Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Klage auf Rückzahlung von Darlehen: Rechte und Bedingungen für Gläubiger
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche formalen Anforderungen muss ein privater Darlehensvertrag erfüllen?
- Was sind die rechtlichen Folgen eines nicht zurückgezahlten Privatkredits?
- Welche Beweiskraft hat ein schriftlicher Darlehensvertrag vor Gericht?
- Wann liegt ein Scheingeschäft bei einem Darlehensvertrag vor?
- Was ist ein Urkundsprozess und welche Besonderheiten gelten dabei?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Ulm
- Datum: 29.05.2020
- Aktenzeichen: 2 O 276/19
- Verfahrensart: Urkundenprozess
- Rechtsbereiche: Darlehensrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Kläger fordert die Rückzahlung eines privaten Kredits in Höhe von 11.129,10 €, der dem Beklagten nach einem mündlichen und schriftlich fixierten Vertrag gewährt wurde.
- Beklagter: Der Beklagte bestreitet die Existenz des Darlehens und behauptet, das Darlehensdokument sei in Verbindung mit einer geschäftlichen Auseinandersetzung erstellt worden, um dem Kläger eine Sicherheit zu bieten. Er hält den Vertrag für nichtig und wirft dem Kläger Rechtsmissbrauch vor.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger verlangte vom Beklagten die Rückzahlung eines Privatdarlehens, das gemäß einem schriftlichen Vertrag vom 24.01.2019 ohne Zinsen bis zum 30.06.2019 zurückgezahlt werden sollte. Der Beklagte bestritt die Existenz eines solchen Darlehens und stellte den Darlehensvertrag als „schriftliche Lüge“ dar, die in Verbindung mit einem geschäftlichen Kontext stehe.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob der Darlehensvertrag gültig ist und der Beklagte zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet ist, oder ob es sich bei dem Vertrag um ein Scheingeschäft handelt, das Rechtsmissbräuchlich ist.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht Ulm wies den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil zurück und bestätigte die Verurteilung zur Zahlung des Darlehensbetrags von 11.129,10 € nebst Zinsen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass der Darlehensvertrag ordnungsgemäß abgeschlossen wurde und alle formellen Ansprüche für den Urkundenprozess erfüllt sind. Der Beklagte habe die Urkunde eigenhändig unterschrieben, und seine Behauptungen seien unschlüssig. Es läge kein Scheingeschäft vor, da die Urkundenvorlage im Urkundenprozess keine weitergehenden Anforderungen wie eine beglaubigte Abschrift stellte.
- Folgen: Der Beklagte muss den Kreditbetrag an den Kläger zurückzahlen. Die Klage im Urkundenprozess wurde als zulässig und begründet anerkannt, und der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Dem Beklagten bleibt jedoch die Möglichkeit, seine Rechte im Nachverfahren geltend zu machen.
Klage auf Rückzahlung von Darlehen: Rechte und Bedingungen für Gläubiger

Im Zivilrecht haben Gläubiger das Recht, ausstehende Forderungen durch eine Klage auf Rückzahlung durchzusetzen. Insbesondere bei Darlehensverträgen spielen die Schuldnerverpflichtungen eine zentrale Rolle, denn diese regeln die Rückzahlungsansprüche zwischen den Parteien. Einwendungen des Schuldners und die Beweislast können den gerichtlichen Prozess beeinflussen, wobei die zulässige Klage im Urkundsverfahren oft eine schnelle Lösung verspricht.
In vielen Fällen führt die Forderungsbeitreibung zu einem Inkassoverfahren oder einer Zahlungsklage. Der Weg zur gerichtlichen Durchsetzung dieser Ansprüche ist durch verschiedene Finanzierungsmodelle und das Prozessrecht gut definiert. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Zulässigkeit einer Klage auf Rückzahlung eines Darlehens und die rechtlichen Rahmenbedingungen beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Privatdarlehen von 11.129 Euro muss trotz bestrittener Auszahlung zurückgezahlt werden
Das Landgericht Ulm hat in einem Urteil vom 29. Mai 2020 die Rückzahlung eines privaten Darlehens über 11.129,10 Euro bestätigt. Der schriftliche Darlehensvertrag wurde am 24. Januar 2019 zwischen den Parteien geschlossen und sah eine zinslose Rückzahlung bis zum 30. Juni 2019 vor. Laut Vertragsurkunde erfolgte die Auszahlung des Darlehens in bar und der Verwendungszweck wurde als „privat“ angegeben.
