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Unwirksamkeit der Sicherungsabrede bei selbstschuldnerischer Gewährleistungsbürgschaft

OLG Jena – Urteil vom 04.04.2012

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 10.06.2011 wie folgt abgeändert:

1.1. Die Beklagte wird verurteilt, die Gewährleistungsbürgschaft der Klägerin vom 23.03.2004 über 585.800,00 € im Original an die Klägerin herauszugeben.

1.2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2010 zu zahlen.

1.3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin das Original einer streitgegenständlichen selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft vom 23.04.2004 über einen Höchstbetrag von 585.800,00 € (K1) herauszugeben. Der Gewährleistungsbürgschaft lag eine formularmäßige Sicherungsabrede zwischen der W & T GmbH (vormals: W & T AG) als Auftragnehmerin und der F Grundstücks-Vermietungsgesellschaft mbH & Co. Objekt D KG als Auftraggeberin zugrunde. Eine Klage der hiesigen Beklagten auf Leistung aus der Gewährleistungsbürgschaft hat das Landgericht München I mit Urteil vom 11.05.2009 (Az. 15 HKO 6450/08) abgewiesen und dies damit begründet, dass die zugrunde liegende Sicherungsabrede gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei (K4). Mit Beschluss vom 22.12.2009 (Az. 28 U 3343/09) hat das Oberlandesgericht München die hiergegen gerichtete Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen (K6). Die Beklagte ist im Wege der Abtretung (B1) Inhaberin der gesicherten Gewährleistungsansprüche der Auftraggeberin und des – streitigen – Anspruchs auf Rückzahlung der Avalprovision (Bürgschaftsgebühr) geworden. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Auftraggeberin die Bürgschaftsurkunde rechtsgrundlos erlangt habe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei nur Zug um Zug gegen Erstattung der Avalprovision zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verpflichtet, denn die vereinbarte Avalprovision werde nur für die Abgabe eines wirksamen Bürgschaftsversprechens geschuldet.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Hinsichtlich der Begründung des angefochtenen Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen.

Mit der Berufung hält die Beklagte an ihrer Rechtsauffassung fest.

Sie rügt, das Landgericht habe ausschließlich einen bereicherungsrechtlichen Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der Avalprovision geprüft und verneint. Hierbei habe das Landgericht übersehen, dass der Bürgin die geschuldete Leistung wegen der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede unmöglich sei. Der Anspruch auf Rückzahlung der Avalprovision folge mithin aus den §§ 275, 326 Abs. 1, Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB. Mangels eines vorgerichtlichen Herausgabeanspruchs der Klägerin habe diese auch keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltkosten.

Die Beklagte beantragt, unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Erfurt der Klage auf Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaft vom 23.03.2004 über 585.800,00 € nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 35.468,00 € durch die Klägerin an die Beklagte stattzugeben, hilfsweise, auf die hiermit erhobene Feststellungswiderklage festzustellen, dass der Beklagten gegen den Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaft vom 23.03.2004 über 585,800,00 € ein Zurückbehaltungsrecht gegen die Klägerin zusteht wegen Rückzahlung der von der W & T GmbH [vormals W & T AG] gezahlten Avalprovision für die herauszugebende Gewährleistungsbürgschaft.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, §§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, 517, 519, 520 Abs. 2 und 3 ZPO. Sie ist jedoch nur teilweise begründet, im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

1. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte als Zessionarin keinen Gegenanspruch auf Rückzahlung der Avalprovision gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 398 BGB und folglich auch kein Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 273 BGB hat. Rechtsgrund für die Avalprovision, welche die Zedentin, die W & T GmbH, an die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die W-Garantie, Deutsche G- und K-Versicherungs-AG, gezahlt hat, ist der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Zedentin und der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Dieser ist wirksam.

Die Beklagte hat auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Rückzahlung der an die Rechtsvorgängerin der Klägerin geleisteten Avalprovision.

Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch wegen Nichterreichens des mit der Leistung verfolgten Zwecks (condictio causa data causa non secuta), §§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, 398 BGB, scheidet ebenfalls aus.

Eine Leistung ist zweckgebunden im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB, wenn sie in Erwartung eines künftigen Verhaltens des Empfängers oder eines Dritten erbracht wird, auf die kein Anspruch besteht oder auf eine künftige Verpflichtung geleistet wird. Wegen des Vorrangs des Vertragsrechts darf der Zweck nicht Gegenstand der vertraglichen Bindung sein. Eine Zweckvereinbarung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Insbesondere haben die Zedentin und die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht vereinbart, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Avalprovision nur behalten darf, wenn die Auftraggeberin der Zedentin, die F KG Grundstücks-Vermietungsgesellschaft mbH & Co. Objekt D KG, durch die Gewährleistungsbürgschaft zu einem Verhalten veranlasst wird, auf das die Zedentin keinen Anspruch hat.

Ohne Erfolg rügt die Beklagte, dass das Landgericht ihr Zahlungsbegehren aus abgetretenem Recht nicht unter dem Gesichtspunkt der Unmöglichkeit geprüft und bejaht habe, §§ 275, 326 Abs. 1, Abs. 4, 346 Abs. 1, 398 BGB

Eine Leistung ist unmöglich, wenn sie von dem Schuldner oder von niemandem erbracht werden kann. Ein Fall der Unmöglichkeit liegt danach nicht vor.

Mit dem Geschäftsbesorgungsvertrag geht der Bürge gegenüber dem Hauptschuldner die Verpflichtung zur Übernahme einer Bürgschaft zu Gunsten des Gläubigers des Hauptschuldners ein. Zugleich wird durch den Bürgschaftsvertrag zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger des Hauptschuldners eine eigene Leistungspflicht des Bürgen gegenüber dem Gläubiger begründet (BGHZ 139, 214).

Die Klägerin hat im Wege der Rechtsnachfolge auf der Grundlage des Geschäftsbesorgungsvertrages mit der Zedentin die streitgegenständliche Gewährleistungsbürgschaft zu Gunsten der Auftraggeberin der Zedentin übernommen. Sie kann darüber hinaus auch für die Erfüllung der Verbindlichkeiten der Zedentin gegenüber deren Auftraggeberin einstehen. Die Erfüllung dieser auf sie übergegangenen Leistungspflicht, die sich aus dem wirksamen Bürgschaftsvertrag mit der Auftraggeberin der Zedentin ergibt, ist ihr durch die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede in dem zwischen der Zedentin und ihrer Auftraggeberin geschlossenen Bauvertrag rechtlich nicht unmöglich geworden.

Rechtliche Unmöglichkeit setzt voraus, dass die Leistung aus Rechtsgründen nicht erbracht werden kann. Das ist der Fall, wenn der Leistung ein dauerndes Rechtshindernis entgegen steht oder wenn sich der Schuldner zur Herbeiführung eines bereits bestehenden Erfolges verpflichtet (Palandt-Grüneberg, § 275 BGB, Rz. 16). Die Unwirksamkeit des Sicherungsvertrages zählt zu den Einreden des Bürgen im Sinne des § 768 Abs. 1 BGB (BGH ZIP 2009, 1703). Die Unwirksamkeit dieser Sicherungsabrede hat damit lediglich zur Folge, dass sich die Klägerin als Bürgin gegenüber der Gläubigerin auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede berufen und die Erfüllung ihrer gegenüber der Gläubigerin bestehenden bürgschaftsvertraglichen Verpflichtung verweigern kann, § 768 Abs. 1 BGB. Der Bürge hat mithin das Recht („kann“), die Leistung zu verweigern. Er kann aber ebenso – schriftlich – auf sein Recht aus § 768 Abs. 1 BGB verzichten, mithin gleichwohl leisten (Palandt-Grüneberg, § 768 BGB, Rz. 8). Ein Fall der Unmöglichkeit liegt damit nicht vor.

2. Teilweise mit Erfolg greift die Beklagte allerdings die Feststellungen des Landgericht zu den vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.237,90 € an. Diesen Erstattungsanspruch, der sich dem Grunde nach aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB ergibt, hat die Klägerin nur in Höhe von 492,54 €.

Wegen der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede hatte die Zedentin gegen ihre Auftraggeberin gemäß § 812 Ab. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an die Bürgin (vgl. BGHZ 143, 381). Dieser Herausgabeanspruch steht gemäß § 768 Abs. 1 BGB auch der Bürgin gegen die Gläubigerin zu.

Fällig war der Herausgabeanspruch mit rechtskräftiger Feststellung der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede im Bauvertrag, folglich mit Erlass des Beschlusses vom 22.12.2009, mit dem das Oberlandesgericht München in dem Vorprozess (Az. 28 U 3343/09) die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts München I vom 11.05.2009 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückgewiesen hat. Mit Ablauf der Frist (20.04.2010), welche die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 31.03.2010 zur Herausgabe der Bürgschaft gesetzt hat (K7), ist die Beklagte in Verzug geraten. Folglich hat sie der Klägerin den durch den Verzug entstandenen Schaden in Form der spätestens durch das Anwaltsschreiben vom 09.06.2010 entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Der Höhe nach ist der Schadensersatzanspruch allerdings beschränkt auf die Rechtsanwaltskosten, die sich aus einem begründeten Gegenstandswert ergeben. Zugrunde zu legen ist mithin der gemäß Beschluss des Senats festgesetzte Streitwert in Höhe von 17.574,00 €. Der erstattungsfähige Schaden beträgt folglich 0,65 aus einer Gebühr in Höhe von 606,00 € zzgl. 20,00 € Auslagenpauschale zzgl. 19% MwSt. = 492,54 €. Seit Ablauf der im anwaltlichen Schriftsatz vom 09.06.2010 gesetzten Frist (21.06.2010) ist die Beklagte mit der Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Verzug, § 286 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen, nach denen die Revision zuzulassen ist, liegen hier nicht vor, § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 ZPO.

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