Bundesgerichtshof
Az: III ZR 295/06
Urteil vom 15.11.2007
Leitsatz:
Zur Abgrenzung von Unternehmer- und Verbraucherhandeln und zu einer Haustürsituation bei einem Rechtsgeschäft, das der Vorbereitung einer Existenzgründung dient (Fortführung der Grundsätze des Senatsbeschlusses BGHZ 162, 253).
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2007 für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 3. November 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte beabsichtigte, sich als Mitinhaberin eines Fitness-Studios selbständig zu machen, indem sie in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die dieses Studio betrieb, eintrat. Auf Einladung der Beklagten und ihres Ehemanns suchte der klagende Steuerberater die Eheleute am 7. Januar 2004 in deren Wohnung auf, um die steuerliche Situation der Eheleute zu „beleuchten“. Der Kläger behauptet, bei dieser Gelegenheit sei er von der Beklagten mit der Erstellung eines Existenzgründungsberichts beauftragt worden, der insbesondere der Erlangung von Fördermitteln habe dienen sollen. Für die Ausarbeitung des Berichts stellte der Kläger der Beklagten ein Honorar für 40 Stunden zu je 80 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung. Diesen Betrag nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen hat er im vorliegenden Rechtsstreit eingeklagt.
Mit Schriftsatz vom 14. September 2005 hat die Beklagte den Vertrag gemäß §§ 312, 355 BGB vorsorglich widerrufen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Beide Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass der vom Kläger behauptete Vertrag über die Erstellung des Existenzgründungsberichts ein Haustürgeschäft im Sinne des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB n.F. gewesen ist. Dementsprechend stand der Beklagten das Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, das sie wirksam ausgeübt hat.
1. Die Beklagte war bei der Erteilung des Auftrags vom 7. Januar 2004 Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB, der Kläger Unternehmer im Sinne des § 14 BGB.
a) Der Auftrag konnte weder der gewerblichen noch der selbständigen beruflichen Tätigkeit der Beklagten zugerechnet werden. Zwar hat der Senat entschieden, dass Unternehmer- und nicht Verbraucherhandeln schon dann vorliegt, wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird (Senatsbeschluss BGHZ 162, 253, 256 f). Entscheidend hierfür ist die – objektiv zu bestimmende – Zweckrichtung des Verhaltens. Das Gesetz stellt nicht auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geschäftlicher Erfahrung, etwa aufgrund einer bereits ausgeübten gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, ab; vielmehr kommt es darauf an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten – dann Verbraucherhandeln – oder dem gewerblich-beruflichen Bereich – dann Unternehmertum – zuzuordnen ist. Rechtsgeschäfte im Zuge einer Existenzgründung, z.B. die Miete von Geschäftsräumen, der Abschluss eines Franchisevertrags oder der Kauf eines Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis, sind nach den objektiven Umständen klar auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet (Senatsbeschluss aaO S. 257 m.w.N.).
b) Mit diesen Fallkonstellationen ist die vorliegende – wie beide Vorinstanzen mit Recht hervorgehoben haben – indessen nicht vergleichbar. Es ging hier nämlich gerade nicht um ein Rechtsgeschäft im Zuge der Existenzgründung, sondern um ein solches, das die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen sollte, erst vorbereiten sollte, indem die betriebswirtschaftlichen Grundlagen dafür ermittelt wurden. Erst das Ergebnis dieser Untersuchung eröffnete der Beklagten überhaupt die Möglichkeit, mit Sachkunde diese Entscheidung zu treffen. Da es – wie bereits ausgeführt – auf den objektiven Zweck des Rechtsgeschäfts ankommt, ist es unerheblich, ob die Beklagte subjektiv bereits fest zu einer Existenzgründung entschlossen war. Entscheidend ist vielmehr, dass die getroffene Maßnahme noch nicht Bestandteil der Existenzgründung selbst gewesen war, sondern sich im Vorfeld einer solchen bewegte. Dementsprechend ist der Auftrag (noch) nicht dem unternehmerischen, sondern dem privaten Bereich zuzuordnen.
c) Die von der Revision hiergegen unter Praktikabilitätsgesichtspunkten geäußerten Bedenken vermag der Senat nicht zu teilen. Die Unterscheidung zwischen Geschäften, die im Zuge einer Existenzgründung vorgenommen werden, und solchen, die diese Gründung vorbereiten sollen oder ihr vorgelagert sind, ist sachgerecht und bringt keine besonderen Abgrenzungsprobleme mit sich.
2. Auch eine „Haustürsituation“ im Sinne des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB ist hier zu bejahen, da die mündlichen Verhandlungen im Bereich der Privatwohnung der Beklagten stattgefunden haben. Der Ausnahmetatbestand des § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB liegt nicht vor. Nach dieser Bestimmung besteht ein Widerrufsrecht nicht, wenn die mündlichen Verhandlungen, auf denen der Abschluss des Vertrags beruht, auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden sind. Das Berufungsgericht hat hierzu tatrichterlich festgestellt, dass der Kläger in das Haus der Beklagten nicht zu dem Zweck bestellt worden war, um über eine Überarbeitung des Unternehmenskonzepts der Beklagten zu verhandeln. Vielmehr war der Zweck ausschließlich die steuerliche Situation der Beklagten und ihres Ehemanns im Falle der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und die Erörterung der damit zusammenhängenden Bedenken des Ehemanns der Beklagten. Bei dieser Sachlage musste die Beklagte nicht damit rechnen, mit dem Angebot konfrontiert zu werden, einen Existenzgründungsbericht zu erstellen (vgl. Staudinger/Thüsing, BGB [2005] § 312 Rn. 159; MünchKommBGB/Masuch, 5. Aufl., § 312 Rn. 98; siehe auch BGHZ 110, 308, 310; 109, 127, 135 f; BGH, Urteil vom 19. November 1998 – VII ZR 424/97 = NJW 1999, 575, 576). Dementsprechend sind die mündlichen Verhandlungen, auf denen die Erteilung des Auftrags beruht, nicht auf vorhergehende Bestellung der Beklagten geführt worden. Entgegen der Betrachtungsweise der Revision vermag der Senat darin, dass diese Konstellation in die gesetzliche Widerrufsregelung des § 312 BGB einbezogen wird, keine Überspannung des Verbraucherschutzes zu erkennen.
3. Da der Kläger die Beklagte unstreitig nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB genügenden Weise über das Widerrufsrecht belehrt hat, konnte es noch im Laufe dieses Rechtsstreits wirksam ausgeübt werden. Eine Verwirkung dieses Rechts durch die Beklagte hat das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung verneint; die Revision erhebt insoweit auch keinen Angriff.
4. Einen Wertersatzanspruch nach § 356 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 346 ff BGB haben die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen verneint.
5. Die Klage ist nach alledem mit Recht abgewiesen worden; die Revision des Klägers war zurückzuweisen.