LG Berlin, Az.: 16 S 20/15, Urteil vom 19.01.2016
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. März 2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 210 C 288/14 – geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 955,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Oktober 2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Hinsichtlich des Tatbestands kann gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts vom 19. März 2015 verwiesen werden.
II.
Die Berufung ist begründet, da der Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 955,60 € zusteht.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zunächst gemäß §§ 97 Abs. 2 S. 3, 31 UrhG einen Anspruch auf Zahlung von 400,00 € Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie für das unberechtigte Anbieten des Films „…“ im Wege des „File-Sharings“ über den ihm zugeordneten Internetanschluss.
Dafür geht das Berufungsgericht nach dem Vortrag der Parteien zunächst von der Aktivlegitimation der Klägerin aus. Zwar beschränkt sich ihr Vortrag insoweit auf die bloße Behauptungen, entsprechende Nutzungsrechte an der Originalfassung zu besitzen haben und darüber hinaus die deutsche Synchronfassung erstellt bzw. erstellen lassen zu haben. Ferner hat sie allerdings das DVD Cover der deutschen Filmfassung eingereicht und verweist auf die Indizwirkung der dortigen Angaben zur ihrer Rechtsstellung jedenfalls als erhebliche Indizien. Vor diesem Hintergrund reichte hier das bloß einfache Bestreiten ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Film „…“ durch die Beklagte nicht aus. Insbesondere aufgrund der konkreten Behauptung einer Bearbeitung des Films sowie tatsächlicher Anhaltspunkte für die behauptete Rechtsstellung der Klägerin auf dem DVD-Cover – durch die dortigen Angaben „… … Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten sowie „Ein Film der …“ – hätten Anlass zu substantiierterem Bestreiten gegeben. Der Beklagte hat sich mit dem dahingehenden Vortrag der Klägerin aber überhaupt nicht auseinander gesetzt.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war auch das Bestreiten des Beklagten hinsichtlich der ordnungsgemäßen Datenermittlung im vorliegenden Fall unerheblich, weshalb das Amtsgericht zu Unrecht über diese Frage Beweis erheben wollte und die Klage dann – insoweit allerdings konsequent – wegen Nichteinzahlung des angeforderten Kostenvorschusses durch die beweisbelastete Klägerin abgewiesen hat. Denn der Beklagte durfte die ordnungsgemäße Ermittlung und Zuordnung der IP-Adresse nach den Grundsätzen der prozessualen Wahrheitspflicht erst bestreiten, nachdem er für sich geklärt hatte, dass er den Rechtsverstoß zum einen selbst nicht begangen haben konnte und trotz Erkundigungen bei allen sonst in Betracht kommenden Nutzern und gegebenenfalls einer Überprüfung des Routers nicht zu ermitteln war, dass einer von ihnen die Rechtsverletzung begangen hat. Zu einer denkbaren Täterschaft von etwa weiteren Mitbenutzern seines Internetanschlusses verhält sich der Vortrag des Beklagten zunächst überhaupt nicht. Der Beklagte hat nicht einmal vorgetragen, ob und gegebenenfalls welche Personen dafür in Betracht kommen. Sein Vortrag beschränkt sich allein auf das Bestreiten des Ermittlungsergebnisses, ohne offenbar diesbezüglich irgendwelche Erkundigungen eingeholt zu haben oder zumindest darzulegen, warum anderer Nutzer von vornherein nicht in Betracht kommen.
Der Kläger ist schließlich nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt: BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I) seiner sekundären Darlegungslast zum Ausschluss seiner Verantwortlichkeit nicht nachgekommen, weshalb er als Täter der Urheberrechtsverletzung anzusehen ist. Auf die genaue Reichweite der sekundären Darlegungslast kommt es im konkreten Fall gar, da es insoweit schon an jeglichem Vortrag des Beklagten fehlt.
Der Ansatz einer „angemessenen Lizenzgebühr“ für das Angebot des streitgegenständlichen Films im Wege des „File-Sharing“ in Höhe von 400,– € begegnet keinen Bedenken. Der Beklagte hat die Höhe des Schadensersatzes auch nicht angegriffen.
Die Klägerin hat ferner gegen den Beklagten Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 555,60 € gemäß § 97a UrhG.
Hinsichtlich der Berechtigung der Abmahnung kann auf die Ausführungen oben verwiesen werden. Das Berufungsgericht sieht die Abmahnung aufgrund ihres Inhalts auch nicht als rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam an. Dem Abgemahnten muss klar sein, dass der zugrunde liegende Sachverhalt in einer anwaltlichen Abmahnung nie sachlich objektiv, sondern im Ansatz immer einseitig zugunsten und aus Sicht des Abmahnenden formuliert sein dürfte. Kommen ihm insoweit Zweifel an der Darstellung des Rechteinhabers, muss er gegebenenfalls selbst eigenen Rechtsrat einholen. Trotzdem kann die Abmahnung die ihr zugedachte Funktion erfüllen, wenn jedenfalls der insoweit eigentlich maßgebliche Sachverhalt – nämlich die Umstände der behaupteten Rechtsverletzung – darin im Kern zutreffend geschildert wird. Das war hier der Fall, weshalb die dafür aufgewandten Kosten auch erstattungsfähig sind. Die Bedenken des Amtsgerichts diesbezüglich teilt das Berufungsgericht nicht. Auch wenn die in den Raum gestellten hohen Zahlungsansprüche tatsächlich einschüchternd wirken können vermag allein dies den Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht zu rechtfertigen, zumal der Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung im Kern zutreffend war. Ferner war auch der Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 7.500,– € nicht zu beanstanden.
Die geltend gemachten Ansprüche sind schließlich auch insgesamt nicht verjährt. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in seinem Urteil vom 19. März 2015 verwiesen werden.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf 91, 708 Nr. 10, 543 ZPO.