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Urlaubsabgeltung bei langjähriger Krankheit

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Az: 9 Sa 1541/09

Urteil vom 01.10.2010


A. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers das Urteil des ArbG Essen vom 30.10.2009, Az.: 5 Ca 2439/09, wie folgt abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

B. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zahlung von Urlaubsabgeltung.

Der 45-jährige Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 06.06.1984 zunächst als Reiniger und dann als Mülllader auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 27.12.1985 (Bl. 48 d. A.) beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, das die Sammlung, den Transport, die Verwertung und die Beseitigung von Wertstoffen und Abfällen in der Stadt Essen zum Gegenstand hat und das zum 01.01.1999 aus dem Amt 70 – Amt für Abfallwirtschaft und Straßenreinigung – hervorgegangen ist. Die Beklagte beschäftigt ca. 950 Arbeitnehmer. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand zunächst der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) sowie der Bezirkszusatztarifvertrag (BZT-G) Anwendung. Seit 2005 kam der TVöD im Arbeitsverhältnis zur Anwendung.

Der Kläger war seit dem Jahr 2000 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahr 2001 wurde als Schwerbehinderter anerkannt. Unter dem 30.05.2001 beantragte er eine Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 05.08.2002 (Bl. 50 d. A.) wurde ihm rückwirkend zum 01.08.2001 eine bis zum 31.01.2004 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. Anschließend wurde die Rentenbewilligung mehrfach befristet verlängert (vgl. dazu Bl. 43 ff. d. A.), zuletzt bis zum 30.06.2009. Die Beklagte teilte dem Kläger jeweils schriftlich mit, dass das Arbeitsverhältnis gemäß § 56 Abs. 1 BMT-G bzw. § 33 Abs. 2 TVöD bis zum Ablauf der befristeten Rente ruhte (vgl. etwa Bl. 51 d. A.). Mit Bescheid vom 08.05.2009 (Bl. 61 d. A.) wurde dem Kläger dann eine Erwerbsminderungsrente als Dauerrente bewilligt. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 18.05.2009 (Bl. 62 d. A.) mit, dass das Arbeitsverhältnis gemäß § 33 Abs. 2 TVöD zum 31.05.2009 sein Ende finden werde.

Das monatliche Bruttoentgelt des Klägers betrug zuletzt 2.842,54 € einschließlich Akkord- und Besitzstandszulage.

Mit Schreiben vom 12.06.2009 (Bl. 3 d. A.) hat der Kläger Urlaubsabgeltungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Diese lehnte die Ansprüche mit Schreiben vom 18.06.2009 (Bl. 6 d. A.) unter Hinweis auf die tarifvertraglichen Regelungen ab.

§§ 26, 33 TVöD (Bl. 65 ff. d. A.) lauten auszugsweise:

„…

(2)Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:

a)Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31.03. angetreten werden, ist er bis zum 31.05. anzutreten.

c)Ruht das Arbeitsverhältnis, so vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubes für jeden vollen Kalendermonat um 1/12.

§ 33 Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung

(2)Das Arbeitsverhältnis endet ferner mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist.

Beginnt die Rente erst nach der Zustellung des Rentenbescheides, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages.

Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den eine Rente auf Zeit gewährt wird; beginnt die Rente rückwirkend, ruht das Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Zustellung des Rentenbescheides folgt.“

Die §§ 44, 56 BMT-G enthielten entsprechende Bestimmungen (vgl. Bl. 63 ff. d. A.).

Mit seiner am 13.07.2009 beim Arbeitsgericht Essen eingegangenen Klage hatte der Kläger zunächst Urlaubsabgeltung für 323 Tage für 2001 bis Mai 2009 in Höhe von 42.374,37 € brutto geltend gemacht. Der Kläger hat den Antrag bezüglich des übergesetzlichen Urlaubs in Höhe von 14.430,90 € zurückgenommen.

Der Kläger hat zuletzt noch 213 Tage Urlaub als gesetzlichen und Urlaub sowie Sonderurlaub für Behinderte für den Zeitraum 2001 bis 2009 beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, die Regelungen im TVöD bzw. BMT-G verstießen gegen das Bundesurlaubsgesetz. Er könne auch noch rückwirkend einschließlich 2001 Urlaubsabgeltungsansprüche verlangen. Dies gelte mit Blick auf die durch das EuGH-Urteil geänderte Rechtsprechung des BAG. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses sei unbeachtlich für den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Die Beklagte könne auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. Der Anspruch könne nicht verfallen sein, da er erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sei.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 27.943,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, im ruhenden Arbeitsverhältnis könnten keine Urlaubsansprüche entstehen, da auch die Hauptleistungspflichten entfielen. Die Tarifvertragsregelungen in § 26 TVöD bzw. 44 BMT-G seien auch mit dem Bundesurlaubsgesetz vereinbar. Die Rechtsprechung des EuGH beziehe sich nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub, nicht aber auf tarifvertragliche Urlaubsansprüche oder Sonderurlaub nach dem SGB IX. Sie hat sich im Übrigen auf zu gewährenden Vertrauensschutz und die Verfallfristen nach § 37 TVöD berufen. Der Verfall ergebe sich auch aus Artikel 9 des IAO Nr. 132. Die Beklagte hat schließlich die Einrede der Verjährung geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.10.2009 (Bl. 73 ff. d. A.) der Klage teilweise in Höhe der Urlaubsansprüche für die Jahre 2006 bis 2009 und damit in Höhe von 11.544,72 € brutto stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Es hat zur Begründung angeführt, auch im ruhenden Arbeitsverhältnis entstünden Urlaubsansprüche. Dies gelte nur dann nicht, wenn gesetzliche Vorschriften ausdrücklich etwas anderes anordnen würden, so etwa in § 17 BEEG. Dieser Norm bedürfe es nämlich nicht, wenn es einen generellen Rechtsgrundsatz gäbe, dass in einem ruhenden Arbeitsverhältnis keine Urlaubsansprüche entstünden. § 26 Abs. 2 c TVöD verstieße gegen das Bundesurlaubsgesetz und sei daher unwirksam. Die Urlaubsansprüche für die Jahre 2006 bis 2009 seien nicht gemäß § 7 Abs. 3 BurlG bzw. § 26 Abs. 2 TVöD erloschen. Dies ergebe eine richtlinienkonforme Auslegung des Gesetzes bzw. des Tarifvertrages entsprechend der geänderten Rechtsprechung des BAG vom 24.03.2009. Die Beklagte könne sich ab dem Jahr 2006 auch nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Das Vorabentscheidungsersuchen des LAG Düsseldorf vom 02.08.2006 habe eine Zäsur dargestellt. Schließlich seien die Urlaubsabgeltungsansprüche auch nicht nach § 37 TVöD verfallen. Der Abgeltungsanspruch sei erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2009 fällig geworden, so dass die Geltendmachung innerhalb der tarifvertraglichen Sechsmonatsfrist erfolgt sei. Ebenfalls sei der Anspruch nicht verjährt, da der Abgeltungsanspruch erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.05.2009 entstanden sei. Für die Jahre 2001 bis 2005 könne sich die Beklagte hingegen auf Vertrauensschutz berufen. Die Gewährung des Vertrauensschutzes könne auch durch die nationalen Gerichte erfolgen, sofern es um die Änderung der Auslegung nationaler Gesetze gehe.

