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Kündigung (außerordentliche) wegen Unterschlagung

Landesarbeitsgericht Hamm

Az.: 10 Sa 1228/04

Urteil vom 07.01.2005

Vorinstanz: Arbeitsgericht Rheine, Az.: 3 Ca 2427/03


Das LAG Hamm hat auf die mündliche Verhandlung vom XX für recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 12.05.2004 – 3 Ca 2427/03 –

wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit von zwei außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen vom 27.11.2003.

Der am 29.10.1948 geborene Kläger, getrennt lebend, war seit dem 01.02.1980 bei der Beklagten, einem Betrieb der Metallindustrie mit mehr als fünf Arbeitnehmern ausschließlich der Auszubildenden, zuletzt als stellvertretender Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 2.511,87 € tätig. Zusammen mit dem Lagerleiter L2xxxxxx war der Kläger für die Versorgung der Montage mit Materialteilen zuständig, im Lager waren ca. 30 Mitarbeiter tätig. Der Wert der im Lager eingelagerten Teile beträgt über 30.000.000,00 Millionen Euro.

Vorgänger des Lagerleiters L2xxxxxx war der Zeuge W2xxxxxxx, der im Juni 2002 sein 40-jähriges Dienstjubiläum feierte und anschließend zum 30.06.2002 aus dem Betrieb der Beklagten ausschied. Anlässlich seines Jubiläums erhielt der Zeuge W2xxxxxxx von seinen Arbeitskollegen aus dem Lager der Beklagten ein Geldgeschenk in Höhe von 145,00 € sowie einen Blumenstrauß. Ob der Zeuge W2xxxxxxx dieses Geldgeschenk nach seinem Ausscheiden im Juli/August 2002 als Spende in Höhe von 200,00 € für die im Lager der Beklagten geführten Lagerkasse an den Kläger zurückgegeben hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die Lagerkasse wurde unstreitig vom jeweiligen Lagerleiter bzw. dessen Stellvertreter verwaltet.

Vom Unternehmen der Beklagten erhielt das Lager, wie die übrigen Abteilungen der Beklagten, jährlich einen Festzuschuss in Höhe von 5.00 € pro Beschäftigten für die Kasse, dieser Zuschuss wurde für Weihnachtsfeiern etc. verwendet. Im Jahre 2002 machte dies für das Lager der Beklagten einen Betrag in Höhe von 170,00 € aus, den der Kläger als stellvertretender Lagerleiter wegen Erkrankung des Lagerleiters L2xxxxxx am 05.12.2002 gegen Quittung (Bl. 62, 77 d.A.) in Empfang nahm. Eine Weihnachtsfeier wurde im Jahre 2002 im Lager der Beklagten nicht ausgerichtet.

Im Oktober/November 2003 kam im Lager die Frage auf, ob noch Geld in der Lagerkasse sei. Zur Aufklärung dieser Frage wurden unter den Beteiligten mehrere Gespräche geführt. Auf Nachfrage stritt der Kläger zunächst ab, 170,00 €, den Festzuschuss des Arbeitgebers für das Lager für das Jahr 2002, entgegengenommen zu haben. In weiteren Gesprächen ab Mitte November 2003 stritt der Kläger auch ab, 200,00 € als Spende für die Lagerkasse vom Zeugen W2xxxxxxx erhalten zu haben.

Am 14./15.11.2003 erhielten der Prokurist der Beklagten sowie der Betriebsleiter der Beklagten von diesen Vorgängen Kenntnis und leiteten diese an die Personalabteilung der Beklagten weiter. Daraufhin fand am 17.11.2003 wegen der genannten Vorgänge eine Anhörung des Klägers statt. Anlässlich dieser Anhörung übergab der Kläger der Beklagten 170,00 € mit der Erklärung, er habe diesen Betrag in seinem Schreibtisch gefunden, der Betrag müsse seinerzeit in Vergessenheit geraten sein.

Die Beklagte leitete anschließend ein Anhörungsverfahren bei dem in ihrem Betrieb gewählten Betriebsrat wegen
außerordentlicher und ordentlicher Kündigung ein. Mit Schreiben vom 20.11.2003 (Bl. 28 f.d.A.) hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Verdachts der Unterschlagung von 170,00 € an und bat um Zustimmung zur außerordentlichen hilfsweise fristgemäßen Kündigung.

Gleichzeitig hörte sie mit weiterem Schreiben vom 20.11.2003 (Bl. 25 ff.d.A.) zu den Betriebsrat wegen Unterschlagung der Spende des Zeugen W2xxxxxxx in Höhe von 200,00 € an und bat ebenfalls um Zustimmung zur fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung.

Ob der Zeuge W2xxxxxxx, der unstreitig mit dem Kläger befreundet ist, in diesem Zusammenhang gegenüber dem

Betriebsrat eingeräumt hat, dass er, der Zeuge, dem Kläger die Spende von 200,00 € für die Lagerkasse gegeben habe, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Betriebsrat widersprach den beabsichtigten Kündigungen mit zwei Schreiben vom 24.11.2003 (Bl. 9 und 10 d.A.).

Mit Schreiben vom 27.11.2003 (Bl. 7 d.A.) sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger dar-aufhin eine außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Verdachtskündigung wegen Unterschlagung von 170,00 € aus. Gleichzeitig kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 27.11.2003 (Bl. 5 ff.d.A.) fristlos, hilfsweise fristgemäß, wegen Unterschlagung der Spende des Zeugen W2xxxxxxx in Höhe von 200,00 €.

Gegen beide Kündigungen wendete sich der Kläger mit der am 02.12.2003 zum Arbeitsgericht erhobenen Kündigungsschutzklage.

In einem weiteren Verfahren – 3 Ca 381/04 Arbeitsgericht Rheine – machte der Kläger die Abgeltung von Mehrarbeit einschließlich eines Mehrarbeitszuschlages für 257,23 Mehrarbeitsstunden in Höhe von insgesamt 5.305,37 € geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, beide Kündigungen vom 27.11.2003 seien unwirksam.

Die Beklagte könne die außerordentliche Kündigung nicht auf den Verdacht der Unterschlagung des Firmenzuschusses von 170,00 € stützen. Diesen Betrag habe er seinerzeit zunächst in einem Fach seines Schreibtisches in einer Ecke deponiert, da ihm die Lagerkasse wegen Erkrankung des Lagerleiters nicht zur Verfügung gestanden habe. Er habe diesen Betrag ganz schlicht vergessen. Aus diesem Grund habe er auf Nachfrage im Jahre 2003 möglicherweise zunächst ablehnend reagiert, als er auf den Verbleib der 170,00 € angesprochen sei. Zu keinem Zeitpunkt habe er gesagt, er habe die 170,00 € nicht bekommen.

Insoweit fehle es bereits an einem Verdacht der Unterschlagung, da er, der Kläger, keinen persönlichen Gewahrsam begründet habe. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass sich der Verdacht der Beklagten nicht auf ein Delikt gegen ihre Vermögensinteressen, sondern auf ein Delikt gegen Vermögensinteressen Dritter richte. Eine außerordentliche oder auch ordentliche Kündigung sei in dieser Situation unverhältnismäßig.

Die Beklagte könne sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine zweckwidrige Verwaltung einer angeblichen Spende von 50,00 DM, einem Vorgang, der mehr als fünf Jahre zurückgelegen habe, berufen. Hierzu sei er, der Kläger, auch gar nicht angehört worden.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, die Beklagte könne die Kündigung vom 27.11.2003 auch nicht auf eine Unterschlagung der Spende des Zeugen W2xxxxxxx in Höhe von 200,00 € stützen. Diesen Betrag habe er, so hat er behauptet, von dem Zeugen W2xxxxxxx nicht erhalten. Es sei unzutreffend, dass der Zeuge W2xxxxxxx ihm, dem Kläger, eine Spende in Höhe von 200,00 € für die Lagerkasse ausgehändigt habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten durch die außerordentliche Kündigung vom 27.11.2003 – wegen Verdachts einer Unterschlagung von 170,00 € – nicht aufgelöst worden ist, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die zugleich hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten durch die außerordentliche Kündigung vom 27.11.2003 – wegen Unterschlagung von 200,00 € – nicht aufgelöst worden ist, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die zugleich hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung
erstreckt, hilfsweise für den Fall, dass die Feststellungsanträge zu Ziff. 1 und 2 abgewiesen werden, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein endgültiges Zeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen zu Ziff. 1 und 2 zu den zuletzt geltenden Arbeitsbedingungen als stellvertretenden Lagerleiter bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsanträge weiter zu beschäftigen.

