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Urlaubsanspruchabgeltung bei Beamten

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 2 A 11321/09.OVG

Urteil vom 30.03.2010


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Besoldung hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2010, für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n d
Der Kläger begehrt die finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen.

Der Kläger, Beamter im Dienst des beklagten Landes und seit dem 6. Juli 2007 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt, trat mit Ablauf des 31. Juli 2008 wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand. Bereits mit Schreiben vom 10. Juni 2008 beantragte er, ihm die aus den Jahren 2007 und 2008 zustehenden Urlaubsansprüche – insgesamt 62 Tage – als Ersatz dafür zu vergüten, dass er den Urlaub krankheitsbedingt nicht antreten konnte. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Juni 2008 ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 zurück.

In seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 (ABl. L 299 vom 18. November 2003, S. 9) begründe gemäß der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof auch für Beamte einen Anspruch auf die Abgeltung von Urlaub, der krankheitsbedingt vor der Zurruhesetzung nicht mehr genommen werden konnte. Dem müsse durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn Rechnung getragen werden. Die Höhe des Anspruchs belaufe sich in seinem Fall auf 9.980,17 €.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 zu verpflichten, ihn für krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaub der Jahre 2007 und 2008 in Höhe von insgesamt 62 Kalendertagen finanziell zu entschädigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat darauf verwiesen, das Alimentationsprinzip schließe einen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub aus.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Juli 2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Urlaubsansprüche des Klägers seien mit dessen Pensionierung erloschen. Die Vorschrift des § 101 Landesbeamtengesetz – LBG – setze ein aktives Beamtenverhältnis voraus. Des Weiteren werde Urlaub nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeit gewährt, sondern diene dem Erhalt der Arbeitskraft. Dieser Zweck könne nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst nicht mehr erreicht werden. Darüber hinaus scheide ein Abgeltungsanspruch aufgrund des im Beamtenrecht geltenden Gesetzesvorbehalts aus. Die für Arbeitnehmer geltende Regelung des § 7 Abs. 4 BUrlG sei in Ermangelung einer Regelungslücke nicht anwendbar. Schließlich seien die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG auf das Beamtenverhältnis wegen dessen Besonderheit nicht übertragbar.

In seiner vom Senat zugelassenen Berufung führt der Kläger aus, die begehrte Entschädigung sei keine – gemäß § 2 Abs. 2 Beamtenbesoldungsgesetz (BBesG) unzulässige – Erhöhung der Besoldung, sondern lediglich die Geltendmachung der im Urlaubsanspruch beinhalteten vermögenswerten Leistung. Die Annahme eines strukturellen Unterschiedes zwischen dem Beamten- und dem Arbeitnehmerverhältnis verstoße gegen Art. 48 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Auch der Europäische Gerichtshof gehe von einem einheitlichen Beschäftigungsbegriff aus. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich neben einer unmittelbaren Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sowie einer europarechtskonformen Auslegung des nationalen Beamtenrechts aus ungerechtfertigter Bereicherung, dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie als Schadensersatz für das Unterlassen der Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie in Landesrecht.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 zu verpflichten, den Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 für krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Urlaub der Jahre 2007 und 2008 in Höhe von insgesamt 62 Kalendertagen finanziell zu entschädigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsvorgänge (1 Heft) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die finanzielle Abgeltung des krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Urlaubs, weshalb die Ablehnung im angefochtenen Bescheid sowie der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

1. Weder Bundes- noch Landesrecht sehen für Beamte eine Abfindung für nicht genommenen Erholungsurlaub vor.

a) Gemäß § 44 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG –, § 101 Abs. 1 Landesbeamtengesetz – LBG – steht den Beamtinnen und Beamten jährlicher Erholungsurlaub unter Fortgewährung der Dienstbezüge zu. Eine Regelung für eine Vergütung von Urlaubsansprüchen ist darin ebenso wenig enthalten wie in der Urlaubsverordnung vom 17. März 1971 (GVBl. S. 125) in der Fassung der Verordnung vom 29. Januar 2008 (GVBl. S. 45) – UrlVO –. Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 UrlVO bestimmt lediglich, Urlaub solle im Urlaubsjahr verbraucht werden und verfalle, wenn er nicht bis zum 30. September des Folgejahres abgewickelt werde. Zeiten der Dienstunfähigkeit wirken sich gemäß § 13 Abs. 1 UrlVO nur insoweit aus, als sie nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet werden, wenn der Beamte während seines Urlaubs erkrankt.

b) Einer analogen Anwendung des unmittelbar nur für Arbeitnehmer geltenden § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz – BUrlG –, dem zufolge Urlaub abzugelten ist, soweit er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann, stehen die strukturellen Unterschiede des Beamten- und des Arbeitnehmerverhältnisses entgegen.

