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Unwirksamkeit Pflegeheimvertrag – Anspruch auf Zahlung des angemessenen Leistungsentgelts

Ein Pflegeheim in Sachsen erstritt erfolgreich rückständige Pflegekosten, obwohl der Vertrag mit dem Bewohner Formfehler aufwies. Das Oberlandesgericht Dresden stärkte mit seiner Entscheidung die Rechte von Pflegeeinrichtungen und betonte, dass auch bei unwirksamen Verträgen ein Anspruch auf Vergütung bestehen kann. Diese wegweisende Entscheidung könnte die Rechtslage in der Pflegebranche grundlegend verändern.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Gericht hat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.
  • Die Kosten des Berufungsverfahrens muss der Beklagte tragen.
  • Der Beschluss und das Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
  • Die Forderung der Klägerin betrifft die Zahlung rückständiger Entgelte für Pflegeleistungen.
  • Der Beklagte hat erfolglos behauptet, der Vertrag sei formunwirksam und er selbst geschäftsunfähig.
  • Das Gericht hat entschieden, dass die vorgelegten Anlagen ausreichend sind, um den Anspruch der Klägerin zu stützen.
  • Die Berufung wurde ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte.
  • Der Beklagte konnte die Angemessenheitsfiktion der Vergütung nicht substantiiert bestreiten.
  • Der Antrag des Beklagten auf Prozesskostenhilfe wurde ebenfalls abgelehnt.
  • Der Anspruch der Klägerin wurde sowohl aus Vertrag als auch aus ungerechtfertigter Bereicherung hergeleitet.

Gericht entscheidet: Pflegeheim kann auch bei unwirksamem Vertrag Entgelt verlangen

Pflegeheimverträge sind wichtige Dokumente, die die Rechte und Pflichten von Bewohnern und Pflegeeinrichtungen regeln. Doch manchmal kann es passieren, dass ein Pflegeheimvertrag unwirksam ist. Das kann verschiedene Ursachen haben, etwa unzulässige Klauseln oder formale Fehler. Ist ein Vertrag unwirksam, stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe die Pflegeeinrichtung trotzdem ein Entgelt verlangen kann.

Gerichte haben sich in zahlreichen Fällen mit dieser Frage beschäftigt und unterschiedliche Entscheidungen getroffen. Dabei spielen insbesondere die konkreten Umstände des Einzelfalls eine Rolle, zum Beispiel die Art und Schwere des Vertragsmangels, die erbrachten Pflegeleistungen und die vereinbarte Vergütung. In einem aktuellen Fall hat das Gericht nun eine interessante Entscheidung getroffen, die wir im Folgenden genauer beleuchten möchten.

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Der Fall vor Gericht


Unwirksamer Pflegeheimvertrag: OLG Dresden stärkt Position der Pflegeheime

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat in einem Rechtsstreit zwischen einem Pflegeheim und einem Bewohner eine wegweisende Entscheidung getroffen. Das Gericht bestätigte, dass Pflegeheime auch bei unwirksamen Verträgen Anspruch auf Vergütung haben können. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die komplexe rechtliche Situation in der Pflegebranche.

Streit um rückständige Pflegekosten trotz Formfehler im Vertrag

Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Forderung eines Pflegeheims nach Zahlung rückständiger Entgelte für erbrachte Pflegeleistungen. Der Heimbewohner hatte sich geweigert, die geforderten Beträge zu zahlen. Er berief sich dabei auf formale Mängel im Pflegevertrag, die seiner Ansicht nach zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führten.

Das Landgericht Leipzig gab in erster Instanz der Klage des Pflegeheims statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung. Gegen dieses Urteil legte der Heimbewohner Berufung ein. Er argumentierte unter anderem, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geschäftsunfähig gewesen sei und der Vertrag daher keine Gültigkeit habe.

OLG Dresden weist Berufung des Heimbewohners zurück

Das Oberlandesgericht Dresden hat die Berufung des Beklagten nun ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Die Richter sahen keine Erfolgsaussichten für die Berufung und keinen Grund, von ihrer im Hinweisbeschluss geäußerten Rechtsauffassung abzuweichen.

In seiner Begründung stellte das Gericht klar, dass es bei der rechtlichen Würdigung nicht an die Ansichten der Parteien gebunden ist. Vielmehr müsse es den Sachverhalt unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten prüfen. Das OLG betonte, dass der Zahlungsanspruch des Pflegeheims sowohl aus dem Vertrag als auch aus ungerechtfertigter Bereicherung hergeleitet werden könne.

