anlage K 10) forderte sie die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises bis 05.03.2009 auf und bot zugleich die Rückgabe der Kaufsache an.
Die Klägerin behauptete – soweit in der Berufungsinstanz noch entscheidungserheblich -, sie sei von der Beklagten über die Schwarzlöhne, über die Gutscheine und über Schwarzeinnahmen arglistig getäuscht worden. Was die Gutscheine angehe, so habe die Beklagte vorgeschlagen, hierfür 6.000,- EUR anzusetzen und versichert, dass die Klägerin damit gut fahre, weil sie eher weniger, keinesfalls mehr Gutscheine einzulösen habe. Tatsächlich seien dann von der Klägerin noch Altgutscheine (also noch von der Beklagten verkaufte Gutscheine) im Wert von weit über 70.000,- EUR eingelöst worden, davon allein im Jahr 2008 Gutscheine im Wert von 45.000,- EUR.
Was die Schwarzlöhne angehe, so habe die Beklagte statt der im Kaufvertrag bezeichneten Anlage die Lohnauswertung 2007 (Anlage K 12) mit den offiziellen Gehältern übergeben. Die Beklagte habe zugesichert, dass es sich dabei um die tatsächlichen und vollständigen Löhne handle, die deshalb von 2006 nach oben abwichen, da nunmehr die Löhne verbucht würden. Erst bei Gesprächen mit den Arbeitnehmern im Februar und März 2008 habe die Klägerin von den Schwarzlöhnen erfahren.
Die Klägerin beantragte deshalb in erster Instanz die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 590.400,- EUR nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Lokals, die Feststellung des Annahmeverzugs, und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Ferner machte sie Schadensersatzansprüche in Höhe von 2.000,- EUR geltend sowie hilfsweise für den Fall des Obsiegens Ansprüche, die den von den Nebenintervenienten geschlossenen Mietvertrag betreffen.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung, da ein Anfechtungsgrund nicht vorliege. Die Lohnauswertung (Anlage K 12) habe sie nicht übergeben, offensichtlich habe der Zeuge Dr. B., der die Verhandlungen auf Klageseite geführt habe, sich diese über die Kanzlei S. verschafft. Es habe aber Herr Ke. noch vor Vertragsschluss Anfang Dezember 2007 von dem Zeugen Ka., dem Ehemann der Beklagten, eine Liste erhalten, aus der sich ergebe, an welche Personen welche Barlöhne gezahlt wurden.
Was die Gutscheine angehe, so habe man sich auf den Kaufpreis in Höhe von 600.000.- EUR als Festpreis auch unter Berücksichtigung der Tatsache geeinigt, dass noch Gutscheine im Umlauf gewesen seien. Auf Vorschlag des Zeugen Dr. B. seien dann nochmals pauschal 6.000,- EUR für die Gutscheine abgezogen worden, wobei allen Beteiligten klar gewesen sei, dass nicht konkret nachvollziehbar sei, wie hoch der Wert der im Umlauf befindlichen Gutscheine tatsächlich sei. Die Beklagte habe den Wert der im Umlauf befindlichen Gutscheine nicht gekannt. Sie bestritt den von der Klägerin vorgetragenen Umfang der eingelösten Altgutscheine. Es sei anzunehmen, dass Dr. B. in der Kanzlei S. Einsicht in die die Gutscheine betreffenden Unterlagen genommen habe.
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung scheide zudem wegen Bestätigung aus. Auch sonstige Ansprüche bestünden nicht.
Ergänzend wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat nach umfassender Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Die Klägerin, die insoweit die Beweislast trage, habe eine arglistige Täuschung nicht nachgewiesen. Sie habe insbesondere nicht widerlegen können, dass sie eine Liste über die Barlöhne erhalten habe. Das Gericht vermöge nicht zu entscheiden, welcher Zeuge die Wahrheit sage, so dass nach Beweislastgrundsätzen zu entscheiden sei.
Hinsichtlich der Gutscheine stehe zwar aufgrund der Zeugenaussagen und der Unterlagen fest, dass die im Jahr 2008 eingelösten Altgutscheine den Betrag von 6.000 EUR bei Weitem überstiegen. Aber auch hier habe das Gericht sich keine Überzeugung bilden können, ob der Vortrag der Klägerin oder der ebenso nachvollziehbare Vortrag der Beklagten zu den diesbezüglichen Vereinbarungen zutreffe, so dass nach Beweislastgrundsätzen zu Lasten der Klägerin zu entscheiden sei. Hinzu komme, dass die Klägerin nicht den konkreten Nachweis geführt habe, das die Beklagte wusste, wie viele Gutscheine noch nicht eingelöst waren.
Das Landgericht wies die Klage auch im Übrigen ab.
Ergänzend wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen wenden sich die Klägerin und die Nebenintervenienten mit der Berufung. Sie sind insbesondere der Auffassung, das Landgericht habe eine arglistige Täuschung zu Unrecht verneint, die Beweislastverteilung falsch gesehen und die Beweise teilweise falsch gewürdigt.
Sie haben zuletzt beantragt:
I. Das Urteil des Landgerichts Landshut vom 10.11.2011 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 590.400,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.02.2008 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache gemäß Kaufvertrag vom 16.12.2007.
III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der Kaufsache gemäß Unternehmenskaufvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten vom 16.12.2007 seit dem 06.03.2009 in Annahmeverzug befindet.
VI. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 5.189,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.03.2009 zu bezahlen.
Die Anträge in Ziffern IV. und V. der Berufungsbegründung vom 29.02.2012 (Bl. 314 d.A.), die eine Schadensersatzforderung in Höhe von 2.000,- EUR und Ansprüche im Hinblick auf den von den Streithelfern geschlossenen Mietvertrag betreffen, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012 nicht gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, insbesondere habe das Landgericht die Beweislastverteilung richtig gesehen. Hinsichtlich der Barlöhne liege kein Fall der Täuschung durch aktives Tun, sondern allenfalls durch Verschweigen vor, weil der Kaufvertrag keine Information über die Arbeitsverträge und das Gehalt enthalte, sondern sich insoweit nur auf eine nicht existente Anlage beziehe.
Was die Gutscheine angehe, habe das Landgericht auch die Version der Beklagten zu den diesbezüglichen Vereinbarungen für möglich gehalten. An das sich daraus ergebende non-liquet sei der Senat ebenso gebunden wie an das non-liquet hinsichtlich der Aufklärung über Barlöhne. Der Kaufvertrag spreche auch nicht gegen die Version der Beklagten, es sei lediglich versäumt worden, klarzustellen, dass die Gutscheine schon in die Vereinbarung des Kaufpreises von 600.000,- EUR eingeflossen seien. Die Beklagte sei zur Aufklärung über einen höheren Wert der Altgutscheine nicht verpflichtet gewesen. Ihr fehle auch der Vorsatz hinsichtlich der Kausalität, da sie (jedenfalls für sich) davon ausgegangen sei, dass die Gutscheine bereits im Kaufpreis berücksichtigt seien, so dass sie nicht damit gerechnet habe, dass ihre Angaben für die Kaufentscheidung der Klägerin von Bedeutung seien. Sie beruft sich weiterhin auf eine Bestätigung gemäß § 144 BGB, da die Klägerin das Lokal in Kenntnis der Anfechtungsgründe über Monate weiter betrieben habe und mit den Mitarbeitern neue Vereinbarungen über die Weiterbeschäftigung und den Lohn getroffen habe, was im übrigen auch gegen die Kausalität der angeblichen Täuschung für den Kaufentschluss spreche. Eine Bestätigung sei auch darin zu sehen, dass die Klägerin nach der Anfechtungserklärung noch den Kaufpreis habe mindern wollen. Anspruch auf Zinsen bestünde erst ab dem 06.03.2009, da sich die Beklagte vorher nicht in Verzug befunden habe. Mangels Verzugs könnten auch die Rechtsanwaltskosten nicht verlangt werden, die im Übrigen zu hoch bemessen seien. Die Rechtsanwaltskosten seien auch nicht zu verzinsen.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf den Hinweis vom 12.03.2012 und auf die Sitzungsniederschrift vom 13.06.2012 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet, da die Klage, soweit sie mit der Berufung weiter verfolgt wird (Berufungsanträge zu Ziffern II., III. und VI.), überwiegend begründet ist. Was die Anträge zu Ziffern IV. und V. der Berufungsbegründung betrifft, so ist die Berufung insoweit dadurch konkludent zurückgenommen worden, dass diese Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012 nicht gestellt wurden; diese Anträge sind deshalb nur im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigen.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübertragung des von ihr mit Kaufvertrag vom 16.12.2007 gekauften Unternehmens, aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB. Die Beklagte hat den von der Klägerin für das Unternehmen bezahlten Kaufpreis durch Leistung ohne Rechtsgrund erlangt, weil die Klägerin den Kaufvertrag vom 16.12.2007 wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, so dass dieser von Anfang an nichtig ist (§ 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat die Klägerin sowohl hinsichtlich der Schwarzlöhne (s. Buchst. a) als auch über den Wert der Gutscheine (s. Buchst. b) arglistig getäuscht. Eine Bestätigung gemäß § 144 Abs. 1 BGB durch die Klägerin ist nicht erfolgt (s. Buchst. c).