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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die außerordentlichen Kündigungen vom 27.11.2003 seien wirksam.

Hierzu hat sie behauptet, vor ca. fünf bis acht Jahren habe der Kläger einen Betrag in Höhe von 50,00 DM als Spende von dem Entsorgungsunternehmer Levedag für die Abteilungskasse erhalten. Der Kläger habe davon 20,00 DM an seinen damaligen Vorgesetzten, den Zeugen W2xxxxxxx übergeben. Später habe er eingeräumt, einen Betrag in Höhe von 50,00 DM als Spende erhalten zu haben, den fehlenden Betrag in Höhe von 30,00 DM habe er in die Kasse nachgezahlt.

Die Beklagte hat ferner behauptet, im Zusammenhang mit den Gesprächen über den Verbleib des Geldes in der Lagerkasse habe der Zeuge M5xx den Kläger zu Beginn der 45. Kalenderwoche des Jahres 2003 gefragt, ob noch Geld in der Kasse vorhanden sei. Dies habe der Kläger zunächst verneint. Nachdem der Zeuge M5xx dem Kläger mitgeteilt habe, der Zeuge BSxxxxx habe gesehen, dass der Kläger Geld erhaben habe, habe der Kläger zugegeben, 200,00 € vom Zeugen W2xxxxxxx erhalten zu haben. Die 200,00 € seien eine Spende für die Abteilungskasse gewesen, nachdem die Belegschaft für den Zeugen W2xxxxxxx einen Betrag in Höhe von ca. 150,00 € anlässlich seines 40-jährigen Arbeitsjubiläums gesammelt habe. Nachdem dieser Betrag dem Zeugen W2xxxxxxx zu Hause übergeben worden sei, habe dieser den Betrag aufgestockt auf einen Betrag von 200,00 € und dem Kläger für die Kasse übergeben.

Der Kläger habe nicht erklären können, wo der Betrag von 200,00 € geblieben sei. Er habe lediglich erklärt, das Geld könne sich in einer schwarzen Aktentasche befinden, die sich noch in der Wohnung seiner getrennt lebenden Ehefrau befinde. Erst Mitte der 46. Kalenderwoche habe der Kläger gegenüber dem Zeugen M5xx erklärt, dass er von dem Zeugen W2xxxxxxx keine 200,00 € erhalten habe. Demgegenüber habe der Zeuge W2xxxxxxx gegenüber dem Zeugen L2xxxxxx anlässlich eines Telefonats bereits in der 44. Kalenderwoche des Jahres 2003 mitgeteilt, dass er als Gegenleistung für das Jubiläumsgeschenk eine Spende in Höhe von 200,00 € an die Kasse gegeben habe. Diesen Betrag habe er dem Kläger übergeben, da der Zeuge L2xxxxxx nicht anwesend gewesen sei. Dies habe der Zeuge W2xxxxxxx auch gegenüber den Betriebsratsmitgliedern eingeräumt.

Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, die Kündigung sei auch wegen Verdachts der Unterschlagung des Arbeitgeberzuschusses in Höhe von 170,00 € wirksam. Der Ein-wand des Klägers, er habe den Zuschuss von 170,00 € vergessen, sei eine reine Schutz-behauptung. Der Kläger habe nämlich unstreitig zunächst bestritten, das Geld überhaupt in Empfang genommen zu haben und es erst anlässlich seiner Anhörung am 17.11.2003 zurückgegeben.

Schließlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten, da die Beklagte erst nach dem Gespräch mit dem Zeugen M5xx Ende der 46. Kalenderwoche sichere Kenntnis davon gehabt habe, dass die Spende von 200,00 € des Zeugen W2xxxxxxx nicht mehr auffindbar gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen BSxxxxx, M5xx, W2xxxxxxx, B6xxxxxx und L2xxxxxx. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, so wie es in der Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 12.05.2004 niedergelegt ist, wird Bezug genommen.

Durch Urteil vom 12.05.2004 hat das Arbeitsgericht die Klage sodann insgesamt abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, durch die durchgeführte Beweisaufnahme sei erwiesen, dass der Kläger die Spende des Zeugen W2xxxxxxx in Höhe von 200,00 € unterschlagen habe. Auch die Verdachtskündigung wegen versuchter Unterschlagung des Arbeitgeberzuschusses in Höhe von 170,00 € sei wirksam.