Angemessenheitsfiktion und Bereicherungsrecht stärken Position der Pflegeheime

Besonders bedeutsam ist die Feststellung des Gerichts zur sogenannten Angemessenheitsfiktion nach § 7 Abs. 2 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG). Demnach gelten die vereinbarten Entgelte als angemessen, wenn sie den mit den Kostenträgern getroffenen Vereinbarungen entsprechen. Das OLG sah es als erwiesen an, dass der Vertrag eine entsprechende Klausel enthielt.

Selbst wenn der Vertrag aufgrund formaler Mängel unwirksam sein sollte, käme nach Ansicht des Gerichts ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht. Das Pflegeheim hätte demnach Anspruch auf Wertersatz für die erbrachten Leistungen.

Diese Entscheidung stärkt die Position von Pflegeheimen in Fällen, in denen Bewohner oder deren Angehörige die Zahlung mit Verweis auf Formfehler im Vertrag verweigern. Sie unterstreicht, dass die tatsächliche Inanspruchnahme von Pflegeleistungen auch ohne wirksamen Vertrag zu einer Zahlungspflicht führen kann.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil des OLG Dresden stärkt die Position von Pflegeheimen bei Zahlungsstreitigkeiten erheblich. Es bestätigt, dass Pflegeheime selbst bei formal unwirksamen Verträgen Anspruch auf Vergütung haben können, sei es durch die Angemessenheitsfiktion des WBVG oder aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung. Dies schützt Pflegeheime vor finanziellen Einbußen durch Formfehler und unterstreicht, dass die tatsächliche Inanspruchnahme von Pflegeleistungen eine Zahlungspflicht begründen kann.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie einen möglicherweise unwirksamen Pflegeheimvertrag haben, bedeutet dieses Urteil, dass Sie wahrscheinlich trotzdem für die erhaltenen Leistungen zahlen müssen. Selbst bei Formfehlern im Vertrag können Pflegeheime ihre Forderungen durchsetzen, entweder basierend auf der gesetzlichen Angemessenheitsfiktion oder auf dem Prinzip der ungerechtfertigten Bereicherung. Das Gericht betrachtet dabei die tatsächlich erbrachten Leistungen, nicht nur den schriftlichen Vertrag. Um sich gegen unberechtigte Forderungen zu wehren, müssen Sie konkret nachweisen, dass die verlangten Entgelte unangemessen hoch sind oder dass Sie die Leistungen nicht erhalten haben. Eine pauschale Verweigerung der Zahlung aufgrund von Vertragsfehlern wird voraussichtlich keinen Erfolg haben.


FAQ – Häufige Fragen

Sie wollen sich oder einen Angehörigen in einem Pflegeheim betreuen lassen, haben aber Fragen zum unwirksamen Pflegeheimvertrag? Unser FAQ-Bereich bietet Ihnen umfassende Informationen zu diesem Thema und hilft Ihnen, die wichtigen Punkte zu verstehen.


Was kann ich tun, wenn ich einen unwirksamen Pflegeheimvertrag habe?

Bei einem möglicherweise unwirksamen Pflegeheimvertrag stehen dem Betroffenen verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zunächst ist eine gründliche Prüfung des Vertrags auf seine Rechtmäßigkeit unerlässlich. Dabei sollte besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) gelegt werden. Dieses Gesetz regelt die Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien und legt fest, welche Inhalte ein Pflegeheimvertrag zwingend enthalten muss.

Wesentliche Aspekte, die überprüft werden sollten, sind die Angaben zu Art, Inhalt und Umfang der Leistungen sowie die Aufschlüsselung der Kosten. Fehlen diese Informationen oder sind sie unvollständig, kann dies ein Indiz für die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln oder des gesamten Vertrags sein. Auch unzulässige Klauseln, die den Bewohner unangemessen benachteiligen, können zur Unwirksamkeit führen.

Besteht der Verdacht auf einen unwirksamen Vertrag, ist es ratsam, das Gespräch mit der Heimleitung zu suchen. Oftmals lassen sich Unstimmigkeiten im direkten Dialog klären. Dabei sollten die fraglichen Punkte konkret angesprochen und eine Anpassung des Vertrags angeregt werden.

Führt dieses Gespräch nicht zum gewünschten Ergebnis, kann eine schriftliche Beanstandung der unwirksamen Klauseln erfolgen. Darin sollte die Heimleitung aufgefordert werden, den Vertrag entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu ändern. Es empfiehlt sich, hierfür eine angemessene Frist zu setzen.

Wichtig ist zu beachten, dass auch bei einem teilweise oder gänzlich unwirksamen Vertrag ein Anspruch des Heimbetreibers auf ein angemessenes Entgelt für die tatsächlich erbrachten Leistungen besteht. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung. Der Bewohner kann sich also nicht darauf berufen, aufgrund der Unwirksamkeit des Vertrags gar nichts zahlen zu müssen.

