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Urlaubabgeltungsanspruch bei Krankheit


Bundesarbeitsgericht

Az: 6 AZR 600/82

Urteil vom 08.03.1984


Tatbestand

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 7. September 1978 mit einer Vergütung von zuletzt 1.900,– DM, einem jährlichen Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen sowie einem Urlaubsgeld von 30 % eines Monatsgehalts als Sachbearbeiterin beschäftigt. Seit Ende des Jahres 1979 war die Klägerin schwanger. Vom 1. bis zum 6. Januar 1980 hatte sie von der Beklagten drei Arbeitstage Urlaub erhalten. Vom 7. bis zum 20. Januar 1980 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Nachdem sie am 21. Januar 1980 versucht hatte, die Arbeit wieder aufzunehmen, wurde sie bis zum 27. Juni 1980 wegen ihrer Schwangerschaft nicht beschäftigt (§ 3 Abs. 1 MuSchG). Danach begann die Mutterschutzfrist i.S. von § 3 Abs. 2 MuSchG. Am 21. August 1980 wurde das Kind der Klägerin geboren. Nach dem Ende der Mutterschutzfrist am 16. Oktober nahm die Klägerin Mutterschaftsurlaub bis zum 22. Februar 1981 in Anspruch.

Im Juni 1980 hatte die Klägerin fernmündlich ihren Urlaubsanspruch für das Jahr 1980 geltend gemacht. Die Beklagte teilte daraufhin am 27. Juni 1980 schriftlich mit, daß der Klägerin wegen deren langdauernden Erkrankung noch kein Urlaubsanspruch erwachsen sei. Am 21. Januar 1981 wiederholte die Klägerin ihr Begehren auf Erteilung des Urlaubs. Nachdem die Beklagte erneut die Erfüllung des Urlaubsanspruchs abgelehnt hatte und sich auch weigerte, die Weihnachtsgratifikation zu zahlen, schlossen die Parteien am 30. Januar 1981 folgenden Auflösungsvertrag:

„1. Frau K scheidet mit Ablauf des 28.2.1981 bei I aus.

2. Frau K beendet mit Wirkung vom 22.2.1981 ihren Mutterschaftsurlaub und nimmt ab 23.2.1981 ihre Tätigkeit (bis zum endgültigen Ausscheiden) bei I wieder auf.“

Die Klägerin hat die Arbeit bei der Beklagten auf deren Anregung nicht mehr aufgenommen.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung einer Urlaubsabgeltung für 17 Urlaubstage aus dem Jahr 1980 von 1.520,– DM sowie des Urlaubsgelds von 570,– DM verlangt. Außerdem hat sie die Zahlung der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1980 von 1.900,– DM begehrt.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.990,– DM nebst 4 v.H. Zinsen seit 1. Februar 1981 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.900,– DM zu zahlen und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Auf die Anschlußberufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen und die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 1.562,70 DM nebst Zinsen zu zahlen. Diesen Betrag hatte die Beklagte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts an die Klägerin gezahlt.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin nur noch den Anspruch auf Urlaubsabgeltung und auf Zahlung des Urlaubsgelds in Höhe von 2.090,– DM. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.


Entscheidungsgründe

Die Revision ist überwiegend begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Urlaubsabgeltung sei wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen. Den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden.

I. Zu Unrecht geht das Landesarbeitsgericht von einem Urlaubsanspruch der Klägerin von 17 Arbeitstagen für das Kalenderjahr 1980 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus. Der Klägerin standen, da sie die Wartezeit nach § 4 BUrlG erfüllt hatte, entsprechend ihrer Vereinbarung mit der Beklagten für das Urlaubsjahr 1980 20 Arbeitstage Urlaub zu. Hiervon hat sie drei Arbeitstage Urlaub bereits im Januar 1980 erhalten. Dieser Urlaubsanspruch vermindert sich weiter nach § 8 d Satz 1 MuSchG wegen des Mutterschaftsurlaubs der Klägerin. Nach dieser Bestimmung kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub der Mutter für jeden vollen Kalendermonat, für den sie Mutterschaftsurlaub nimmt, um 1/12 kürzen. Da die Beklagte das Bestehen des Urlaubsanspruchs der Klägerin insgesamt bestreitet, ist davon auszugehen, daß sie damit jedenfalls auch von diesem Recht Gebrauch macht. Die Klägerin hat im Jahr 1980 zwei volle Kalendermonate (November und Dezember) Mutterschaftsurlaub erhalten, damit verringert sich ihr Urlaubsanspruch um 2/12, also um weitere drei Tage, so daß ihr am Ende des Urlaubsjahres 1980 noch insgesamt 14 Arbeitstage Urlaub zustanden. Diese hat das Landesarbeitsgericht übersehen.