Die vom Kläger anschließend gestellten Anträge auf Protokollberichtigung sowie Tatbestandsberichtigung hatten keinen Erfolg.

Gegen das dem Kläger am 14.06.2004 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Kläger am 30.06.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.09.2004 mit dem am 15.09.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vertrags ist der Kläger nach wie vor der Auffassung, die Kündigungen vom 27.11.2003 seien insbesondere wegen Fehlens eines wichtigen Grundes unwirksam.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine 3 Ca 2427/03 vom 12.05.2004 wird abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten durch die außerordentliche Kündigung vom 27.11.2003 – wegen Verdachts einer Unterschlagung von 170,00 € – nicht aufgelöst worden ist.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die zugleich hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten durch die außerordentliche Kündigung vom 27.11.2003 – wegen Unterschlagung von 200,00 € – nicht aufgelöst worden ist.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die zugleich hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe eine zutreffende Beweiswürdigung vorgenommen.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

I.

Die gegen die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 27.11.2003 erhobene Feststellungsklage des Klägers ist unbegründet.

Die außerordentliche Kündigung vom 27.11.2003 ist unwirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Zugang des Kündigungsschreibens vom 27.11.2003 wirksam beendet. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Damit kam es bereits auf die Wirksamkeit der zweiten außerordentlichen Kündigung vom 27.11.2003 sowie auf die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen nicht mehr an.

Die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 27.11.2003 ergibt sich nicht aus § 626 BGB. Der Beklagten hat vielmehr ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Seite gestanden.

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann.

Hiernach ist bei allen Kündigungsgründen eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Dieses Erfordernis schließt es aus, bestimmte Tatsachen ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Einzelfalles stets als wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung anzuerkennen; es gibt im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB keine absoluten Kündigungsgründe (BAG, Urteil vom 23.01.1963-APGewO§ 124 a Nr. 8; BAG, Urteil vom 30.05.1978 – AP BGB § 626 Nr. 70; BAG, Urteil vom 15.11.1984 -AP BGB § 626 Nr. 87).

Bei der Überprüfung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 17.05.1984 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14; BAG, Urteil vom 13.12.1984 – AP BGB § 626 Nr. 81; BAG, Urteil vom 02.03.1989-AP BGB §626 Nr. 101; KR/Fischermeier, 7. Aufl. § 626 BGB Rz. 84 ff.).

a) Der dem Kläger von der Beklagten gemachte Vorwurf der Unterschlagung ist grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB abzugeben.

In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass strafbare Handlungen zu Lasten des Arbeitgebers ebenso wie grobe Vertrauensverstöße grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen können (BAG, Urteil vom 26.11.1964 – AP BGB § 626 Nr. 53; BAG, Beschlussvom 10.02.1999 – AP KSchG 1969§ 15 Nr. 42; LAG Hamm, Urteil vom 20.02.1986 – DB 1986, 1338; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 445; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 125 Rz. 117; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl., Rz. 739 f.; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB Rz. 275 ff.; ErfK/Müller-Glöge, 5. Aufl., § 626 BGB Rz. 148 ff., 154 f. m.w.N.). Vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber begangene Straftaten, insbesondere Diebstähle, Unterschlagungen oder sonstige Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers, rechtfertigen regelmäßig eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Dies gilt auch bei einem bloßen Versuch. Auch der bloße Versuch eines Diebstahls zu Lasten des Arbeitgebers kann grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (LAG Hamm, Urteil vom 20.02.1986 – DB 1986, 1338; LAG Köln, Urteil vom 22.01.1996 – AP BGB § 626 Nr. 127; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 445). Ob und inwieweit der Arbeitnehmer sich mit seinem Verhalten strafbar gemacht hat, ist für die Beurteilung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB ebenso wenig entscheidend wie der Ausgang eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (BAG, Urteil vom 20.04.1977 – AP BAT § 54 Nr. 1; BAG, Urteil vom 29.01.1997 – AP BGB § 626 Nr. 131).

Diese Grundsätze gelten auch für strafbare Handlungen, die ein Arbeitnehmer zu Lasten seiner Arbeitskollegen begeht.

