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Vaterschaftsgutachten (biostatistisches) – Bestreiten der Beiwohnung mit der Kindesmutter

BGH

Az: XII ZR 195/03

Urteil vom 03.05.2006


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2006 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 9. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 2. September 2003 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der am 3. Januar 1999 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und lebt mit seiner Mutter, die afrikanischer Abstammung ist und ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, in Deutschland. Er begehrt die Feststellung, dass der in Nigeria geborene Beklagte sein Vater ist, und behauptet, der Beklagte habe während der gesetzlichen Empfängniszeit mit seiner Mutter geschlechtlich verkehrt.

Der Beklagte bestreitet dies und hat bei seiner Parteivernehmung vor dem Amtsgericht lediglich eingeräumt, er habe die Mutter des Klägers nur einmal, nämlich am 20. April 1998, in seiner Wohnung übernachten lassen, und zwar in einem anderen Raum als dem, in dem er selbst geschlafen habe. Am nächsten Morgen habe sie in seinem Bett gelegen; ihm sei aber nicht bewusst, dass es zu sexuellem Kontakt gekommen sei. Er gehe davon aus, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger gewesen sei, und zwar vermutlich von dem Zeugen O.

Das Amtsgericht hat ein DNA-Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. eingeholt, das nach Untersuchung von Mundschleimhautabstrichen des Klägers, seiner Mutter und des Beklagten zu dem Ergebnis kam, die Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte der Vater des Klägers sei, errechne sich nach Essen-Möller mit einem Gesamtwert von 99,999 %.

Ferner hat das Amtsgericht die Mutter des Klägers und den Zeugen O. vernommen, die beide bekundeten, niemals geschlechtliche Beziehungen miteinander gehabt zu haben. Die Mutter des Klägers hat ferner unter Eid ausgesagt, mit dem Beklagten seit Anfang März 1998 bis zu dessen Abreise in die Vereinigten Staaten im Juni 1998 regelmäßig geschlechtlich verkehrt zu haben.

Das Amtsgericht gab der Klage mit der Begründung statt, aufgrund des Gutachtens sei die Vaterschaft des Beklagten erwiesen.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zu dessen Einwand, bei der biostatistischen Berechnung hätte der Sachverständige Vergleichsdaten aus der afrikanischen statt aus der europäischen Bevölkerung zugrunde legen müssen, eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt, in der dieser die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beklagten nunmehr mit 99,995 % angab. Von der Einholung eines vom Beklagten beantragten Blutgruppengutachtens sah das Berufungsgericht ab.

Ferner hat das Berufungsgericht die erstinstanzlich benannten Zeugen erneut vernommen, nicht aber den trotz mehrfacher Ladung nicht erschienenen Zeugen Dr. A., den der Beklagte im zweiten Rechtszug dafür benannt hatte, dass der Zeuge O. diesem Zeugen gegenüber eine langjährige sexuelle Beziehung mit der Mutter des Klägers bestätigt habe.

Aufgrund des Gutachtens und der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen sah auch das Berufungsgericht die Vaterschaft des Beklagten als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt an und wies die Berufung des Beklagten mit seiner in FamRZ 2004, 897 veröffentlichten Entscheidung zurück. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.

I.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 153, 82, 85; Senatsurteil vom 8. Februar 1984 IVb ZR 42/82 FamRZ 1984, 465, 466) ist nach § 640 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO gegeben, da der Kläger Deutscher ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

Für die Frage, welches Sachrecht anzuwenden ist, kommt es auf die (vom Berufungsgericht nicht festgestellte) Staatsangehörigkeit des Beklagten nicht an. Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, der hier nach Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB anzuwenden ist, weil der Kläger nach dem 30. Juni 1998 geboren ist, unterliegt dessen Abstammung dem Recht des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, mithin deutschem Recht.