Mahnbescheid und Versäumnisurteil führten zur Klage
Nachdem der Kläger den Beklagten im Mai 2019 per E-Mail an die bevorstehende Fälligkeit erinnert hatte, blieb die Rückzahlung aus. Der daraufhin am 17. Juli 2019 zugestellte Mahnbescheid wurde vom Beklagten mit Widerspruch beantwortet. Im anschließenden Urkundenprozess erging am 17. Februar 2020 ein Versäumnisurteil, gegen das der Beklagte Einspruch einlegte.
Beklagter bestreitet Darlehenszahlung und behauptet Scheingeschäft
Der Beklagte bestritt die Auszahlung des Darlehens und brachte vor, die Vertragsurkunde stehe im Zusammenhang mit dem Verkauf von Gesellschaftsanteilen. Der Darlehensvertrag sei lediglich unterzeichnet worden, um dem Kläger Sicherheit bezüglich eines Teils der später vereinbarten Kaufpreissumme zu gewähren. Es handle sich um eine „schriftliche Lüge“ und einen nichtigen Vertrag.
Gericht sieht keinen Beweis für Scheingeschäft
Das Landgericht Ulm wies diese Argumentation zurück. Bei seiner persönlichen Anhörung räumte der Beklagte ein, der Kreditbetrag sei mit „einzelnen Forderungen“ des Klägers „hinterlegt“ gewesen und er habe nicht „einfach eine pauschale Summe unterzeichnet“. Nach Auffassung des Gerichts liegt damit kein Scheingeschäft vor, bei dem die Parteien nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen wollten. Die Rechtsfolgen der Erklärungen im Kreditvertrag seien vielmehr gewünscht gewesen.
Rechtskräftige Verurteilung zur Rückzahlung
Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung der 11.129,10 Euro nebst Zinsen und hielt das Versäumnisurteil aufrecht. Die Berufung auf den schriftlichen Kreditvertrag sei nicht rechtsmissbräuchlich, da der Beklagte diesen eigenhändig unterzeichnet und gewusst habe, was er unterschreibt. Damit habe er selbst das Risiko geschaffen, aus der Urkunde in Anspruch genommen zu werden. Der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wurde zurückgewiesen.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil bekräftigt, dass ein schriftlicher Darlehensvertrag auch dann vollstreckbar ist, wenn der Schuldner behauptet, das Geld nie erhalten zu haben. Die bloße Behauptung einer „Scheinurkunde“ reicht nicht aus, um die Zwangsvollstreckung zu verhindern. Im Urkundenprozess kommt es primär auf die Beweiskraft der vorgelegten Dokumente an, nicht auf die dahinterliegenden Geschäftsbeziehungen oder Motivationen der Parteien.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie einen Darlehensvertrag unterschreiben, ist dieser grundsätzlich rechtlich bindend – auch wenn Sie später behaupten, das Geld nicht erhalten zu haben. Als Darlehensgeber können Sie sich auf einen unterzeichneten Vertrag berufen und Ihre Forderung im Urkundenprozess durchsetzen. Als Darlehensnehmer sollten Sie einen Vertrag nur dann unterschreiben, wenn Sie das Darlehen tatsächlich erhalten haben, da spätere Einwände gegen die Auszahlung schwer durchsetzbar sind. Besondere Vorsicht ist geboten bei der Unterzeichnung von Verträgen als „Gefälligkeit“ oder Absicherung für andere Geschäfte – diese können später als eigenständige Forderungen geltend gemacht werden.
Rechtssicherheit bei Darlehensverträgen
Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung eindeutiger Vertragsgestaltungen und die Risiken, die mit unklaren Vereinbarungen verbunden sind. Gerade bei privaten Darlehen ist es wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen und die eigenen Interessen zu schützen. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Verträge rechtssicher zu formulieren und im Streitfall Ihre Rechte effektiv durchzusetzen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche formalen Anforderungen muss ein privater Darlehensvertrag erfüllen?