Auch der Diebstahl zum Nachteil eines Arbeitskollegen ist als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB geeignet (LAG Köln, Urteil vom 12.03.2002 – NZA-RR 2002, 519; ErfK/Müller-Glöge, §626 BGB Rz. 154). Auch bei einer strafbaren Handlung zu Lasten von Arbeitskollegen ist der Bezug zum Arbeitsverhältnis nicht ausge-schlossen. Der Arbeitgeber ist im Übrigen aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht verpflichtet, seine Arbeitnehmer davor zu schützen, dass sich Arbeitskollegen an den ihnen gehörenden Sachen nicht in rechtswidriger Weise vergreifen. Dies gilt auch dann, wenn im Betrieb oder in einer Abteilung eine besondere Kasse für die Belegschaftsmitglieder geführt wird. In keinem Fall war der Kläger allein berechtigt, über den Inhalt der Lagerkasse oder über die der Kasse zuzuführenden Beträge allein zu verfügen.

b) Auch für die Berufungskammer steht aufgrund der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass dem Kläger der Vorwurf der Unterschlagung der Spende des Zeugen W2xxxxxxx in Höhe von 200,00 € nicht erspart werden kann. Durch die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme ist auch für die Berufungskammer erwiesen, dass der Kläger vom Zeugen W2xxxxxxx eine Spende für die Lagerkasse in Höhe von 200,00 € entgegengenommen hat, ohne diese Spende an die Lagerkasse weiterzuleiten, wozu er verpflichtet gewesen wäre.

aa) Das Arbeitsgericht ist aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger vom Zeugen W2xxxxxxx eine Spende für die Lagerkasse in Höhe von 200,00 € entgegengenommen hat. Dieser Würdigung durch das Arbeitsgericht schließt sich die Berufungskammer in vollem Umfange an.

Insoweit hat zunächst der Zeuge BSxxxxx in eindeutiger Weise bekundet, dass der Zeuge W2xxxxxxx den Spendenbetrag, mehrere Scheine, in Anwesenheit des Zeugen B6xxxxxx in die Brusttasche des Hemdes des Klägers gesteckt hat. Dabei war klar, dass diese Spende für die Lagerkasse bestimmt war. Der Zeuge BSxxxxx hat hierzu lapidar angegeben, dass Herr W2xxxxxxx das Geld „für unsere Kasse“ übergeben habe. Dass der Zeuge BSxxxxx bei seiner Vernehmung zur Höhe des Spendenbetrages keine genauen Angaben machen konnte, ist insoweit unerheblich.

Tatsache ist hiernach, dass der Zeuge W2xxxxxxx mehrere Scheine – mindestens 150,00 € – in die Hemdtasche des

Klägers gesteckt hat, wobei die Spende für die Lagerkasse bestimmt war.

Diese Aussage des Zeugen BSxxxxx wird durch die Aussage des Zeugen M5xx bestätigt. Der Kläger hat nämlich nach den Bekundungen des Zeugen MSxx diesem gegenüber zugegeben, vom Zeugen W2xxxxxxx 200,00 € als Spende für die Lagerkasse erhalten zu haben. Dabei ist nach den Bekundungen des Zeugen MSxx von diesem der Betrag von 200,00 € nicht ins Gespräch eingebracht worden, vielmehr hat der Kläger gegenüber dem Zeugen MSxx selbst den Betrag von 200,00 € genannt, den er vom Zeugen W2xxxxxxx erhalten habe.

Schließlich hat auch der Zeuge L2xxxxxx bei seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht bekundet, dass er sich an zwei Gespräche mit dem Zeugen W2xxxxxxx erinnern könne. Anlässlich des zweiten Telefonats habe der Zeuge W2xxxxxxx ihm gegenüber bekundet, dass er auf das Jubiläumsgeschenk von 145,00 € noch 50,00 € draufgepackt und den Betrag in der Firma gelassen habe; Herr W2xxxxxxx habe auch bestätigt, dass die Übergabe dieses Betrages an den Kläger erfolgt sei, wobei die Zeugen BSxxxxx und B6xxxxxx anwesend gewesen seien.