Schließlich hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Klägerin von der Beklagten die Zeit vom 23. bis 28. Februar 1981 (= 5 Arbeitstage), während der die Klägerin nicht gearbeitet hat, als Urlaub gewährt worden ist. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin in der Klagschrift ist sie durch die Beklagte von der Arbeit freigestellt worden, wobei der Urlaubsanspruch für das Jahr 1981 als abgegolten angesehen wurde. Damit sei die Klägerin einverstanden gewesen. Dies wiederholt die Revision nunmehr. Diese Arbeitstage sind demnach nicht als Urlaub für 1980 gewährt worden. Die Klägerin hatte deshalb für das Urlaubsjahr 1980 bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch einen Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen.

II.1. Zu Unrecht meint das Landesarbeitsgericht, daß es für die Entscheidung des Rechtsstreits offenbleiben könne, ob der Urlaubsanspruch auf das Jahr 1981 übertragen worden sei und ob darüber hinaus die Voraussetzungen für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung erfüllt seien. Dem Anspruch der Klägerin stehe der von der Beklagten erhobene Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegen, weil sie im Jahre 1980 Arbeitsleistungen in nennenswertem Umfang nicht erbracht habe.

2. Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts stimmt mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht überein. Sie wird zu Recht von der Revision angegriffen.

a) Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 28. Januar 1982 (BAG 37, 382) unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung entschieden, daß ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Erholungsurlaub nicht dadurch verliert, daß er infolge Krankheit im Urlaubsjahr nur eine geringe oder auch gar keine Arbeitsleistung erbracht hat. Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers ist danach nicht wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen, wenn dieser allein durch langdauernde Krankheit verhindert war zu arbeiten. Maßgeblich ist nur, daß der Urlaub im Urlaubsjahr bzw. im Übertragungszeitraum genommen werden kann. Die in dieser Entscheidung vertretene Grundauffassung hat der Senat inzwischen in weiteren Entscheidungen bestätigt (Urteile vom 13. Mai 1982 – 6 AZR 360/80 -, zur Veröffentlichung bestimmt, DB 1982, 2193, 2470; vom 26. Mai 1983 – 6 AZR 273/82 – und vom 23. Juni 1983 – 6 AZR 180/80 -, beide zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

b) Bereits im Urteil vom 13. Mai 1982 (aaO) hat der erkennende Senat darauf hingewiesen, daß der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz ein durch dieses Gesetz bedingter Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber von den nach dem Arbeitsverhältnis entstehenden Arbeitspflichten ist (vgl. ebenso zuletzt die Senatsentscheidung vom 1. Dezember 1983 – 6 AZR 299/80 -, zur Veröffentlichung bestimmt).

Damit folgt der erkennende Senat nicht der Auffassung, der Urlaubsanspruch sei ein Einheitsanspruch, der untrennbar aus den Wesenselementen Freizeitgewährung und Fortzahlung der Vergütung für die Urlaubszeit bestehe (vgl. z.B. Dersch/Neumann, BUrlG, 6. Aufl., § 1 Rz 68, 69; Bleistein, GK-BUrlG, 4. Aufl., § 1 Rz 9, jeweils mit weiteren Nachweisen auf das Schrifttum sowie die Rechtsprechung). Diese Ansicht, die an die Formulierung in § 1 BUrlG („bezahlter Erholungsurlaub“) anknüpft, berücksichtigt nicht, daß durch diese Vorschrift und auch die übrigen Regelungen des BUrlG nicht etwa ein besonderer Urlaubsentgeltanspruch unter Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs begründet, sondern sichergestellt wird, daß der dem Arbeitnehmer zustehende Lohnanspruch trotz Nichtleistung der Arbeit während der Urlaubszeit unberührt bleibt von der Urlaubsgewährung, also der Freistellung von der Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber. Mit der Annahme des Einheitsanspruchs wird dem Arbeitnehmer damit Urlaubsentgelt zuerkannt, das ihm als Arbeitslohn aufgrund seines Arbeitsverhältnisses ohnehin zusteht. Daraus folgt, daß die Ansicht, der Urlaubsanspruch sei ein Einheitsanspruch mit zwei Wesenselementen, rechtlich keinen Inhalt hat, soweit mit dieser Auffassung die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung während des Urlaubs in den Urlaubsanspruch als Element einbezogen wird.

3. Ist damit der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nach dem Bundesurlaubsgesetz nur darauf gerichtet, die Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers für die nach dem Urlaubsanspruch sich ergebende Zeitdauer auszuschließen, nicht jedoch die Pflichten der Arbeitsvertragsparteien im übrigen zu verändern, wird dadurch auch die Zuordnung der Pflicht zur Erteilung von Urlaub im Verhältnis der arbeitsvertraglichen Pflichten zueinander bestimmt: Die Pflicht zur Erteilung von Urlaub ist eine Nebenpflicht des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis, deren Erfüllung darin besteht, eine Hauptpflicht des Arbeitnehmers, dessen Arbeitspflicht, für die Urlaubsdauer auszuschließen. Auf das Fortbestehen der Pflicht des Arbeitgebers zur Lohnzahlung hat dies keinen Einfluß.