Sollte der Heimbetreiber nicht auf die Beanstandungen reagieren oder eine Vertragsanpassung ablehnen, können rechtliche Schritte in Erwägung gezogen werden. Eine Möglichkeit ist die Erhebung einer Feststellungsklage vor dem zuständigen Gericht. Hierbei wird gerichtlich geklärt, ob der Vertrag oder einzelne Klauseln unwirksam sind.

Alternativ kann der Bewohner auch eine Leistungsklage erheben, wenn er aufgrund der Unwirksamkeit bestimmter Klauseln zu viel gezahlt hat und eine Rückerstattung fordert. In beiden Fällen ist es ratsam, sich vorab über die Erfolgsaussichten und möglichen Kostenrisiken zu informieren.

Es ist zu betonen, dass die Unwirksamkeit eines Pflegeheimvertrags nicht automatisch zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Vielmehr tritt an die Stelle der unwirksamen Regelungen das Gesetz. Der Bewohner hat weiterhin Anspruch auf die vereinbarten Leistungen, muss aber im Gegenzug auch ein angemessenes Entgelt entrichten.

Bei der Durchsetzung der eigenen Rechte ist Besonnenheit geboten. Ein konstruktiver Dialog mit dem Heimbetreiber sollte stets Vorrang vor rechtlichen Schritten haben. Nur wenn alle Vermittlungsversuche scheitern, ist der Gang vor Gericht als letztes Mittel in Betracht zu ziehen.

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Muss ich für Pflegeleistungen zahlen, auch wenn der Vertrag unwirksam ist?

Bei unwirksamen Pflegeverträgen besteht grundsätzlich trotzdem eine Zahlungspflicht für tatsächlich erbrachte Pflegeleistungen. Dies ergibt sich aus dem Rechtsinstitut der ungerechtfertigten Bereicherung. Auch wenn der Vertrag selbst unwirksam ist, hat der Pflegebedürftige die Leistungen in Anspruch genommen und dadurch einen Vorteil erlangt. Dieser Vorteil muss ausgeglichen werden.

Die Zahlungspflicht erstreckt sich jedoch nur auf ein angemessenes Entgelt für die tatsächlich erbrachten Leistungen. Es kann nicht einfach der im unwirksamen Vertrag vereinbarte Betrag verlangt werden. Stattdessen muss ermittelt werden, was üblicherweise für vergleichbare Pflegeleistungen gezahlt wird. Dabei sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Wichtig ist: Die Zahlungspflicht besteht nur für den Zeitraum, in dem die Pflegeleistungen tatsächlich in Anspruch genommen wurden. Für Zeiten, in denen keine Leistungen erbracht wurden, muss auch nichts gezahlt werden. Dies gilt selbst dann, wenn im unwirksamen Vertrag etwas anderes vereinbart war.

Der Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Entgelts verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.

In der Praxis führt die Unwirksamkeit eines Pflegevertrags häufig zu Streitigkeiten über die Höhe des angemessenen Entgelts. Um solche Auseinandersetzungen zu vermeiden, ist es ratsam, bei Zweifeln an der Wirksamkeit des Vertrags frühzeitig das Gespräch mit dem Pflegeanbieter zu suchen. Dabei sollte eine einvernehmliche Lösung angestrebt werden, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt.

Es ist zu beachten, dass die Unwirksamkeit eines Pflegevertrags nicht automatisch bedeutet, dass alle darin enthaltenen Regelungen hinfällig sind. Oft sind nur einzelne Klauseln unwirksam, während der Rest des Vertrags bestehen bleibt. In solchen Fällen gelten für die unwirksamen Teile die gesetzlichen Regelungen.

Die rechtliche Situation bei unwirksamen Pflegeverträgen ist komplex und kann im Einzelfall von den hier dargestellten Grundsätzen abweichen. Die genauen Umstände des jeweiligen Falls sind stets zu berücksichtigen.

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Welche Rechte habe ich bei formalen Mängeln im Pflegevertrag?

Bei formalen Mängeln im Pflegevertrag stehen Betroffenen verschiedene Rechte zu. Grundsätzlich müssen Pflegeverträge bestimmte gesetzliche Vorgaben erfüllen, insbesondere nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG). Dieses Gesetz soll Pflegebedürftige als Verbraucher schützen.

Weist ein Pflegevertrag formale Mängel auf, ist er in der Regel trotzdem nicht automatisch ungültig. Stattdessen bleiben die gesetzlichen Regelungen wirksam und ersetzen fehlende oder fehlerhafte Vertragsklauseln. Das bedeutet, dass Pflegebedürftige weiterhin Anspruch auf die vereinbarten Leistungen haben, auch wenn der Vertrag Formfehler enthält.

