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Vaterschaftsanfechtung und Prozeßkostenhilfe (Hemmung der Anfechtungsfrist)

OLG Dresden

Az.:10 WF 145/01

Beschluss vom 24. April 2001

Vorinstanz: Amtsgericht Marienberg – Az.: 2 F 286/00


Norm: BGB § 1606 Abs. 6 Satz 2

Leitsatz:

Prozesskostenhilfebedürftigkeit kann den Ablauf der Frist zur Anfechtung der Vaterschaft bis zur Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch hemmen; zeichnet sich ab, dass vor Fristablauf mit einer Entscheidung des Gerichts nicht zu rechnen ist, muss zusätzlich ein Antrag gemäß § 65 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 GKG eingereicht werden.


Beschluss des 10. Zivilsenats – Familiensenat – vom 24. April 2001:

In der Familiensache wegen Anfechtung der Vaterschaft hier: Prozesskostenhilfe hat der 10. Zivilsenat – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Dresden am 24.April 2001 durchbeschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht- Marienberg vom 11. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

I.

Mit der Behauptung, seine Mutter habe ihm vor ihrem Tod am xxxxxxxxxxxxxxxxxx auf dem Sterbebett anvertraut, sie wisse von seiner geschiedenen Frau, dass er nicht der Vater der am xxxxxxxxxxxxxx geborenen Beklagten sei, reichte der Kläger am 19. Juli 2000 Vaterschaftsanfechtungsklage ein, deren Zustellung er ausdrücklich von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig machte.

Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 25. August 2000 und trug unter Beweisantritt vor, der Kläger wisse seit ihrer Geburt, dass sie von ihm nicht gezeugt sei; er fechte die Vaterschaft nur deswegen an, um sich nach der Scheidung von ihrer Mutter am 8. Februar 2000 von seiner Unterhaltspflicht ihr gegenüber freizuzeichnen. Der Kläger erwiderte darauf mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2000, auf welchen die Beklagte am 3. November 2000 replizierte.

Mit Schreiben vom 8. September 2000, 30. Oktober 2000, 21. November 2000 und 30. November 2000 mahnte sein Rechtsanwalt die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch an, welche dann mit Beschluss vom 11. Januar 2001 erfolgte; allerdings nicht in dem vom Kläger erhofften Sinne.

Mit am 7. Februar 2001 bei dem Amtsgericht eingegangener Beschwerde rügt der Kläger die säumige Arbeitsweise des Gerichts; diese dürfe nicht zu Lasten des Klägers gehen, sondern es sei davon auszugehen, dass das Verfahren mit Eingang der Klage bei Gericht – am 20. Juli 2000 – rechtshängig geworden sei.

II.

Die zulässige (§ 127 Abs.2 Satz 2 ZPO) Beschwerde ist nicht begründet.

Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die Anfechtungsklage ohne Aussicht auf Erfolg ist: Sämtliche Anfechtungsfristen sind verstrichen, gleichgültig, ob man auf diejenige des § 62 FGB/DDR oder auf diejenige des § 1600b Abs.2 BGB abstellt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Fristen, auf die die vom Kläger gewünschte Behandlung seiner Klage als am 20. Juli 2000 rechtshängig geworden hinausläuft, ist dem Gesetz fremd.

Allenfalls wäre zu erwägen, ob der Kläger innerhalb der letzten sechs Monate der Anfechtungsfrist des § 1600b Abs.2 BGB an der Rechtsverfolgung durch höhere Gewalt verhindert war und deshalb der Ablauf der Frist gehemmt gewesen ist (§ 1600b Abs.6 Satz 2 i.V.m. § 203 Abs.2 BGB). Dies wurde beispielsweise bei vom Gericht verschuldeter Verzögerung der Bestellung eines Pflegers (BGH, FamRZ 1995, 1484), bei falschen Auskünften durch Gerichte und Behörden (OLG Hamm, FamRZ 1977, 551; Thüringer Oberlandesgericht, OLG-NL 1995, 182; OLG Celle, DAVorm 1998, Sp.237) oder auch dann bejaht, wenn eine durch Rechtsunkenntnis bedingte Fristversäumung durch eine amtliche Äußerung bestärkt wurde (Henrich in Anmerkung zu AG Schweinfurt, FamRZ 1999, 1368).

Unter diesem Blickwinkel könnte auch Armut im Sinne des Prozesskostenhilferechts und zögerliche Behandlung des Hilfegesuchs höhere Gewalt im Sinne dieser Rechtsprechung sein, sofern der Kläger alles seinerseits erforderliche getan hat (KG, FamRZ 1978, 927; OLG Celle, a.a.O.). Vorliegend kann diese Rechtsprechung jedoch nicht zugunsten des Klägers herangezogen werden. Höhere Gewalt liegt nämlich nur vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen beruht, die auch durch die äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden konnten. Schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus. Dabei muss sich der Kläger ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (BGHZ 17, 199; 31, 342; 81, 353). Dieser hätte sich nicht damit begnügen dürfen, vor Fristablauf ein einziges Mal auf rasche Entscheidung über das Gesuch um Prozesskostenhilfe zu drängen. Der Anwalt hätte vielmehr rechtzeitig und unter Hinweis auf den drohenden Ablauf der Anfechtungsfrist einen Antrag auf

Zustellung der Klage ohne Einzahlung des Gebührenvorschusses (§ 65 Abs.7 Satz 1 Nr.4 GKG) stellen müssen, den das Gericht nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit oder bei Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung hätte ablehnen dürfen (§ 65 Abs.7 Satz 2 GKG). Dies hat der Rechtsanwalt aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterlassen; sein im Beschwerdeverfahren nachgeschobener Vortrag, angesichts der nach Behauptung des Klägers insgesamt säumigen Arbeitsweise des Gerichts wäre ein solcher Antrag unbearbeitet geblieben, ist reine Spekulation und damit unbehilflich.

III.

Die Beschwerde ist mithin als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenfolge hierfür folgt aus dem Gesetz (KV Nr. 1952). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs.4 ZPO).

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