Unter diesen Umständen kommt es für den Urlaubsanspruch nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer nach Entstehen des Urlaubsanspruchs bis zu dessen Ausübung seine Arbeitsleistungspflichten erfüllt hat, sondern nur darauf, ob Arbeitspflichten durch Suspendierung beseitigt werden können. Damit besteht entgegen der Kritik im Schrifttum (vgl. Buchner, DB 1982, 1823 ff.; Peterek, Anm. zu EzA § 3 BUrlG Nr. 13; Franke, BB 1983, 1036, 1039; Bleistein, aaO, § 1 Rz 129; Stahlhacke, GK-BUrlG, 4. Aufl., § 9 Rz 20; Boldt, Anm. AP Nr. 4 zu § 7 BUrlG; vgl. andererseits Bachmann, GK-BUrlG, 4. Aufl., § 5 Rz 3 m.w.N. und vorher bereits im Grundsatz Renaud, Die Abgeltung von Urlaubsansprüchen nach dem Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer, 1972, S. 53, anders allerdings in Widerspruch dazu S. 112 ff., 116) kein Verhältnis zwischen geleisteter Arbeit und Urlaub, sondern allenfalls zwischen zu leistender Arbeit und Urlaubsanspruch. Auch darauf hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 28. Januar 1982, aaO, hingewiesen, indem er ausgeführt hat, daß der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubserteilung nicht davon abhängig ist, daß dieser zuvor die Freizeit „verdient“ hat. Der aufgrund des Bundesurlaubsgesetzes zu gewährende Urlaub ist keine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte oder noch zu erbringende Arbeitsleistungen, sondern eine gesetzlich bedingte Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis, den Arbeitnehmer von dessen Verpflichtung zur Arbeitsleistung für die Dauer des Urlaubs freizustellen. Damit beruht die Kritik an der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Buchner, aaO, 1823, 1826 unter Bezugnahme auf MünchKomm-Roth, § 242 BGB Rz 381, 382; ders. gem. Anm. zu den Entscheidungen des BAG vom 28. Januar 1982 – 6 AZR 571/79 – und vom 13. Mai 1982 – 6 AZR 360/80 -, SAE 1983, 80, 82; ArbG Kassel, DB 1983, 178), die den Ausschluß des Urlaubsanspruchs eines Arbeitnehmers an dessen fehlender Arbeitsleistung messen will, auf rechtlich unzutreffenden Voraussetzungen.

Ein für den Urlaubsanspruch maßgebliches Verhältnis zwischen geleisteter Arbeit und Urlaubsbegehren ist auch nicht durch die Erwägung herstellbar, der Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz solle zur Erholung von geleisteter Arbeit dienen. Auch eine solche Verknüpfung enthält das Bundesurlaubsgesetz nicht (vgl. dazu unten 5.). Soweit dennoch für die These, der Urlaub werde durch frühere Arbeit verdient, um sich für künftige Arbeit zu kräftigen, oder von arbeitsbedingter Erholungsbedürftigkeit unter Hinweis auf §§ 1, 8 BUrlG gesprochen wird (vgl. Soergel/Wlotzke- Volze, BGB, 10. Aufl., § 611 Rz 176; außerdem ArbG Kassel, DB 1983, 178; ArbG Reutlingen, BB 1984, 341), ergibt sich nichts anderes. Beide Bestimmungen erfordern nicht, daß ein Arbeitnehmer vor Erfüllung des Urlaubsanspruchs aufgrund des Arbeitsverhältnisses Arbeitsleistungen erbracht hat.

4.a) Diesen Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht nicht erkannt. Dementsprechend gehen auch seine Erwägungen zum Ausschluß des Urlaubsanspruchs wegen Rechtsmißbrauchs fehl. Auch nach nochmaliger Prüfung besteht für den erkennenden Senat keine Veranlassung, die erstmals im Urteil vom 28. Januar 1982, aaO, dargelegte Auffassung zu ändern.

Der Senat ist in diesem Urteil nicht davon ausgegangen, daß Ansprüchen eines Arbeitnehmers auf Urlaubsgewährung etwa grundsätzlich nicht der Einwand rechtsmißbräuchlichen Verhaltens entgegengesetzt werden könnte (das übersieht z.B. Buchner, aaO), sondern hat vielmehr geprüft, ob außer den als Grundlage des Rechtsmißbrauchs genannten Fehlzeiten andere Tatsachen festgestellt waren, aus denen sich ein Ausschluß des Anspruchs auf Urlaubsgewährung hätte herleiten lassen. Dies traf nicht zu (vgl. Urteil vom 28. Januar 1982, aaO, zu II 2 c der Gründe). Andererseits ist ein Gericht aber auch nicht befugt, beliebige Umstände als Rechtsmißbrauch zu behandeln. § 242 BGB als Grundlage des Rechtsmißbrauchseinwands ist keine allgemeine Billigkeitsnorm, der die Lösung aller neuen Rechtsprobleme entnommen werden könnte (vgl. Soergel/Siebert-Knopp, BGB, 10. Aufl., § 242 Rz 4). Wenn in der Kritik im Anschluß an die Ausführungen von Buchner, aaO, auf die Kontinuität der bisherigen Rechtsprechung und das „Gerechtigkeitsempfinden weiter Teile der Bevölkerung“ (ArbG Reutlingen, BB 1984, 341) oder das „ungläubige Staunen ehrenamtlicher Richter gleich welcher Couleur“ (ArbG Kassel, DB 1983, 178, 179) verwiesen wird, ist dies nicht geeignet, eine auch bei Anwendung von § 242 BGB erforderliche Begründung zu ersetzen, die im übrigen nicht zu einer in die Lehre vom Rechtsmißbrauch gehüllte Korrektur des geltenden Rechts führen darf (vgl. zutreffend Herschel, Anm. zur Entscheidung des Senats vom 28. Januar 1982, AR-Blattei (D) Urlaub, Entscheidung Nr. 246; vgl. außerdem Herschel, Anm. zur Entscheidung des Senats vom 26. Mai 1983 – 6 AZR 273/82 -, EzA § 7 BUrlG Nr. 27). Selbst wenn die genannten Darlegungen gegen die Rechtsprechung des erkennenden Senats beachtlich sein könnten, hätte es dazu jeweils substantiierter, nachprüfbarer Feststellungen der Tatsachengerichte über die Voraussetzungen eines Rechtsmißbrauchs bedurft.

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Das Landesarbeitsgericht hat sich hier mit dem Hinweis, begnügt, daß gegenüber jedem Recht auch der Einwand des Rechtsmißbrauchs und der unzulässigen Rechtsausübung geltend gemacht werden könne; dies gelte auch für den Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers. Dann aber sei allein über die Grenzen zu entscheiden, die einem derartigen Einwand gesetzt seien. Diese Grenzen habe die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend aufgezeigt.

Einer Auseinandersetzung des erkennenden Senats mit der Meinung des Landesarbeitsgerichts, jedem Anspruch könne der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegengesetzt werden, bedarf es nicht, da ihr aus weiteren Gründen nicht zu folgen ist. Das Landesarbeitsgericht übersieht mit seinen Erwägungen, daß es jedenfalls zunächst für die Annahme des Rechtsmißbrauchs nicht darauf ankommen kann, die Grenzen des Rechtsmißbrauchs zu bestimmen, sondern die Merkmale genannt werden müssen, die notwendig sind, um den Einwand des Rechtsmißbrauchs gegenüber dem Anspruch der Klägerin als gegeben anzunehmen. Solche Merkmale nennt das Landesarbeitsgericht nicht, sondern schließt sich pauschal an die vom erkennenden Senat aufgegebene frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, unterläßt es aber, die im übrigen danach erforderliche Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, die vom Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts für die Annahme des Rechtsmißbrauchs für unerläßlich gehalten worden ist (vgl. dazu die Nachweise im Urteil des erkennenden Senats vom 28. Januar 1982, aaO).

b) Nach der vom Landesarbeitsgericht für zutreffend gehaltenen früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war für die Behandlung des Urlaubsverlangens eines Arbeitnehmers als rechtsmißbräuchlich ein zwischen geleisteter Arbeit und Urlaubsbegehren angenommenes Mißverhältnis entscheidend. Nur auf dieses angebliche Mißverhältnis hat das Bundesarbeitsgericht in der Rechtsprechung des Ersten und ihm folgend des Fünften Senats als Ansatzpunkt für den Ausschluß des Urlaubsanspruchs wegen Rechtsmißbrauchs abgestellt.

In dem allgemein als Ausgangsentscheidung genannten Urteil des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juni 1956 (BAG 3, 77, 79) hat dieser zunächst darauf hingewiesen, daß der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin wegen deren vorangegangenen dauernden Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsverhältnis hätte fristlos kündigen können; die Möglichkeit, noch Urlaubsansprüche geltend zu machen, beruhe also auf dem rücksichtsvollen Verhalten der Beklagten gegenüber der erkrankten Klägerin. Unter diesen Umständen könne es nicht ohne Bedeutung sein, wenn sich das Verhältnis von Arbeitsleistung und Urlaub bis in die äußersten Möglichkeiten eines Mißverhältnisses verschiebe, wenn also die Arbeitstage noch nicht einmal die abzugeltende Urlaubszeit erreichen. Hier fehle dem Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers schlechthin jede noch vernünftige Beziehung zur Arbeitsleistung. Auch die Rücksichtnahme auf seine Mitarbeiter, die überwiegend das ganze Urlaubsjahr gearbeitet haben, noch mehr aber die Rücksichtnahme darauf, daß der Arbeitgeber nicht gekündigt habe, gebieten dem Arbeitnehmer nach Auffassung des Senats, ein solches Verlangen zu unterlassen.

Auf das Mißverhältnis zwischen Urlaubs- und Arbeitstagen stellen ohne weitere Erwägungen auch die folgenden Urteile ab. Dabei wird nicht unterschieden, ob die fehlende Arbeitsleistung auf Krankheit, Wehrdienst oder auch auf Beschäftigungsverboten nach dem Mutterschutzgesetz beruht hat (vgl. BAG Urteil vom 22. Juni 1956 – 1 AZR 187/55 -, AP Nr. 13 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; Beschluß vom 26. Oktober 1955 – 1 AZR 23/53 -, AP Nr. 1 zu § 5 UrlaubsG Hamburg; Urteil vom 26. April 1960 – 1 AZR 364/58 -, AP Nr. 59 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; später auch Fünfter Senat, Urteil vom 12. Januar 1967 – 5 AZR 321/66 -, AP Nr. 4 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch). Gegen die unterschiedslose Einbeziehung dieser auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhenden Unterbrechungen der Arbeit in die „Mißverhältnisrechnung“ sprechen einmal die nicht miteinander zu vergleichenden Rechtsgründe für die zeitweilige Aufhebung der Arbeitspflichten. Zum anderen enthalten § 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchutzG und nunmehr für den Mutterschaftsurlaub § 8 d Satz 1 MuSchG Kürzungsmöglichkeiten für den Anspruch auf Erholungsurlaub (jeweils 1/12 für jeden vollen Kalendermonat der Verhinderung). Die Einbeziehung solcher Fehlzeiten in die Beurteilung des Rechtsmißbrauchs wirkt sich für die betreffenden Arbeitnehmer doppelt negativ aus. Im übrigen enthält das Mutterschutzgesetz aus wohlerwogenen sozialpolitischen Gründen für die Zeit von Beschäftigungsverboten nach §§ 3, 4 und 6 MuSchG keine Kürzungsmöglichkeit für den Anspruch auf Erholungsurlaub. Für die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit wären mit Rücksicht auf § 9 BUrlG nach der Auffassung vom Mißverhältnis zwischen Arbeit und Urlaubsanspruch eher gegenteilige Schlüsse zu ziehen als dies geschehen ist.

Nähere Ausführungen zum begrifflichen Inhalt des Rechtsmißbrauchs oder zur Ableitung dieses Einwands finden sich auch in den Entscheidungen des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts nicht, der seit 1961 für das Urlaubsrecht zuständig war. Der Fünfte Senat hat der Auffassung des Ersten Senats lediglich das Abwägungserfordernis der „Gesamtumstände des Einzelfalls“ hinzugefügt (BAG Urteile vom 2. Mai 1961 – 5 AZR 478/60 – und vom 27. September 1962 – 5 AZR 561/61 -, AP Nr. 82 und 87 zu § 611 BGB Urlaubsrecht), dessen Prüfung durchaus ergeben könne, daß bei langdauernder Arbeitsunfähigkeit wegen unverschuldeter Krankheit oder wegen eines Arbeitsunfalls trotz geringer Arbeitsleitung Urlaub oder Urlaubsabgeltung zu gewähren sei. Nach Inkrafttreten des Bundesurlaubsgesetzes hat der Fünfte Senat an dieser Auffassung festgehalten und sie auch für das Bundesurlaubsgesetz mit der Begründung für anwendbar erklärt, sie habe durch die seit dem Bundesurlaubsgesetz bestehende Rechtslage keine Änderung erfahren (BAG Urteil vom 23. Juni 1966 – 5 AZR 541/65 -, AP Nr. 2 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch). Bis zur erneuten Änderung der Geschäftsverteilung für das Jahr 1978 hat der Fünfte Senat diese Rechtsprechung beibehalten (BAG Urteil vom 16. August 1977 – 5 AZR 436/76 -, AP Nr. 10 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch).

Zusammengefaßt ergibt dieser Überblick, daß die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts das rechtsmißbräuchliche Urlaubsverlangen nicht am Einwand des Rechtsmißbrauchs selbst messen, sondern das Vorliegen eines nicht näher bestimmten Mißverhältnisses als Rechtsmißbrauch bezeichnen, der je nach Einzelfall strenger oder milder zu beurteilen sei. Meisel (Anm. zu BAG AP Nr. 7 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch) hat dementsprechend darauf hingewiesen, daß als einziger Maßstab für den Einwand des Rechtsmißbrauchs gegenüber einem Urlaubsanspruch das Mißverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und beanspruchtem Urlaub im Urlaubsjahr übrig bleibe.

Trotz der Verneinung einer Wechselwirkung von geleisteter Arbeit und Urlaubsverlangen für das Entstehen und den Bestand des Urlaubsanspruchs hat das Bundesarbeitsgericht in den genannten Urteilen dennoch ein angebliches Mißverhältnis für den Fall nur geringer Arbeitsleistung angenommen. Dieses „Mißverhältnis“ wird sodann ohne weiteres als Rechtsmißbrauchstatbestand bezeichnet, der – vorbehaltlich der Prüfung „aller Umstände des Einzelfalls“ – geeignet sei, den Urlaubsanspruch zu vernichten.

