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Urlaubsabgeltung – falsche Angaben im Kündigungsschreiben

Landesarbeitsgericht Köln

Az: 9 Sa 797/11

Urteil vom 04.04.2012


Leitsatz (nicht amtlich vom Verfasser): Berechnet ein Arbeitgeber in einem Kündigungsschreiben einen überhöhten Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers, so stellt die Erklärung im Kündigungsschreiben ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Die Angabe des Urlaubsabgeltungsanspruchs bezweckt, die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage mit dem Ausspruch der Kündigung abschließend festzulegen und einem Streit bei der späteren Abwicklung zu entziehen. Da die Erklärung des Arbeitgebers im Kündigungsschreiben ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstellt, muss er den falsch berechneten Urlaubsabgeltungsanspruch an den Arbeitnehmer auszahlen (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04.04.2012, Az: 9 Sa 797/11). Ist die Anzahl der Urlaubstage vom Arbeitgeber aufgrund einer fehlerhaften Angabe im Personalabrechnungssystem zu hoch angegeben worden, so kann der Arbeitgeber die Erklärung trotzdem weder fechten, noch ist es dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf das Schuldversprechen des Arbeitgebers zu berufen.


1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 7. Juli 2011 – 6 Ca 7600/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten über die Höhe des abzugeltenden Urlaubs.

Der Kläger war bei dem Beklagten, der ein Gebäudereinigungsunternehmen betreibt, als Angestellter beschäftigt.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2010. In dem Schreiben heißt, der Kläger erhalte eine Urlaubsabgeltung von 43 Tagen. Die Angabe über die Urlaubsabgeltung erfolgte auf Wunsch des Klägers.

Mit der vorliegenden Klage, die am 23. September 2010 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verlangt der Kläger von dem Beklagten Zahlung von EUR 9.094,07 nebst Zinsen brutto zur Abgeltung von 43 Urlaubstagen.

Das Arbeitsgericht Köln hat der Klage durch Urteil vom 7. Juli 2011 stattgegeben mit der Begründung, der Beklagte sei an die Zusage, 43 Urlaubstage abzugelten, gebunden. Soweit er dem Kläger nur die Abgeltung der ihm noch zustehenden Urlaubstage habe zusagen wollen, komme dies in der Erklärung nicht zum Ausdruck.

Das Urteil ist dem Beklagten am 29. August 2011 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 27. Juli 2011 Berufung einlegen und diese am 28. Oktober 2011 begründen lassen.

Er trägt vor, aufgrund eines neuen Personalabrechnungssystems S seien die Urlaubstage falsch berechnet worden und in den Lohnabrechnungen unzutreffend angegeben worden. Dem Kläger hätten maximal 13 Urlaubstage zugestanden. Die mit der Abrechnung beauftragte Angestellte habe mit dem Kläger die letzte Lohnabrechnung besprochen, die dann erstellt worden sei. Der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn er auf der Abgeltung von 43 Urlaubstagen bestehe.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 7. Juli 2011 – 6 Ca 7600/10 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, in dem Kündigungsschreiben sei nicht die Berechnung der darin zugesagten Abgeltungstage dargestellt worden. Er habe nicht verlangt, in das Personalabrechnungssystem unrichtige Daten einzugeben. Sofern sich der Beklagte geirrt habe, handle es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Er habe nicht gewusst, dass die abzugeltenden Urlaubstage falsch berechnet worden seien. Da er in der zweiten Jahreshälfte ausgeschieden sei, habe er für das Jahr 2010 den vollen Jahresurlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen erworben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht Köln den Beklagten verurteilt, an den Kläger EUR 9.094,07 brutto nebst Zinsen zur Abgeltung von 43 Urlaubstagen zu gewähren.

1. Die Erklärung in dem Kündigungsschreiben, der Kläger erhalte eine Urlaubsabgeltung von 43 Tagen, stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Es war damit bezweckt, die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage mit dem Ausspruch der Kündigung abschließend festzulegen und einem Streit bei der späteren Abwicklung zu entziehen (vgl. zum deklaratorischen Schuldanerkenntnis: BAG, Urteil vom 11. Mai 1983 – 7 AZR 500/79 – und Urteil vom 10. März 1987 – 8 AZR 610/84 – ).