Sowohl der Status als auch die Vergütungssysteme von Beamten und Arbeitnehmern unterscheiden sich grundlegend, weshalb es an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlt. Ihr stehen insbesondere das Alimentationsprinzip sowie die das Beamtenverhältnis prägende Pflicht des Beamten entgegen, seine ganze Persönlichkeit für den Dienstherrn einzusetzen und diesem – grundsätzlich auf Lebenszeit – seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Infolge dessen knüpft der Besoldungsanspruch des Beamten nicht an die konkrete Dienstleistung an und unterscheidet sich damit wesentlich von dem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis des Angestellten, welches auf einen wirtschaftlichen Austausch von Leistung und Gegenleistung ausgerichtet ist.

In Letzterem besteht ein Entgeltanspruch grundsätzlich nur für tatsächlich erbrachte Leistungen (vgl. Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl., § 1 BUrlG Rn. 29). Mit der Vergütungspflicht während des Urlaubs wird daher ein zusätzlicher, dem darauf entfallenden Zeitraum konkret zuordenbarer Vermögensvorteil des Arbeitnehmers begründet, dessen Erhalt § 17 Abs. 4 BUrlG bezweckt. Im Beamtenverhältnis hingegen erhält der Beamte, solange er nicht unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, aufgrund des verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz – GG – verankerten Alimentationsprinzips seine Besoldung unabhängig von seiner Arbeitsleistung und damit auch während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit. Die Vorschriften der § 44 BeamtStG, § 101 Abs. 1 LBG begründen daher, soweit darin die Fortgewährung der Dienstbezüge angeordnet wird, für ihn keinen eigenständigen Vermögensvorteil (vgl. OVG RP, NVwZ 1984, 52 [53]), sondern befreien ihn lediglich von der Arbeitspflicht. Zugleich folgt aus dem Alimentationsgrundsatz, dass die Besoldung nicht im Sinne eines Austauschverhältnisses von Leistung und Gegenleistung einzelnen Tagen zugeordnet werden kann. Eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 4 BUrlG widerspräche damit den das Beamtenrecht prägenden Grundsätzen (vgl. BVerwG, Buchh 232 § 89 BBG Nr. 1; Beschluss vom 31.07.1997 – 2 B 138.96 –, juris Rn. 8; HessVGH, Urteil vom 19.06.1996 – 1 UE 1395/93 –, juris Rn. 32). Sie verstieße darüber hinaus gegen den für die Besoldung der Beamten geltenden Gesetzesvorbehalt gemäß § 2 Abs. 1 BBesG i.V.m. Art. 125a Abs. 1 GG.

c) Ein Anspruch auf die finanzielle Vergütung von Urlaubsansprüchen kann demnach auch nicht auf den Rechtsgedanken der ungerechtfertigten Bereicherung gestützt werden. Insbesondere wurde der Beklagte dadurch, dass der Kläger seinen Urlaub krankheitsbedingt nicht antreten konnte, weder von seiner Zahlungspflicht befreit noch kommt dem Erholungsurlaub ein Vermögenswert zu, den er zum Nachteil des Klägers erlangt hätte.

d) Gegen den Ausschluss eines Abgeltungsanspruchs für krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaub bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Hierin liegt zunächst kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 17 Abs. 1 und 2 Verfassung für Rheinland-Pfalz. Die vorstehend aufgezeigten strukturellen Unterschiede rechtfertigen auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern und Beamten. Des Weiteren kann sich der Kläger nicht auf die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte Fürsorgepflicht des Beklagten berufen. Hieraus können grundsätzlich keine Ansprüche hergeleitet werden, die über diejenigen hinausgehen, die einfachrechtlich in Konkretisierung der Fürsorgepflicht – wie auf dem Gebiet der Urlaubsregelung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.10.1982 – 2 B 95.81 –, juris Rn. 3) – speziell und abschließend geregelt sind. Auf die Fürsorgepflicht kann allenfalls dann zurückgegriffen werden, wenn diese andernfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre (vgl. BVerwG, Buchh 262 § 1 TGV Nr. 2). Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich.