Das ist widersprüchlich. Der erkennende Senat hat schon in seinem Urteil vom 28. Januar 1982, aaO, darauf hingewiesen, daß der Urlaubsanspruch in seiner Entstehung nicht von geleisteter Arbeit abhängig ist und demzufolge auch nicht wegen Nichtleistung der Arbeit als rechtsmißbräuchlich ausgeschlossen sein kann. Wird von der Begriffsvertauschung zwischen Mißverhältnis und Rechtsmißbrauch abgesehen, bleibt damit die Behauptung des Ausschlusses wegen eines Mißverhältnisses bestehen, das seinerseits nicht nach Merkmalen begründet wird und auch nicht begründbar ist.

Die Einbeziehung von Fehlzeiten einer Arbeitnehmerin während der Mutterschutzfrist als leistungsmindernd für die Gewährung von Jahressonderleistungen hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts inzwischen grundsätzlich ausgeschlossen (Urteile vom 13. Oktober 1982 – 5 AZR 370/80 – und – 5 AZR 401/80 -, beide zur Veröffentlichung vorgesehen). Danach darf die Zeit der Mutterschutzfrist sich nicht lohnmindernd auswirken, eine jährlich zu zahlende Jahressonderleistung wegen Fehlzeiten, die durch die Inanspruchnahme der Mutterschutzfristen (§ 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG) entstehen, auch durch Regelungen in einem Tarifvertrag nicht anteilig gekürzt werden. Entsprechend hatte der Fünfte Senat schon zuvor die Berücksichtigung krankheitsbedingter Fehlzeiten bei der Gewährung von Anwesenheitsprämien wegen Verstoßes gegen das Lohnfortzahlungsgesetz für unwirksam erklärt (BAG Urteil vom 19. Mai 1982 – 5 AZR 466/80 -, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie). Unter diesen Umständen hätte auch vom Standpunkt des Landesarbeitsgerichts Veranlassung bestanden, jedenfalls die Fehlzeiten der Klägerin, die sowohl aus krankheitsbedingten Gründen als auch wegen der Mutterschutzfristen (§ 3 Abs. 1 und 2, § 6 MuSchG) nicht gearbeitet hat, differenzierend zu beurteilen. Unter Berücksichtigung dieser geänderten Rechtsprechung, die auf Leistungen im Gegenseitigkeitsverhältnis also auf Hauptpflichten der Arbeitsvertragsparteien bezogen ist, sind der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unabhängig von der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Grundlagen entzogen.

c) Soweit das Landesarbeitsgericht den Urlaub als eine „Art von Entgelt für geleistete Arbeit“ ansehen und daraus auf einen Rechtsmißbrauch der Klägerin schließen will, übersieht es, daß dieser Gedanke keinen Eingang in die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes gefunden hat und im übrigen im Schrifttum von der überwiegend vertretenen Auffassung als überwunden angesehen wird (vgl. dazu z.B. Boldt/Röhsler, BUrlG, 2. Aufl., § 1 Rz 5; Dersch/Neumann, aaO, § 1 Rz 64). Wäre die Urlaubserteilung eine „Art von Entgelt“, könnte die Nichterfüllung der Arbeitspflicht tatsächlich ein Grund für den Wegfall des Urlaubsanspruchs sein, allerdings nicht wegen Rechtsmißbrauchs, sondern wegen Nichterfüllung der dem Arbeitnehmer obliegenden Arbeitsleistung.

d) Auch die Hinweise des Landesarbeitsgerichts, daß der Urlaubsanspruch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abzuleiten sei, sind nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Diese Pflicht des Arbeitgebers ist seit Inkrafttreten des Bundesurlaubsgesetzes als Anspruchsgrund für den Urlaubsanspruch überholt (vgl. ebenso insoweit Boldt/Röhsler, aaO, § 1 Rz 3; Bleistein, aaO, § 1 Rz 6), weil der Anspruch nunmehr in Voraussetzung und Wirkung sich nur noch nach dem Bundesurlaubsgesetz richtet. Damit kommt es auf frühere Begründungen, wie sie entweder durch §§ 618, 242 BGB, unmittelbar aus einer arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers oder aus anderen Erwägungen hergeleitet worden sind, nicht mehr an. Soweit demgegenüber dennoch angenommen wird, die Fürsorgepflicht sei zur Auslegung und Ausfüllung des Urlaubsanspruchs heranzuziehen (vgl. Boldt/ Röhsler, aaO, § 1 Rz 3; Siara, BUrlG, § 1 Anm. 2; Dersch/ Neumann, aaO, § 1 Rz 2), geht dies ins Leere.