Allerdings kann die Abstammung des Klägers im Verhältnis zum Beklagten gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB „ferner“ nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser angehört. Insoweit handelt es sich um eine grundsätzlich gleichrangige Zusatzanknüpfung für das Abstammungsstatut (vgl. Staudinger/Henrich BGB [2002] Art. 19 EGBGB Rdn. 22; Erman/Hohloch BGB 9. Aufl. Art. 19 EGBGB Rdn. 17 m.N.). Ob daraus folgt, dass stets dasjenige Recht anzuwenden ist, das eine möglichst einfache und schnelle Feststellung der Vaterschaft ermöglicht und deshalb für das Wohl des Kindes günstiger ist (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 686, 687), bedarf hier indes keiner Entscheidung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass ein anderes etwa in Betracht kommendes (materielles) Recht hier für den Kläger günstiger wäre als das deutsche, zum Beispiel, weil es anders als das deutsche Recht eine gesetzliche Vaterschaftsvermutung zu seinen Gunsten kennt. Auf Unterschiede des nationalen Prozessrechts kommt es nicht an, da für die Frage der Beweiserhebung und Beweiswürdigung ohnehin stets die lex fori gilt.

II.

In der Sache hält die angefochtene Entscheidung der revisionsrechtlichen Prüfung und den Verfahrensrügen der Revision nicht stand.

1. Das Berufungsgericht führt in seinen Entscheidungsgründen zunächst aus, das Ergebnis des DNA-Gutachtens widerlege die Behauptung des Beklagten, mit der Mutter des Klägers nicht geschlechtlich verkehrt zu haben, und die hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeit für den Beklagten spreche auch dafür, dass der Zeuge O. als Vater ausscheide.

a) Mit dieser Begründung allein hätte das angefochtene Urteil zwar in keinem Fall Bestand haben können. Der Tatrichter muss nämlich berücksichtigen, dass die DNA-Analyse lediglich eine statistische Aussage enthält, die eine Würdigung aller weiteren Beweisumstände nicht überflüssig macht (vgl. BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 239/92 BGHR StPO § 26 Identifizierung 8).

b) Die weiteren Entscheidungsgründe lassen indes erkennen, dass sich das Berufungsgericht bei seiner Beweiswürdigung nicht allein auf das Gutachten gestützt hat.

Es geht ersichtlich, wenn auch unausgesprochen, von der zwischen den Parteien unstreitigen Tatsache aus, dass der Beklagte und die Mutter des Klägers miteinander bekannt waren und zumindest einmal einen Teil einer Nacht in unmittelbarer körperlicher Nähe verbracht haben. Bereits die zusätzliche Berücksichtigung dieses Umstandes in Verbindung mit einem eingeholten Abstammungsgutachten kann grundsätzlich geeignet sein, die Überzeugung des Tatrichters von der Vaterschaft des als Vater in Anspruch genommenen Mannes zu rechtfertigen.

Denn ein weiterer, durch andere Beweismittel zusätzlich zu führender Nachweis der behaupteten Beiwohnung kann entbehrlich sein, wenn diese angesichts der inzwischen erreichbaren sehr hohen Wahrscheinlichkeitswerte bei der genetischen Zuordnung eines Kindes durch die moderne Paternitätsbegutachtung nach der Überzeugung des Tatrichters als mitbewiesen gilt (so bereits BGH, Urteil vom 1. Oktober 1975 IV ZR 121/74 FamRZ 1976, 24, 25; Palandt/Diederichsen BGB 65. Aufl. § 1600 d Rdn. 10).

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2. Zu Recht rügt die Revision aber, dass das Berufungsgericht den Zeugen Dr. A. nicht vernommen hat.

a) Der positive „Nachweis“ der Vaterschaft eines bestimmten Mannes mit biometrischen (biostatistischen) Methoden beruht letztlich nur auf einer Wahrscheinlichkeitsrechnung, die die – wenn auch unter Umständen äußerst geringe – Möglichkeit einer anderen Abstammung des Kindes nicht mit absoluter mathematisch-naturwissenschaftlicher Gewissheit auszuschließen vermag. Denn dies würde einen in der Praxis nicht erreichbaren Vaterschaftswahrscheinlichkeitswert von W = 100 % erfordern. Daher können andere Beweismittel, die ihrer Art nach generell geeignet sind, Erkenntnisse für die Klärung der Vaterschaft zu vermitteln, nämlich – wie auch hier – zur Abklärung eventuellen Mehrverkehrs, nicht von vornherein als untauglich abgelehnt werden. Dies gilt grundsätzlich auch für den Zeugenbeweis, und zwar auch dann, wenn eine Begutachtung nach biostatistischen Methoden für den Beklagten eine hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeit ergeben hat (vgl. Senatsurteile vom 13. Juli 1988 IVb ZR 77/87 FamRZ 1988, 1037, 1038 bei einer Vaterschaftsplausibilität von 99,9996 % und vom 14. März 1990 XII ZR 56/89 FamRZ 1990, 615 f. bei einer solchen von 99,94 bis 99,95 %).

b) Die Vernehmung des Zeugen Dr. A. war auch nicht ungeeignet, etwa weil es sich nur um einen Zeugen vom Hörensagen handelt. Auch der Zeuge vom Hörensagen ist Zeuge, da er seine eigene konkrete Wahrnehmung bekunden soll. Zwar haftet dieser Art des Beweises eine besondere Unsicherheit an, die über die allgemeine Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises hinausgeht, so dass an die Beweiswürdigung hohe Anforderungen zu stellen sind. Dies könnte es aber nicht rechtfertigen, ein solches Beweismittel als unzulässig anzusehen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Mai 1984 III ZR 29/83 NJW 1984, 2039, 2040 und vom 2. Mai 1990 IV ZR 310/88 NJW-RR 1990, 1276 sowie Beschluss vom 30. Juli 1999 – 3 StR 272/99 NStZ 1999, 578 f.; Stein/Jonas/Chr. Berger ZPO 21. Aufl. vor § 373 Rdn. 17 und Fn. 37).

Jedenfalls wäre eine Aussage des Zeugen Dr. A., der Zeuge O. habe ihm gegenüber ein langjähriges sexuelles Verhältnis mit der Kindesmutter zugegeben, geeignet gewesen, die entscheidungserheblichen Aussagen des Zeugen O. und der Kindesmutter im Kernbereich zu erschüttern (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1986 – 1 StR 605/86 StV 1987, 45). Dies hätte das Berufungsgericht unter Umständen – nämlich dann, wenn sich diese Aussage auch auf die hier maßgebliche Empfängniszeit bezogen hätte – veranlassen müssen, auch den Zeugen O. in die Abstammungsbegutachtung einzubeziehen.

c) Das Berufungsgericht durfte von der Vernehmung des Zeugen Dr. A. auch nicht mit der Begründung absehen, er sei für das Gericht nicht erreichbar.

Der unter bekannter Anschrift im Bezirk des Berufungsgerichts lebende Zeuge ist zwar ausweislich der Akten trotz (formloser) Ladung zum 7. September 2001 und förmlicher Ladung zum 8. Februar 2002 nicht erschienen und konnte auch zu den weiteren Terminen am 16. August 2002 und 20. Mai 2003 nicht vorgeführt werden, da der Gerichtsvollzieher im ersten Fall auf Klingeln an der Wohnungstür keine Reaktion erhielt und ihn im zweiten Fall nicht in der Wohnung angetroffen hatte. Der Zeuge hat jedoch auf das gegen ihn verhängte Ordnungsgeld dadurch reagiert, dass er dem vollstreckenden Gerichtsvollzieher seine Unpfändbarkeit dargelegte. Ferner ist in den Akten ein Protokoll enthalten, demzufolge der Zeuge am 20. August 2001 auf Vorladung freiwillig im Büro des Gerichtsvollziehers erschienen war und unter Hinweis auf den Bezug von Sozialhilfe die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. Auch hat er der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts am 6. November 2002 mitgeteilt, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage zu sein, einer erneuten Ladung nachzukommen; er habe ohnehin kein Interesse daran, in dieser Sache auszusagen. Einer Aufforderung, ein ärztliches Attest vorzulegen, kam er nicht nach.

Unter diesen Umständen war der Zeuge Dr. A. für das Gericht nicht unerreichbar. Denn die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Unerreichbarkeit des Zeugen ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Gericht unter Beachtung seiner Aufklärungspflicht alle der Bedeutung des Zeugnisses entsprechenden Bemühungen zur Beibringung des Zeugen – unter Umständen auch unter Anwendung von Zwangsmitteln – vergeblich entfaltet hat und keine begründete Aussicht besteht, das Beweismittel in absehbarer Zeit beizubringen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1981 – 3 StR 359/81 NStZ 1982, 78). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn das Gericht seine Nachforschungen auf die Verfügbarkeit des Zeugen am Terminstag beschränkt hatte und nicht der Frage nachgegangen war, ob er in absehbarer Zeit vernommen werden kann (vgl. BGH Urteil vom 16. Dezember 1982 – 4 StR 630/82 NStZ 1983, 180 f.).

d) Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht weitere Bemühungen um eine Aussage des Zeugen wegen deren „beschränkter Relevanz“ und der bereits eingetretenen Verfahrensdauer für nicht angebracht hielt.