Ein privater Darlehensvertrag unterliegt grundsätzlich der Vertragsfreiheit und ist formfrei, das heißt, er kann mündlich oder schriftlich abgeschlossen werden. Aus Beweisgründen ist jedoch eine schriftliche Vereinbarung dringend zu empfehlen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Im Folgenden werden die wesentlichen Anforderungen und Inhalte eines solchen Vertrages erläutert.
1. Gesetzliche Grundlagen
- Ein privater Darlehensvertrag wird im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, insbesondere in den §§ 488–498 BGB.
- Die Schriftform ist gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben, außer bei Verbraucherdarlehen (§ 492 BGB). Dennoch bietet ein schriftlicher Vertrag rechtliche Sicherheit.
2. Notwendige Bestandteile eines privaten Darlehensvertrags
Ein rechtssicherer privater Darlehensvertrag sollte folgende Punkte enthalten:
- Angaben zu den Vertragsparteien: Vollständige Namen und Adressen von Darlehensgeber und Darlehensnehmer.
- Darlehenssumme: Der genaue Betrag, der verliehen wird.
- Zinssatz: Falls Zinsen vereinbart werden, sollten deren Höhe und Berechnungsmethode klar definiert sein. Ohne ausdrückliche Vereinbarung gilt der gesetzliche Zinssatz (§ 246 BGB, derzeit 4 %).
- Rückzahlungsmodalitäten:
- Rückzahlungsart (z. B. in Raten oder als Einmalzahlung).
- Fälligkeitstermine für die Rückzahlung.
- Regelungen zu Verzugszinsen bei Zahlungsverzug.
- Laufzeit des Darlehens: Der Zeitraum, innerhalb dessen das Darlehen zurückgezahlt werden muss.
- Sicherheiten (optional): Vereinbarungen über Sicherheiten wie Bürgschaften oder Pfandrechte.
- Verwendungszweck (optional): Falls das Darlehen für einen bestimmten Zweck vorgesehen ist, sollte dies festgehalten werden.
- Kündigungsregelungen: Bedingungen und Fristen für eine vorzeitige Kündigung des Vertrages.
- Unterschriften der Parteien: Beide Parteien müssen den Vertrag unterzeichnen, um ihn rechtskräftig zu machen.
3. Empfohlene zusätzliche Klauseln
Um den Vertrag noch klarer und rechtssicherer zu gestalten, können folgende Klauseln aufgenommen werden:
- Schlussbestimmungen: Hinweis auf die Gültigkeit des Vertrages auch bei unwirksamen Einzelklauseln (salvatorische Klausel).
- Ausschluss mündlicher Nebenabreden: Um spätere Missverständnisse zu vermeiden.
- Notarielle Beurkundung (bei höheren Beträgen): Ein notarielles Schuldanerkenntnis kann sinnvoll sein, um die Durchsetzbarkeit im Streitfall zu erleichtern.
4. Dokumentationspflichten
Auch wenn keine gesetzliche Pflicht zur Dokumentation besteht, sollten Sie:
- Den Vertrag in zweifacher Ausfertigung erstellen (jeweils ein Exemplar für jede Partei).
- Zahlungsflüsse dokumentieren (z. B. durch Überweisungsbelege), um die Auszahlung und Rückzahlung nachweisen zu können.
5. Besonderheiten bei zinslosen Darlehen
Bei zinslosen Darlehen besteht das Risiko, dass das Finanzamt diese als Schenkung einstuft. Um dies zu vermeiden, sollte der Vertrag klar als Darlehen bezeichnet werden und Rückzahlungsfristen enthalten.
Beispiel:
Anna leiht ihrem Freund Max 10.000 Euro für den Kauf eines Autos. Sie vereinbaren schriftlich eine Rückzahlung in monatlichen Raten von 500 Euro, einen Zinssatz von 3 % jährlich und eine Bürgschaft durch Max‘ Eltern. Beide unterschreiben den Vertrag. So sind beide Parteien rechtlich abgesichert.
Ein gut durchdachter und klar formulierter privater Darlehensvertrag schützt beide Seiten vor Missverständnissen und erleichtert die Durchsetzung von Ansprüchen im Streitfall.