5. Auch wenn entgegen der Auffassung des erkennenden Senats mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgegangen werden könnte, daß Fehlzeiten eines Arbeitnehmers im Urlaubsjahr dennoch als Grundlage für den Ausschluß des Urlaubsanspruchs in Betracht kommen, scheidet hier der Einwand des Rechtsmißbrauchs aus, weil auch im übrigen die Voraussetzungen, die der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts für diesen Einwand in rechtlicher Hinsicht angenommen hat, nicht zutreffen.

a) Die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat den auf Fehlzeiten des Arbeitnehmers infolge Krankheit gegründeten Einwand des Arbeitgebers gegenüber dem Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers dem sog. institutionellen Rechtsmißbrauch zugeordnet (vgl. im Anschluß an die vorangegangene Rechtsprechung die Urteile vom 2. Mai 1961 – 5 AZR 478/60 -, AP Nr. 82 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; wörtlich damit übereinstimmend vom 27. September 1962 – 5 AZR 561/61 -, AP Nr. 87 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; vom 18. Februar 1963 – 5 AZR 357/62 -, AP Nr. 88 zu § 611 BGB Urlaubsrecht und vom 23. Juni 1966 – 5 AZR 541/65 -, AP Nr. 2 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch). Dies entsprach auch der Auffassung im arbeitsrechtlichen Schrifttum (vgl. z.B. Larenz, Anm. zur Entsch. des BAG vom 2. Mai 1961 – 5 AZR 478/60 -, SAE 1962, 63; Isele, Anm. zu AP Nr. 2 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; Neumann-Duesberg, Anm. zu AP Nr. 3 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; Thiele, Anm. zu AP Nr. 6 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch) und ist ebenso von der Kritik gegen die Rechtsprechung des erkennenden Senats vorgebracht worden (vgl. z.B. Franke, DB 1983, 1036, 1039).

Als „institutioneller Rechtsmißbrauch“ wird die Ausübung von Ansprüchen außerhalb ihres sozialen Schutzzwecks oder des Schutzbereichs der anspruchsbegründenden Norm aufgefaßt (vgl. dazu Thiele, Anm. zu AP Nr. 6 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; Franke, DB 1983, 1036, 1039; Staudinger/J. Schmidt, BGB, 12. Aufl., § 242 Rz 689; Boldt, Anm. zu AP Nr. 11 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; Soergel/Siebert-Knopp, aaO, § 242 Rz 249 ff.).

Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte in den Urteilen vom 2. Mai 1961, aaO, und wörtlich damit übereinstimmend vom 27. September 1962, aaO, ausgeführt, der Sinn des Urlaubsanspruchs bzw. des Urlaubsabgeltungsanspruchs gehe dahin, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von geleisteter Arbeit zu erholen und sich für neue Arbeit zu kräftigen (vgl. ebenso BAG vom 18. Februar 1963, aaO). Dies hat der Fünfte Senat als sozialen Schutzzweck für die Beurteilung des Rechtsmißbrauchs herangezogen und hieran das „Erholungsbedürfnis“ des Arbeitnehmers gemessen. Im Urteil vom 23. Juni 1966, aaO, hat der Fünfte Senat erklärt, daß er an den von ihm vertretenen Rechtsgrundsätzen zum Rechtsmißbrauch festhalte, die durch die seit dem Inkrafttreten des BUrlG bestehende Rechtslage keine Änderung erfahren habe und hat auf sie in den folgenden Entscheidungen (Urteile vom 12. Januar 1967 – 5 AZR 321/66 -, AP Nr. 4 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; vom 22. April 1972 – 5 AZR 499/71 -, AP Nr. 6 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch und vom 16. August 1977 – 5 AZR 273/76 – und – 5 AZR 436/76 -, AP Nr. 9, 10 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch) ohne weitere Stellungnahme verwiesen. Im Urteil vom 6. Juni 1968 (- 5 AZR 410/67 -, AP Nr. 5 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch) hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts zwar das von ihm bisher als Anspruchsvoraussetzung genannte individuelle Erholungsbedürfnis aufgegeben, aber gleichwohl für den Ausschluß des Rechtsmißbrauchs an diesem Merkmal festgehalten. Auch auf die darin liegende Widersprüchlichkeit hat der erkennende Senat im Urteil vom 28. Januar 1982, aaO, hingewiesen.

Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat im übrigen zwar durchgängig an dem von ihm angenommenen Urlaubszweck festgehalten, ihn aber je nach Sachlage anders angewandt: Wenn ein Arbeitnehmer etwa nach vorangegangener Arbeitsunfähigkeit als erwerbsunfähig aus dem Arbeitsleben ausgeschieden war, behielt er nach Auffassung des Fünften Senats dennoch den Urlaubsabgeltungsanspruch, obwohl eine Kräftigung für zukünftige Arbeit in einem solchen Fall nicht in Betracht kommen konnte (vgl. z.B. Urteil vom 6. Juni 1968, aaO; hierzu: Urteil des erkennenden Senats vom 23. Juni 1983 – 6 AZR 180/80 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

b) Das Bundesurlaubsgesetz geht nicht von dem vom Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts zugrundegelegten Zweck, sondern von einem davon verschiedenen Inhalt des Urlaubsanspruchs aus. Entgegen der Kritik von Boldt, aaO, ist nach dem schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit (BT-Drucksache IV/785) der „vorgelegte Entwurf ferner von dem sozialpolitischen Anliegen bestimmt, die gesetzliche Mindestdauer des Urlaubs, der der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft dient, angemessen zu erhöhen“. Diese Formulierung entspricht der Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes (BT-Drucksache IV/207): „Das weitere sozialpolitische Anliegen des vorliegenden Entwurfs ergibt sich aus der Zweckbestimmung des den Arbeitnehmern gewährten Erholungsurlaubs, nämlich der Erhaltung und Wiederauffrischung ihrer Arbeitskraft zu dienen.“

