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Urheberrechtsverletzung – Fernseher in Pizzeria

AG Frankfurt – Az.: 32 C 1565/22 (90) – Urteil vom 09.12.2022

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Zusammenfassung

Urheberrechtsverletzung – Fernsehen in Pizzeria
(Symbolfoto: travelview/Shutterstock.com)

Die Klägerin verlangt Schadensersatz von dem Beklagten, weil sie behauptet, dass er an bestimmten Tagen in seinem Pizzaladen Musikstücke öffentlich abgespielt hat, für die sie Nutzungsrechte besitzt. Der Beklagte bestreitet dies und gibt an, dass der Fernseher nur für seine Familie und Mitarbeiter genutzt wurde und nur ausnahmsweise für Kunden eingeschaltet wurde. Das Gericht entscheidet, dass die Klage nicht gerechtfertigt ist, da der Beklagte kein Urheberrecht verletzt hat, da er die Musik nicht für eine Mehrheit der Öffentlichkeit bestimmt hatte. Der Gastraum des Beklagten war für die Öffentlichkeit geschlossen und die Zahl der Kunden, die vor Ort bestellten oder ihre Pizza abholten, war gering. Darüber hinaus beweisen die Aussagen des Zeugen A nichts Gegenteiliges, da es nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei den Gästen um einen geschlossenen Personenkreis handelte. Das Gericht weist die Klage ab und legt die Kosten der Klägerin auf. Eine Berufung ist nicht gestattet.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Schadensersatz gemäß § 15 i.V.m. § 97 Abs. 2 UrhG.

Der Beklagte betreibt in Rüsselsheim in der [Straße] die Pizzeria [Name], die über einen Lieferdienst verfügt. Der Großteil der verkauften Speisen wird über diesen Lieferdienst zu den Kunden gebracht; ein Teil der Kundschaft kommt selbst in das Geschäft, um die Waren dort abzuholen. Darüber hinaus verfügte die Pizzeria [Name] im Jahr 2018 über einen Gastraum mit ca. 5 Tischen. In diesem Gastraum war an der Wand ein Fernseher angebracht und angeschlossen. Der Beklagte und seine Familie wohnen in demselben Haus, in dem sich die Pizzeria befindet; die Kinder des Beklagten halten sich teilweise in den Geschäftsräumlichkeiten auf.

Die Klägerin behauptet, am 8. Februar 2018, am 4. Juni 2018 und am 18. November 2018 habe ihr Außendienstmitarbeiter, der Zeuge A, jeweils beim Betreten des Lokals festgestellt, dass der Fernseher mit angestelltem Ton gelaufen sei. Am 18.11.2018 hätten sich auch weitere Gäste im Lokal aufgehalten.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 371,10 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13. Januar 2019 sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 74,20 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, der Fernseher habe lediglich der Unterhaltung der Mitarbeiter der Pizzeria sowie zeitweise – nach deren Heimkehr von der Schule – seiner Kinder gedient. Bei den Besuchen des Außendienstmitarbeiters seien keine Kunden anwesend gewesen. Am 18.11.2018 habe man den Geburtstag seines Sohnes gefeiert. Darüber hinaus sei der Fernseher in Anwesenheit von Kunden, die wegen des überwiegenden Charakters des Betriebes als Lieferdienst ohnehin selten sei, stets abgeschaltet worden. Die Angestellten seien auch angewiesen gewesen, den Fernseher tatsächlich nur dann laufen zu lassen, wenn tatsächlich keine Kunden im Geschäft anwesend gewesen seien.

Für den weiteren Vortrag der Parteien wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2022.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet. Ein Schadensersatzanspruch steht der Klägerin nicht zu, da der Beklagte kein von ihr wahrgenommenes Urheberrecht verletzt hat. Insbesondere hat der Beklagte nicht öffentlich Musikstücke wiedergegeben, an denen der Klägerin Nutzungsrechte zustehen bzw. an denen sie solche Rechte wahrnimmt.

Die öffentliche Wiedergabe ist definiert in § 15 Abs. 3 UrhG. Danach ist die Wiedergabe öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist.

Wann eine „Mehrzahl“ im Sinne dieser Vorschrift erreicht ist, ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss sich die Musikwiedergabe an „recht viele Personen“ oder „ziemlich viele Personen“ richten (EuGH, Urteil vom 13.2.2014, Az.: C-466/12; Urteil vom 7.8.2018, Az.: C-161/17), bei denen es sich nicht um einen abgegrenzten Kreis von untereinander persönlich verbundenen Personen handeln darf (Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Aufl. 2022, § 15 Rn. 28).

Damit scheidet der abgegrenzte Kreis der Familienangehörigen des Beklagten sowie der Mitarbeiter der Pizzeria als „Öffentlichkeit“ aus; als Adressaten einer öffentlichen Musikwiedergabe kommen allenfalls die Kunden der Pizzeria in Betracht.

Insofern fehlt es jedoch an der ausreichenden Zahl. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die erforderliche „Mehrzahl“ von Musikadressaten nicht gleichzeitig beschallt werden muss, sondern auch sukzessive – wie etwa dann, wenn über den Tag verteilt wechselnde Kundschaft ein Geschäft betritt – erreicht werden kann (Wandtke/Bullinger, a.a.O. Rn. 31). Auch die sukzessive Öffentlichkeit muss aber die nach der Rechtsprechung des EuGH erforderliche relevante Anzahl erreichen.

Dies ist im Betrieb des Beklagten nicht der Fall. Nach dessen glaubhaftem und nicht konkret in Abrede gestellten Vortrag handelt es sich dabei in erster Linie um einen Lieferdienst, bei dem die Kunden telefonisch ordern und das Geschäft überhaupt nicht betreten. Die Zahl der Kunden, die tatsächlich vor Ort bestellen oder ihre Pizza abholen, beläuft sich nach den Angaben des Beklagten auf ca. 10 pro Tag; der Gastraum sei praktisch überhaupt nicht genutzt und aus diesem Grund inzwischen für die Öffentlichkeit geschlossen worden.

Die Angaben des Zeugen A beweisen nichts Gegenteiliges: Dieser hat nur bei einem von drei Besuchen überhaupt Kunden angetroffen, nämlich am 18.11.2018. Da aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich dabei um einen geschlossenen Personenkreis anlässlich des Geburtstages des Sohnes des Beklagten handelte, ist eine nennenswerte, über die vom Beklagten genannte Zahl von 10 Personen pro Tag hinausgehende Kundenfrequenz nicht erwiesen.

Darüber hinaus setzt nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff der öffentlichen Wiedergabe voraus, dass sich der Nutzer gezielt an das Publikum wendet, für das die Wiedergabe vorgenommen wird, und dass das Publikum in der einen oder anderen Weise für die Wiedergabe der Aufnahme bereit ist und nicht bloß zufällig erreicht wird; daran soll es etwa bei der Wiedergabe von Musik im Wartezimmer eines Zahnarztes fehlen (EuGH GRUR 2021, 593). Es ist nicht einsichtig, warum das Publikum, das auf eine Zahnbehandlung wartet, insofern grundsätzlich anders zu bewerten sein soll als die Kundschaft, die auf Pizza wartet. Die jeweilige Vorfreude mag unterschiedlich ausgeprägt sein; im einen wie im anderen Fall werden die Wartenden aber ohne ihr Wollen und ohne Rücksicht auf ihre Aufnahmebereitschaft sozusagen zwangsläufig von der Hintergrundmusik erreicht.

Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen von § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.

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