Ein häufiger Mangel ist das Fehlen von vorgeschriebenen Angaben im Vertrag. Dazu gehören etwa genaue Informationen zu Art, Inhalt und Umfang der Leistungen oder eine detaillierte Aufschlüsselung der Kosten. In solchen Fällen können Pflegebedürftige vom Pflegeheim verlangen, dass der Vertrag entsprechend ergänzt oder korrigiert wird.

Besonders wichtig ist das Recht auf eine schriftliche Ausfertigung des Vertrages. Wurde der Vertrag nur mündlich geschlossen oder liegt er nicht in Schriftform vor, können Pflegebedürftige jederzeit eine schriftliche Fassung einfordern. Das Pflegeheim ist dann verpflichtet, dieser Aufforderung nachzukommen.

Bei gravierenden Mängeln, die den Vertragszweck gefährden, besteht unter Umständen sogar ein Recht zur außerordentlichen Kündigung. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn wesentliche Leistungen nicht aufgeführt sind oder die Kostenaufstellung völlig intransparent ist.

Es ist zu beachten, dass selbst bei unwirksamen Vertragsklauseln oder einem insgesamt unwirksamen Vertrag die erbrachten Leistungen in der Regel trotzdem bezahlt werden müssen. Allerdings richtet sich die Höhe dann nach dem angemessenen oder ortsüblichen Entgelt für vergleichbare Leistungen. Dies kann im Einzelfall sogar günstiger für den Pflegebedürftigen sein als die ursprünglich vereinbarten Konditionen.

Um die Rechte bei formalen Mängeln geltend zu machen, sollten Betroffene zunächst das Gespräch mit der Heimleitung suchen. Oft lassen sich Probleme auf diesem Weg unkompliziert lösen. Führt dies nicht zum Erfolg, kann eine schriftliche Beschwerde an den Träger der Einrichtung gerichtet werden. Dabei ist es ratsam, konkret auf die Mängel hinzuweisen und eine Frist zur Behebung zu setzen.

In komplexeren Fällen oder bei anhaltenden Streitigkeiten kann es sinnvoll sein, sich an die zuständige Heimaufsichtsbehörde zu wenden. Diese hat die Aufgabe, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften in Pflegeeinrichtungen zu überwachen und kann bei Verstößen eingreifen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass formale Mängel im Pflegevertrag nicht bedeuten, dass Pflegebedürftige rechtlos sind. Im Gegenteil: Das Gesetz bietet einen starken Schutz und stellt sicher, dass die wesentlichen Rechte und Pflichten auch dann gelten, wenn der Vertrag selbst Lücken oder Fehler aufweist. Betroffene sollten sich daher nicht scheuen, ihre Rechte einzufordern und auf die Korrektur von Mängeln zu bestehen.

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Was ist die Angemessenheitsfiktion nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG)?

Die Angemessenheitsfiktion ist ein wichtiges Konzept im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG), das den Schutz von Verbrauchern in Pflegeeinrichtungen stärkt. Sie besagt, dass die vertraglich vereinbarten Entgelte für Unterkunft, Verpflegung und Pflege- oder Betreuungsleistungen als angemessen gelten, wenn sie den mit den Kostenträgern ausgehandelten Vergütungsvereinbarungen entsprechen.

Diese gesetzliche Vermutung entlastet die Bewohner von Pflegeeinrichtungen erheblich. Sie müssen nicht selbst nachweisen, dass die Preise für die erhaltenen Leistungen angemessen sind. Stattdessen wird angenommen, dass die zwischen Pflegeeinrichtung und Kostenträgern ausgehandelten Vergütungen fair und marktgerecht sind.

Die Angemessenheitsfiktion greift in der Regel ein, wenn ein Pflegeheimvertrag vorsieht, dass sich die Leistungsentgelte nach den mit den Kostenträgern geschlossenen Vereinbarungen richten. In solchen Fällen liegt die Beweislast beim Leistungsempfänger, also dem Heimbewohner, sollte er die Angemessenheit der Entgelte anzweifeln.

Für die Praxis bedeutet dies eine erhebliche Vereinfachung. Pflegeeinrichtungen können sich auf die ausgehandelten Vergütungen berufen, ohne deren Angemessenheit im Einzelfall nachweisen zu müssen. Bewohner hingegen genießen den Schutz, dass die Preise grundsätzlich als fair gelten, solange sie den vereinbarten Sätzen entsprechen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Angemessenheitsfiktion widerlegbar ist. Sollten konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die vereinbarten Entgelte unangemessen hoch sind, kann ein Bewohner dies anfechten. In einem solchen Fall müsste er allerdings stichhaltige Gründe und Beweise vorbringen, um die gesetzliche Vermutung zu entkräften.