Der Senat hat in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 10. Februar 1993 XII ZR 241/91 FamRZ 1993, 691, 693) die Auffassung vertreten, im Vaterschaftsprozess habe mit Rücksicht auf den meist nur unsicheren Wert der übrigen Beweismittel die medizinische Begutachtung im Vordergrund zu stehen; der Tatrichter könne daher nicht zu einer Zeugeneinvernahme gezwungen werden, von der er sich keine zweifelsfreie Aufklärung verspreche. Dies bezog sich indes auf die Geeignetheit des Beweismittels: Die in jenem Fall zur Frage der Identität der untersuchten Blutprobe benannten Zeugen hätten den Weg der Blutprobe von der Entnahme bis zur Untersuchung im Labor ohnehin nicht lückenlos aus eigener Kenntnis schildern können. Soweit das zitierte Senatsurteil gleichwohl dahin zu verstehen sein sollte, dass auf die Vernehmung eines Zeugen verzichtet werden könne, wenn der Tatrichter davon ausgeht, auch seine Einvernahme werde bestehende Zweifel letztlich nicht ausräumen können, hält der Senat daran nicht fest; dies wäre eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.

3. Ferner rügt die Revision zu Recht, das Berufungsgericht habe dem Antrag des Beklagten stattgeben müssen, ein ergänzendes Blutgruppengutachten einzuholen.

a) Soweit das Berufungsgericht diesen Antrag dahin auslegt, der Beklagte bezweifle die Validität der anhand von Mundschleimhautabstrichen erstellten DNA-Analyse und verlange deshalb eine erneute DNA-Analyse anhand von Blutproben, vermag der Senat, der den Beweisantrag als Prozesserklärung selbst auslegen kann, dem nicht zu folgen.

Zwar sollte eine DNA-Analyse grundsätzlich gemäß Abschnitt 2.3.1 der im März 2002 veröffentlichten und gemeinsam von der Bundesärztekammer Köln (BÄK) und dem Robert-Koch-Institut Berlin (RKI) erarbeiteten neuen Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten (FamRZ 2002, 1159 ff.) – nachstehend: „Richtlinien 2002“ – anhand einer entnommenen Blutprobe vorgenommen werden, da es sich bei Blut um das für ein Abstammungsgutachten geeignetste Material handelt, das gegenüber einem Schleimhautabstrich deutliche Vorteile aufweist.

Der Kontext dieses Beweisantrags in der Berufungsbegründung gibt aber für die Auslegung des Berufungsgerichts nichts her, zumal die Eignung von Mundschleimhautabstrichen nicht thematisiert wird. Auch die Verwendung des Begriffs „Blutgruppengutachten“ spricht gegen diese Auslegung, da bei einem solchen Gutachten einzelne Blutbestandteile analysiert werden, nicht aber die Genabschnitte, die für ihre Zusammensetzung bestimmend sind. Nach der Überzeugung des Senats verfolgte der Beweisantrag des Beklagten das Ziel, ein Blutgruppengutachten (bzw. ein umfassenderes, weitere Blutbestandteile einbeziehendes serologisches Abstammungsgutachten) einzuholen, in der Hoffnung, dass dieses – wenn auch entgegen aller biostatistischen Wahrscheinlichkeit – zu einem Ausschluss seiner Vaterschaft führen werde.

b) Ob von der Einholung eines solchen ergänzenden Gutachtens ausnahmsweise abgesehen werden kann, wenn mit biostatistischen Methoden bereits eine extrem hohe Vaterschaftsplausibilität nachgewiesen wurde (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1994 XII ZR 155/92 FamRZ 1994, 506, 507: 99,99999999999 = Unsicherheit von 1 zu 10 Billionen), bedarf hier keiner Beurteilung. Denn die vom Sachverständigen hier zuletzt errechnete Plausibilität von 99,995 % stellt eine damit nicht vergleichbare Größenordnung dar; sie entspricht einer Unsicherheit von 1 zu 20.000.