a) Die Beklagte hat die Klägerin arglistig getäuscht, indem sie durch positives Tun – nämlich die Formulierung in § 4 Nr. 2 a) des Kaufvertrages – den Eindruck erweckt hat, es würden an die Mitarbeiter des Lokals „B. “ nur offizielle Gehälter gezahlt, und nicht darüber aufgeklärt hat, dass auch Schwarzlöhne gezahlt werden.
In § 4 Nr. 2 a) des Kaufvertrages ist der Übergang der Arbeitsverhältnisse mit den damit zusammenhängenden Punkten „Gehalt“ und „Nebenleistungen“ ausdrücklich angesprochen. Die Regelung selbst enthält zwar keine näheren Auskünfte zu Gehalt und Nebenleistungen, insbesondere nicht zur Höhe, vielmehr wird insoweit auf eine Anlage verwiesen, die aber unstreitig nicht übergeben wurde. Es ist auch entgegen der Behauptung der Klägerin streitig, ob die Lohnauswertung 2007, die die offiziellen Gehälter enthielt, von der Beklagten an die Klägerin übergeben wurde oder ob der Zeuge Dr. B. diese der Klagepartei über die Kanzlei S. verschafft hat. Entscheidend ist aber, dass durch § 4 Nr. 2 a) des Kaufvertrages der Eindruck erweckt wird, sämtliche das Gehalt der Arbeitnehmer betreffende Daten könnten mit einer offiziellen Anlage zum Kaufvertrag schriftlich vorgelegt werden, sie könnten darüber hinaus auch durch diejenigen Arbeitsverträge, die schriftlich geschlossen wurden, belegt werden. Schwarzlöhne werden aber typischerweise nicht schriftlich festgehalten, weder in Arbeitsverträgen noch in sonstigen schriftlichen Unterlagen, sie werden auch nicht als offizielle Anlage einem Kaufvertrag beigefügt. Das sieht auch die Beklagte so (Schriftsatz vom 11.02.2010, S. 6/Bl. 82 d.A., wonach „kein vernünftiger Mensch“ eine Liste mit Barlöhnen „zum offiziellen Bestandteil eines Kaufvertrages machen“ wird). Somit wird durch die Formulierung im Kaufvertrag der falsche Eindruck erweckt, es würden an die Mitarbeiter ausschließlich offizielle, durch schriftliche Unterlagen belegbare Gehälter gezahlt.
Ob der Zeuge Dr. B. mangels Übergabe der im Kaufvertrag erwähnten Anlage die Daten zum offiziellen Gehalt in Form der Lohnauswertung 2007 nun von der Beklagten oder – wie von dieser vermutet – über die Kanzlei S. erhalten hat, spielt keine Rolle. Denn aufgrund des Kaufvertrages war nur die Beschaffung von Informationen über offizielle Daten, wie sie die Lohnauswertung 2007 enthält, veranlasst, nicht jedoch eine Recherche zu Schwarzlöhnen, die in der Kanzlei S. ohnehin unstreitig nicht verbucht waren.
Da bereits durch die Formulierung im Kaufvertrag – also durch ein positives Tun – der falsche Eindruck hervorgerufen wurde, es gäbe nur offizielle Gehälter, lag es an der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass sie diesen falschen Eindruck durch eine Aufklärung über Schwarzlöhne beseitigt hat (Palandt, BGB, 71. Auflage 2012, § 123 Rn. 30 m.w.N.; OLG Köln, VersR 1996, 631). Dies ergibt sich zusätzlich aus dem Gesichtspunkt der Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde. Denn auch wenn der Kaufvertrag selbst die Informationen über die Gehälter der Mitarbeiter im Detail nicht enthält und die Anlage, die diese Informationen enthalten soll, nicht übergeben wurde, so wird doch der Eindruck der Vollständigkeit und Richtigkeit insoweit erweckt, als gäbe es nur offizielle Gehälter, die vollständig schriftlich belegt werden können. Es obliegt deshalb der Beklagten, die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Vertragsurkunde zu widerlegen (BGH, NJW 1999, 1702; NJW 2002, 3164; OLG Koblenz, VRS 2002, 174; Thomas/Putzo, ZPO, 33. Auflage 2012, § 416 Rn. 3), zumal gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 des Vertrages mündliche Nebenabreden nicht bestehen.
