Skip to content

Lieferzeitklausel – unwirksame – bei Vertrieb im Internet

 OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az.: 1 U 127/05

Urteil am 10.11.2005

Vorinstanz: Landgericht Frankfurt Az.: 2-02 O 341/04


In dem Rechtsstreit hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2005 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. 3. 2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte, die über das Internet Elektronikprodukte verkauft, auf Unterlassung der Verwendung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten Klauseln über die Lieferzeit, die Lieferung in Qualität und Preis gleichwertiger Produkte, die Anzeige offensichtlicher Mängel und über Obliegenheiten des Kunden bei Rücksendung der Ware. Auf Ziffern 4.1, 4.2, 5.1 und 11.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wird verwiesen ( Bl. 10, 11 d. A. ).

Das Landgericht hat der Beklagten durch Urteil vom 9. 3. 2005 die Verwendung der Klauseln 4.1, 4.2., 5.1 Satz 2 und 11.5 untersagt und der Klage auf Aufwendungsersatz stattgegeben. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung wendet die Beklagte sich gegen die Verurteilung, die Verwendung der Klauseln 4.1 Satz 2, 4.2 Satz 1, Alt. 1 und 11.5 betreffend die Lieferzeit, die Lieferung in Qualität und Preis gleichwertiger Produkte und Obliegenheiten des Kunden bei Rücksendung der Ware zu unterlassen.

Wegen der Klausel 5.1 Satz 2 hat die Beklagte die Berufung zurückgenommen.

Die Beklagte trägt vor:

In der Klausel 4.1 Satz 2 – die die Unverbindlichkeit von Lieferfristen regelt – werde die Rechtslage zutreffend dargestellt, denn die in Bezug genommenen Lieferzeiten aus dem elektronischen Katalog seien nur Teil einer invitatio ad offerendum.

Diese Lieferzeiten seien hinreichend bestimmt, denn der Kunde könne den Liefertermin ab dem Abschluss des Vertrages durch Übersendung der Auftragsbestätigung unter Hinzurechnung üblicher Postlaufzeiten errechnen.

Die Klausel 4.2 regele einen sachlich gerechtfertigen Rücktrittsvorbehalt, nicht aber einen Änderungsvorbehalt. Die Lieferung eines gleichwertigen an Stelle des bestellten Produkts enthalte einen neuen Antrag ( § 150 II BGB ), den der Kunde nicht annehmen müsse.

Der Verbraucher werde nicht unangemessen benachteiligt, denn das ihr eingeräumte Lösungsrecht entspreche der Regelung in § 241 a BGB.

Die Klausel 11.5 halte einer Inhaltskontrolle stand, denn die Verpackung sei Gegenstand des Kaufvertrages, weshalb auch eine entsprechende Rückgabepflicht bestehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 9. 3. 2005 teilweise abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt worden ist,

die Verwendung folgender Klauseln zu unterlassen:

Angaben über die Lieferfristen sind unverbindlich, soweit nicht ausnahmsweise der Liefertermin verbindlich und schriftlich zugesagt wurde ( Ziffer 4. 1 AGB ).

Sollte ein vom Kunden bestelltes Produkt wider Erwarten trotz rechtzeitiger Disposition aus von der B AG nicht zu vertretenden Gründen nicht verfügbar sein, ist die B AG berechtigt, anstatt des bestellten Produkts ein in Preis und Qualität gleichwertiges Produkt zu liefern ( Ziffer 4.2 AGB ).

Dem Kunden obliegt es, die Ware in der Originalverpackung samt Innenverpackung und – soweit mitgeliefert – in einer Antistatikhülle zurückzusenden ( Ziffer 11.5 AGB).

der Klägerin die Befugnis zur Veröffentlichung dieser Klauseln zugesprochen worden ist,

die Beklagte zur Zahlung von Aufwendungsersatz verurteilt worden ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus: Die Klausel 4.1 benachteilige den Kunden, weil dieser wegen der Unverbindlichkeit der Lieferzeit nicht wisse, wann er mit einer Lieferung rechnen könne.

Die Klausel 4.2 sei wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

Der Kunde sei nach der Rechtslage nicht verpflichtet, sämtliche Verpackungsmaterialien

an die Beklagte zurückzusenden, um von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen, weshalb die Klausel 11.5 unwirksam sei.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klausel 4.1 Satz 2 ist wegen Verstoßes gegen § 307 I Satz 1, II Ziffer 1 BGB unwirksam.

Sie bestimmt, dass Angaben über die Lieferfristen unverbindlich sind, soweit nicht ausnahmsweise der Liefertermin verbindlich und schriftlich zugesagt wurde.

Aus dem Regelungszusammenhang mit Satz 1 folgt, dass dort in Bezug genommene Lieferfristen aus dem elektronischen Katalog gemeint sind.

Die Klausel ist nur für Verträge relevant, die durch Bestellung des Kunden und elektronische Zusendung einer Auftragsbestätigung zustande gekommen sind. Wird der Vertrag nämlich durch Bestellung und Zusendung der Ware geschlossen, ist die Bezugnahme auf Lieferzeiten überholt.

Die Klausel benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten wider Treu und Glauben unangemessen, denn die Lieferzeit wird für den Regelfall – ausgenommen sind nur ausnahmsweise verbindlich und schriftlich zugesagte Liefertermine – offen gehalten.

Mangels Fälligkeit der Leistung werden die Kunden davon abgehalten, Erfüllungs- oder Verzugsansprüche geltend zu machen, was auch einen Verstoß gegen § 309 Nr. 8 a BGB begründet ( vgl. BGH WM 1984, 1317).

Der von der Klägerin beanstandete Teil der Klausel 4. 2 ist wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Dieser Teil der Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthält einen Änderungsvorbehalt, nicht einen § 308 Nr. 3, 8 BGB unterfallenden Rücktrittsvorbehalt. Dies folgt daraus, dass die Beklagte sich in der Klausel 4. 2 Satz 1 ausdrücklich alternativ die Lieferung eines in Qualität und Preis gleichwertigen Produkts oder den Rücktritt vorbehält.

Die angegriffene Klausel bezieht sich auf Verträge, die durch Bestellung des Kunden und elektronische Zusendung einer Auftragsbestätigung zustande kommen. In diesem Fall bezweckt der Änderungsvorbehalt, die Erfüllungswirkung auch dann eintreten zu lassen, wenn eine andere als die geschuldete Leistung bewirkt wird. Der Kunde hätte dann keine Sachmängelansprüche.

Liegt die Annahme des Angebots des Kunden durch die Beklagte hingegen in der Zusendung der Ware, enthält die Zusendung einer anderen als der bestellten Ware einen neuen Antrag nach § 150 II BGB, dessen Annahme dem Kunden freisteht.

Nach § 308 Nr. 4 BGB hängt die Wirksamkeit eines Änderungsvorbehalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen davon ab, ob die Änderung der Leistung dem Kunden unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders zumutbar ist. Änderungsgründe müssen schwerwiegend sein, um den Bindungsgrundsatz verdrängen zu können ( vgl. BGH WM 1984, 314 ff, 315 ).

Der Änderungsanlass ist in der Klausel 4. 2 Satz 1 dahin eingeschränkt, dass die Ware wider Erwarten trotz rechtzeitiger Disposition aus von der Beklagten nicht zu vertretenden Gründen nicht verfügbar sei. Bei im Verbandsprozess maßgeblicher kundenfeindlichster Auslegung erfasst die Klausel als Unterfall der Leistungsstörung auch die Nichtverfügbarkeit infolge eines vorübergehenden Leistungshindernisses. In nur zu einer Leistungsverzögerung führenden Umständen liegt aber kein schwerwiegender Änderungsgrund ( vgl. BGH NJW 1983, 1320 ff, 1321; NJW 1985, 855 ff, 857; jeweils zu § 10 Nr. 3 AGB-G). Vielmehr weicht ein solches einseitiges Änderungsrecht so weit von dem in § 276 I BGB geregelten Beschaffungsrisiko und den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die dem Schuldner bei der Beschaffung von Gattungsschulden zuzumutenden Schwierigkeiten ab, dass sie durch ein anerkennenswertes Interesse des Verwenders nicht mehr gedeckt ist ( BGH a. a.O.).

Überdies müssen die Gründe und der Umfang des Änderungsvorbehalts in der AGB-Bestimmung genau angegeben werden, damit der Kunde beurteilen kann, ob er eine Leistungsänderung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders hinzunehmen hat ( vgl. BGH a. a. O; WM 1985, 127 ff, 131; Erman/ Roloff, BGB, 11. Aufl., § 308 Rn. 34; Ulmer/ Brandner/ Hensen, AGB – Gesetz, 9. Aufl., § 10 Nr. 4 Rn. 9 ). Diesen Anforderungen genügt der in der Klausel 4. 2 Satz 1 geregelte Änderungsvorbehalt nicht. Der Kunde kann angesichts der geringen Konkretisierung des Regelungssachverhalts „wider Erwarten trotz rechtzeitiger Disposition aus von der B AG nicht zu vertretenden Gründen“ kaum abschätzen, wann und unter welchen Umständen er mit einer Abweichung von der geschuldeten Leistung rechnen muss.

Überdies folgt der Senat der Auffassung des Landgerichts, dass Zumutbarkeit der Leistungsänderung für den Kunden zu verneinen ist, weil dessen Interesse am Erhalt eines gerade seiner Bestellung entsprechend optisch gestalteten und mit bestimmten technischen Möglichkeiten ausgestatteten Produkts eines bestimmten Herstellers unberücksichtigt bleibt.

Benötigen Sie eine Beratung in einer ähnlichen Angelegenheit? Vereinbaren Sie einen Termin: 02732 791079 oder fordern Sie unsere Ersteinschätzung online an.

Dieses Interesse wird nicht durch das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten geregelte Rückgaberecht geschützt, denn die Klausel 11.5, wonach es dem Kunden obliegt, die Ware in der Originalverpackung samt Innenverpackung zurückzusenden, ist wegen Verstoßes gegen das in § 307 I Satz 2 BGB geregelte Transparenzgebot unwirksam.

Zwar gibt die Klausel insofern die Gesetzeslage wieder, als die Originalverpackung nach dem über die Verweisung in § 357 I Satz 1 BGB anwendbaren § 346 I BGB zu den empfangenen Leistungen gehört, die als Folge des Rücktritts zurückzugewähren sind. Da § 346 I BGB Rückgewährpflichten regelt, ist es auch unschädlich, dass eine Obliegenheit nach allgemeinem Sprachgebrauch als Verpflichtung verstanden wird.

Die Klausel steht aber unter der optisch hervorgehobenen Überschrift „Rückgaberecht“ im Unterabschnitt 11.5. Es wird nicht klar und durchschaubar gemacht, dass die wirksame Ausübung des Rücktrittsrechts nicht davon abhängt, ob die Ware in der Originalverpackung an den Verkäufer zurückgesandt wird, sondern für den Fall, dass die Verpackung nicht herausgegeben werden kann, als Folge der Ausübung des Rücktrittsrechts nur eine Verpflichtung zum Wertersatz besteht ( §§ 346 II, 357 III BGB ). Insbesondere steht die Regelung in Ziffer 11.5 über die Modalitäten der Rücksendung der Ware nicht im Bedeutungszusammenhang mit den im Abschnitt „Rückgaberecht“ vorangestellten Klauseln 11.2 – 11.4, in denen Rückgabefolgen angesprochen werden. Die Rücksendung der Ware ist keine Folge der Ausübung des Rücktrittsrechts, sondern das Rückgaberecht wird durch Rücksendung ausgeübt (§ 356 II BGB ).

Auch einem Kunden, der den Klauseltext mit der gebotenen Aufmerksamkeit liest, wird deshalb nicht deutlich, ob die unter Ziffer 11.5 geregelte Verpflichtung nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie steht, sein Recht zur Rückgabe einschränkt.

Es besteht deshalb im Hinblick auf diese Unklarheit die Gefahr einer sachlichen Benachteiligung.

Die Veröffentlichungsbefugnis hat ihre Grundlage in § 7 UKlaG.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nebst Verzinsung.

Insofern ist die auf Abweisung der Klage gerichtete Berufung entgegen § 520 III Nrn. 2.– 4. ZPO nicht begründet worden. Der Begründungsmangel führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, sondern zur Unbegründetheit, denn ein insgesamt begründeter Angriff gegen den Anspruch auf Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln würde auch die Abweisung der Klage auf Aufwendungsersatz für eine Abmahnung tragen.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 92 II, 97 I, 516 III ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO, die über die Zulassung der Revision auf § 543 II ZPO.

 

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos