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Urlaubsreise – Entschädigungsanspruch von Kindern wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit

LG Frankfurt – Az.: 2/24 S 50/19 – Urteil vom 05.12.2019

Auf die Berufung der Kläger zu 1. und 3. wird das am 28.1.2019 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H. – Az. 2 C 2543/18 (27) – wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1.) 605,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.8.2018 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu 3. von Honoraransprüchen ihres Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 334,75 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers zu 2. gegen das am 28.1.2019 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H. – Az. 2 C 2543/18 (27) – wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten der ersten und zweiten Instanz haben der Kläger zu 2. zu 37 %, die Klägerin zu 3. zu 5 % und die Beklagte zu 58 % zu tragen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. in vollem Umfang und die der Klägerin zu 3. zu 81 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben der Kläger zu 2. zu 37 % und die Klägerin zu 3. zu 5 % zu tragen. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).

II.

Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete Berufung der Kläger ist in der Sache nur zum Teil begründet.

Die Klägerin zu 1. hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung infolge der Vereitelung der Reise durch die Beklagte gemäß § 651 f Abs. 2 BGB a.F. Die Klage des Klägers zu 2. hat das Amtsgericht hingegen zu Recht abgewiesen.

Auf das Vertragsverhältnis der Parteien ist das Reiserecht in seiner alten Fassung anwendbar, da die Reise vor dem 1.7.2018 gebucht wurde (Art. 229 § 42 EGBGB).

Urlaubsreise - Entschädigungsanspruch von Kindern wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit
(Symbolfoto: Von Yuganov Konstantin/Shutterstock.com)

Nach der Rechtsprechung der Kammer kann ein 5-jähriges Kind bei Vereitelung einer Urlaubsreise eine Entschädigung gemäß § 651 f Abs. 2 BGB a.F. verlangen, während einem 2-jährigen Kind ein solcher Anspruch nicht zusteht. Wie die Beklagte unbestritten vorgetragen hat und von dem Amtsgericht als unstreitiger Sachverhalt festgestellt wurde, war die Klägerin zu 1. zum Reisezeitpunkt 5 Jahre alt, während der Kläger zu 2. erst 2 Jahre alt war.

Nach der Entscheidung der Kammer vom 6.1.2011 (RRa 2011, 63) ist zunächst davon auszugehen, dass auch Schüler und Kinder zu den Anspruchsberechtigten gem. § 651 f II BGB gehören (vgl. BGH, NJW 1983, 218, 220; AG Kleve, NJW-RR 1999, 489; LG Bremen, NJW-RR 2005, 282; LG Frankfurt, Urteil vom 06. Januar 2011 – 2-24 S 61/10 –, Rn. 52, juris). Auch bei einem fünfjährigen Kind kann angenommen werden, dass es einen Urlaub in einer Clubanlage in einem fremden Land bewusst wahrnimmt. Für ein Kind in diesem Alter kann ein Urlaub etwas „Besonderes“ sein. Es gibt für das Kind nämlich normalerweise keinen Alltagsstress, es gibt besondere Sachen zu essen und es hat die Möglichkeit ausgedehnt zu spielen, insbesondere an einem Strand oder Pool (LG Frankfurt, Urteil vom 06. Januar 2011 – 2-24 S 61/10 –, Rn. 54, juris). Der Erlebniswert (nicht zwangsläufig der Erholungswert) einer Urlaubszeit ist auch für Kinder dieses Alters bei einer Reisevereitelung eingeschränkt.

Die Kammer sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Die Höhe einer Entschädigung im Falle einer Reisevereitelung bemisst die Kammer nach ständiger Rechtsprechung im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – X ZR 118/03 –, BGHZ 161, 389-400, Rn. 31) mit der Hälfte des auf die Klägerin zu 1. entfallenden Reisepreises. Zwar mag der Gesichtspunkt, dass für die Höhe der Entschädigung der Betrag maßgeblich ist, den ein Reisender für die Reise zu zahlen bereit ist (BGH a.a.O. R. 29), auf die Klägerin zu 1. nicht in vollem Umfang zutreffen, weil sie den Reisepreis nicht gezahlt haben dürfte. Da für Kinder i.d.R. – wie auch in diesem Fall – ein geringerer Reisepreis zu zahlen ist, kann dieser Umstand als hinreichender Ausgleich für mögliche geringere Beeinträchtigungen des Erholungswertes bei Kindern herangezogen werden. Insofern gibt es keinen Anlass, die Höhe der Entschädigung für Kinder anders zu berechnen als für erwachsene Reisende.

Die Kammer hält auch an ihrer Auffassung fest, dass für zweijährige Kinder ein Entschädigungsanspruch nicht besteht. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass Kleinkinder einen Urlaub gar nicht bewusst wahrnehmen (LG Frankfurt, Urteil vom 06. Januar 2011 – 2-24 S 61/10 –, Rn. 53, juris). Bei Kleinkinder dieses Alters steht die Nähe zu den Eltern im Vordergrund, nicht der Ort, an dem die Nähe erlebt wird. Dafür, dass Eltern sich um ihr Kleinkind kümmern, mit ihm spielen und für es sorgen, spielt der Aufenthaltsort keine tragende Rolle. Der Umstand, dass sich die Eltern um das Kind nicht an einem Urlaubort, der für das Kind eher eine fremde Umgebung darstellt, sondern zu Hause in der gewohnten Umgebung kümmern, wird von einem Kleinkind nicht als beeinträchtigend empfunden. Der gesetzgeberische Zweck, entgangene Urlaubsfreuden als immateriellen Schaden auszugleichen, kommt bei einem Kleinkind demgemäß nicht zum Tragen.

Die Klage der Klägerin zu 3. auf Freistellung von Honoraransprüchen ihres Prozessbevollmächtigten ist zum Teil begründet.

Die Klägerin zu 3. kann Freistellung von Honoraransprüchen ihres Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 334,75 € verlangen (§ 280 Abs. 1 BGB).

Die Klägerin zu 3. war als Buchende und Vertragspartnerin der Beklagten berechtigt, sich nach der Kündigung des Reisevertrages durch die Beklagte anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Die Kündigung des Reisevertrages erfolgte ohne berechtigenden Grund. Ohne einen solchen Grund ist ein Reiseveranstalter nicht berechtigt, einen Reisevertrag zu kündigen. Die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten sind adäquat kausale Folge aus der Pflichtverletzung. Sie sind als Schadensersatz neben der Leistung ersetzbar. Die Klägerin durfte sich zur Wahrnehmung ihrer Rechte anwaltlicher Hilfe bedienen.

Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 3. eine vorgerichtliche Tätigkeit durch Übersendung eines Mahnschreibens entfaltet hat, hat die Beklagte nicht bestritten. Als Buchende und Vertragspartnerin der Beklagten ist die Klägerin zu 3. berechtigt gewesen, sämtliche Ansprüche der mitreisenden Personen geltend zu machen.

Der Freistellungsanspruch beläuft sich aber nur auf 334,75 €, weil sich die Gebühren lediglich nach einem Gegenstandswert von 2.484,90 € berechnen.

Der Zinsanspruch für die Forderung der Klägerin zu 1. beruht auf §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286 Abs. 1, 288 abs. 1 BGB.

Die Kosten des Rechtsstreits sind in dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens unter Berücksichtigung der Beteiligung der Parteien am Gesamtstreitwert und unter Beachtung der Grundsätze der sog. Baumbach’schen Formel zu verteilen (§§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 u. 2 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung vom 21. Juni 2018 nicht erreicht wird.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Zwar wird in der Rechtsprechung die die Frage, ob Kindern eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zusteht, kontrovers diskutiert. Es überwiegt aber die Annahme, dass auch 5-jährigen Kindern eine Entschädigung zustehen kann. Die Richtigkeit dieser herrschenden Meinung bedarf keiner Überprüfung durch den BGH. Demgegenüber besteht auch eine herrschende Meinung, dass Kleinkindern bis 2 Jahren keine Entschädigung zusteht. Die abweichende Auffassung vom AG Hannover (Urt. v. 20.9.2017, Az. 506 C 631/17) stellt eine vereinzelt gebliebene Entscheidung dar, die ebenfalls keine Revisionszulassung gebietet.

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