Das Urteil ist der Beklagten am 26.11.2009 (Bl. 93 d. A.) und dem Kläger am 27.11.2009 (Bl. 94 d. A.) zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 17.12.2009, beim Landesarbeitsgericht am selben Tag eingegangen (Bl. 97 d. A.), hat die Beklagte Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.02.2010 (Bl. 111 d. A.) ist die Berufungsbegründung am 12.02.2010 (Bl. 113 d. A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 18.03.2010, beim Landesarbeitsgericht am selben Tag eingegangen, hat der Kläger Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte macht unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag geltend, die Klage sei in voller Höhe unbegründet. Vor dem Hintergrund der europäischen Richtlinie könne es nicht richtig sein, dass auch im ruhenden Arbeitsverhältnis ein ungekürzter Urlaubsanspruch entstehe. Einzelregelungen in Gesetzen hätten rein klarstellende Funktion und seien überflüssig. Der Zweck des Urlaubs gebiete keine Entstehung im ruhenden Arbeitsverhältnis. Mit Blick auf Artikel 12 GG bedürfe es einer hinreichenden Verantwortungsbeziehung des Arbeitgebers, um diesen mit dem Urlaubsanspruch belasten zu können. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses sei auf freiwilliger Veranlassung des Klägers erfolgt. Es handele sich eben nicht um eine ausschließlich krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Auch bei einer Teilzeitkraft vermindere sich der Urlaubsanspruch. Allein deswegen sei der Anspruch auf Null zu setzen. Jedenfalls sei keine Zahlung zu leisten, da auch kein Vergütungsanspruch bestehe. Bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses erfordere die Richtlinie keine teleologische Reduktion der zeitlichen Befristung in § 7 Abs. 3 BurlG.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 30.1.2009 – 5 Ca 2439/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;

2. das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 16.398,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger meint, dem Arbeitsgericht sei zu folgen, soweit es der Klage stattgegeben habe. Allerdings sei der Beklagten kein Vertrauensschutz zu gewähren. Der EuGH habe davon abgesehen, die Rückwirkung seiner Entscheidung auszuschließen.

Hierzu meint die Beklagte, das Arbeitsgericht habe zu Recht Vertrauensschutz gewährt. Sie habe auf eine 25jährige Rechtsprechung des BAG vertraut. Jedenfalls bis zum Jahr 2006 sei nicht ersichtlich gewesen, dass sich etwas an der Rechtslage habe ändern können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist insgesamt unbegründet und war daher abzuweisen. Die zulässige Anschlussberufung war dementsprechend zurückzuweisen.

A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 529 ZPO).

Die Anschlussberufung ist ebenfalls zulässig. Sie ist an sich statthaft (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 524 ZPO) und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO, 66 Abs. 1 S. 3 ArbGG).

B. Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Das Urteil des ArbG Essen war demzufolge abzuändern und die Klage abzuweisen.

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I. Entgegen der Auffassung des Klägers sind für die Kalenderjahre 2003 bis 2009 bereits keine Urlaubsansprüche entstanden, da das Arbeitsverhältnis in diesem Zeitraum durchgängig ruhte. Lediglich in den Jahren 2001 und 2002 sind Urlaubsansprüche entstanden.

1. Das Arbeitsverhältnis ruhte ab dem 01.09.2002. Dies ergibt sich aus § 33 Abs. 2 S. 6 TVöD bzw. § 56 Abs. 1 BMT-G.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kam zunächst der BMT-G und dann der TVöD zur Anwendung. Gemäß § 33 Abs. 2 S. 6 TVöD (§ 56 Abs. 1 BMT-G) ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den eine Rente auf Zeit gewährt wird; beginnt die Rente rückwirkend, ruht das Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Zustellung des Rentenbescheids folgt. Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 05.08.2002 rückwirkend zum 01.08.2001 eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung gewährt, so dass das Arbeitsverhältnis ab dem 01.09.2002 ruhte.

2. Ob Urlaubsansprüche im ruhenden Arbeitsverhältnis überhaupt entstehen, ist (mittlerweile) umstritten.

a) Hintergrund der aufgeworfenen Rechtsfrage ist der Umstand, dass sich das deutsche Urlaubsrecht aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 (C – 350/06 u. C – 550/06 – Schultz-Hoff) im Umbruch befindet.

Der EuGH hat am 20.01.2009 entschieden, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung so auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 steht allerdings nicht grundsätzlich einer nationalen Regelung entgegen, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben.

Des Weiteren ist Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dahingehend auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

Vor diesem Hintergrund hat das BAG seine langjährige Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung mit Urteil vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538) aufgegeben. Nach der früheren Rechtsprechung des BAG (grundlegend BAG, 13.05.1982 – 6 AZR 360/80 – NJW 1982, 1548, BAG, 21.06.2005 – 9 AZR 200/04 – NZA 2006, 232; BAG, 10.05.2005 – 9 AZR 253/04 – NZA-RR 2006, 112) wandelte sich der gesetzliche Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in einen Abgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG um, wenn der Urlaubsanspruch am Ende des Urlaubsjahres oder – im Fall der Übertragung – am Ende des Übertragungszeitraums nicht erfüllbar gewesen wäre. Der Urlaubsanspruch erlosch in diesem Fall. Erfüllbar war der Urlaubsanspruch nach der früheren Auffassung des BAG nicht, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Urlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht während des Bezugs- und des Übertragungszeitraums gewähren konnte, weil der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig blieb. Das BAG war also davon ausgegangen, dass der Abgeltungsanspruch mit Ausnahme der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an dieselben Voraussetzungen gebunden war wie der Urlaubsanspruch selbst.

Diese Rechtsprechung hat das BAG aufgegeben, weil die Auslegung, die § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG in der Rechtsprechung für Fälle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit erfahren hatte, die bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums andauerte, sekundärem Gemeinschaftsrecht widerspricht. § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG sei nunmehr so zu verstehen, dass gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche nicht erlöschen, wenn Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig seien. Das entspreche Wortlaut, Systematik und Zweck der innerstaatlichen Regelungen, wenn die Ziele des Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88/EG und der regelmäßig anzunehmende Wille des nationalen Gesetzgebers zur ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien berücksichtigt würden. Ob eine einschränkende Auslegung innerhalb der Grenzen des Wortlauts des nationalen Rechts möglich sei, könne offenbleiben. Jedenfalls sei eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion der zeitlichen Grenzen des § 7 Abs. 3 Satz 1, 3 und 4 BUrlG in Fällen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des jeweiligen Übertragungszeitraums geboten und vorzunehmen (BAG, 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538).

b) Vor diesem Hintergrund wird nunmehr geltend gemacht, dass in einem ruhenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche nicht entstehen (LAG Düsseldorf, 05.05.2010 – 7 Sa 1571/09; LAG Köln, 29.04.2010 – 6 Sa 103/10; LAG Düsseldorf, 02.02.2009 – 12 Sa 486/06 – NZA-RR 2009, 242; Fieberg, NZA 2009, 929, 934; a.A. Picker ZTR 2009, 230, 237; als rechtlich ungeklärt wird die Frage vom LAG Sachsen-Anhalt, 28.04.2010 – 6 Sa 429/08, angesehen). Bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis liege keine Störung des vertraglichen Leistungsgefüges wie im Krankheitsfalle vor. Es sei nicht ersichtlich, warum aus einer Vertragsgestaltung, die Arbeitsleistung (und Vergütung) gerade von vornherein ausschließe, Urlaubsansprüche erwachsen sollten. Die Regelungen in Einzelgesetzen, wie etwa in § 4 ArbPlSchG und § 17 BEEG seien nur der spezialgesetzliche Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes (a.A. Picker ZTR 2009, 230, 237). Aus verfassungsrechtlichen Gründen bedürfe die Belastung des Arbeitgebers mit der Gewährung bezahlten Jahresurlaubs einer hinreichenden Verantwortungsbeziehung des Arbeitgebers zu dem die Urlaubslast auslösenden Sachverhalt (unter Hinweis auf BVerfG, 18.11.2003 – 1 BvR 302/96 – C 2 b cc [3]). Im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers bleibe die durch den Arbeitsvertrag begründete Verantwortungsbeziehung vorhanden. Sie werde jedoch gelöst, wenn das Arbeitsverhältnis ruhe und das Sozialrecht mit der Rentengewährung die finanzielle Fürsorge für den Arbeitnehmer übernehme. Der Arbeitgeber werde damit aus der arbeitsrechtlichen „Verantwortungsbeziehung“ und insbesondere der Verpflichtung entlassen, für die Ruhenszeiten bezahlten Jahresurlaub zu gewähren.