Damit liegt dem Bundesurlaubsgesetz nicht die vom Fünften Senat vertretene Auffassung zugrunde, daß der Urlaub u.a. der Erholung von geleisteter Arbeit diene, sondern es ist lediglich auf die Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft abgestellt worden. Der Urlaubsanspruch ist demnach vom Gesetz nicht an vorherige Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers geknüpft, sondern wird als gesetzlich bedingte soziale Mindestleistung des Arbeitgebers zur Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft des bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers aufgefaßt, der ebenso wie der Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall im gesetzlich geregelten Umfang unabdingbar und unentziehbar ist. Der Inhalt des Urlaubs nach dem Bundesurlaubsgesetz ist damit die gesetzlich gesicherte Möglichkeit für einen Arbeitnehmer, die ihm eingeräumte Freizeit selbstbestimmt zur Erholung zu nutzen. Der Urlaubsanspruch eröffnet dem Arbeitnehmer in den Grenzen von § 8 BUrlG die freie Verfügbarkeit über seine Urlaubszeit (vgl. dazu schon BAG 12, 311 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Urlaub und Kur mit Anm. von Zöllner). Er ist in seinem Bestand zeitlich an das Kalenderjahr sowie ggf. an den Übertragungszeitraum geknüpft (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. Mai 1982, aaO, zustimmend Bachmann, aaO, § 7 Rz 112-115 m.w.N.).

Entfällt damit die Bindung an die für den Ausschluß des Rechtsmißbrauchs geforderte vorherige Arbeitsleistung, kann das Urlaubsverlangen eines Arbeitnehmers, der an der Erbringung seiner Arbeitsleistung infolge Krankheit gehindert war, nicht als Anspruchsausübung außerhalb des Urlaubszwecks unzulässig sein, sondern ist durch die soziale Schutzfunktion gedeckt, die das Bundesurlaubsgesetz für den gesetzlichen Mindesturlaub gewährleistet.

Daß dem Urlaubsanspruch hier ein vorwerfbares Verhalten der Klägerin entgegenstehe („individueller Rechtsmißbrauch“) oder daß Tatsachen für andere dem Rechtsmißbrauch zugeordnete Fallgruppen gegeben seien, macht die Beklagte ersichtlich nicht geltend. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu auch keine Tatsachenfeststellungen getroffen.

6. Nicht gefolgt werden kann schließlich dem Hinweis des Landesarbeitsgerichts auf die Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Februar 1962 (- 2 AZR 322/60 -, AP Nr. 35 zu § 1 ArbkrankhG), daß die Gerichte von einer bisherigen Rechtsprechung dann nicht abweichen sollen, wenn sowohl für die alte wie für eine neue Ansicht gute Gründe sprechen (dies meinen auch Buchner, aaO, 1826 und Boldt, Anm. zu AP Nr. 11 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch, Bl. 341).

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 28. Januar 1982, aaO, eingehend die Gründe dargelegt, die ihn zur Aufgabe der früher vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung zum Ausschluß von Urlaubsansprüchen bei Fehlzeiten des Arbeitnehmers bewegt haben. Im übrigen wird insoweit auf die Ausführungen im Urteil des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 1983 (3 AZR 537/82 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu IV a und b der Gründe) Bezug genommen, denen der Senat sich anschließt.

7. Besteht damit keine Veranlassung, davon auszugehen, daß der Anspruch der Klägerin infolge ihrer Fehlzeiten während des Jahres 1980 wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen ist, stand ihr auch am Ende des Urlaubsjahres 1980 der Urlaubsanspruch in Höhe von 17 Tagen – abzüglich des nach § 8 d MuSchG anzurechnenden Anteils von drei Arbeitstagen zu. Dieser Anspruch ist nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf das Jahr 1981 übergegangen, da dies aus Gründen in der Person der Klägerin gerechtfertigt ist.

Da die Klägerin den Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 28. Februar 1981 nicht nehmen konnte, dieser aber im Übertragungszeitraum noch hätte verwirklicht werden können, ist er abzugelten. Bei einem Monatsverdienst von 1.900,– DM ergibt sich unter Berücksichtigung der Berechnungsregel nach § 11 BUrlG für den Urlaubstag ein Betrag von 87,69 DM, also 1.227,66 DM zuzüglich 30 % von 1.900,– DM Urlaubsgeld (570,– DM). Damit ist die Forderung der Klägerin in Höhe von 1.797,66 DM begründet. Da die Klägerin insgesamt 2.090,– DM als Urlaubsabgeltung verlangt hat, ist die Klage bezüglich des Mehrbetrags abzuweisen.

8. Zinsen stehen der Klägerin in der von ihr begehrten Höhe erst ab 1. März 1981 nach § 291 Satz 1, 2. Halbs. BGB zu, da der Abgeltungsanspruch erst zu diesem Zeitpunkt fällig gewesen ist.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.


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