Die Angemessenheitsfiktion erstreckt sich auf alle wesentlichen Leistungsbestandteile eines Pflegeheimvertrags. Dies umfasst sowohl die Kosten für Unterkunft und Verpflegung als auch die Vergütung für Pflege- und Betreuungsleistungen. Dadurch wird ein umfassender Schutz der Verbraucher gewährleistet, der sich auf alle relevanten Aspekte des Heimaufenthalts erstreckt.

Ein interessanter Aspekt ergibt sich, wenn ein Pflegeheimvertrag aus formalen Gründen unwirksam ist, aber bereits Leistungen erbracht wurden. In solchen Fällen kann der Leistungserbringer Bereicherungsansprüche in Höhe der angemessenen Pflegesätze geltend machen. Auch hier kommt die Angemessenheitsfiktion zum Tragen, da die mit den Kostenträgern vereinbarten Sätze als Maßstab für die Angemessenheit herangezogen werden können.

Die Angemessenheitsfiktion trägt somit wesentlich zur Rechtssicherheit im Bereich der Pflegeverträge bei. Sie schafft einen Ausgleich zwischen den Interessen der Pflegeeinrichtungen und dem Schutzbedürfnis der oft vulnerablen Heimbewohner. Gleichzeitig vereinfacht sie die Handhabung von Vergütungsfragen im Alltag der Pflegeeinrichtungen erheblich.

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Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich die Pflegekosten nicht zahlen kann?

Bei finanziellen Schwierigkeiten bezüglich der Pflegekosten stehen Betroffenen verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung. Zunächst ist es ratsam, die Rechtmäßigkeit der geforderten Kosten zu überprüfen. Nicht selten enthalten Pflegeheimverträge unwirksame Klauseln oder überhöhte Forderungen. In solchen Fällen kann eine Anfechtung des Vertrags oder eine Minderung des Heimentgelts in Betracht gezogen werden.

Sollten die Forderungen berechtigt sein, aber die finanziellen Mittel nicht ausreichen, gibt es staatliche Unterstützungsmöglichkeiten. Eine zentrale Option ist die „Hilfe zur Pflege“ nach dem Sozialgesetzbuch XII. Diese Leistung der Sozialhilfe springt ein, wenn das eigene Einkommen und Vermögen nicht ausreichen, um die Pflegekosten zu decken. Wichtig ist, dass das Pflegegeld der Pflegeversicherung bei der Berechnung der Bedürftigkeit nicht als Einkommen berücksichtigt wird.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Überprüfung der Pflegekosten durch das Sozialamt. Hierbei wird geprüft, ob alle in Rechnung gestellten Leistungen tatsächlich notwendig und angemessen sind. Stellt sich heraus, dass ein Teil der Kosten nicht gerechtfertigt ist, kann eine Reduzierung der Gesamtkosten erreicht werden.

In einigen Bundesländern existiert zudem das sogenannte Pflegewohngeld. Dieses dient dazu, die Investitionskosten des Pflegeheims zu decken und kann beantragt werden, wenn die eigenen finanziellen Mittel nicht ausreichen. Die genauen Voraussetzungen und die Höhe des Pflegewohngeldes variieren je nach Bundesland.

Für den Fall, dass rechtliche Schritte notwendig werden, besteht die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Diese staatliche Unterstützung ermöglicht es auch finanziell schwächer gestellten Personen, ihre Rechte vor Gericht durchzusetzen. Bei der Berechnung der Prozesskostenhilfe wird das Pflegegeld ebenfalls nicht als Einkommen berücksichtigt, was die Chancen auf Bewilligung erhöht.

Es ist zu beachten, dass Pflegeheime in der Regel nicht berechtigt sind, Bewohner wegen Zahlungsrückständen fristlos zu kündigen. Vielmehr muss in solchen Fällen zunächst eine angemessene Frist zur Zahlung gesetzt werden. Dies gibt Betroffenen Zeit, alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu finden oder rechtliche Schritte einzuleiten.

In Extremfällen, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind, kann auch über einen Wechsel in eine günstigere Pflegeeinrichtung nachgedacht werden. Hierbei ist jedoch sorgfältig abzuwägen, ob die Qualität der Pflege und das Wohlbefinden des Pflegebedürftigen gewährleistet bleiben.

Unabhängig von der gewählten Vorgehensweise ist es ratsam, frühzeitig das Gespräch mit der Pflegeeinrichtung zu suchen. Oftmals lassen sich in direkter Kommunikation Lösungen finden, wie etwa Ratenzahlungsvereinbarungen oder vorübergehende Stundungen. Eine offene und proaktive Herangehensweise kann dazu beitragen, eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden und gleichzeitig die Kontinuität der Pflege sicherzustellen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Formfehler: Ein Formfehler liegt vor, wenn ein Vertrag nicht die vorgeschriebenen formalen Anforderungen erfüllt. Das kann zur Unwirksamkeit des Vertrags führen. Beispiele für Formfehler sind fehlende Unterschriften oder unzureichende Schriftform bei bestimmten Verträgen. Formfehler können erhebliche rechtliche Konsequenzen haben und dazu führen, dass Verträge anfechtbar oder unwirksam sind.
  • Angemessenheitsfiktion: Dieser Begriff bezieht sich auf eine Regelung im § 7 Abs. 2 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG). Die Angemessenheitsfiktion besagt, dass die im Pflegevertrag vereinbarten Entgelte als angemessen gelten, wenn sie den mit den Kostenträgern (wie Krankenkassen) getroffenen Vereinbarungen entsprechen. Diese Fiktion schützt Pflegeheime vor finanziellen Einbußen aufgrund formaler Fehler im Vertrag.
  • Ungerechtfertigte Bereicherung: Nach § 812 BGB liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung vor, wenn jemand ohne rechtlichen Grund einen Vorteil erlangt hat und diesen zurückgeben muss. Im Pflegeheimkontext bedeutet das, dass ein Heimbewohner, der Pflegeleistungen erhalten hat, diese auch dann bezahlen muss, wenn der Vertrag unwirksam ist. Das Pflegeheim kann also Wertersatz für die erbrachten Leistungen verlangen.
  • Geschäftsunfähigkeit: Geschäftsunfähigkeit nach § 104 BGB bedeutet, dass eine Person aufgrund einer psychischen Störung nicht in der Lage ist, rechtsverbindliche Entscheidungen zu treffen. Ein Vertrag, der mit einer geschäftsunfähigen Person geschlossen wurde, ist unwirksam. Im beschriebenen Fall berief sich der Heimbewohner auf Geschäftsunfähigkeit, um die Unwirksamkeit des Vertrags zu begründen.
  • Prozesskostenhilfe: Prozesskostenhilfe wird gewährt, wenn jemand die Kosten eines Gerichtsverfahrens nicht selbst tragen kann. Dabei prüft das Gericht, ob die Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Im vorliegenden Fall wurde dem Beklagten Prozesskostenhilfe verweigert, da seine Berufung keine Erfolgsaussichten hatte.
  • Substantiierter Vortrag: Ein substantiierter Vortrag erfordert detaillierte und konkrete Angaben zu den Tatsachen, die zur Begründung einer Forderung oder Verteidigung notwendig sind. Allgemeine oder unbestimmte Aussagen reichen nicht aus. Im Pflegeheimkontext muss der Heimbewohner beispielsweise konkret darlegen, warum die Pflegekosten unangemessen sind, um die Angemessenheitsfiktion zu widerlegen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 Abs. 2 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG): Das WBVG regelt die Rechte und Pflichten von Pflegeheimbewohnern und Pflegeheimen. § 7 Abs. 2 WBVG besagt, dass die vereinbarten Entgelte als angemessen gelten, wenn sie den mit den Kostenträgern (z.B. Krankenkassen) getroffenen Vereinbarungen entsprechen. Im vorliegenden Fall stützt sich das Gericht auf diese Regelung, um den Zahlungsanspruch des Pflegeheims zu begründen, da der Vertrag eine entsprechende Klausel enthielt.
  • § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Dieser Paragraph regelt die ungerechtfertigte Bereicherung. Er besagt, dass jemand, der etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, zur Herausgabe verpflichtet ist. Im vorliegenden Fall argumentiert das Gericht, dass das Pflegeheim auch dann Anspruch auf Wertersatz für die erbrachten Pflegeleistungen hätte, wenn der Vertrag unwirksam wäre, da der Bewohner ungerechtfertigt bereichert wäre.
  • § 6 Abs. 3 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG): Diese Vorschrift regelt die Formwirksamkeit von Pflegeheimverträgen. Ein Vertrag, der nicht den formalen Anforderungen entspricht, kann unwirksam sein. Im vorliegenden Fall beruft sich der Bewohner auf Formmängel im Vertrag, um seine Zahlungsverweigerung zu rechtfertigen. Das Gericht lässt jedoch offen, ob der Vertrag tatsächlich unwirksam ist, da der Anspruch des Pflegeheims auch auf andere Rechtsgrundlagen gestützt werden kann.
  • § 814 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Dieser Paragraph schließt einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aus, wenn der Empfänger zur Zeit der Leistung Kenntnis von dem Mangel des rechtlichen Grundes hatte. Im vorliegenden Fall argumentiert der Bewohner, dass das Pflegeheim Kenntnis von der Formunwirksamkeit des Vertrages hatte und daher keinen Anspruch auf Wertersatz geltend machen kann. Das Gericht geht auf dieses Argument jedoch nicht näher ein, da der Anspruch auch auf andere Rechtsgrundlagen gestützt werden kann.
  • § 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Geschäftsunfähigkeit liegt vor, wenn jemand aufgrund einer psychischen Störung nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu besorgen. Im vorliegenden Fall argumentiert der Bewohner, er sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geschäftsunfähig gewesen und der Vertrag daher unwirksam. Das Gericht weist dieses Argument zurück, da es keine ausreichenden Beweise für die Geschäftsunfähigkeit sieht.

Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 4 U 1462/21 – Beschluss vom 14.02.2022


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Leipzig – Az. 5 O 2893/20 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Gegenvorstellung des Beklagten vom 27.10.2021 wird als unbegründet zurückgewiesen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.617.17 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung rückständigen Entgeltes von Pflegeleistungen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Der Senat hat mit Beschluss vom 11.10.2021 – auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird – auf die mangelnden Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen. Hierzu hat der Beklagte innerhalb der ihm hierfür gesetzten Frist Stellung genommen, zugleich eine Gegenvorstellung erhoben und zudem ein Ablehnungsgesuch gegen die beschließenden Richter vorgebracht.

Zur Begründung führt er an, der Senat habe in mehrfacher Hinsicht prozessuale und materiell-rechtliche Fehler begangen.

Er habe die von ihm angenommene Angemessenheitsfiktion für die verlangte Vergütung nicht auf den klägerseits vorgelegten Wohn- und Betreuungsvertrag stützen dürfen, weil es sich hierbei um eine bloße Anlage handele, welche indessen keinen Vortrag der Klägerin ersetzen könne. Erst recht habe der Senat keine Ansprüche auf § 812 BGB stützen dürfen, denn auch diesbezüglich fehle jeglicher Vortrag der Klägerseite. In materiell-rechtlicher Hinsicht scheitere ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Klägerin an § 814 BGB – sie habe Kenntnis von der Formunwirksamkeit des von ihr geschlossenen Vertrages gehabt. Ferner habe der Senat immer noch nicht den Vortrag des Beklagten zu seiner Geschäftsunfähigkeit bei Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages hinreichend gewürdigt.

Im Übrigen sei die Stellungnahme des Beklagten als Gegenvorstellung zu werten und dem Beklagten sei in Abänderung des Hinweisbeschlusses vom 11.10.2021 tatsächlich Prozesskostenhilfe zur beabsichtigten Rechtsverfolgung in zweiter Instanz zu gewähren.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen.

Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf seinen Hinweisbeschluss vom 11.10.2021 Bezug. Die Ausführungen des Beklagten in seiner Stellungnahme vom 27.10.2021 bieten keinen Anlass, von der dort geäußerten Auffassung in der Sache abzuweichen (1.).

Wegen der erfolglosen Einwendungen des Beklagten in seiner Stellungnahme zur Sache und zum Befangenheitsgesuch bleibt schließlich auch die Gegenvorstellung, gerichtet auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Erfolg (2.).

1.

Entgegen den Ausführungen des Beklagten in seiner Stellungnahme hat der Senat ausschließlich Tatsachenvortrag der Klägerin gewürdigt. Unzutreffend ist insoweit zunächst die Auffassung des Beklagten, der Senat habe den als Anlage vorgelegten Vertrag nicht prüfen dürfen. Zwar dürfen Anlagen Vortrag nicht ersetzen, sondern ihn nur ergänzen. Allerdings würde das Gericht seinerseits den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör verletzen, wenn es den Inhalt einer konkret in Bezug genommenen Anlage, die zudem – wie hier – keine unzumutbare Sucharbeit abverlangt, nicht berücksichtigen würde (BGH, Beschluss vom 02.10.2018 – VI ZR 213/17 juris Orientierungssatz). Es wäre widersinnig, der Partei eines Zivilprozesses aufzuerlegen, den kompletten Inhalt einer Anlage wortwörtlich in ihrem Vortrag aufzuführen, denn dann würde die Vorlage von Anlagen überhaupt keinen Sinn mehr ergeben. Ihrer Vortragslast ist die Klägerin hier dadurch nachgekommen, dass sie denjenigen Vertrag, auf den sie ihre Ansprüche stützt, exakt bezeichnet und diesen als Anlage vorlegt hat. In § 10 Abs. 1 des als Anlage vorgelegten Vertrages ist ausdrücklich bestimmt, dass die Entgelte für die verlangten Leistungen sich nach den mit den Kostenträgern jeweils getroffenen Vergütungsvereinbarungen richten. Dies hat der Beklagte nicht bestritten. Damit war der Senat nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die hieraus resultierende gesetzliche Folge des § 7 Abs. 2 WBVG zugrunde zu legen, die in der Angemessenheitsfiktion liegt. Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss hierauf den Beklagten bereits hingewiesen und auch auf die Pflicht, im Einzelnen substantiiert zu bestreiten, um die Angemessenheitsfiktion zu entkräften (Seite 4 oben des Hinweisbeschlusses). Dies hat der Beklagte auch in seiner vorliegenden Stellungnahme nicht nachgeholt.