2. Die Regelung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG, der zufolge der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf, begründet auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Beamte keinen Anspruch auf eine Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaubs.

a) Allerdings gilt die Richtlinie gemäß Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 RL 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 (ABl. L 183 vom 29.06.1989, S. 1) grundsätzlich auch im Beamtenverhältnis. Danach findet sie Anwendung auf alle öffentlichen Tätigkeitsbereiche. Aus der Vorschrift des Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG, die einzelne Funktionen im öffentlichen Dienst wie beispielsweise bei der Polizei aus dem Geltungsbereich herausnimmt, folgt im Umkehrschluss, dass von ihr grundsätzlich auch Beamte erfasst werden.

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Der Kläger unterfällt den Vorgaben der Richtlinie, obwohl er vor seiner Pensionierung im Polizeidienst des beklagten Landes stand. Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG nimmt nicht alle, sondern nur bestimmte Tätigkeiten bei der Polizei von der Anwendung aus. Maßgeblich ist danach nicht die Zugehörigkeit zu den dort genannten Tätigkeitsbereichen, sondern ausschließlich die spezifische Natur bestimmter in diesen Sektoren wahrgenommener besonderer Aufgaben, die wegen der unbedingten Notwendigkeit, einen wirksamen Schutz des Gemeinwesens zu gewährleisten, eine Ausnahme von den Vorschriften der Richtlinie rechtfertigt. Hierunter fallen lediglich Natur- oder Technologiekatastrophen, Attentate, schwere Unglücksfälle oder andere Ereignisse gleicher Art, deren Schwere und Ausmaß Maßnahmen erfordern, die zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sicherheit des Gemeinwesens unerlässlich sind und deren ordnungsgemäße Durchführung in Frage gestellt wäre, wenn alle Vorschriften der Richtlinien beachtet werden müssten (vgl. EuGH, NVwZ 2005, 1049 [1051] – Personalrat der Feuerwehr Hamburg).

b) Dennoch begründet Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG keinen Zahlungsanspruch des Klägers.

Zwar ist die Vorschrift dahin auszulegen, dass sie einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums krankgeschrieben war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte (vgl. EuGH, NJW 2009, 495 [498 f.] – Schultz-Hoff u.a.).

Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2003/88/EG zwar keine ausdrückliche Abweichung von deren Art. 7 zulässt. Jedoch bleibt das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechtsvorschriften anzuwenden, gemäß Art. 15 RL 2003/88/EG unberührt. Bei den für den Fall einer dienstunfähigen Erkrankung geltenden beamtenrechtlichen Vorschriften handelt es sich um solcherart für den Beamten vorteilhaftere Regelungen. Ihm muss daher in den Fällen, in denen er krankheitsbedingt an der Inanspruchnahme des Urlaubs gehindert war und diesen wegen seines Ausscheidens aus dem aktiven Dienstverhältnis auch nicht nachträglich nehmen konnte, kein Abgeltungsanspruch eingeräumt werden.

Dabei ist der Gegenüberstellung der europarechtlichen sowie der nationalen Schutzvorschriften nicht eine punktuelle, sondern eine strukturelle Betrachtung zugrunde zu legen. Ein allein auf die Frage der nachträglichen Urlaubsvergütung abstellender Vergleich ließe andere zugunsten des Beamten in der konkreten Situation greifende günstigere Schutzmaßnahmen unberücksichtigt. Folge dessen wäre, dass mit der Zuerkennung eines Abgeltungsanspruchs die den Mindeststandard der Richtlinie insgesamt ohnehin überschreitende Situation des Beamten sowohl gegenüber den europarechtlichen Vorgaben wie auch im Vergleich mit Arbeitnehmern zusätzlich verbessert würde.