3. Nach Ansicht der Kammer entstehen in einem Arbeitsverhältnis, das zu Beginn und während des gesamten Kalenderjahres ruht, keine Urlaubsansprüche (a.A. LAG Baden-Würrtemberg, 29.04.2010 – 11 Sa 64/09 – BB 2010, 1724; ErfK/Dörner § 7 BUrlG Rdnr. 39 o). Etwas anderes gilt dann, wenn zu Beginn des Kalenderjahres das Arbeitsverhältnis noch nicht geruht hat. In diesem Fall ist zu prüfen, ob rechtliche Grundlagen für eine Kürzung des Urlaubsanspruchs bestehen.

a) Ruht das Arbeitsverhältnis, entfallen die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird. Der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses bleibt dennoch unberührt (BAG, 15.12.2009 – 9 AZR 795/08 – NZA 2010, 728).

b) Zutreffend ist zu unterscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durchgehend im Kalenderjahr geruht hat oder ob zu Beginn desselben die Arbeitspflicht noch bestand.

aa) Hat das Arbeitsverhältnis während des gesamten Kalenderjahres geruht, so entstehen keine Urlaubsansprüche.

(1) Sinn und Zweck von Erholungsurlaub gebieten nicht die Entstehung von Urlaubsansprüchen im ruhenden Arbeitsverhältnis. Gemäß § 1 BurlG handelt es sich um Erholungsurlaub. Ein konkretes Erholungsbedürfnis bedarf es zwar nicht (ErfK/Dörner, 10. Auflage 2010, § 1 BurlG Rdnr. 5), vielmehr entsteht der Erholungsurlaub kraft Gesetzes zu Beginn des Urlaubsjahres. Es ist aber nur dann gerechtfertigt, dem Arbeitgeber die Verpflichtung zuzuweisen, Urlaub zu gewähren und Urlaubsentgelt zu zahlen, wenn vertraglich eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht.

(2) Des Weiteren spricht Art. 4 der IAO Nr. 132 gegen die Entstehung von Urlaubsansprüchen im ruhenden Arbeitsverhältnis: Demnach hat eine Person, deren Dienstzeit während eines bestimmten Jahres kürzer war, für dieses Jahr Anspruch auf bezahlten Urlaub im Verhältnis zur Dauer ihrer Dienstzeit während dieses Jahres.

(3) Dementsprechend ist auch für der Urlaubsanspruch für Teilzeitbeschäftigte, die nicht an allen Werktagen in der Woche arbeiten, verhältnismäßig umzurechnen, denn die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs von 24 Werktagen bemisst sich nach der Verteilung der Arbeitszeit auf die Woche (vgl. etwa BAG, 08.05.2001 – 9 AZR 240/00 – NZA 2001, 1254). Arbeitet der Arbeitnehmer an weniger als an 6 Tagen in der Woche, werden die im Gesetz genannten Werktage zu den vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitstagen rechnerisch zueinander in Beziehung gesetzt. Die Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Zahl der Arbeitstage ist zudem vom Gesetzgeber in § 125 Abs. 1 2. HS SGB IX gesetzlich normiert worden. Da ein Arbeitnehmer in einem ruhenden Arbeitsverhältnis einem Teilzeitbeschäftigten mit null Arbeitstagen pro Woche gleich steht, beträgt der Urlaubsanspruch konsequent null Tage pro Woche.

(4) Ein solches Verständnis widerspricht auch nicht den europarechtlichen Vorgaben. Der EuGH hat bei Teilzeitbeschäftigten die Minderung des Anspruchs auf Jahresurlaub gegenüber dem bei Vollzeitbeschäftigung bestehenden Anspruch aus sachlichen Gründen für gerechtfertigt gehalten (EuGH, 22.04.2010 – C-486/08 – Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols; dazu Fieberg NZA 2010, 925, 928). Im Tenor seiner Entscheidung spricht der EuGH vom Beschäftigungsausmaß, das anscheinend auch für das Urlaubsausmaß entscheidend sein soll. Der EuGH sieht also eine enge Verbindung zwischen Tätigkeit und Urlaubsanspruch. Der Urlaubsanspruch ist ein auf die vereinbarte Arbeitszeit (oder Beschäftigungsausmaß) im Urlaubsjahr bezogener Anspruch (vgl. LAG Düsseldorf, 18.08.2010 – 12 Sa 650/10).

Im Übrigen wird insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass der EuGH die Frage, ob aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG folgt, dass Arbeitnehmer während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses Urlaubsansprüche erwerben sollen, (noch) nicht entschieden hat (LAG Düsseldorf, 05.05.2010 – 7 Sa 1571/09).

(5) Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das BAG in seinen grundlegenden Urteilen keinen Fall zu beurteilen hatte, in denen das Arbeitsverhältnis während des gesamten Kalenderjahres geruht hat. Das BAG hat in seiner für die frühere Rechtsprechung grundlegenden Entscheidung vom 28.01.1982 (6 AZR 571/79 – NJW 1982, 1548, vgl. auch BAG, 13.05.1982 – 6 AZR 360/80 – NJW 1982, 1548; zust. Picker ZTR 2009, 230, 237) herausgearbeitet, dass nach dem BUrlG der Urlaubsanspruch unabhängig vom Umfang der Arbeitsleistung entsteht. Er ist lediglich an die Erfüllung der Wartezeit nach § 4 BUrlG geknüpft. Im konkreten Fall ging es allerdings um die Frage, ob Urlaubsansprüche wegen zu geringer Arbeitsleistung infolge von Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen waren. Auch in weiteren Entscheidungen hat das BAG stets betont, dass Urlaub keine erbrachte Arbeitsleistung voraussetzt (BAG, 14.03.2006 – 9 AZR 312/05 – NZA 2006, 1232), wobei auch diese Entscheidungen Fälle der Arbeitsunfähigkeit betrafen. Der Entscheidung des BAG vom 26.05.1988 (8 AZR 774/85 – NZA 1989, 308) lag eine Fallkonstellation zugrunde, in der die Klägerin im gesamten Urlaubsjahr arbeitsunfähig erkrankt war und eine Erwerbsminderungsrente erhielt.

Weitere Entscheidungen des BAG, denen ein Ruhenstatbestand zugrunde liegt, betreffen lediglich kurze Ruhenszeiträume. So hat das BAG in seiner Entscheidung vom 15.12.2009 (9 AZR 795/08 – NZA 2010, 728) zwar nochmals betont, dass der Mindesturlaubsanspruch i.S.v. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG und §§ 1, 3 BUrlG auch dann entsteht, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet, der Kläger nahm allerdings nur an 24 Kalendertagen an Wehrübungen teil. Auch dem Urteil des BAG vom 30.07.1986 (8 AZR 475/84 – NZA 1987, 13) liegt ein Sachverhalt zugrunde, in dem das Arbeitsverhältnis nicht ganzjährig ruhte. Vielmehr absolvierte der Kläger seinen zweimonatigen Wehrdienst in den Monaten März und April 1982. Auch die Entscheidungen des BAG vom 19.04.1994 (9 AZR 462/92 – NZA 1995, 123) und vom 14.03.2006 (9 AZR 312/05 – NZA 2006, 1232) betrafen Sachverhalte, bei denen das Arbeitsverhältnis zu Beginn des Jahres noch nicht ruhte und der Urlaubsanspruch entstanden war.

bb) Etwas anderes gilt dann, wenn das Arbeitsverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres, konkret zu Beginn des Kalenderjahres geruht hat. Hier entsteht der Urlaubsanspruch zu Beginn des Jahres in vollem Umfang (sofern die Wartezeit gemäß § 4 BUrlG erfüllt ist). Dieser kann ohne gesetzliche Grundlage nicht gekürzt werden.

(1) Das BAG ist in Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis ruhte, ausdrücklich der Argumentation entgegengetreten, dass die Kürzungsregelungen in Spezialgesetzen nur Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses sei bereits entstandener Urlaub zu kürzen, darstellten. In seiner Entscheidung vom 30.07.1986 (8 AZR 475/84 – NZA 1987, 13) hat das BAG ausgeführt, dass die Ausnahmetatbestände in Spezialgesetzen, wie sie etwa § 4 ArbPlSchG und § 17 BEEG enthalten, jedenfalls nicht ohne zureichenden Grund zu verallgemeinern seien. Die dort geregelten Kürzungsbefugnisse beträfen Arbeitsverhältnisse mit erhöhtem Bestandsschutz. Ohne eine gesetzliche Regelung sei die Kürzung des Urlaubsanspruchs allein durch Erklärung des Arbeitgebers unzulässig.