Die Beklagte hätte deshalb ihre Behauptung beweisen müssen, sie habe die Klägerin aufgeklärt, indem der Zeuge Ka. vor Vertragsschluss Herrn Ke. eine Liste über die Schwarzlöhne übergeben habe. Das Landgericht konnte sich dazu jedoch nach umfassender Beweisaufnahme und Beweiswürdigung keine Überzeugung bilden. Diese non-liquet-Feststellung (s. insbes. angefochtenes Urteil S. 11, erster Absatz und Seite 13, erster Absatz) ist für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend und der Entscheidung über die Berufung zugrunde zu legen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen; unzutreffend ist nur die vom Landgericht vorgenommene Beweislastverteilung. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte über die Schwarzlöhne aufgeklärt und dadurch den durch den Kaufvertrag erweckten Irrtum beseitigt hat.
Der Irrtum der Klägerin ist auch nicht anderweitig dadurch beseitigt worden, dass Dr. B. Einsicht in die Daten der Kanzlei S. nehmen konnte, da die Beklagte einräumt, dass die Barlöhne dort nicht verbucht waren (Schriftsatz vom 05.08.2011, S. 6/Bl. 253 d.A.). Dass die Klageseite von Fahndungsmaßnahmen gegen die Beklagte wusste, dürfte schon aufgrund der Aussage des Zeugen Dr. B. vor dem Landgericht feststehen. Dies lässt jedoch nicht darauf schließen, dass ihr bekannt war, dass und in welchem Umfang trotz der Fahndungsmaßnahmen Schwarzlöhne weiter ausgezahlt wurden; vielmehr lag die Vermutung nahe, dass die Auszahlung solcher Löhne mit dem deutlich vor Vertragsschluss liegenden Beginn der Fahndungsmaßnahmen umgehend eingestellt worden war.
Der Irrtum der Klägerin, an die Mitarbeiter würden nur offizielle Gehälter ausgezahlt, war für die Entschließung der Klägerin, den Kaufvertrag mit diesem Inhalt abzuschließen, auch kausal. Dafür spricht schon die allgemeine Lebenserfahrung (vgl. dazu Münchener Kommentar, BGB, 6. Auflage 2012, § 123 Rn. 83 m.w.N.). Aufgrund § 4 Nr. 2 a) des Kaufvertrages durfte die Klägerin bei ihren Kalkulationen, die auch die Höhe des Kaufpreises bestimmen, davon ausgehen, dass sich die Personalausgaben nur an offiziellen Gehältern ausrichten, wie sie aus der Lohnauswertung 2007 (auch wenn sich die Klägerin diese mangels Übergabe der Anlage zu § 4 Nr. 2 a des Kaufvertrages selbst beschafft haben sollte) ersichtlich sind. Werden aber außerdem Schwarzlöhne gezahlt, so erhöht dies die Ausgaben, zumal die Mitarbeiter in der Regel auf den zusätzlichen Verdienst nach der Betriebsübernahme nicht werden verzichten wollen, möglicherweise sogar ihren Verbleib im Unternehmen hiervon abhängig machen. Dies ist für die Wirtschaftlichkeitsberechnung von wesentlicher Bedeutung. Daran, dass die Klägerin den Kaufvertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte, wenn sie über die Zahlung der Barlöhne aufgeklärt worden wäre, bestehen deshalb keine Zweifel.
Zweifel werden auch nicht dadurch begründet, dass die Klägerin zunächst am Vertrag festgehalten hat, nachdem sie Anfang des Jahres von den Barlöhnen erfahren hat. Zwar kann ein Festhalten am Vertrag trotz Kenntnis des wahren Sachverhalts Zweifel an der Kausalität nähren (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1992, 908). Die Besonderheit dieses Falles besteht aber darin, dass die Klägerin nach Übernahme des Unternehmens ihren Mitarbeitern gegenüber im Hinblick auf § 613 a BGB verpflichtet war, die Arbeitsverhältnisse fortzuführen, dass sie ferner verpflichtet war, die Auszahlung von Schwarzlöhnen einzustellen, was Verhandlungen mit den Mitarbeitern erforderlich machte, dass sie nach ihrem Einstieg in ein laufendes Unternehmen auch im Hinblick auf etwaige weitere Gläubiger Interesse daran haben musste, dieses nicht durch Untätigkeit wirtschaftlich zu ruinieren, dass sie sich also aus wirtschaftlicher und rechtlicher Notwendigkeit zum Weiterbetrieb des Lokals veranlasst sehen musste. Dieses verantwortungsbewusste Verhalten kann der Klägerin deshalb im Rahmen der Kausalität nicht angelastet werden und ändert nichts an der Tatsache, dass die Kenntnis über die Zahlung zusätzlicher Löhne in Form von Schwarzlöhnen ein die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussender Umstand war.