Der vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lag der Fall eines Arbeitnehmers zugrunde, der im letzten Jahr vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgängig arbeitsunfähig erkrankt und deshalb gehindert war, seinen Erholungsurlaub anzutreten. Eine derart langfristige Krankschreibung führt bei Arbeitnehmern zu nicht unerheblichen finanziellen Verlusten. Der Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber endet gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz nach sechs Wochen. Nachfolgend erhält der Arbeitnehmer gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – lediglich Krankengeld, welches nach § 47 Abs. 1 SGB V nur 70 v.H. des Regelentgelts beträgt und dessen Dauer durch § 48 SGB V begrenzt ist. In dieser Situation soll der Arbeitnehmer, dem zudem die krankheitsbedingte Kündigung droht, zumindest in finanzieller Form in den Urlaubsgenuss kommen (vgl. EuGH, NJW 2009, 495 [498 f.] – Schultz-Hoff u.a.). Der Beamte hingegen erhält unabhängig von der Dauer der Erkrankung die volle Besoldung durch seinen Dienstherrn weitergezahlt. Er kann darüber hinaus nicht wegen seiner Dienstunfähigkeit entlassen, sondern allenfalls in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. Auch in diesem Fall wird jedoch das Beamtenverhältnis nicht beendet und bleibt der Dienstherr zur Weiterzahlung der (nunmehr: Versorgungs-) Bezüge verpflichtet. Anders als im Falle eines Arbeitnehmers entstehen daher weder für den Dienstherrn finanzielle Vorteile durch ein Freiwerden von der Entgeltpflicht noch für den Beamten Nachteile infolge einer Verringerung der Besoldung. Somit besteht keine Notwendigkeit zu deren Ausgleich durch die Gewährung eines Vergütungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub (vgl. Plog/Wiedow, BBG, § 89 Rn. 13a).

c) Darüber hinaus kann sich der Kläger auch deshalb nicht auf Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG berufen, weil dem Urlaubsanspruch des Beamten – wie vorstehend dargelegt – kein Vermögenswert zukommt.

Der Abfindungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG soll, vergleichbar § 7 Abs. 4 BUrlG, einen etwaigen Vermögenswert erhalten. Die Norm setzt ihn daher voraus, ohne ihn zu begründen. Auch aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG folgt keine Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers, die Entgeltfortzahlung während des Urlaubs derart auszugestalten, dass sie diesem Zeitraum konkret zugeordnet werden kann. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG legt den Mitgliedstaaten lediglich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels – die Weitergewährung des Arbeitsentgelts während des Urlaubs – Verpflichtungen auf, überlässt ihnen jedoch die Art und Weise der Durchführung des bezahlten Jahresurlaubs (vgl. EuGH, EuZW 2001, 605 [606 ff.] – BECTU). Gewährleistet sein muss lediglich, dass der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum in Bezug auf seinen Lohn in eine Lage versetzt wird, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist, und er über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen kann, damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und Gesundheit sichergestellt ist (vgl. EuGH, EuZW 2006, 244 [246] – Robinson-Steele u.a.). Diesen Anforderungen genügt die Alimentation der Beamten.

Hinzu kommt, dass der Beklagte aufgrund der Erkrankung des Klägers nicht von seiner Pflicht zur Fortzahlung der Bezüge frei wurde. Dieser hat folglich die auf den Urlaubszeitraum entfallende Vergütung erhalten und musste lediglich

– krankheitsbedingt – auf einen Erholungszeitraum verzichten. Ein etwaiger Vermögenswert des Urlaubs könnte aber, wenn überhaupt, nicht in der Erholung, sondern allein in der Weitergewährung des Arbeitseinkommens liegen. Erachtete man auch im Beamtenverhältnis den Abgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubs, so hätte der Beklagte diesen bereits erfüllt. Auch insoweit gilt, dass der Dienstherr infolge der Erkrankung und der damit einhergehenden Unmöglichkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs keinen Vermögensvorteil, der Beamte keinen finanziellen Nachteil erleidet. Die Gewährung eines Abgeltungsanspruchs führte deshalb zu einer zusätzlichen Begünstigung des Klägers sowie einer weiteren Belastung des Beklagten, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar ist.

3. Die Berufung war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO. Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

B e s c h l u s s
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.980,17 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz).

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