(2) Dieser Rechtsprechung ist zuzustimmen. Für die Entstehung von Urlaubsansprüchen in einem solchen Fall spricht entscheidend die Gesetzessystematik. Sofern Einzelgesetze ausdrücklich eine Verringerung des Urlaubsanspruchs für Zeiten vorsehen, in denen das Arbeitsverhältnis ruht (§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG sieht ausdrücklich die Möglichkeit zur Kürzung für jeden vollen Monat der Elternzeit vor; ebenso § 4 Abs. 1 S. 1 ArbPlSchG), so ist daraus zu schließen, dass der Gesetzgeber zunächst vom Entstehen des Urlaubsanspruchs und damit von der bisherigen Rechtsprechung des BAG ausgeht (HWK/Gaul, 4. Auflage 2010, § 17 BEEG Rdnr. 1). Nur Bestehendes kann gekürzt werden (so ErfK/Dörner § 17 BEEG Rdnr. 2; vgl. auch ErfK/Dörner § 7 BUrlG Rdnr. 39). Die Kürzung erfolgt dabei auch nicht kraft Gesetzes; es bedarf vielmehr einer Willenserklärung des Arbeitgebers (HWK/Hergenröder § 4 ArbPlSchG Rdnr. 2; HWK/Gaul § 17 BEEG Rdnr. 5).

Ist der Urlaubsanspruch aber zu Beginn des Kalenderjahres entstanden, so bedarf es einer Grundlage, diesen Urlaub zu kürzen. Es besteht kein allgemeiner Grundsatz, dass der Urlaub bereits von Gesetz wegen gekürzt wird. Wie dargestellt, gibt der Gesetzgeber dem Arbeitgeber in Einzelgesetzen lediglich die Möglichkeit, den Urlaub zu kürzen.

(3) Europarechtsvorgaben führen ebenfalls nicht zu dem Ergebnis, dass Urlaubsansprüche in solchen ruhenden Arbeitsverhältnissen zu kürzen sind. Das nationale Recht kann zugunsten des Arbeitnehmers einen weitergehenden Anspruch vorsehen.

4. Für den Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX im Zeitraum 2003 bis 2009 ergibt sich der Wegfall bereits unmittelbar aus Abs. 1 S. 1 2. HS.: Der Zusatzurlaub veminderte sich entsprechend auf Null, da während des Ruhenszeitraums keine regelmäßige Arbeitszeit bestand.

5. Selbst wenn § 26 TVöD dahingehend auszulegen wäre, dass auch im ruhenden Arbeitsverhältnis ein Urlaubsanspruch entsteht, so wäre dieser nach der Kürzungsregelung gemäß § 26 Abs. 2 lit. c TVöD zu reduzieren. Diese Kürzung widerspräche auch nicht §§ 13 Abs. 1 S. 1, 3 BUrlG, da ein gesetzlicher Urlaubsanspruch nicht entstanden ist.

6. Damit ist festzuhalten, dass dem Kläger für den Zeitraum 2003 bis 2009 keine Urlaubs- und damit auch Urlaubsabgeltungsansprüche zustehen.

II. Selbst für den Fall, dass man davon ausgehen wollte, dass auch im Zeitraum 2003 bis 2009 der gesetzliche Urlaubsanspruch entstanden wäre, erscheint fraglich zu sein, ob die Urlaubsansprüche des Klägers für das jeweilige Kalenderjahr nicht jeweils zum 31.03. des Folgejahres gemäß § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG erloschen sind.

1. Nach § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG muss der Urlaub, der nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG auf das nächste Kalenderjahr wegen dringender betrieblicher oder personenbedingter Gründe übertragen wird, in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

a) Der Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Gewährung von Erholungsurlaub bestand nach der früheren Rechtsprechung des BAG (BAG, 13.05.1982 – 6 AZR 360/80 – NJW 1982, 1548, BAG, 21.06.2005 – 9 AZR 200/04 – BAG, 10.05.2005 – 9 AZR 253/04) nur jeweils während des Urlaubsjahrs sowie bei Vorliegen der Merkmale nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31. März des folgenden Jahres. Der Urlaubsanspruch bestünde im Urlaubsjahr, nicht für das Urlaubsjahr. Da nach der gesetzlichen Regelung im Bundesurlaubsgesetz der Urlaubsanspruch von vornherein als auf das Urlaubsjahr befristet entstehe, die Befristung sich nur ausnahmsweise auf die ersten drei Monate des folgenden Jahres erstrecke, bedürfe es auch keiner Vorschrift über den Verfall des Urlaubs.

b) Mit seiner Entscheidung vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538; bestätigt BAG, 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – NZA 2010, 810; BAG, 04.05.2010 – 9 AZR 183/09 – DB 2010, 1945) hat das BAG diese Rechtsprechung mit Blick auf das Europarecht teilweise aufgegeben. Der Möglichkeit einer einfachen einschränkenden Gesetzesauslegung scheine – oberflächlich betrachtet – entgegenzustehen, dass der Fall, in dem Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums durch eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gehindert sind, ihren Urlaubsanspruch zu verwirklichen, nicht ausdrücklich von den zeitlichen Begrenzungen des § 7 Abs. 3 Satz 1, 3 und 4 BUrlG ausgenommen sei. Das Erfordernis der Erfüllbarkeit der Freistellung, der Verfall des Urlaubsanspruchs und der Surrogationscharakter des Abgeltungsanspruchs seien im Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich angelegt und dem Gesetzeszusammenhang nicht in einer Weise zu entnehmen, die jede andere Auslegung ausschließe. Der Verfall sei in § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG nicht ausdrücklich angeordnet. Die Abgeltung sei im Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG nicht davon abhängig gemacht, dass der Urlaubsanspruch erfüllbar sei. Ob eine einschränkende Auslegung innerhalb der Grenzen des Wortlauts des nationalen Rechts möglich sei, könne aber offenbleiben. Jedenfalls sei eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion der zeitlichen Grenzen des § 7 Abs. 3 Satz 1, 3 und 4 BUrlG in Fällen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des jeweiligen Übertragungszeitraums geboten und vorzunehmen.

Die zeitlichen Beschränkungen des Urlaubsanspruchs in § 7 Abs. 3 S. 1, 3 und 4 BUrlG bestünden im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums nicht. Das mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verbundene Hindernis, den Urlaubsanspruch zu verwirklichen, sei zugleich ein Sachgrund für die Ungleichbehandlung der arbeitsfähigen Arbeitnehmer, deren Anspruch zeitlich begrenzt sei. Die neuere Rechtsprechung folgt der Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 (Schultz-Hoff), nach der der gesetzliche Mindesturlaub nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet ist, und gilt somit dann, wenn der Arbeitnehmer dauernd arbeitsunfähig erkrankt ist (BAG, 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – NZA 2010, 810).

c) Das BAG (23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – NZA 2010, 810) führt aus, diese Rechtsprechung gelte auch für den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach § 125 SGB IX. Sowohl der Mindesturlaub aus §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG als auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub aus § 125 SGB IX seien gesetzliche, nicht disponible Urlaubsansprüche. Auf den Zusatzurlaub seien die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs anzuwenden. Sie unterschieden sich durch ihre strikte Unabdingbarkeit von übergesetzlichen einzel- oder tarifvertraglichen Ansprüchen (BAG, 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – NZA 2010, 810). Auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub sei abzugelten, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist. Der Zusatzurlaubsanspruch aus § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX sei an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs gebunden (BAG, 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – NZA 2010, 810).

2. Der Urlaubsanspruch des Klägers konnte aber ab dem 01.09.2002 nicht deshalb nicht erfüllt werden, weil er arbeitsunfähig erkrankt war. Dem Kläger war es nicht tatsächlich wegen Krankheit unmöglich, den Urlaubsanspruch zu erhalten, vielmehr ruhte das Arbeitsverhältnis gemäß § 33 Abs. 2 S. 6 TVöD (§ 56 Abs. 1 BMT-G).

a) Die Pflicht zur Arbeitsleitung bestand während des Ruhens nicht, so dass die Beklagte den Kläger hiervon auch nicht durch Urlaubsgewährung freistellen konnte. Zwischen dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses und der krankeitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bestehen wesentliche Unterschiede, die es nicht erlauben, die Rechtsprechung des BAG auf beide Fälle gleichartig anzuwenden (a.A. LAG Baden-Würrtemberg, 29.04.2010 – 11 Sa 64/09 – BB 2010, 1724).