Die Beklagte hat arglistig gehandelt. Sie wusste, dass Schwarzlöhne ausgezahlt wurden. Sie konnte nicht damit rechnen, dass die Klagepartei über die Kanzlei S. die Informationen über Schwarzlöhne erhalten würde, weil dort (natürlich) nur die offiziellen Daten (wie die Lohnauswertung 2007) verbucht waren. Es genügt im Rahmen des § 123 BGB, wenn die Beklagte es für möglich hielt, dass die unrichtige Vorstellung der Klagepartei, es würden nur offizielle Gehälter ausgezahlt, für die Entschließung der Klagepartei zum Vertragsabschluss von Bedeutung war (Palandt, aaO, § 123 Rn. 11 m.w.N.). Daran, dass sie dies für möglich hielt, da sie sich als frühere Betreiberin des Lokals der Bedeutung von Personalausgaben, deren Höhe und Legalität für die Entscheidung zur Übernahme eines Lokals bewusst war, hat der Senat keine Zweifel.
b) Die Beklagte hat die Klagepartei ferner dadurch arglistig getäuscht, dass sie durch positives Tun – nämlich die Formulierung in § 2 Nr. 2 und § 5 Nr. 3 des Kaufvertrages – den Eindruck erweckt hat, es sei jedenfalls ansatzweise realistisch, die noch von der Beklagten verkauften und von der Klägerin einzulösenden Gutscheine mit einem Wert von 6.000,- EUR anzusetzen und nur diesen Betrag vom Kaufpreis abzuziehen. Dies war jedoch deshalb nicht realistisch, weil nach den bindenden, aufgrund Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen des Landgerichts (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) allein die im Jahr 2008 tatsächlich eingelösten Altgutscheine den Wert von EUR 6.000,- „bei Weitem übersteigen“.
Der Senat sieht sich ebenso an die non-liquet-Feststellung des Landgerichts gebunden, dass nicht feststeht, ob sich die Parteien nun einig waren, dass die Gutscheine – wie von der Beklagten behauptet – schon in einem ersten Schritt bei der Festlegung des Kaufpreises als Festpreis in Höhe von 600.000,- EUR und in einem zusätzlichen Schritt nochmals auf Vorschlag des Zeugen Dr. B. mit einem Abzug in Höhe von 6.000,- EUR berücksichtigt wurden, oder ob – wie die Klägerin behauptet – der Betrag von 6.000,- EUR der Gegenwert für die Gutscheine sein sollte. Der Senat beurteilt aber auch in diesem Punkt die Beweislastverteilung anders als das Landgericht, so dass das festgestellte non liquet zu Lasten der Beklagten und nicht der Klagepartei geht.
Die Beweislast liegt deshalb bei der Beklagten, weil auch hinsichtlich der Regelungen zu den Gutscheinen die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde gilt. Die Gutscheine sind ausdrücklich nur in § 2 Nr. 2 und § 5 Nr. 3 des Kaufvertrages und ausschließlich mit dem Inhalt erwähnt, dass diese vom Gesamtkaufpreis in Höhe von 600.000,- EUR mit einem Betrag von 6.000,- EUR abzuziehen sind. Die Behauptung der Beklagten, die Gutscheine seien außerdem schon in einem ersten Schritt bei der Festlegung des Gesamtkaufpreises auf 600.000,- EUR kaufpreisreduzierend berücksichtigt worden, findet im Vertrag keinerlei Stütze. Die Beklagte musste deshalb diese angebliche mündliche Vereinbarung, die nach ihrer Behauptung in der Berufungserwiderung im Kaufvertrag lediglich nicht klargestellt wurde, beweisen, was ihr ausweislich der non-liquet-Feststellung des Landgerichts nicht gelungen ist. Hinzu kommt, dass an den Gegenbeweis angesichts der Regelung in § 9 Nr. 1 Satz 1 des Vertrages, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen, ohnehin hohe Anforderungen zu stellen gewesen wären.