Der Beklagte geht weiter fehl, wenn er annimmt, der Senat habe die Auffassung vertreten, der Vertrag sei insgesamt formunwirksam gewesen. Den Ausführungen unter II. 2. des Hinweisbeschlusses ist ohne Weiteres zu entnehmen, dass eine solche frühestens ex nunc und damit allerfrühestens ab dem 29.09.2020 angenommen werden könnte. Tatsächlich stellte aber nach insoweit unbestrittenem Klägervortrag die Klägerin die Leistungen bereits zum 01.09.2017 ein (Seite 2 Klageschrift). Eine Unwirksamkeit nach § 6 Abs. 3 WBVG hat der Senat daher nicht bejaht, sondern vielmehr offengelassen, wie sich aus der ausdrücklichen Formulierung „würde“ ergibt. Der Senat musste dies nicht entscheiden, denn der Anspruch der Klägerin kann sowohl aus Vertrag als auch aus ungerechtfertigter Bereicherung hergeleitet werden. Grundsätzlich gilt, dass das Gericht nur an den Tatsachenvortrag der Parteien gebunden ist, nicht aber an deren rechtliche Auffassungen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2008 – II ZR 187/06 – Rz. 15 nach beck-online). Das Gericht hat vielmehr auf der Grundlage des vom Kläger vorgetragenen Sachverhaltes den Klageantrag von sich aus unter jedem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Es kann dabei auch nicht durch die Erklärung des Klägers, den prozessualen Anspruch nur auf einer bestimmten Rechtsgrundlage geltend machen zu wollen, beschränkt werden (OLG Dresden, Urteil vom 11.01.2018 – 10 U 763/16 – juris, Rz. 59; Zöller-Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., Einleitung Rz. 71 m.w.N.; BGHZ 135, 149; 194, 317; NJW 2013, 560 Tz. 16). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn es sich bei den Zahlungsverträgen, je nachdem ob sie auf Vertrag oder auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützt werden, um zwei unterschiedliche prozessuale Streitgegenstände handeln würde. Dies ist indessen zu verneinen. Ein einheitlicher Streitgegenstand ist der Regelfall. Das materielle Recht will möglichst lückenlos alle denkbaren Interessenkonflikte erfassen; es ist daher unvermeidlich, dass oft ein und dieselbe Rechtsfolge ein und desselben Lebenssachverhalts aus mehreren Normen des materiellen Rechts hergeleitet werden kann. Dies gilt insbesondere für schuldrechtliche Ansprüche (Zöller-Vollkommer, a.a.O., Einleitung Rz. 67 m.w.N.). Ebenso wenig wie eine künstliche Aufspaltung des Streitgegenstandes durch den Kläger unzulässig ist, da es nicht vom Belieben des Klägers abhängen kann, ein und denselben Lebenssachverhalt beliebig oft vor Gericht zu tragen (vgl. Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rz. 70; 84 – 88 jeweils m.w.N.), kann der Beklagte der Überprüfung des Lebenssachverhaltes und des Antrages durch das Gericht entgehen, indem er verschiedene Streitgegenstände behauptet. Vorliegend hat die Klägerin einen einheitlichen Zahlungsanspruch, abgeleitet aus einem Lebenssachverhalt, nämlich der Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Beklagten hergeleitet – gestützt auf einen bestimmten Heimvertrag. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Vertrag, auf den die Klägerin ihre Ansprüche stützt, möglicherweise unwirksam ist, dann ist es nicht nur berechtigt, sondern hat es zu prüfen, ob dann aus demselben Vertragsverhältnis Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht kommen (zahlr. Rechtsprechungsnachweise bei Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rz. 67; BGH, Urteil vom 11.03.1997 – KZR 44/95 – juris, Leitsatz 1 und Rz. 13 m.w.N.).

An seinem Vortrag zur Maßgeblichkeit der beklagtenseits behaupteten Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages hält der Beklagte ausweislich seiner Stellungnahme ausdrücklich nicht mehr fest.

2.

Aus Obenstehendem ergibt sich zugleich, dass das bereits abschlägig beschiedene Prozesskostenhilfegesuch auch auf die Gegenvorstellung, des Beklagten nicht positiv beschieden werden kann, es fehlt nach wie vor an der gemäß § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht des Antrages.

III.

Insgesamt war daher die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Streitwertsetzung beruht auf § 3 ZPO.


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