Die 7. Kammer des LAG Düsseldorf hat in ihrer Entscheidung vom 05.05.2010 (7 Sa 1571/09) bereits herausgestellt, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eine Leistungsstörung des Arbeitsverhältnisses darstellt, hingegen wird beim ruhenden Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertrag selbst im Kern seines Inhalts umgestaltet (so auch LAG Köln, 29.04.2010 – 6 Sa 103/10; Fieberg, NZA 2009, 929 ff.). Während des Ruhens bestehen von vornherein nicht die wechselseitigen Hauptpflichten (BAG, 29.09.2004 – 5 AZR 558/03). Eine durch Krankheit herbeigeführte dauerhafte Verhinderung zur Arbeitsleistung bewirkt nicht die Suspendierung der Hauptpflichten (BAG, 14.03.2006 – 9 AZR 312/05 – NZA 2006, 1232).

Die Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses basiert auf einem willensgesteuerten Verhalten des Arbeitnehmers. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses tritt bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente nicht kraft Gesetzes ein. Um den Ruhenstatbestand (Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten und Fortbestand der Nebenpflichten) zu erreichen, bedarf es regelmäßig der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, das Arbeitsverhältnis nicht etwa zu kündigen, sondern in seinem Rahmen unter gleichzeitiger Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten fortbestehen zu lassen; der sozialrechtliche Tatbestand bedarf der arbeitsrechtlichen Transformation (so BAG, 07.06.1990 – 6 AZR 52/89 – NZA 1990, 943).

Auf das Arbeitsverhältnis findet § 33 Abs. 2 TVöD (§ 56 Abs. 1 BMT-G) Anwendung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Tarifvertrag kraft Tarifbindung (§ 3 Abs. 1 TVG) oder kraft vertraglicher Bezugnahme zur Geltung kommt. Jedenfalls bedurfte es eines willensgesteuerten Verhaltens des Klägers, damit der Tarifvertrag zur Anwendung kam.

Der Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente ist auch nicht dem Fall einer Erkrankung gleichzusetzen (BAG, 07.06.1990 – 6 AZR 52/89 – NZA 1990, 943). Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, und Erwerbsunfähigkeit sind nicht identisch.

b) Die teleologische Reduktion, die das BAG vorgenommen hat, beruht auf der oben dargestellten Rechtsprechung des EuGH. Auf Ausfallzeiten, die – wie bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis – vom Willen des Arbeitnehmers abhängig sind, wurde vom EuGH nicht eingegangen (LAG Düsseldorf, 05.05.2010 – 7 Sa 1571/09). Das Urteil des EuGH beschränkt sich unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 4 IAO 132 (Rn. 38) bewusst auf die Problematik der Anrechnung von Krankheitszeiten als Dienstzeit. Die Gewährung ist beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses nicht aus Gründen, die „unabhängig von seinem Willen“ bestehen (Art. 5 Abs. 4 IAO 132), unmöglich.

c) Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion i.S.d. Rechtsprechung des BAG bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis nicht vorliegen.

3. Allerdings ist zu bedenken, ob nicht gewährte Urlaubsansprüche tatsächlich nur im Fall der krankheitsbedingten Nichtgewährung zum 31.03. des Folgejahres nicht erlöschen.

a) Das BAG hat in seiner bereits dargestellten Rechtsprechung ausdrücklich offen gelassen, ob eine einschränkende Auslegung innerhalb der Grenzen des Wortlauts des nationalen Rechts möglich sei, da jedenfalls eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion der zeitlichen Grenzen sei.

b) Die 12. Kammer des LAG Düsseldorf hat in ihrer Entscheidung vom 31.03.2010 (12 Sa 1512/09) die Auffassung vertreten, eine derartige teleologische Reduktion des § 7 Abs. 3 BurlG beschränkt auf Fälle der krankheitsbedingten Nichtinanspruchnahme des Urlaubs verstoße gegen EU-Recht. Dass den EuGH-Urteilen Konstellationen zugrunde gelegen hätten, in denen der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehindert war, Urlaub überhaupt (Schultz-Hoff) oder während der Betriebsferien (Vicente Pereda) zu nehmen, erlaube keine Verengung des Richtlinienzwecks auf „Erkrankungsfälle“. Dem Urteil vom 20.01.2009 (Schultz-Hoff, Rdnr. 30) sei zu entnehmen, dass dem Europäischen Gerichtshof „ein unbegrenzter Erhalt des Urlaubsanspruchs vorzuschweben scheint“ (unter Bezugnahme auf Kamanabrou SAE 2010, 123). Diese Analyse werde durch das EuGH-Urteil vom 10.09.2009 (C-277/08 – Vicente Pereda) verifiziert. Nach dem Grundsatz der Effektivität dürfe die Ausübung dieses Anspruchs dem Arbeitnehmer nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden. Auf eine übermäßige Erschwernis liefe es hingegen hinaus, vom Arbeitnehmer zu verlangen, dass er – zur Vermeidung des Anspruchsuntergangs zu den Fristen nach § 7 Abs. 3 Satz 1 und 3 BUrlG – alle ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft, um den Urlaubsanspruch durchzusetzen. Das Gebot der Normenbestimmtheit und -klarheit sei als Ausprägung des grundrechtlichen Effektivitätsprinzips von der Rechtsprechung bei der Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen zu berücksichtigen. In diesem Licht lasse es das Bundesurlaubsgesetz unter Anwendung der herkömmlichen juristischen Methoden der Gesetzesauslegung an der Voraussehbarkeit der Rechtsfolgen fehlen und sage vor allem nicht dem Gläubiger (Arbeitnehmer), was er zur Vermeidung des Anspruchsverfalls unternehmen müsse.

c) Eine teleologische Reduktion von Vorschriften (entgegen ihrem Wortlaut) gehört zwar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Grundsätzen bei der Auslegung von Gesetzen (BVerfG, 29.10.1997 – 1 BvL 4/93; 07.04.1997 – NZA 1997, 773, 774). Bei der Umsetzung von Richtlinien muss allerdings gewährleistet sein, dass die Begünstigten von ihren Rechten Kenntnis erlangen, um sie gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (Tranparenzgebot, vgl. EuGH, 10.05.2001 – C -144/99 – NJW 2001, 2244). Der EuGH betont, dass das Transparenzgebot besonders wichtig sei, wenn die Richtlinie darauf abzielt, auch den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten Ansprüche zu verleihen.

Mit Blick auf das Transparenzgebot ist fraglich, ob die vom BAG vorgenommene teleologische Reduktion diesem hinreichend nachkommt. Eine bloße Ausnahme für Fälle, in denen die Nichtinanspruchnahme des Urlaubs krankheitsbedingt ist, ist im Ergebnis intransparent. Im Vergleich dazu wäre eine Auslegung der gesetzlichen Regelung dahingehend, dass Urlaub grundsätzlich nicht zum 31.03. des Folgejahres verfällt, transparenter.

Eine dahingehende Auslegung der Norm ist auch möglich. Dies ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des BAG zum Urlaubsrecht vor 1982 und wird vom BAG in seiner Entscheidung vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07 – a.a.O., Rdnr. 61 f.) bestätigt. Dort heisst es ausdrücklich, dass aus Sicht des 9. Senats viel dafür spreche, das Ergebnis einer möglichen und gebotenen richtlinienkonformen Auslegung bereits aus einer einschränkenden Gesetzesauslegung im engeren Sinn zu gewinnen, d.h. aus einer Rechtsfindung innerhalb des Wortlauts der nationalen Norm. Dies ergibt sich bereits aus der Auslegung des Urlaubsrechts durch das BAG vor 1982. Der damals für das Urlaubsrecht zuständige 5. Senat nahm an, dass Urlaubsabgeltungsansprüche bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums nicht verfielen (BAG, 13.11.1969 – 5 AZR 82/69 – NJW 1970, 679). Das Erfordernis der Erfüllbarkeit der Freistellung, der Verfall des Urlaubsanspruchs und der Surrogationscharakter des Abgeltungsanspruchs sind im Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich angelegt und dem Gesetzeszusammenhang nicht in einer Weise zu entnehmen, die jede andere Auslegung ausschließt. Der Verfall ist in § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG auch nicht ausdrücklich angeordnet. Die Abgeltung ist im Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG nicht davon abhängig gemacht, dass der Urlaubsanspruch erfüllbar ist (BAG, 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – a.a.O.).