Da also nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Klagepartei klar war, dass die Gutscheine schon kaufpreisreduzierend bei der Festlegung des Gesamtkaufpreises berücksichtigt wurden, wurde durch den Kaufvertrag der falsche Eindruck erweckt, der Betrag von 6.000,- EUR würde jedenfalls ansatzweise dem Wert der von der Klägerin einzulösenden sog. Altgutscheine entsprechen. Dies gilt umso mehr, als nach dem unstreitigen Vortrag beider Parteien (auch der Beklagten, s. Schriftsatz vom 14.05.2009, S. 3/Bl. 21 d.A.) eine genaue monatliche Abrechnung der Gutscheine andiskutiert wurde, auch wenn man sich hierauf nicht geeinigt hat. Selbst wenn, wie von der Beklagten behauptet, der Zeuge Dr. B. den Abzugsbetrag von 6.000,- EUR vorgeschlagen haben sollte, so hat die Beklagte durch ihr Einverständnis mit diesem Betrag zum Ausdruck gebracht, dass dieser Wert jedenfalls einigermaßen realistisch sei. Sie hätte aber, weil sie aufgrund ihrer Erfahrungen aus den Vorjahren gegenüber der Beklagten einen Wissensvorsprung hatte, darauf hinweisen müssen, dass schon angesichts der üblichen Verkaufszahlen im Dezember der Nominalwert der Gutscheine deutlich höher sein wird; dass sie dies getan hat, hat sie nicht einmal behauptet. Gerade wegen dieses Wissensvorsprungs und der unstreitigen Diskussion über die Alternative der Abrechnung kann die Beklagte nicht mit ihrem Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Übernahme einer Bürgschaft (NJW 1992, 899) durchdringen, wonach ein Volljähriger das Risiko und die Tragweite seines Handelns selbst einzuschätzen hat.
Davon, dass die Fehlvorstellung der Klagepartei, der Wert von 6.000,- EUR sei ein realistischer Wert, anderweitig ausgeräumt wurde, kann nicht ausgegangen werden. Allein der von der Zeugin W. belegte Umstand, dass Dr. B. die Möglichkeit hatte, Einsicht in die Gutscheinbuchungen zu nehmen, bedeutet nicht, dass er dies auch getan hat. Die Zeugin wusste zwar, dass der Zeuge in die Daten zur Einkommensteuer Einsicht genommen hatte, nicht aber, ob er auch in die die Gutscheine betreffenden Daten Einsicht genommen hatte (Bl. 196 f. d.A.). Der Umstand, dass sich die Klagepartei mit der Beklagten auf einen viel zu niedrigen Abzug einigte, spricht eher dagegen, dass sie sich die notwendigen Informationen anderweitig beschafft hat.
Auch die Fehlvorstellung über den Wert der Gutscheine war für die Entschließung der Klagepartei, den Kaufvertrag mit diesem Inhalt abzuschließen, kausal. Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass sie zumindest darauf gedrungen hätte, die Gutscheine mit einem wesentlich höheren Wert zu berücksichtigen, wenn sie gewusst hätte, dass sie auch und gerade in der Anfangsphase ihres Betriebs Gutscheine in weitaus höherem Umfang würde einlösen müssen. Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Kausalität im Zusammenhang mit den Barlöhnen (oben unter a) hier entsprechend.
Für die Annahme der Arglist der Beklagten ist nicht erforderlich, dass diese genau wusste, wie viele Altgutscheine genau die Klägerin würde einlösen müssen. Es genügt, dass die Beklagte es für möglich hielt, dass der Wert von 6.000,- EUR unrealistisch ist und dass die Klägerin den Vertrag bei Kenntnis dieses Umstands nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte, also zumindest die Gutscheine mit einem höheren Wert in Abzug gebracht hätte. Allein schon der Vortrag der Beklagten, sie habe jedenfalls ihrerseits die Gutscheine bereits in einem ersten Schritt bei der Kalkulation des Kaufpreises kaufpreismindernd berücksichtigt, belegt, dass sie es nicht nur für möglich hielt, sondern damit rechnete, dass ein Ansatz von nur 6.000,- EUR dem Wert der Altgutscheine und der sich daraus ergebenden Verbindlichkeiten der Klägerin nicht annähernd entsprechen würde. Davon, dass der Klagepartei bekannt war, dass die Beklagte die Gutscheine schon bei der Festlegung des Kaufpreises von 600.000,- EUR mindernd berücksichtigt hatte, kann nicht ausgegangen werden, da die Beklagte diesen ihr obliegenden Beweis nicht erbracht hat (s.o.).
c) Die Klagepartei hat den Kaufvertrag nicht dadurch im Sinne des § 144 Abs. 1 BGB bestätigt, dass sie das Lokal trotz Kenntnis der Anfechtungsgründe weiter betrieben und mit ihren Mitarbeitern neue Vereinbarungen über die Weiterbeschäftigung und den Lohn getroffen hat.
Die Bestätigung im Sinne des § 144 BGB ist der Sache nach ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht, der nicht empfangsbedürftig ist und auch konkludent erfolgen kann (Palandt aaO., § 144 Rn. 2). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 1992, 779), der sich der Senat anschließt, sind jedoch „an die Annahme einer Bestätigung durch schlüssiges Verhalten strenge Anforderungen zu stellen, da Teilnehmer am Rechtsverkehr erfahrungsgemäß nicht ohne Weiteres auf … Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten pflegen… Für die Fälle eines Anfechtungsrechts nach § 123 BGB gilt dies in besonderem Maße deshalb, weil dem Anfechtungsberechtigten in derartigen Fällen eine Anfechtungsfrist von einem Jahr zur Verfügung steht (§ 124 BGB). Diese gesetzliche Überlegungsfrist darf …nicht dadurch unterlaufen werden, dass vor Ablauf der Frist jedes Verhalten des Anfechtungsberechtigten, das sich (noch) im Rahmen seiner Vertragspflichten bewegt, schon als Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts gewertet wird. Eine stillschweigende Bestätigung i.S. von § 144 BGB kann vielmehr nur angenommen werden, wenn das Verhalten des Anfechtungsberechtigten eindeutig Ausdruck eines Bestätigungswillens ist und jede andere den Umständen nach einigermaßen verständliche Deutung ausscheidet … Sobald ein Verhalten auch auf einem anderen Grund beruhen kann, ist eine Bestätigung grundsätzlich nicht anzunehmen… Wird die angebotene Sache aber nur aus wirtschaftlicher Notwendigkeit oder zur Abwendung eines größeren Verlustes zunächst an- oder in Gebrauch genommen, so bedeutet ein solches Verhalten in der Regel keine Bestätigung i.S. von § 144 BGB …“
Das Verhalten der Klagepartei innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist, das Lokal weiter zu betreiben und nicht durch Untätigkeit wirtschaftlich zu ruinieren, und der Abschluss neuer Vereinbarungen mit den Mitarbeitern auf der Grundlage ausschließlich legaler Löhne, war durch rechtliche und wirtschaftliche Notwendigkeiten veranlasst (s.o. Buchstabe a). Die Klagepartei ist in ein laufendes Unternehmen mit laufenden Verträgen und Verbindlichkeiten jedenfalls mit den Arbeitnehmern eingestiegen, derer sie sich nicht ohne Weiteres entziehen konnte. Zugleich war ihr innerhalb der einjährigen Überlegungsfrist des § 124 BGB das Recht einzuräumen, festzustellen, ob sich das Lokal nicht dennoch wirtschaftlich betreiben lässt. Ihr Verhalten lässt deshalb nicht nur eine andere Deutung als die der Bestätigung zu, eine solche andere Deutung ist sogar nahe liegend. Dies schließt eine Bestätigung aus.
Auch der Umstand, dass die Klagepartei nach erklärter Anfechtung im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen weitere Möglichkeiten einer Einigung gesucht hat, etwa die der Kaufpreisminderung, lässt auf eine Bestätigung nicht schließen (vgl. BGH, BGHZ 110, 220), zumal sie nicht sicher sein konnte, ob die von ihr erklärte Anfechtung als wirksam erachtet werden würde.
d) Ob die Klagepartei darüber hinaus auch über Schwarzeinnahmen arglistig getäuscht wurde, kann dahinstehen.
e) Rechtsfolge der erklärten Anfechtung ist, dass die Beklagte den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückübertragung des Lokals zurückzuzahlen hat. Ob weitere Gegenansprüche der Beklagten bestehen, etwa auf Herausgabe gezogener Nutzungen, kann dahinstehen, da die Saldotheorie bei arglistiger Täuschung nicht anwendbar ist (Palandt aaO., § 818 Rn. 49 f.). Da die Beklagte etwaige Gegenansprüche nicht in prozessual relevanter Weise, etwa durch Hilfsaufrechnung oder durch Eventualwiderklage auf Auskunft, geltend gemacht hat, bleiben diese in diesem Rechtsstreit unberücksichtigt.
2. Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ist gemäß § 849 i.V.m. § 823 Abs. 2, § 263 StGB ab dem 09.02.2008 zu verzinsen. Mit der hinsichtlich der Barlöhne und der Gutscheine begangenen arglistigen Täuschung hat die Beklagte zugleich den Tatbestand des Betrugs in Form des Eingehungsbetrugs erfüllt. Auch insoweit genügt hinsichtlich der Täuschung, der Irrtumserregung, der Vermögensverfügung (in Form der Eingehung einer Verbindlichkeit durch Abschluss des Kaufvertrages) und des daraus folgenden Schadens bedingter Vorsatz. Die Beklagte hat auch mit Bereicherungsabsicht gehandelt, weil es ihr darauf ankam, durch Abschluss des Vertrages den Anspruch auf Kaufpreiszahlung zu erhalten. Da die Klägerin ihren Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises somit auch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB stützen kann, ist gemäß § 849 BGB ihr Anspruch ab dem Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung zu verzinsen. Für die „Entziehung einer Sache“ im Sinne dieser Vorschrift genügt es, wenn der Verletzte durch die unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, die Sache – auch jede Form von Geld – wegzugeben oder über dieses zu verfügen (Palandt aaO., § 849 Rn. 1 m.w.N.). Die Klägerin ist durch die unerlaubte Handlung der Beklagten veranlasst worden, den Kaufpreis, der gemäß § 2 Nr. 2 des Vertrages eine Woche nach Übergabe des Lokals, also am 08.02.2009 fällig war, zu bezahlen. Sie hat damit wie beantragt ab dem 09.02.2008 einen Zinsanspruch. Dessen Höhe bestimmt sich nach § 288 Abs. 2 BGB, da es dem Normzweck des § 849 BGB entspricht, den Deliktsschuldner einem Verzugsschuldner gleichzustellen und den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit zu kompensieren (Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage 2009, § 849 Rn. 6). Spätestens ab dem 06.03.2009 besteht derselbe Zinsanspruch zudem aus Verzugsgesichtspunkten.
3. Da die Klägerin ihren Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nicht nur auf § 812 BGB, sondern auch als Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie auf culpa in contrahendo stützen kann, kann sie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten unabhängig von den Voraussetzungen des Verzugs als Teil des Schadens geltend machen. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war angesichts des eher kompliziert gelagerten Falls der Anfechtung eines Unternehmenskaufs erforderlich und zweckmäßig, so dass die Beklagte auch diese Kosten zu ersetzen hat (BGH, NJW 2004, 444; NJW 2006, 1065). Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr hält sich im Rahmen der Toleranzgrenze, ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen und von der ersatzpflichtigen Beklagten hinzunehmen (BGH, NJW 2011, 1603). Zu verzinsen ist der Anspruch auf Rechtsanwaltskosten erst ab Rechtshängigkeit (§ 291 Abs. 1 S. 1 BGB), da vorher mangels Mahnung, die nicht gemäß § 288 Abs. 2 BGB entbehrlich war, die Beklagte mit der Zahlung dieser Kosten nicht in Verzug geraten ist. Die Höhe richtet sich nach §§ 291 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 2 BGB.
4. Der Beklagten war die Rückgabe des Unternehmens mit Schreiben vom 24.02.2009 angeboten worden, eine Annahme, insbesondere eine Annahme gegen Angebot der geschuldeten und von der Klägerin mit Fristsetzung bis 05.03.2009 geforderten Gegenleistung durch Rückzahlung des Kaufpreises (s. § 298 BGB) ist aber nicht erfolgt. Der Annahmeverzug war daher wie beantragt festzustellen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 516 Abs. 3 S. 1 ZPO. Gemessen am Streitwert der ersten Instanz (594.400,- EUR), bei dem die Hilfsanträge hinsichtlich des Mietvertrages mangels Entscheidung hierüber gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht zu berücksichtigen waren, war die Zuvielforderung der Klagepartei geringfügig und verursachte keine höheren Kosten, so dass die Kosten der ersten Instanz der Beklagten aufzuerlegen sind.
Gemessen am Streitwert der Berufung bis zur Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012 in Höhe von 901.520,- EUR (vgl. hierzu die Gründe des Beschlusses vom 09.03.2012/Bl. 335 f. d.A.) und unter Berücksichtigung der teilweisen Berufungsrücknahme hinsichtlich der Anträge zu Ziffer IV. (2.000,- EUR) und Ziffer V. (309.120,- EUR) mit der daraus resultierenden Kostenfolge des § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO ergibt sich eine Kostenquote von 65 % zu Lasten der Beklagten und von 35 % zu Lasten der Klägerin. Der Umstand der Reduzierung des Streitwerts im Zeitpunkt der Urteilsverkündung wirkt sich auf die Kostenquote nicht aus.
Die Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention beruht auf § 101 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichtes.