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Untreueverdacht: anstößige Zusammenarbeit mit Mitarbeiter

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Az.: 9 Ca 9888/01

Verkündet am 31.07.2002


In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 9 am 31.07.2002

für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 20.11.2001 aufgelöst worden ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 15.959,15 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der am X geborene, verheiratete, zwei Kindern zum Unterhalt verpflichteteKläger ist seit 01.04.1998 bei der Beklagten beschäftigt. Gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag vom 11.02.1998, auf dessen Wortlaut verwiesen wird (Bl. 5 f. d. A.), war er zunächst in der Zweigniederlassung (im Folgenden ZN)für die Bereiche Vermietung und Verpachtung zuständig. Gemäß Versetzungsschreiben vom 27.04.2000 (Bl. 9 d. A.) war er ab dem 01.05.2000 Teamleiter im Vertrieb der ZN und als solcher zuständig für den Verkauf von Objekten der Beklagten. Mit Schreiben vom 16.03.2001 (Bl. 10 d. A.) übertrug ihm die Beklagte mit Wirkung zum 01.04.2001 die befristete kommissarische Leitung der ZN. Das letzte Einkommen des Klägers belief sich auf DM 10.404,46 brutto.

Im Juli/August 2001 gab der Kläger eine Stellungnahme zu einem Teil der hier streitgegenständlichen Vorwürfe ab. Ein Revisionsbericht vom 19.10.2001 (Auszug Bl. 94 f. d. A.) wurde der Beklagten am 22.10.2001 ausgehändigt. Am 31.10.2001 lud die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch ein, welches am 05.11.2001 stattfinden sollte (Bl. 87 d. A.). Auf ein Schreiben des Klägervertreters vom 02.11.2001 (Bl. 88 f. d. A.) hin lud die Beklagte zu einem Gespräch für den 12.11.2001 ein (Bl. 90, 91 d. A.). An diesem Tag fand eine Anhörung des Klägers statt, an welcher sein jetziger Prozessbevollmächtigter teilnahm.

Mit Schreiben vom 14.11.2001 hörte die Beklagte den für die ZN zuständigen Betriebsrat an; auf den Wortlaut des Anhörschreibens nebst Anlagen (Bl. 92 f., Bl. 94-108 d. A.) wird Bezug genommen. Der Betriebsrat nahm mit Schreiben vom 16.11.2001 Stellung (Bl. 16 f. d. A.).

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20.11.2001, dem Kläger am 22.11.2001 zugegangen, außerordentlich zum 23.11.2001, vorsorglich ordentlich zum 31.12.2001 (Kündigungsschreiben Bl. 14 d. A.).

Mit seiner am 04.12.2001 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung, für die nach seiner Auffassung kein wichtiger Grund vorliegt und die sozial nicht gerechtfertigt ist. Er verweist darauf, dass er- dies ist unstreitig -keine Abmahnung erhalten hat. Nach seiner Auffassung entspricht auch die Anhörung des Betriebsrates nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Er beantragt,festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20.11.2001 weder fristlos noch fristgerecht aufgelost worden ist.

Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.Sie begründet die Kündigung mit dem Verhalten des Klägers, welches jedenfalls den Verdacht der Untreue aufkommen lasse. Anstößig sei insbesondere eine Zusammenarbeit mit Herrn W der sowohl als freier Mitarbeiter und Berater im Rahmen von Immobilientransaktionen als auch mit seiner Firma GmbH, diesich mit der Projektentwicklung und als Immobilienmaklerin betätigte, vertraglich für die Beklagte tätig geworden ist. In diesem Zusammenhang habe der Kläger dafür Sorge getragen, dass sich Herr W durch Maklergeschäfte in rechtswidrigerweise sowohl zum Nachteil der Beklagten als auch deren Kunden habe bereichern können.