III. Aber selbst wenn davon auszugehen sein sollte, dass Urlaubsansprüche im gesamten Zeitraum von 2001 bis 2009 entstanden und nicht verfallen sind, so hat der Kläger dennoch keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Urlaubsabgeltung. Die Urlaubsansprüche des Klägers während des Ruhenszeitraums ab dem 01.01.2003 wären nicht werthaltig, vorhergehende Urlaubsabgeltungsansprüche aus den Jahren 2001 und 2002 sind verjährt.

1. Die Urlaubsansprüche des Klägers für die Jahre 2003 bis 2009 sind nicht werthaltig.

a) Nach der (bisherigen) Rechtsprechung des BAG (BAG, 22.02.2000 – 9 AZR 107/99 – NZA 2001, 268; BAG, 01.12.1983 – 6 AZR 299/80 – NZA 1984, 194; BAG, 24.10.1989 – 8 AZR 5/89 – BAGE 63, 181, 183) ist der Anspruch auf Urlaubsentgelt nicht „Wesenselement eines einheitlichen Urlaubsanspruchs“, der neben der Freizeitgewährung auch die Begründung einer Vergütungspflicht zum Inhalt hat. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt beruht demnach nicht auf § 11 Abs. 1 BUrlG, sondern auf § 611 Abs. 1 BGB. Das Urlaubsentgelt ist die während des Urlaubs fortzuzahlende Arbeitsvergütung (BAG; 07.07.1988 – 8 AZR 472/86 – NZA 1989, 68; 12.01.1989 – 8 AZR 404/87 – NZA 1989, 758; 09.11.1999 – 9 AZR 771/98 – NZA 2000, 1335). Die Anordnung des „bezahlten“ Erholungsurlaubs in § 1 BUrlG erhält dem Arbeitnehmer den Anspruch nach § 611 Abs. 1 BGB auf die vereinbarte Vergütung für die versprochenen Dienste auch dann, wenn er infolge der Freistellung die geschuldeten Dienste nicht leistet.

Im ruhenden Arbeitsverhältnis besteht demnach kein Vergütungsanspruch, der fortzuzahlen sein könnte. Bei einer bloß hypothetischen Freistellung zur Urlaubsgewährung, die während des ruhenden Arbeitsverhältnisses ohnehin unmöglich ist, da keine Arbeitspflicht besteht, verbliebe keine Entgeltverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. § 611 BGB. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einem hypothetischen Verdienst auszugehen sein sollte, wenn dem Arbeitnehmer in der Zeit zuvor gewöhnlich kein Entgelt zustand.

b) Für den Zeitraum 2003 bis 2009 ergibt sich auch nichts anderes aus § 11 Abs. 1 BUrlG. Demnach bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Verdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Im Zeitraum 2003 bis 2009 hatte der Kläger keinen Verdienst. Bei der Berechnung des Arbeitsverdienstes hat das BAG unbezahlte Urlaubstage nur dann unberücksichtigt gelassen, wenn diese ausnahmsweise gewährt worden waren (BAG, 10.06.1960 – 2 AZR 422/59 – BB 1960, 863). Nach Auffassung der Kammer handelt es sich im Falle eines solchen ruhenden Arbeitsverhältnisses nicht um eine Verdienstkürzung im Berechnungszeitraum infolge unverschuldeter Arbeitssäumnis. Es besteht bereits keine Arbeitssäumnis, da keine Arbeitspflicht bestand. Zudem handelt es sich auch nicht um eine Verdienstkürzung im Berechnungszeitraum. In den Jahren 2003 bis 2009 hatte der Kläger keinerlei Vergütungsansprüche, die gekürzt werden könnten.

c) Die dargestellte Rechtsprechung des BAG, die einen „Einheitsanspruch“ ablehnt, erscheint aber ohnehin mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH fragwürdig zu sein (so bereits Fenski DB 2007, 686, 690).

Der EuGH (20.01.2009 – C – 350/06 u. C – 550/06 – Schultz-Hoff; 16.03.2006 – C-131/04 – Robinson-Steele) hat zunächst festgestellt, dass in keiner Vorschrift der Richtlinie 2003/88 ausdrücklich geregelt wird, wie die finanzielle Vergütung zu berechnen ist, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle der Mindestzeiten bezahlten Jahresurlaubs tritt. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedeutet allerdings der Ausdruck „bezahlter Jahresurlaub“ in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne dieser Richtlinie weiterzugewähren sei und dass der Arbeitnehmer für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten müsse.

Nach der Auffassung des EuGH werden der Anspruch auf Jahresurlaub und der auf Zahlung des Urlaubsentgelts in der Richtlinie 2003/88 als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt (in den Schlussanträgen zu Schultz-Hoff, C – 350/06, Rdnr. 72 heisst es, dass die Funktionsidentität von Lohn- und Urlaubsabgeltungsanspruch dafür sprechen, diesen als untrennbaren Teil des Anspruchs auf Mindesturlaubs zu behandeln). Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts solle der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar sei. Die finanzielle Vergütung sei in der Weise zu berechnen ist, dass der Arbeitnehmer so gestellt werde, als hätte er diesen Anspruch auf Urlaubsgewährung während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Folglich sei das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub maßgebend.

Diese Ausführungen sprechen für einen „Einheitsanspruch“. Urlaubsgewährung und Urlaubsentgelt sind zwei Aspekte eines Anspruchs, also zwei Seiten einer Medaille. Bei der Urlaubsabgeltung ist es nicht mehr möglich, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, weil das Arbeitsverhältnis endet, so dass in diesem Fall allein die Vergütungsseite des ursprünglichen Anspruchs verbleibt.

d) Dennoch erfordert auch die Rechtsprechung des EuGH keine Zahlung von Urlaubsabgeltung aufgrund eines ruhenden Arbeitsverhältnisses.

In seiner Entscheidung vom 22.04.2010 (a.a.O.; dazu Fieberg NZA 2010, 925) hat der EuGH festgestellt, dass die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Bezugszeitraum in keiner Beziehung zu der in dieser späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit steht. Folglich darf durch eine Veränderung, insbesondere Verringerung, der Arbeitszeit beim Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung der Anspruch auf Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben hat, nicht gemindert werden. Der EuGH meint aber auch, dass der für die Teilzeitarbeit festgelegte Pro-rata-temporis-Grundsatz auf die Gewährung des Jahresurlaubs für eine Zeit der Teilzeitbeschäftigung anzuwenden ist (s.o.).

In einer Gesamtbetrachtung lässt sich feststellen, dass der EuGH eine enge Verbindung zwischen Tätigkeit und Urlaubsanspruch sieht (s. bereits oben). Der Urlaubsanspruch ist ein auf die vereinbarte Arbeitszeit (oder Beschäftigungsausmaß) im Urlaubsjahr bezogener Anspruch (LAG Düsseldorf, 18.08.2010 – 12 Sa 650/10). Die Höhe der Urlaubsvergütung hängt vom Umfang der Beschäftigung im jeweiligen Urlaubsjahr und nicht von der Vergütung im Zeitraum, in der die Freistellung erfolgt, ab. Es ist auf die beim Entstehen des Urlaubsanspruchs geltende Arbeitszeit abzustellen (Fieberg NZA 2010, 925, 926, 929: der Urlaubsanspruch entspricht einem Wertguthaben).

Dies bedeutet, dass in einem ganzjährig ruhenden Arbeitsverhältnis keine werthaltigen Urlaubsvergütungs- oder bei Beendigung Urlaubsabgeltungsansprüche entstehen. Das ruhende Arbeitsverhältnis steht einem Teilzeitverhältnis „Null“ gleich, so dass die Urlaubsvergütung entsprechend Pro-rata-temporis auf Null gekürzt wird. In einem ruhenden Arbeitsverhältnis beträgt die gewöhnliche Vergütung eben Null EUR.