Was sind die rechtlichen Folgen eines nicht zurückgezahlten Privatkredits?
Bei einem nicht zurückgezahlten Privatkredit steht dem Darlehensgeber ein mehrstufiger Prozess zur Durchsetzung seiner Forderung zur Verfügung.
Fälligkeit und Kündigung
Wurde kein konkreter Rückzahlungszeitpunkt vereinbart, muss der Privatkredit zunächst gekündigt werden. Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Bei zinslosen Darlehen kann der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung jederzeit zurückzahlen.
Verzug und Mahnverfahren
Nach Ablauf der Zahlungsfrist oder Kündigungsfrist tritt Verzug ein. Ab diesem Zeitpunkt können Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz geltend gemacht werden.
Ein Mahnschreiben sollte aus Beweiszwecken schriftlich erfolgen und folgende Angaben enthalten:
- Forderungshöhe
- Zahlungsfrist
- Grund der Forderung
- Zahlungsmodalitäten
Gerichtliches Mahnverfahren
Bleibt die Mahnung erfolglos, kann ein gerichtliches Mahnverfahren eingeleitet werden. Der Schuldner hat nach Zustellung des Mahnbescheids zwei Wochen Zeit für einen Widerspruch. Erfolgt kein Widerspruch, wird ein Vollstreckungsbescheid erlassen.
Zwangsvollstreckung
Mit dem Vollstreckungsbescheid kann die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden. Zwischen Vollstreckungsankündigung und tatsächlicher Zwangsvollstreckung liegen üblicherweise zwei bis vier Wochen. Der Gerichtsvollzieher kann dann Vermögensgegenstände des Schuldners pfänden, wobei Gegenstände des täglichen Bedarfs geschützt sind.
Verjährung
Die reguläre Verjährungsfrist für Privatdarlehen beträgt drei Jahre. Bei einem rechtskräftigen Vollstreckungstitel verlängert sich die Vollstreckungsfrist auf 30 Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
Bei Darlehen ohne festgelegte Laufzeit beginnt die Verjährung erst nach erfolgter Kündigung, da der Rückzahlungsanspruch vorher nicht fällig ist.
Welche Beweiskraft hat ein schriftlicher Darlehensvertrag vor Gericht?
Ein schriftlicher Darlehensvertrag besitzt vor Gericht eine besondere Beweiskraft nach § 416 ZPO. Diese Urkunde beweist, dass die darin enthaltenen Erklärungen von den Unterzeichnern abgegeben wurden.
Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit
Für schriftliche Darlehensverträge gilt die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Dies bedeutet, dass der Vertragstext als vollständige und zutreffende Wiedergabe der getroffenen Vereinbarungen angesehen wird.
Beweislastverteilung
Wenn Sie einen schriftlichen Darlehensvertrag vorlegen können, tritt eine wichtige Beweiserleichterung ein: Die andere Partei muss dann beweisen, dass der Vertragsinhalt von den tatsächlichen Vereinbarungen abweicht. Dies ist für den Darlehensnehmer meist schwierig nachzuweisen.
Grenzen der Beweiskraft
Trotz der starken Beweiskraft eines schriftlichen Darlehensvertrags müssen Sie als Darlehensgeber dennoch einige Aspekte zusätzlich nachweisen:
- Die tatsächliche Auszahlung des Darlehens muss durch Überweisungsbelege oder Quittungen belegt werden.
- Bei Zinsforderungen müssen Sie als Darlehensgeber beweisen, dass eine Verzinsung vereinbart wurde.
- Die Fälligkeit der Rückzahlung, etwa durch den Nachweis einer wirksamen Kündigung.
Bedeutung im Urkundenprozess
Im Urkundenprozess entfaltet der schriftliche Darlehensvertrag eine besondere Bedeutung. Wenn Sie als Darlehensgeber einen schriftlichen Vertrag vorlegen können, ermöglicht dies ein beschleunigtes Verfahren zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Der Urkundenprozess setzt voraus, dass alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können.
Wann liegt ein Scheingeschäft bei einem Darlehensvertrag vor?