Die Berufungskammer hatte keine Veranlassung, den Angaben der Zeugen BSxxxxx, MSxx und L2xxxxxx keinen Glauben zu schenken. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Aussagen der vernommenen Zeugen im Kern unrichtig gewesen wären. Die Zeugen haben den Hergang und den Verlauf der streitigen Ereignisse anschaulich geschildert. Aus diesem Grunde war die Berufungskammer auch nicht verpflichtet, die vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen erneut zu vernehmen. Eine erneute Einvernahme der Zeugen durch das Berufungsgericht war entbehrlich, da die Berufungskammer der ausführlichen und zutreffenden Würdigung durch das Arbeitsgericht folgt (vgl. zuletzt: BGH, Urteil vom 30.01.1990 – NJW 1991, 1302; BGH, Urteil vom 15.10.1992-MDR 1993, 801; BGH, Urteil vom 29.10.1996 – NJW 1997,466; BGH, Urteil vom 10.03.1998- NJW 1998,2222; BGH, Urteil vom 02.06.1999 – NJW 1999,2972; BAG, Urteil vom 15.03.1990 – AP Nr. 1 zu § 1 GemO NW; BAG, Urteil vom 18.11.1999-AP Nr. 160 zu §626 BGB; BAG, Urteil vom 06.12.2001 – AP Nr. 33 zu §286 ZPO).

Die Richtigkeit der Aussage der Zeugen BSxxxxx, MSxx und L2xxxxxx wird durch die Aussagen der Zeugen W2xxxxxxx und B6xxxxxx nicht erschüttert. Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Aussage des Zeugen B6xxxxxx insoweit unergiebig gewesen ist, obgleich der Zeuge nach seinen Bekundungen gesehen hat, dass vom Zeugen W2xxxxxxx Geld übergeben worden ist. Der Zeuge konnte sich auch daran erinnern, dass dabei die Zeugen BSxxxxx, W2xxxxxxx und er anwesend gewesen seien. Insoweit ist schon auffällig, dass er sich lediglich nicht daran erinnern konnte, an wen das Geld übergeben worden ist.

Zu Recht ist das Arbeitsgericht auch der Aussage des Zeugen W2xxxxxxx nicht gefolgt. Dieser hat beim Arbeitsgericht sich dahin eingelassen, dass er das ihm seinerzeit überreichte Geldgeschenk auf 200,00 € aufgestockt und es im Juli/August in die Firma zurückgebracht habe. Der Zeuge W2xxxxxxx konnte sich auch bis ins Einzelne an die mit den Zeugen BSxxxxx und B6xxxxxx in diesem Zusammenhang geführten Gespräch erinnern. Er wusste auch sicher, dass er das Geld nicht wieder mit nach Hause genommen hat. Lediglich daran, ob der Kläger bei dem Gespräch mit den Zeugen BSxxxxx und B6xxxxxx anwesend gewesen ist, konnte er sich nicht erinnern. Schließlich hat er eingeräumt, dass der Kläger zumindest zu den Personen gehören würde, denen er das Geld wohl geben würde. Er hat auch bekundet, dass es sich angeboten hätte, dem Kläger als den Stellvertreter des

Zeugen L2xxxxxx das Geld zu geben. Damit hat der Zeuge aber auch nicht ausgeschlossen, dem Kläger den
Spendenbetrag von 200,00 € gegeben zu haben. Auch für einen unbeteiligten Dritten ist bei der Würdigung der Aussage des Zeugen W2xxxxxxx ersichtlich, dass dieser bei der Beantwortung der Frage, wem er das Geld zurückgegeben hat, ausgesprochen zurückhaltend gewesen ist, um den Kläger nicht zu belasten.

Danach steht auch für die Berufungskammer fest, dass es der Kläger gewesen ist, der vom Zeugen W2xxxxxxx die Spende in Höhe von 200,00 € entgegengenommen hat.

bb) Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Kläger den entgegengenommenen Betrag von 200,00 € nicht an die Lagerkasse weitergeleitet hat.

Selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, dass er zum damaligen Zeitpunkt die Lagerkasse nicht körperlich in Besitz gehabt hat, war der Kläger dennoch verpflichtet, den Betrag von 200,00 € an die Lagerkasse weiterzuleiten.

Durch die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme ist erwiesen, dass der Spendenbetrag von 200,00 €, den der Kläger vom Zeugen W2xxxxxxx in Empfang genommen hat, für die Lagerkasse bestimmt gewesen ist. Dies war auch für den Kläger erkennbar. Der Kläger konnte nicht annehmen, dass der Zeuge W2xxxxxxx ihm persönlich den Betrag von 200,00 € schenken wollte. Dem Kläger oblag eine besondere Obhutspflicht, auch wenn er seinerzeit nicht im Besitz der Lagerkasse gewesen ist, spätestens bei der Rückkehr des Zeugen L2xxxxxx, der die Lagerkasse verwahrte, den in Empfang genommenen Betrag von 200,00 € an die Lagerkasse weiterzuleiten. Dies hat der Kläger unstreitig nicht getan. Ob diese Unterlassung strafrechtlich den Verdacht des Diebstahls und damit des Gewahrsamsbruchs in Zueignungsabsicht oder vielmehr den der Unterschlagung, d.h. der Zueignung des im (allein)- Gewahrsam des Klägers befindlichen Betrages begründet, kann auf sich beruhen. Auf die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens des Klägers kommt es für seine kündigungsrechtliche Bedeutung ohnehin nicht entscheidend an. Darauf ist bereits hingewiesen worden. Entscheidend ist, dass der Kläger dadurch, dass er den in Empfang genommenen Betrag von 200,00 € nicht an die Lagerkasse weitergeleitet hat, die ihm obliegende Obhutspflicht im besonderen Maße verletzt hat (vgl. BAG, Urteil vom 12.08.1999- AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28; ErfK/Müller-Glöge, §626 BGB Rz. 155).

c) Der Kläger kann auch nicht geltend machen, dass eine Abmahnung zum vertragsgerechten Verhalten ausreichend gewesen wäre, sein Fehlverhalten entsprechend zu ahnden.

Unter den gegebenen Umständen war der vorherige Ausspruch einer Abmahnung gegenüber dem Kläger entbehrlich.

Eine Abmahnung ist insbesondere – auch bei einer Störung im Vertrauensbereich – dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 12.07.1984 – AP BetrVG 1972§ 102 Nr. 32; BAG, Urteil vom 31.03.1993 – AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 32; BAG, Urteil vom 26.08.1993-AP BGB §626 Nr. 112; BAG, Urteil vom 10.02.1999 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42; KR/Fischermeier, §626 BGB Rz. 262 ff., 268). Dies gilt insbesondere bei strafbaren Handlungen (BAG, Urteil vom 10.02.1999 – a.a.O.; BAG, Urteil vom 08.06.2000 – AP BGB § 626 Nr. 163; LAG Hamm, Urteil vom 05.07.1988 – LAGE KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 23; LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.10.1994 – LAGE KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44 m.w.N.).

So liegt der vorliegende Fall. Auch der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte auch nur den Versuch des Diebstahls bzw. der Unterschlagung von Beträgen aus einer Abteilungskasse hinnimmt. Wie bereits ausgeführt, konnte der Kläger auch nicht davon ausgehen, dass die Spende des Zeugen W2xxxxxxx, die er entgegengenommen hat, für ihn bestimmt gewesen ist. Der Kläger musste auch wissen, dass bereits bei dem bloßen Versuch, Gelder aus der Lagerkasse für sich zu vereinnahmen oder zu verbrauchen, der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet gewesen ist. Insoweit war die Beklagte zum vorherigen Ausspruch einer Abmahnung nicht verpflichtet.

d) Ebenso wie das Arbeitsgericht ist auch die Berufungskammer der Auffassung, dass auch bei Abwägung der
beiderseitigen Interessen dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses der
Vorzug zu geben war. Strafbare Handlungen im Betrieb, auch der Versuch einer strafbaren Handlung, stellen in aller Regel besonders schwerwiegende Vertragsverletzungen dar. Dem Arbeitnehmer ist die Pflichtwidrigkeit in aller Regel ohne Weiteres erkennbar. Auch der Kläger konnte nicht mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber rechnen. Erschwerend kommt hinzu, dass das pflichtwidrige Verhalten des Klägers mit seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit zusammenhängt. Der Kläger hat eine sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Obhutspflicht verletzt (BAG, Urteil vom 17.05.1984 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14; BAG, Urteil vom 12.08.1999 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28; BAG, Urteil vom 27.03.2003 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36).