Unstreitig bestand bereits vor der Beförderung des Klägers zum Teamleiter Vertrieb eine Zusammenarbeit der ZN mit Herrn W, in deren Rahmen dieserbeispielsweise als freier Mitarbeiter an einer Reihe von internen Besprechungen über Immobiliengeschäfte teilnahm und bei der Verwertung von Objekten meinungsbildend tätig gewesen sei. Hierbei sei jedoch – und der Kläger habe diese Praxis vorgeführt – die erforderliche Distanz nicht gewahrt worden. Führende Mitarbeiter der ZN hätten in der Vergangenheit Kauf Interessenten darauf verwiesen, einen Maklervertrag mit Herrn W zu schließen, obwohl dieser gar keinen Erstkontakt hergestellt habe, z. B. beim Verkauf der Liegenschaft (Schreiben vom 27.11.1998 an Herrn W Bl. 126 d. A.). Der Kläger und andere Mitarbeiter der Beklagten hätten dafür Sorge getragen, dass Herr W für ein Objekt der Beklagten sowohl Beratungsleistungen als auch Maklerprovision in Rechnung habe stellen können. Sie hätten ihm zugleich Kontakte zu Käufern und Mietern verschafft, so dass Herr W die Möglichkeit erhalten habe, über die Firma Maklerverträge mit den Kunden zu schließen und noch einmal Provisionen in Rechnung zu stellen. Auf die Aufstellung im Schriftsatz vom 12.04.2002 (Bl. 75 d. A.) wird Bezug genommen.

a) Nach Auffassung der Beklagten hat der Kläger durch Unterzeichnung eines Schreibens vom 16.02.2000, auf dessen Wortlaut verwiesen wird (Bl.120 f. d. A.), gegen eine Weisung der Zentrale vom 27.12.1999 (Bl. 117 d. A.) verstoßen, indem er Dienstleistungsverträge nicht auf ein Projekt pro Dienstleister begrenzt habe und indem er bei der Vergabe von qualifizierten Makleralleinaufträgen die Zentrale nicht eingebunden habe.

Während der Laufzeit eines Dienstleistungsvertrages habe der Kläger für die Beklagte unter Umgehung der Zentrale der Firma Makleralleinaufträge erteilt, die er zusammen mit Herrn Q dem Leiter der ZN und Nachfolger von Herrn A unterzeichnet habe. Auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 12.04.2000, S. 12 f. (Bl. 73 f. d. A.) wird Bezug genommen.

b) Einen weiteren Kündigungsgrund stellt nach Meinung der Beklagten folgender Sachverhalt dar:

Für den Verkauf einer Liegenschaftseinheit im Wert vonDM 6.000.000,- hatte – unstreitig – Herr R einen Alleinauftrag für den Zeitraum 01.011999 bis 31.12.1999. Dieser sah eine Verlängerungsmöglichkeit vor und war ungekündigt. Die Bemühungen von Herrn R waren – jedenfalls zunächst – erfolglos geblieben.

Am 19.07.2000 sei die Stadt mit einem Kaufantrag an die Beklagte herangetreten. Mit Zustimmung der Zentrale hätten der Kläger und Herr mit der Firma einen Maklervertrag geschlossen, der – was unstreitig sehr ungewöhnlich ist – die Vereinbarung einer Innenprovision enthielt. Die Beklagte zahlte an Firma eine Provision von DM 182.000,-. Der Vertragsabschluss mit der Stadt kam am 22.12.2000 zu Stande. Durch den Abschluss desMaklervertrages habe der Kläger die Beklagte um einen Betrag von DM 182.000,- geschädigt. Herr habe den Erstkontakt mit der Stadt nämlich gar nicht hergestellt.

Abgesehen hiervon, schädige die unberechtigte Vergabe eines Makleralleinauftrages auch dann die Beklagte, wenn der Käufer die Maklercourtage zu tragen habe: Erfahrungsgemäß stehe dem Käufer für den Erwerb einer Liegenschaft ein bestimmter Betrag zur Verfügung. Wenn er gezwungen sei, Maklerprovision zu zahlen, führe dies zu einer entsprechenden Verringerung der Kaufsumme, die der Interessent zu zahlen bereit sei.

c) Die Beklagte wirft dem Kläger vor, dass dieser – unstreitig – am 03.04.2001 ein Schreiben an den Vorgesetzten, Herrn, geschickt hat, in welchem er sich für einer „weitere erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Firma

Herrn einsetzte (Bl. 127 d. A.). Dieses Schreiben basiere auf einer Formulierungshilfe, die Herr per Fax geliefert habe. Zu beanstanden sei, dass sich die Bemühungen lediglich auf die Person / das Unternehmen von Herrn nicht dagegen auf andere Makler bezögen. Der Beklagten sei die Zusammenarbeit mit Herrn zwar bekannt gewesen, nicht aber das Ausmaß. Der Umstand, dass die unter Einschaltung von Herrn der Firma durchgeführten Verkäufe Mehrerlöse in Höhe von ca. 10 % über den von der Beklagten vorgegebenen Mindestkaufpreisen erzielt habe, spreche nicht für die künftige Einschaltung eines – zumal nicht immer ein und desselben – Maklers. Bei den Mindestkaufpreisen handele es sich um niedrig angesetzte Preise, die einer Verschleuderung der Grundstücke vorbeugen sollten. Die angestrebte Intensivierung der Zusammenarbeit mit Herrn der Firma sei insbesondere deshalb anstößig, weil der Kläger – unstreitig – noch mit Schreiben vom 22.06.2000 seinem Vorgesetzten gegenüber geäußert habe, die“… Art und Weise und Umfang der Einbindung von Herrn in die Verkaufs- und Vermietungsvorgänge der ZN führen zu einem ‚zwielichtigen‘ Erscheinungsbild von Herrn bei unseren Partnern und Kunden, was in Gesprächen und auch Nachfragen unserer Kunden deutlich“ werde. Auf den Wortlaut dieses Schreibens (Bl. 106 f. d. A.) wird Bezug genommen.

d) Die Beklagte stützt ihre Kündigung auch darauf, dass der Kläger in der Zeit, als er verantwortlich für die Nebenkostenabrechnungen gewesen sei, zu Unrecht die sachliche Richtigkeit erbrachter Leistungen des Beraters Herrn bestätigt habe Tatsächlich seien die Leistungen nicht oder nicht in der geforderten Qualität erbracht worden. Mit der Firma habe ein zwar gekündigter, aber weiterhin praktizierter Vertrag bestanden, der gleiche Leistungsinhalte gehabt habe wie der mit Herrn abgeschlossene freie Mitarbeitervertrag.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, den Betriebsrat in der gesetzlich gebotenen Weise angehört zu haben. Sie habe ihm ergänzende Erläuterungen gegeben (Beweis: Zeugnis D). Auch habe der Betriebsrat einen Revisionsbericht erhalten, dessen Inhalt dem Inhalt ihres Schriftsatzes vom 12.04.2002 entsprochen habe. Ihrem Vorbringen zur Betriebsratsanhörung im Schriftsatz vom 12.04.2002 sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.

Der Kläger tritt dem Vortrag der Beklagten entgegen. Er bestreitet die Berechtigung der Vorwürfe und vertritt die Auffassung, dass Kündigungen grundsätzlich nicht auf einen Verdacht gestützt werden könnten.

a) Er behauptet, das Schreiben vom 27.12.1999 sei ihm nicht bekannt gewesen. Es stelle keine allgemeine Weisung dar, sondern beantworte ein Schreiben des Leiters der ZN.

Der Kläger bestreitet, Makleralleinaufträge „an der Zentrale vorbei“ erteilt zu haben. Von einer Reduzierung einer Bedarfsanforderung auf unter DM 100.000,– sei ihm nichts bekannt gewesen; eventuell sei die Reduzierung des Stundensatzes auf Nachverhandlungen des neuen kaufmännischen Geschäftsführers zurückzuführen gewesen. Jedenfalls im September 2000 habe die Zentrale Kenntnis des Sachverhalts gehabt, wie das Schreiben an Herrn vom 08.09.2000 (Bl. 171 f.d. A.) belege.

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b) Nach dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers hat Herr den Erstkontakt mit der Stadt hergestellt. Bereits im Mai 2000 habe Herr – offenbar eigenmächtig – Herrn einen Makleralleinauftrag in Bezug auf die Liegenschaft erteilt (Beweis: Zeugnis D). Herr habe das Kaufinteresse der Stadt geweckt und Vorgespräche initiiert, die am 22.06.2000 stattgefunden hätten (Beweis: Zeugnis D). Am 13.07.2000 seien Verhandlungen geführt worden (Teilnehmerliste vom 13.07.2000 Bl. 167 d. A.). Am 19.07.2000 schließlich habe sich die Stadt unter Bezugnahme auf ein Gespräch vom 13.07.2000 mit einem Kaufangebot an die Beklagte gewendet (Bl. 168 f. d. A.).

Mit der Zentrale sei wegen des Makleralleinauftrags monatelanger Schriftverkehr geführt und die Erlaubnis im November 2000 erteilt worden. Daraufhin habe der Kläger für Herrn den Alleinauftrag unterzeichnet und dies als reine Formsache angesehen, da ja Herr die Maklerleistung längst erbracht gehabt habe. Die – ausnahmsweise – Zahlung einer Innenprovision sei Herrn ebenso bekannt gewesen wie der gesamte übrige Vorgang (Schreiben der Zentrale vom 25.10.2000 und an die Zentrale vom 08.09.2000 Bl. 170,171 f. d. A.).

c) Nach der Behauptung des Klägers hat er das Schreiben vom 03.04.2001 auf Veranlassung seines Vorgesetzten Herrn verfasst. Die ZN sei seinerzeit darauf angewiesen gewesen, dass Herr einen Maklerauftrag für ein Liegenschaftspaket erhalte. Nachdem die Zentrale Anfang des Jahres 2001 einen Antrag der ZN abgelehnt habe, habe für das Jahr 2001 die Gefahr bestanden, dass die vorgegebenen Umsatzzahlen für dieses Jahr nicht hätten realisiertwerden können (Beweis: Zeugnis D). Ihm – dem Kläger – sei es nicht darum gegangen, Herrn bestimmte Makleraufträge zukommen zu lassen.

d) Der Kläger behauptet, ihm sei der Dienstvertrag mit Herrn vom30.04.1997 nicht bekannt gewesen. Als er seine Stelle angetreten habe, sei ihm mitgeteilt worden, dass mit Herrn ein neuer Vertrag abgeschlossen werden müsse, da der bisherige beendet worden sei. Die Vertragsverhandlungen hätte Herr in Abstimmung mit Frau D – der damaligen Personalreferentin der Zentrale – geführt. Der freie Mitarbeitervertrag, beginnend ab 01.04.1999, sei zwar von der Zentrale, nicht aber von Herrn unterzeichnet worden. Somit hätten keine parallelen Vertragsverhältnisse bestanden. Herr sei auch gar nicht in der Lage gewesen, die in diesem Vertrag vorgesehenen Leistungen zu erbringen, wie sich später herausgestellt habe. Seine – des Klägers – Billigung der Rechnungen als „sachlich richtig“ hätten sich lediglich darauf bezogen, dass die der Rechnung zu Grunde liegenden Stundenzahlen tatsächlich erbracht worden seien. Eine Übereinstimmung der tatsächlich erbrachten Leistungen mit den vertraglichen Grundlagen habe er an Hand der Rechnungen auch gar nicht prüfen können.

Dieser Komplex sei im Übrigen bereits früher einmal Gegenstand eines Revisionsverfahrens gewesen. Damals sei der Revisionsbericht der Beklagten am 03.05.2000 vorgelegt worden und hätten die damaligen Vorgesetzten mit Schreiben vom 28.09.2000 umfangreich Stellung genommen.

Der Kläger hat im Kammertermin die Auffassung vertreten, dass sich die Beklagte zur Begründung ihrer Kündigung nur auf die Vorwürfe betreffend und stützen könne, weil nur diese beiden Komplexe Gegenstand der Betriebsratsanhörung gewesen seien.

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht, ist als allgemeiner Feststellungsantrag unzulässig. Für ihn besteht kein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 20.11.2001 hat sich der Kläger mit der Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG gewandt. Weitere Beendigungsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger hat auch auf Hinweis des Gerichts nicht dargelegt, welches denn der Gegenstand des allgemeinen Feststellungsantrages sein soll.

II. Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.

1. Die außerordentliche Kündigung ist nicht wirksam gemäß § 626 Abs. 1, Abs 2 BGB, weil die Beklagte nicht das Vorliegen eines wichtigen Grundes substantiiert behauptet und unter Beweis gestellt hat. Aus dem gleichen Grunde ist die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht als verhaltensbedingte sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

Grundsätzlich vorauszuschicken ist, dass nur solche Umstände eine Kündigung rechtfertigen können, die mit dem betreffenden Arbeitnehmer in Zusammenhang stehen. Die von der Beklagten behaupteten Pflichtverletzungen aus den Jahren vor Eintritt des Klägers in die Abteilung gemäß Aufstellungen auf S. 8 und 14 ihres Schriftsatzes vom 12.04.2002 (Bl. 69, 75 d. A.) scheiden deshalb als Gründe für eine Kündigung des Klägers aus. Der Beklagten ist zuzugeben, dass einige Zustände in der ZN Aufmerksamkeit erregen und eine Überprüfung nahelegen mögen – z B. das Schreiben an Herrn (Bl. 126 d. A.). Dieses datiert jedoch vom

27.11.1998 und ist unterzeichnet von Herrn und Frau D.

Allein der Umstand, dass der Kläger zufällig einen Arbeitsplatz innehatte, der zeitlich und örtlich in einem solchen möglicherweise anstößigen Umfeld angesiedelt ist, reduziert jedoch nicht die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag der Beklagten im Kündigungsschutzprozess. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass der Kündigende darzulegen und unter Beweis zu stellen hat, welcher konkrete Beitrag der zu kündigenden Partei vorzuwerfen ist und dass sie nicht etwa nur versehentlich oder gedankenlos Fehler begangen hat.

a) Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit dem Schreiben an Herrnvom 16.02.2000 gegen eine Weisung der Beklagten verstoßen hat. Die Beklagte hat nämlich selbst nicht vorgetragen, dass der Kläger den Inhalt des Schreibens vom 27.12.1999 überhaupt gekannt hat. Dieses Schreiben ist gerichtet an Herrn „persönlich“ (Hervorhebung im Original).

Es enthält als Betreff allgemein die „Zusammenarbeit mit Maklern“, ist also noch nicht einmal Bestandteil eines Vorgangs für den der Kläger zuständig war und bei dessen Bearbeitung er auf dieses Schreiben hätte stoßen können oder müssen.