Die Parteien habe es nicht dabei belassen, anhand der Angaben über die Urlaubstage in den monatlichen Lohnabrechnungen diesen Anspruch beim Ausscheiden des Klägers abzuwickeln. Lohnabrechnungen haben nicht den Zweck, die Ansprüche endgültig festzulegen. Bei einem Irrtum kann daher grundsätzlich keine Seite am Inhalt einer Lohnabrechnung festgehalten werden. Ihr kann somit nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber die Zahl der angegebenen Urlaubstage auch dann gewähren will, wenn er diesen Urlaub nach Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag nicht schuldet (vgl. BAG, Urteil vom 10. März 1987 – 8 AZR 610/84 – ).

Gerade angesichts dieses Umstandes muss der von dem Beklagten durch Unterschrift bestätigten Erklärung in dem Kündigungsschreiben die weiterreichende Bedeutung zukommen, dass die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage etwaigen Neuberechnungen des Beklagten von vornherein entzogen werden sollte.

2. Der Beklagte hat das deklaratorische Schuldanerkenntnis nicht wirksam angefochten.

Auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung des Klägers über die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage, beruft sich der Beklagte nicht. Er führt vielmehr an, die fehlerhafte Angabe der Urlaubstage im Personalabrechnungssystem sei bei Abgabe der Erklärung in dem Kündigungsschreiben übernommen worden.

Es kommt nur ein Motivirrtum in Betracht, nämlich ein Irrtum darüber, es bestehe eine Verpflichtung zur Abgeltung von 43 Urlaubstagen, während der Beklagte nunmehr annimmt, diese habe nicht bestanden. Ein derartiger Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) begründet kein Anfechtungsrecht (vgl. BAG, Urteil vom 11. Mai 1983 – 7 AZR 500/79 – ).

3. Der Kläger ist auch nicht ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf das Schuldversprechen in dem Kündigungsschreiben zu berufen.

Selbst wenn der Gläubiger positive Kenntnis von einem Berechnungsirrtum des Erklärenden hat, folgt daraus noch nicht eine unzulässige Rechtsausübung. Als mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar wird man die Annahme einer fehlerhaft berechneten Verpflichtung nur dann ansehen können, wenn die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist, etwa weil er dadurch in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 – X ZR 17/97 -; KG Berlin, Urteil vom 5. März 2001 – 12 U 2335/00 – ).

Im vorliegenden Fall steht nicht einmal fest, dass der Kläger die Angabe von 43 abzugeltenden Urlaubstagen für unzutreffend hielt. Immerhin war in den Lohnabrechnungen für die Monate Mai 2010 bis Juli 2010 die Zahl der restlichen Urlaubstage mit 50 Tagen angegeben worden, und zwar 20 Tagen Resturlaub aus dem Jahr 2009 und 30 Tagen Urlaub aus dem Jahr 2010. Unter Berücksichtigung von 7 genommenen Urlaubstagen im Juli 2010 verblieben dann 43 Urlaubstage. Selbst wenn die Lohnabrechnung für August 2010 bei Abfassen des – rückdatierten – Kündigungsschreibens bereits vorlag, ergibt sich nichts anderes: In ihr sind die 7 genommenen Urlaubstage auf den Vorjahresurlaubsanspruch angerechnet worden, so dass 13 Resturlaubstage aus 2009 verblieben. Der Urlaubsanspruch für das Jahr 2010 wird unzutreffend mit 20 Urlaubstagen angegeben. Da der Kläger im zweiten Halbjahr 2010 ausgeschieden ist und es an der Vereinbarung einer vom Bundesurlaubsgesetz abweichenden Regelung für den über den gesetzlichen Urlaub hinausgehenden Mehrurlaub fehlt, bleibt es dabei, dass der gesamte Jahresurlaub für das Jahr 2010 abzugelten war (vgl. § 5 BUrlG). Der Beklagte beruft sich offensichtlich erst nachträglich darauf, der Resturlaub aus dem Jahr 2009 sei verfallen. Wieso angesichts dessen der Kläger positive Kenntnis von einem übersetzten Urlaubsanspruch gehabt haben sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der sich keine Rechtsfragen stellten, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet sind.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.

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