2. Die obigen Ausführungen können auf Urlaubsabgeltungsansprüche für die Kalenderjahre 2001 und 2002, in denen das Arbeitsverhältnis nicht (durchgängig) ruhte, nicht ohne weiteres übertragen werden. Allerdings sind etwaige Ansprüche insoweit jedenfalls verjährt.

a) Wie bereits dargestellt, ruhte das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 33 Abs. 2 TVöD (§ 56 Abs. 1 BMT-G) erst mit Wirkung zum 01.09.2002. Zuvor war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Vor diesem Hintergrund liegen die Voraussetzungen der neueren BAG-Rechtsprechung bis zum 01.09.2002 grundsätzlich vor. Allerdings ist auch insoweit fraglich, ob es dem Kläger tatsächlich wegen Arbeitsunfähigkeit unmöglich war, die Urlaubsansprüche nach dem 01.09.2002 zu nehmen, da der Eintritt des Ruhenszustandes auf eine willentliche Handlung des Klägers beruhte (s.o.).

b) Etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers für die Kalenderjahre 2001 und 2002 sind jedenfalls gemäß § 199 BGB verjährt.

aa) Nach der Auffassung des BAG unterliegen befristete, auf das Kalenderjahr bezogene Freistellungsansprüche nicht der Verjährung i.S.v. § 194 BGB (BAG, 5.12.1995 – 9 AZR 666/94 – NZA 1997, 151). Die Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen spielte daher aufgrund der langjährigen Rechtsprechung des BAG ab 1982 keine Rolle, da die Urlaubsansprüche ohnehin zeitlich befristet waren und somit ihr eigenes Zeitregime aufwiesen. Erst mit Aufgabe dieser Rechtsprechung stellt sich nunmehr die Frage, ob Urlaubs- und entsprechend Urlaubsabgeltungsansprüche verjähren können, da das dem Urlaubsrecht eigene Zeitregime entfallen ist (so zur Anwendbarkeit von Ausschlussfristen LAG Düsseldorf 05.05.2010 – 7 Sa 1571/09; LAG Düsseldorf, 23.04.2010 – 10 Sa 203/10; LAG Köln, 20.04.2010 – 12 Sa 1448/09).

bb) Gründe, die die Verjährung im Grundsatz in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. § 194 Abs. 1 BGB sieht allgemein die Verjährung von (zivilrechtlichen) Ansprüchen vor. Lediglich § 194 Abs. 2 BGB nimmt bestimmte Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis aus. Im Übrigen verjähren nur Rechte, die keine Ansprüche sind, nicht, etwa Eigentumsrechte (vgl. Palandt/Heinrichs, 69. Auflage 2010, § 194 BGB Rdnr. 2 ff.). Die nach nationalem Recht vorgesehene dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist für Urlaubsansprüche ist auch aus unionsrechtlicher Sicht unbedenklich, da sie das Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip wahrt (LAG Düsseldorf, 18.08.2010 – 12 Sa 650/10). Der Anspruch der Arbeitnehmer auf Urlaubsentgelt konnte nach bisheriger Rechtsprechung (zum Verfall BAG, 22.01.2002 – 9 AZR 601/00 – NZA 2002, 1041) ohnehin verjähren und von tariflichen Ausschlussfristen erfasst werden, obwohl es sich um einen gesetzlich geregelten unabdingbaren Anspruch und nach Auffassung des EuGH um eine Seite eines einheitlichen Anspruchs handelt.

Festzuhalten ist, dass Urlaubsansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis der Verjährung unterliegen (ebenso LAG Düsseldorf, 18.08.2010 – 12 Sa 650/10; offen gelassen LAG Baden-Würtemberg, 29.04.2010 – 11 Sa 64/09 – BB 2010, 1724; so auch Bauer/Arnold NJW 2009, 631, 635; Geyer ZTR 2009, 346, 354; Genenger Anm. zu LAGE Nr. 22 zu § 7 BurlG Abgeltung).

cc) Offen ist allerdings, ob Urlaubsansprüche, die aufgrund langfristiger Erkrankung tatsächlich nicht genommen werden konnten, verjähren, weil sie nicht fällig geworden sein konnten (so etwa Geyer ZTR 2009, 346, 354). Dies betrifft vor allem die Frage, inwieweit Urlaubsabgeltungsansprüche verjähren können.

(1) Die 7. Kammer des LAG Düsseldorf hat in ihrer Entscheidung vom 05.05.2010 (7 Sa 1571/09) die Auffassung vertreten, der Abgeltungsspruch sei mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden und gleichzeitig fällig geworden. Entstanden im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei ein Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden könne. Voraussetzung sei grundsätzlich die Fälligkeit (§ 271 BGB) des Anspruchs. Fälligkeit bezeichne den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen könne. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) beginne danach mit dem Schluss des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis beendet werde, § 199 Abs. 1 BGB i. V. m. § 7 Abs. 4 BUrlG (so auch Geyer ZTR 2009, 346, 355).

(2) Demgegenüber vertritt die 12. Kammer des LAG Düsseldorf (18.08.2010 – 12 Sa 650/10) die Meinung, die Fälligkeit des Urlaubsanspruchs werde nicht durch das Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers ausgelöst. Der Urlaubsanspruch sei kein verhaltener Anspruch (unter Bezugnahme auf BAG, 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – Juris Rdnr. 23). Zudem seien „Fälligkeit“ des Urlaubsanspruchs einerseits und Erteilung und Verwirklichung des Urlaubs andererseits voneinander zu unterscheiden. Das „Gewähren und Nehmen“ sei kein Anspruchselement, sondern Erfüllungsvorgang. Die Verjährung des Urlaubsanspruchs beginne gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dem Schluss des Urlaubsjahres. Die Gesetzesbestimmung setze das „Entstehen“ des Anspruchs voraus. Der Urlaubsanspruch entstehe im Urlaubsjahr (§ 1 BUrlG, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 ILO 132). Die dreijährige gesetzliche Verjährung sei auch nach ihrem Zweck anzuwenden, weil nach den Zeitabläufen der §§ 196, 199 Abs. 4 BGB Rechtssicherheit und Rechtsfrieden geschaffen und dem Bedürfnis des Schuldners Rechnung getragen werden solle, aus lange zurückliegenden Sachverhalten nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Die zu § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB verbreitete Aussage, dass die „Entstehung des Anspruchs“ mit der Fälligkeit des Anspruchs meistens zusammenfalle, sei auf die Auslegungsmaxime des § 271 Abs. 1 BGB bezogen. Indessen passe die Regel des § 271 Abs. 1 BGB nicht auf den Urlaubsanspruch wegen seiner Eigenheiten und besonderen Erfüllungsmodalitäten. § 271 Abs. 1 BGB sei auf eine einmalige Leistungshandlung zugeschnitten und fange nicht die Konstellation ein, dass in einem Dauerschuldverhältnis Leistungspflichten entstünden und diese mit einem längeren Erfüllungszeitraum und Konsenssystem verbunden würden. Die Erhebung einer Leistungsklage sei auch bei langfristiger Erkrankung nicht notwendig; nach § 204 Nr. 1 BGB reiche die Feststellungsklage aus. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Vermeidung einer drohenden Verjährung (vgl. BGH 15.03.2006 – VIII ZR 123/05 – Juris Rn. 12).

(3) Nach Auffassung der Kammer sind die Abgeltungsansprüche für die Urlaubstage aus den Jahren 2001 und 2002 gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt.

(3.1) Die Kammer schließt sich der Auffassung der 12. Kammer an, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB bei Urlaubsansprüchen mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer langfristig erkrankt ist und den Urlaub tatsächlich nicht nehmen kann.

§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt als Voraussetzung der den Beginn des Lauf der Verjährungsfrist allein die Entstehung des Anspruchs sowie die Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenen Umständen voraus. Entstanden ist ein Ansprich i.S.d. § 199 Abs. 1 BGB, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann (Palandt/Heinrichs, § 199 BGB Rdnr. 3). Dies setzt regelmäßig die Fälligkeit des Anspruchs i.S.d. § 271 BGB voraus. Fälligkeit und Erfüllbarkeit treten grundsätzlich gleichzeitig ein, aber auch insoweit gibt es Ausnahmen, wie etwa bei sog. verhaltenen Ansprüchen.

Der Urlaubsanspruch entsteht im jeweiligen Kalenderjahr, § 1 BUrlG. Bei entstandenen (womöglich aber noch nicht fälligen) Ansprüchen läuft die Verjährungsfrist mit der Möglichkeit, Feststellungsklage zu erheben (BGH, 22.02.1979 – VII ZR 256/77 – NJW 1979, 1550; Palandt/Heinrichs, § 199 BGB, Rdnr. 3). Der Arbeitnehmer kann seinen Urlaubsanspruch trotz Erkrankung geltend machen, ggf. im Wege der Feststellungsklage einklagen. Diese ist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausreichend, um die Verjährung zu hemmen.

Dieses Ergebnis gebieten auch Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen und dem Bedürfnis des Schuldners Rechnung zu tragen, aus lange zurückliegenden Sachverhalten nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens (dazu BGH, 23.11.1994 – XII ZR 150/93 – NJW 1995, 252; BGH, 17.06.2005 – V ZR 202/04 – NJW-RR 2005, 1683). Ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Verjährungsrecht erfordert zwar, dass der Gläubiger eine faire Chance haben muss, seinen Anspruch geltend zu machen. Verfassungsrechtlich bedenklich wäre etwa ein Verjährungseintritt vor Anspruchsentstehung. Um eine solche Konstellation handelt es sich aber nicht. Die Entstehung des Urlaubsanspruchs im Kalenderjahr ergibt sich aus dem Gesetz.

(3.2) Die Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs richtet sich nicht nach seiner Entstehung, sondern nach der Verjährungsfrist des zugrunde liegenden Urlaubsanspruchs.

Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 04.05.2010 (9 AZR 183/09 – DB 2010, 1945) die Meinung vertreten, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entstehe mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch. Des Weiteren hat das BAG den Umstand herausgestellt, dass es mit Urteil vom 24.3.2009 die Surrogationstheorie aufgegeben habe. Die Surrogationstheorie definierte den Urlaubsabgeltungsanspruch als Ersatz für die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht: Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe als Ersatz für die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht und nicht als Abfindungsanspruch, für den als einfachen Geldanspruch es auf die urlaubsrechtlichen Merkmale wie Bestand und Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs nicht mehr ankäme. Abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der Abgeltungsanspruch deshalb an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Urlaubsanspruch. Er setze voraus, dass der Urlaubsanspruch noch erfüllt werden könnte, wenn das Arbeitsverhältnis noch bestände. Da der Urlaubsanspruch auf das Kalenderjahr befristet sei, müsse auch der ihn ersetzende Abgeltungsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres verlangt und erfüllt werden. Anderenfalls gehe er ebenso wie der Urlaubsanspruch ersatzlos unter (vgl. etwa BAG 17.01.1995 – 9 AZR 664/93 – NZA 1995, 531).

Die Surrogationstheorie war vor dem Hintergrund zu verstehen, dass das BAG verhindern wollte, dass ausgeschiedene gegenüber verbleibenden Mitarbeitern bessergestellt werden. Die Aufgabe der „Surrogatstheorie“ macht nicht erforderlich, die Sichtweise, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch den nicht mehr erfüllbaren Naturalurlaubsanspruch ersetzt, aufzugeben (LAG Düsseldorf, 05.05.2010 a.a.O.). Auch die Rechtsprechung des BAG zum Urlaubsrecht vor 1982 sah den Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat an (so dass dieser über §§ 13, 3 BUrlG nicht dispositiv war). In der Entscheidung des BAG vom 30.11.1977 (5 AZR 667/76 – DB 1978, 847) heißt es ausdrücklich, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch lediglich das Surrogat für den während des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllten Urlaubsanspruch sei. Er habe dieselbe Funktion wie der Urlaubsanspruch selbst, d.h. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Arbeit auszusetzen und sich eine bezahlte Freizeit zu verschaffen, um sich von geleisteter Arbeit zu erholen. Er sei nur eine Erscheinungsform des Urlaubsanspruchs und von ihm nicht wesensverschieden. Dann muss die Einrede der Verjährung aber auch gegenüber dem Urlaubsabgeltungsanspruch durchschlagen.

Diese Ansicht gebietet zudem die Rechtsprechung des EuGH. Freistellung und Vergütung sind zwei Aspekte eines einheitlichen Anspruchs. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird lediglich die Freistellung unmöglich, es verbleibt bei der Vergütung des (ursprünglichen) Anspruchs. Der Abgeltungsanspruch ist insoweit lediglich ein Minus und kein Aliud gegenüber dem ursprünglichen Urlaubsanspruch. Ist dieser ursprüngliche (einheitliche) Urlaubsanspruch aber mit der (möglichen) Einrede der Verjährung verhaftet, verbleibt es auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dabei. Im Übrigen ist auch kein Grund ersichtlich, dass der Gesetzgeber einen ausscheidenen Mitarbeiter besser stellen wollte als einen verbleibenen Mitarbeiter. Wird das Arbeitsverhältnis nach langjähriger Erkrankung und Genesung des Arbeitnehmers fortgesetzt, so könnte der Arbeitgeber bei verjährten Urlaubsansprüchen erfolgreich die Einrede der Verjährung geltend machen.

Selbst wenn der Einheitsanspruch trotz der dargestellten EuGH-Rechtsprechung weiterhin abgelehnt werden sollte, verbleibt es dabei, dass für den Urlaubsabgeltungsanspruch keine anderen Verjährungsfristen gelten können, als für die ihm zugrunde liegenden Urlaubsansprüche. Die Rechtsprechung kennt Fälle im Verjährungsrecht, in denen zwischen Primär- und Sekundäransprüchen nicht unterscheiden wird. So hat der BGH im Rahmen der Anwaltshaftung für Sekundärschadensersatzansprüche bereits entscheiden, dass dieser lediglich ein Hilfsrecht und unselbständiges Nebenrecht neben dem primären Regressanspruch bildet, so dass sich die Verjährung nach der für den Primäranspruch geltenden Verjährungsnorm richtet (BGH, 13.11.2008 – IX ZR 69/07 – NJW 2009, 1350). Dieses Ergebnis muss dann erst recht für Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch gelten, die eben nicht wesensverschieden sind (vgl. BAG, 30.11.1977 a.a.O.).

V. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob sich die Beklagte auf Vertrauensschutz berufen könnte. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das BAG mit Urteil vom 23.03.2010 (9 AZR 128/09 – a.a.O.) seine Rechtsprechung zum Vertrauensschutz dahingehend präzisiert hat, dass mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 eine wesentliche Änderung eingetreten und danach die Vertrauensgrundlage entfallen sei. Seit dem 24. November 1996 sei das Vertrauen von Arbeitgebern auf die Fortdauer der bisherigen, zum nationalen Recht ergangenen Rechtsprechung nicht länger schutzwürdig. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 06.07.2010 (2 BvR 2661/06) ausgeführt, dass die Möglichkeiten der Gerichte zur Gewährung von Vertrauensschutz unionsrechtlich vorgeprägt und begrenzt seien. Vertrauensschutz könne von den mitgliedstaatlichen Gerichten nicht dadurch gewährt werden, dass sie die Wirkung einer Vorabentscheidung zeitlich beschränken, indem sie die nationale Regelung, deren Unvereinbarkeit mit Unionsrecht festgestellt wurde, für die Zeit vor Erlass der Vorabentscheidung anwenden.

Damit ist allerdings noch nicht geklärt, ob Vertrauensschutz in Fällen gewährt werden kann, in denen eine nationale Regelung nicht gegen unionsrechtliches Primärrecht verstößt, sondern in denen die unionsrechtskonforme Auslegung nationalen Rechts die Änderung der nationalen Rechtsprechung erfordert.

C. Die Anschlussberufung ist unbegründet. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO.

E. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, 2 ArbGG zuzulassen.

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