Unter diesen Umständen ist ein ergänzendes Gutachten einzuholen, wenn es – unter Berücksichtigung des bisher ermittelten Beweisergebnisses – zur weiteren Aufklärung erheblicher Umstände geeignet ist, die zumindest als ernstzunehmende Indizien gegen die Vaterschaft sprechen (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1994 aaO 508; BGH Urteil vom 5. Dezember 1973 IV ZR 77/72 FamRZ 1974, 181). Das ist hier der Fall, da es nicht undenkbar ist, dass ein ergänzendes serologisches Gutachten zum sicheren Ausschluss der Vaterschaft des Beklagten führt. Hingegen darf ein Beweisantritt zurückgewiesen werden, wenn er lediglich zum Ziel hat, einen festgestellten hohen Wahrscheinlichkeitswert für die Vaterschaft des in Anspruch genommenen Mannes zu relativieren, ohne dass sonst Umstände dargetan sind, die zu einem Vaterschaftsausschluss führen können (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1990 XII ZR 155/92 FamRZ 1991, 426, 428).

Allerdings wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Einholung des ergänzenden Gutachtens nach §§ 412, 402, 379 ZPO von der Einzahlung eines angemessenen Auslagenvorschusses durch den Beklagten abhängig zu machen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1990 aaO; Odersky Nichtehelichenrecht 4. Aufl. § 640 ZPO Rdn. 52 f., 55).

III.

1. Das angefochtene Urteil kann daher mit der ihm gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Der Rechtsstreit ist vielmehr unter Aufhebung des Berufungsurteils zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

2. Deswegen erübrigt sich auch eine Entscheidung des Senats darüber, ob das eingeholte Gutachten wegen der ursprünglich zugrunde gelegten Vergleichsdaten (Allelfrequenzen) aus der europäischen Bevölkerung und der später herangezogenen Vergleichsdaten von „African-Americans“ Anlass zu Zweifeln an dem zuletzt ausgewiesenen Wahrscheinlichkeitswert von 99,995 % gibt oder gleichwohl weiterhin als Beweismittel verwendet werden kann.

Die Entscheidung über den Beweiswert wissenschaftlicher Methoden der Vaterschaftsfeststellung ist eine Aufgabe, die das Gericht der Tatsacheninstanz anhand der von ihm eingeholten Sachverständigengutachten zu lösen hat (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 1990 XII ZR 92/89 FamRZ 1991, 185, 187).

Bei der weiteren Beweisaufnahme wird das Berufungsgericht den Beweiswert des eingeholten Gutachtens aber erneut zu prüfen haben, und zwar – gegebenenfalls erneut sachverständig beraten – unter Berücksichtigung der seit Anfang 2001 (Ergänzung des Gutachtens) gewonnenen neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse.

a) Dabei wird es sich zunächst vor Augen halten müssen, dass ein biostatistisches Gutachten für sich allein zwar nicht geeignet ist, einen mathematisch-naturwissenschaftlich stringenten Beweis der Vaterschaft herbeizuführen. Die Übereinstimmung sämtlicher untersuchten genetischen Merkmale des Terzetts aus Mutter, Kind und Proband kann aber eine so hohe Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Probanden belegen, dass sich daraus – gegebenenfalls in Verbindung mit unterstützenden Tatsachen oder Indizien – ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit ergibt, der Zweifeln Schweigen gebietet. Dann kann der Tatrichter daraus insgesamt die volle Überzeugung von der Vaterschaft des in Anspruch genommenen Mannes gewinnen. Nichts anderes bedeutet das verbale Prädikat „Vaterschaft praktisch erwiesen“, das nach Abschnitt 2.62 der Richtlinien 2002 Wahrscheinlichkeitswerten von W > 99,9 % zukommt.

aa) Für die Überzeugungsbildung des Tatrichters auf der Grundlage eines Abstammungsgutachtens ist es allerdings erforderlich, zumindest im Ansatz nachvollziehen zu können, auf welchen Voraussetzungen und Methoden die Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit nach Essen-Möller beruht (zur Berechnung im Einzelnen siehe Patzelt/Baur/Bertrams in: Madea/Brinkmann [Hrsg.], Handbuch gerichtliche Medizin, Band 2 [2003] S. 1059 – 1065; Brühl/ Göppinger/Mutschler Unterhaltsrecht 2. Teil – Verfahrensrecht – 3. Aufl. 1976 Rdn. 1299).

Im – auch hier vorliegenden – Standardfall der Begutachtung mit Typisierung von Kind, Mutter und Putativvater (Terzett) soll die Abstammungsbegutachtung die möglichst fehlerfreie Entscheidung zwischen zwei allein denkbaren und einander ausschließenden Hypothesen ermöglichen: Entweder der Putativvater ist der Erzeuger des Kindes (Hypothese H1), oder er ist es nicht (Hypothese H2).

Dabei ist jedoch die Erkenntnis zu berücksichtigen, dass sich eine Übereinstimmung der genetischen Merkmale, die das Kind vom Vater geerbt haben muss, mit denen des Putativvaters auch daraus ergeben kann, dass ein naher Blutsverwandter (z.B. Bruder oder Vater) des Putativvaters der Erzeuger ist. Deshalb werden der Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit im Standardfall modifizierte alternative Hypothesen zugrunde gelegt: Entweder der Putativvater ist der Erzeuger des Kindes (H1), oder er ist mit dem Kind nicht blutsverwandt (H2). Die zweite Hypothese schließt somit neben dem Putativvater zugleich auch jeden mit ihm nahe verwandten Mann aus.

Die auf dem Bayes-Theorem beruhende Wahrscheinlichkeitsberechnung setzt zunächst die Festlegung einer a-priori-Wahrscheinlichkeit für beide Hypothesen voraus, d.h. eine Wahrscheinlichkeitseinschätzung vor Kenntnis der genetischen Merkmale der Beteiligten. Um eine „unvoreingenommene“, d.h. von nicht biostatistischen Vorgaben (zum Beispiel sonstigen Beweisanzeichen) unbeeinflusste Wahrscheinlichkeitsberechnung zu ermöglichen, ist es allgemein üblich und aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, beiden Hypothesen eine gleich hohe a-priori-Wahrscheinlichkeit von 0,5 = 50 % zuzubilligen (vgl. Odersky aaO § 1600 o BGB Rdn. 41), also nicht schon im Vorhinein eine Hypothese für wahrscheinlicher zu halten als die andere.

Vereinfacht dargestellt, dient der Vergleich der genetischen Merkmale der Beteiligten im Rahmen der Abstammungsbegutachtung dazu, für die beiden Hypothesen möglichst aussagekräftige gegenläufige a-posteriori-Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, wie zunächst das folgende (vereinfachte) Beispiel – anhand nur eines für derartige Untersuchungen geeigneten DNA-Systems – zeigt:

Wenn die Beteiligten – bei gleicher ethnischer Zugehörigkeit – beispielsweise im System FGA folgende Allele aufweisen:

Mutter: 20/22

Kind: 20/24

Putativvater: 24/25,

wird zunächst die biostatistische Wahrscheinlichkeit X einer solchen Konstellation unter der Hypothese H1 (der Putativvater ist der Erzeuger) berechnet. Dieser Wahrscheinlichkeit X wird sodann die Wahrscheinlichkeit Y der gleichen Konstellation unter der Hypothese H2 (der Putativvater ist mit dem Kind nicht blutsverwandt und somit auch nicht der wirkliche Vater) gegenübergestellt. Die Wahrscheinlichkeit W der Hypothese H1 ergibt sich dann aus der Formel W = bzw. W = .

Dabei leuchtet ein, dass es in dieser Konstellation irrelevant ist, wie häufig die Allelkombinationen 20/22 (Mutter) oder 24/25 (Putativvater) in der relevanten Bevölkerung anzutreffen sind. Denn diese Wahrscheinlichkeiten sind unabhängig davon vorgegeben, ob Hypothese H1 oder H2 unterstellt wird. Sie wären somit im Quotienten sowohl über als auch unter dem Bruchstrich einzusetzen und sind folglich durch Kürzung mathematisch wieder zu eliminieren (vgl. Madea/Brinkmann aaO S. 1061).