Ein Scheingeschäft bei einem Darlehensvertrag liegt vor, wenn die Parteien den Vertrag nur zum Schein abschließen, ohne die Absicht, sich rechtlich an die Vereinbarung zu binden. Das bedeutet, dass die Parteien den äußeren Schein eines Darlehensvertrags erzeugen, aber in Wirklichkeit die mit dem Vertrag verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen wollen.
Rechtliche Grundlagen
Gemäß § 117 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die nur zum Schein abgegeben wird, nichtig. Ein Scheingeschäft ist gegeben, wenn:
- Einverständnis der Parteien: Beide Parteien sind sich einig, dass der Vertrag nur zum Schein geschlossen wird.
- Fehlender Rechtsbindungswille: Es fehlt der Wille, sich rechtlich an den Vertrag zu binden.
Beispiele für Scheingeschäfte
- Darlehen zur Tarnung einer Schmiergeldzahlung: Wenn ein Darlehensvertrag abgeschlossen wird, um eine Schmiergeldzahlung zu verschleiern, handelt es sich um ein Scheingeschäft. Dies wurde im Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 7.12.2021 (7 U 53/19) festgestellt, wo ein Darlehensvertrag zur Tarnung einer Schmiergeldzahlung als sittenwidrig und somit nichtig erklärt wurde.
- Darlehen zur Sicherung einer anderen Transaktion: Wenn ein Darlehensvertrag nur zur Sicherung einer anderen Transaktion abgeschlossen wird, ohne dass die Parteien tatsächlich die Rückzahlung des Darlehens beabsichtigen, kann dies ebenfalls als Scheingeschäft gewertet werden.
Auswirkungen und Konsequenzen
- Nichtigkeit des Vertrags: Ein Scheingeschäft ist nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Das bedeutet, dass der Vertrag keine rechtlichen Wirkungen entfaltet.
- Verdecktes Geschäft: Wenn durch das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt wird, finden die für das verdeckte Geschäft geltenden Vorschriften Anwendung (§ 117 Abs. 2 BGB).
- Steuerliche Folgen: Für steuerliche Zwecke wird ein Scheingeschäft ignoriert, und der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt ist maßgeblich (§ 23 Abs. 1 BAO).
Handlungsschritte
Wenn Sie sich in einer Situation befinden, in der Sie vermuten, dass ein Darlehensvertrag ein Scheingeschäft sein könnte:
- Prüfen Sie die Absichten der Parteien: Stellen Sie sicher, dass beide Parteien tatsächlich die Absicht haben, sich an den Vertrag zu binden.
- Dokumentation: Überprüfen Sie die Dokumentation des Vertrags auf Hinweise, die auf eine Scheinabrede hinweisen könnten.
- Rechtliche Beratung: In komplexen Fällen kann es hilfreich sein, sich rechtlich beraten zu lassen, um die Wirksamkeit des Vertrags zu überprüfen.
Ein Scheingeschäft bei einem Darlehensvertrag ist also eine Vereinbarung, die nur zum Schein geschlossen wird, um andere Ziele zu verfolgen, ohne dass die Parteien tatsächlich die Absicht haben, sich an die Vereinbarung zu halten. Dies führt zur Nichtigkeit des Vertrags und hat sowohl rechtliche als auch steuerliche Konsequenzen.
Was ist ein Urkundsprozess und welche Besonderheiten gelten dabei?
Der Urkundenprozess ist eine besondere Verfahrensart des Zivilprozesses, die in den §§ 592 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt ist. Er ermöglicht es dem Kläger, schnell und effizient einen Vollstreckungstitel zu erlangen, ohne dass eine umfangreiche Beweisaufnahme stattfinden muss.
Voraussetzungen für den Urkundenprozess
Um einen Urkundenprozess einzuleiten, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Die Klage muss auf Zahlung einer Geldsumme, Lieferung vertretbarer Sachen oder Wertpapiere gerichtet sein.
- Alle zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen müssen durch Urkunden bewiesen werden können.
Wenn Sie beispielsweise ein Darlehen vergeben haben und der Schuldner nicht zurückzahlt, können Sie im Urkundenprozess klagen, sofern Sie den Darlehensvertrag und Belege über die Auszahlung vorlegen können.
Besonderheiten des Verfahrens
Der Urkundenprozess zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus:
- Beschränkte Beweismittel: Als Beweismittel sind grundsätzlich nur Urkunden und die Parteivernehmung zulässig. Zeugen, Sachverständige oder der Augenschein sind im Urkundenprozess nicht gestattet.
- Keine Widerklage: Der Beklagte kann im Urkundenprozess keine Widerklage erheben. Dies dient der Verfahrensbeschleunigung.
- Vorbehaltsurteil: Gewinnt der Kläger, ergeht in der Regel ein sogenanntes Vorbehaltsurteil. Dieses ist vorläufig vollstreckbar, aber der Beklagte kann seine Rechte im anschließenden Nachverfahren geltend machen.
Ablauf und Konsequenzen
Stellen Sie sich vor, Sie möchten ausstehende Mietzahlungen einklagen. Im Urkundenprozess reichen Sie die Klage mit dem Mietvertrag und Zahlungsnachweisen ein. Das Gericht prüft dann nur anhand dieser Urkunden. Kann der Beklagte keine Einwände durch Urkunden belegen, ergeht ein Vorbehaltsurteil zu Ihren Gunsten.
Im anschließenden Nachverfahren hat der Beklagte die Möglichkeit, weitere Beweismittel vorzubringen. Er könnte beispielsweise Zeugen benennen, die Mängel an der Mietsache bestätigen. Das Gericht prüft dann den Fall umfassend und kann das Vorbehaltsurteil bestätigen oder aufheben.
Der Urkundenprozess bietet Ihnen als Kläger den Vorteil einer schnellen Titulierung Ihres Anspruchs. Allerdings müssen Sie sorgfältig prüfen, ob Ihr Fall für dieses Verfahren geeignet ist, da die Anforderungen an die Beweisführung streng sind.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Urkundsverfahren
Ein besonderes gerichtliches Verfahren, bei dem der Anspruch ausschließlich durch Urkunden (z.B. unterschriebene Verträge, Schuldscheine) bewiesen werden muss. Es ermöglicht eine schnellere Entscheidung als im normalen Prozess, da keine Zeugenvernehmung stattfindet. Geregelt in §§ 592-600 ZPO. Besonders geeignet für Geldforderungen aus schriftlichen Verträgen. Beispiel: Ein Darlehensgeber kann im Urkundsverfahren schneller einen Titel gegen den säumigen Schuldner erwirken, wenn er einen unterschriebenen Darlehensvertrag vorlegen kann.
Versäumnisurteil
Eine gerichtliche Entscheidung, die ergeht, wenn eine Partei im Prozess nicht erscheint oder nicht verhandelt. Geregelt in §§ 330-347 ZPO. Der Säumige verliert dann meist den Prozess, kann aber innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen. Ein typischer Fall ist, wenn der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Verhandlung erscheint – das Gericht entscheidet dann meist zugunsten des Klägers.
Mahnbescheid
Ein gerichtlicher Zahlungsbefehl auf Antrag des Gläubigers, mit dem dieser seine Forderung ohne sofortige Klage geltend macht. Geregelt in §§ 688-696 ZPO. Der Schuldner kann innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen. Ein kostengünstiges Verfahren zur Durchsetzung unstreitiger Forderungen. Beispiel: Ein Handwerker mahnt eine unbezahlte Rechnung per Mahnbescheid an.
Scheingeschäft
Ein Rechtsgeschäft, bei dem beide Parteien sich einig sind, dass die erklärten Rechtsfolgen tatsächlich nicht eintreten sollen (§ 117 BGB). Es ist von Anfang an nichtig. Beispiel: Ein Kaufvertrag wird nur zum Schein abgeschlossen, um Dritte zu täuschen, wobei beide Parteien wissen, dass tatsächlich keine Eigentumsübertragung stattfinden soll.
Rechtsmissbräuchlich
Eine Rechtsausübung, die gegen Treu und Glauben verstößt (§ 242 BGB) und deshalb nicht geschützt wird. Liegt vor, wenn jemand seine Rechte in einer Weise ausübt, die mit den Grundsätzen redlichen Verhaltens nicht vereinbar ist. Beispiel: Ein Vermieter kündigt nur aus Schikane, ohne berechtigtes Interesse an der Kündigung zu haben.
Zwangsvollstreckung
Das staatliche Verfahren zur Durchsetzung von Geldforderungen oder anderen Ansprüchen gegen den Willen des Schuldners. Geregelt in §§ 704 ff. ZPO. Voraussetzung ist ein vollstreckbarer Titel (z.B. Urteil). Typische Maßnahmen sind Pfändung von Konten oder Gehalt, Sachpfändung oder Räumung einer Immobilie.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB (Darlehensvertrag):
Ein Darlehensvertrag verpflichtet den Darlehensnehmer zur Rückzahlung des erhaltenen Darlehensbetrages zum vereinbarten Zeitpunkt. Im vorliegenden Fall wurde laut schriftlichem Vertrag vom 24.01.2019 vereinbart, dass der Beklagte den Betrag von 11.129,10 € bis zum 30.06.2019 zurückzahlt. Der Beklagte hat durch seine Unterschrift die Darlehensvereinbarung anerkannt, was zur Rückzahlungspflicht führt.
Der Kläger kann sich auf die Urkunde berufen, da aus dieser sowohl die Auszahlung des Betrags als auch die Rückzahlungsverpflichtung hervorgehen. Eine Behauptung, das Geschäft sei nur „zum Schein“ abgeschlossen worden, ist hier unbeachtlich, da der Beklagte die tatsächliche Existenz von Forderungen eingeräumt hat. - § 117 Abs. 1 BGB (Scheingeschäft):
Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wurde, während beide Parteien sich einig sind, dass keine Rechtsfolgen eintreten sollen. Im vorliegenden Fall behauptet der Beklagte, der Darlehensvertrag sei lediglich zur Absicherung anderer Vereinbarungen unterzeichnet worden und somit eine „schriftliche Lüge“.
Das Gericht stellt klar, dass kein Scheingeschäft vorliegt, da der Beklagte eingeräumt hat, dass Forderungen des Klägers existierten und mit der Urkunde eine Art „Schnitt“ gemacht werden sollte. Die Vereinbarung hatte somit Rechtsfolgen, wodurch die Einwendung des Beklagten ins Leere läuft. - § 592 Satz 1 ZPO (Urkundenprozess):
Der Urkundenprozess ist zulässig, wenn die Klage auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gestützt wird und der Anspruch durch Urkunden belegt werden kann. Der Kläger hat den Darlehensvertrag als Nachweis der Forderung vorgelegt. Für die Zulässigkeit des Urkundenprozesses genügt die Vorlage einer einfachen Abschrift der Urkunde.
Der Beklagte wendet ein, der Urkundenprozess sei unstatthaft, da die Anforderungen an eine formgültige Urkunde nicht erfüllt seien. Das Gericht stellt fest, dass die Urkunde den gesetzlichen Anforderungen genügt und im Original in der Verhandlung vorgelegt wurde. - § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB (Verzugszinsen):
Gerät der Schuldner nach Fälligkeit einer Geldforderung in Verzug, kann der Gläubiger Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen. Der Kläger fordert Zinsen ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage, was gemäß § 291 BGB zulässig ist.
Da der Beklagte die Rückzahlung nicht fristgemäß vorgenommen hat, ist er in Verzug geraten. Der Kläger hat daher Anspruch auf Verzugszinsen, was das Gericht bestätigt. - § 599 Abs. 1 ZPO (Vorbehalt des Nachverfahrens):
Im Urkundenprozess ist dem Beklagten die Möglichkeit vorbehalten, seine Rechte im Nachverfahren geltend zu machen, nachdem ein Urteil ergangen ist. Der Beklagte bleibt somit nicht schutzlos, sondern kann im Nachverfahren seine Einwendungen detailliert vorbringen.
Das Gericht weist darauf hin, dass der Beklagte durch seine eigenhändige Unterschrift den Darlehensvertrag akzeptiert hat und die Einwendung eines Scheingeschäfts unbeachtlich ist. Dennoch wird ihm die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren ermöglicht.
Das vorliegende Urteil
LG Ulm – Az.: 2 O 276/19 – Urteil vom 29.05.2020
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