Abgesehen hiervon, muss grundsätzlich jeder Kündigung wegen Schlechtleistung eine Abmahnung vorausgehen. Entbehrlich kann eine solche überhaupt nur dann sein, wenn z. B. der Arbeitnehmer den Fehler wider besseres Wissen begeht und etwa bewusst mit Dritten zum Schaden der Arbeitgeberin zusammenarbeitet. Der für die Wirksamkeit einer Kündigung beweispflichtige Arbeitgeber hat in diesem Fall nicht nur die Vertragsverletzung vorzutragen und unter Beweis zu stellen; er muss auch die Entschuldigungs- und Rechtfertigungsgründe, die der Arbeitnehmer substantiiert vorgetragen hat, widerlegen und ggf. beweisen (GK-Kiel, RdN. 439 zu § 1 KSchG mit zahlreichen Nachweisen).

b) Nicht widerlegt hat die Beklagte auch das Vorbringen des Klägers, er habe beim Verkauf des Objekts in lediglich noch der Form halber seine Unterschrift unter einen unstreitig der Zentrale bekannten und von ihr gebilligten Vertrag gesetzt. Unstreitig war es der Vorgesetzte des Klägers, Herr, der kurz nach Eintritt des Klägers in die Abteilung die Zustimmung der Zentrale beantragt (und sei es unter versuchter Erschleichung der Zuständigkeit von Herrn aus der Abteilung Projektentwicklung) und auch erhalten hat.

Was genau sie dem Kläger vorwirft, z b. welche Prüfungspflicht er verletzthabe, wenn er einen von der Zentrale geprüften und gebilligten Vertrag unterzeichnet, hat die Beklagte auch im rahmen der Erörterungen im Kammertermen nicht dargelegt.

Sie hat auch nicht ausgeführt, dass es dem Kläger bekannt gewesen sei, dass der Firma gar keine Provisionsansprüche zustanden. Der Vortrag des Klägers, Herr habe bereits vor Abgabe des Kaufantrags der Stadt – mit dem Geschäft zu tun gehabt, ist bisher nicht widerlegt.

c) Auch auf den Vortrag des Klägers, sein Schreiben vom 03.04.2001 habe seine Ursache in einer Bitte des Vorgesetzten und beruhe nicht auf einer Formulierungshilfe von Herrn -, ist die Beklagte nicht mehr eingegangen. Es fehlt auch an einem Beweisantritt der Beklagten, Herr sei Urheber dieses Schreibens.

Das Schreiben, welches auch eine Kehrtwende zum Inhalt des Schreibens vom 22.06.1999 darstellt – enthält auch nur eine Bitte um stärkere Einschaltung der Firma unter Nennung von Argumenten. Es war Angelegenheit von Herrn und anschließend der Zentrale, sich mit der Bitte des Klägers, die ja keine vollendeten Tatsachen schuf, auseinanderzusetzen, diese ggf. abschlägig zu bescheiden. Dass sich der Kläger aus unredlichen Motiven um eine noch stärkere Berücksichtigung der Firma bemühte, hat die Beklagte noch nicht einmal ausdrücklich vermutet.

d) Das Vorbringen der Beklagten in Bezug auf Herrn enthält keinen einzigen konkreten Vorwurf. Weder hat die Beklagte substantiiert, welcheFehler der Kläger begangen hat noch wie er richtigerweise hätte vorgehen müssen noch, dass ihn überhaupt ein Verschulden traf. Auf die Einwendungen des Klägers ist die Beklagte gar nicht eingegangen.

Überdies hat sie nicht – was zur Schlüssigkeit der Begründung einer außerordentlichen Kündigung gehört – dargelegt, dass sie die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB eingehalten hat.

2. Da die Kündigung bereits aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam ist, kann dahinstehen, ob sie zugleich nichtig gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2, 3 BetrVG ist. /Dem ursprünglichen Vorbringen der Beklagten war nicht zu entnehmen, dass sie den Betriebsrat auch zu anderen Komplexen angehört hat – dies war weder dem Anhörschreiben selbst noch den zur Akte gereichten Anlagen zu entnehmen.

Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits entsprechend ihrem Obsiegen / Unterliegen zu tragen, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Den Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen ist, hat die Kammer in Höhe dreier Monatseinkommen bewertet, § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG, wobei sich der allgemeine Feststellungsantrag nicht streitwerterhöhend ausgewirkt hat.

 

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