Demgegenüber liegen keine besonderen Belange vor, die im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers besonders zu berücksichtigen wären. Auch die Berufungskammer verkennt nicht, dass der Kläger immerhin seit 1980 in den Diensten der Beklagten stand. Die DSxxx der Betriebszugehörigkeit des Klägers von mehr als 23 Jahren kann aber unter Berücksichtigung der Schwere des ihm gemachten Vorwurfs nicht dazu führen, dass seinem Interesse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der Vorzug zu geben wäre.

Dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses steht der nachhaltige Vertrauensverlust der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers gegenüber. Immerhin hatte der Kläger als stellvertretender Lagerleiter auch eine herausgehobene Position im Betrieb der Beklagten inne und war neben seinen Mitarbeitern für Materialien im Werte von über 30.000.00,00 Millionen Euro zuständig. Aus der Schwere der Pflichtverletzung kann ein Arbeitgeber vernünftigerweise nur die Schlussfolgerung ziehen, dass ein Arbeitnehmer, der sich einmal vorsätzlich über die Vermögensinteressen seiner Arbeitskollegen hinwegsetzt und seinen Arbeitsplatz leichtfertig aufs Spiel gesetzt hat, vernünftigerweise Anlass zu der Befürchtung bietet, dass auch ähnliche Pflichtverletzungen in Zukunft vorkommen (BAG, Beschlussvom 10.09.1999 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42).

2. Auch die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten.

Diese Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die zuständige Personalleitung der Beklagten Kenntnis von den die Kündigung berechtigten Tatsachen erst am 14./15.11.2003 erlangt hat. Damit ist die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB bei Zugang der Kündigung vom 27.11.2003 eingehalten.

3. Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27.11.2003 ergibt sich auch nicht aus § 102 BetrVG. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

a) Der Arbeitgeber hat das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch Schreiben an den Betriebsrat vom 20.11.2003 eingeleitet. Im Anhörungsschreiben vom 20.11.2003 hat die Beklagte die Personalien des Klägers, sein Geburtsdatum und seinen Familienstand sowie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit mitgeteilt.

b) Auch im Hinblick auf die Kündigungsgründe ist der Betriebsrat durch das Anhörungsschreiben vom 20.11.2003 in ausreichender Weise zutreffend unterrichtet worden.

Das Anhörungsverfahren hat den Sinn, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu bringen. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es gar nicht erst zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Die Kennzeichnung des Sachverhalts muss so umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt daher der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgebenden Tatsachen mitzuteilen (BAG, Urteil vom 02.11.1983-APBetrVG 1972§ 102 Nr. 29; zuletzt: BAG, Urteil vom 05.12.2002 – AP KSchG 1969§ 1 Soziale Auswahl Nr. 60 m.w.N.). Allerdings sind an die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess. Zudem gilt der Grundsatz der subjektiven Determinierung, demzufolge der Betriebsrat immer schon dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Gründe mitgeteilt hat (BAG, Urteil vom 17.02.2000 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 113; BAG, Urteil vom 05.12.2002 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 60 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist ein Fehler bei der Betriebsratsanhörung auch im Hinblick auf die Mitteilung der Kündigungsgründe nicht erkennbar. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Im Anhörungsschreiben vom 20.11.2003 hat die Beklagte alle für sie maßgebenden Tatsachen, die zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung im Hinblick auf den Vorwurf der Unterschlagung der Spende Wellmeyer in Höhe von 200,00 € führen sollen, im Einzelnen geschildert. Lediglich zur Unterstützung des Vorwurfs ist auch auf den früheren Vorfall im Zusammenhang mit einer Spende von 50,00 DM hingewiesen worden. Das Schreiben vom 20.11.2003 enthält keine unzureichenden, unrichtigen oder falsche Sachverhaltsdarstellungen gegenüber dem Betriebsrat.

4. Nach alledem endete das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Zugang des Kündigungsschreibens vom 27.11.2003. Auf die Wirksamkeit der am gleichen Tag ausgesprochenen weiteren außerordentlichen Kündigungen wegen des Verdachts der Unterschlagung des Arbeitgeberzuschusses von 170,00 € kommt es nicht mehr an. Ebenso wenig brauchte die Wirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung überprüft zu werden.

II.

Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses zusteht. Der Anspruch ist deshalb unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis inzwischen beendet ist. Ein 96 Beendigungszeugnis hat der Kläger erhalten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

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