Die biostatistische Wahrscheinlichkeit, dass im vorliegenden Terzett das Kind die bei ihm vorgefundene Allelkombination 20/24 aufweist, ist hingegen unterschiedlich, je nachdem ob Hypothese H1 oder H2 zugrunde gelegt wird.

Unter der Hypothese H1 (Vaterschaft) betrug die Wahrscheinlichkeit, dass es von der Mutter deren Allel 20 (und nicht deren anderes Allel 24) erben werde, 1/2. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass es vom Vater dessen Allel 24 (und nicht 25) erben werde, betrug 1/2. Die Wahrscheinlichkeit X der Allelkombination 20/24 betrug somit 1/2 x 1/2 = 1/4. Denn ein Kind dieser Eltern erbt zwangsläufig eine der vier möglichen und gleich wahrscheinlichen Allelkombinationen 20/24, 20/25, 22/24 oder 22/25.

Unter der Hypothese H2 (weder der Putativvater noch ein mit ihm nahe Verwandter ist der Erzeuger) hing die Wahrscheinlichkeit, vom – unbekannten – Erzeuger das Allel 24 zu erben, hingegen von der Häufigkeit f24 ab, mit der dieses Allel in der Bevölkerung anzutreffen ist, aus der der unbekannte Erzeuger stammt. Die Wahrscheinlichkeit Y errechnet sich folglich mit 1/2 f24 .

Beträgt die Häufigkeit f24 beispielsweise 0,1325, d.h. 13,25 % der maßgeblichen Bevölkerung weisen in diesem System das Allel 24 auf, folgt daraus Y = 1/2 x 0,1325 = 0,06625. Die Wahrscheinlichkeit, dass Hypothese H1 zutrifft (Vaterschaft), errechnet sich bei isolierter Betrachtung dieses Systems mithin wie folgt: W = = = = 0,7905.

bb) Eine solche Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft des in Anspruch genommenen Mannes reicht für die gerichtliche Feststellung seiner Vaterschaft bei weitem nicht aus. Aussagekräftigere Wahrscheinlichkeitswerte lassen sich aber dadurch erzielen, dass mehrere Systeme untersucht werden. Dann lässt sich die Gesamtwahrscheinlichkeit der Hypothesen H1 und H2 durch Multiplikation der für jedes einzelne System errechneten Wahrscheinlichkeitsquotienten darstellen.

Wird beispielsweise zur Vereinfachung hier unterstellt, dass drei Systeme untersucht werden, in denen die Häufigkeit derjenigen Allele, die das Kind von seinem Vater geerbt haben muss und die der Putativvater vererben kann, in der relevanten Bevölkerung ebenfalls jeweils 0,1325 beträgt, ergibt sich mit W = = = = 0,9817 bereits ein deutlich höherer Wahrscheinlichkeitswert.

Bei neun Systemen, bei denen zur Vereinfachung wiederum stets gleiche Häufigkeiten unterstellt werden, ergäbe sich sogar eine Wahrscheinlichkeit von W = = rund 0,99999.

Daraus ist ersichtlich, dass die gewonnenen Vaterschaftswahrscheinlichkeitswerte zum einen mit der Zahl der untersuchten Systeme signifikant ansteigen, andererseits aber auch von der Häufigkeit abhängig sind, mit der die vorgefundenen Allele in der Bevölkerung anzutreffen sind. Denn es ist unmittelbar einsichtig, dass eher seltene Erbeigenschaften, die sowohl bei dem Kind als auch bei dem Putativvater nachgewiesen werden, einen stärkeren Hinweis auf dessen Vaterschaft darstellen als Übereinstimmungen bei häufig anzutreffenden Merkmalen.

cc) In welchem Maße diese beiden Faktoren sich auf das Endergebnis der biostatistischen Berechnung auswirken, wird deutlich, wenn – wiederum bei einem, bei drei und sodann bei neun untersuchten Systemen – weniger unterscheidungskräftige Häufigkeiten von je f(n) = 0,4 (d.h. 40 % der Bevölkerung weisen diese Merkmale auf) zugrunde zu legen wären.

Bei nur einem System ergäbe sich dann Y = 1/2 x 0,4 = 0,2 und folglich nur ein Wahrscheinlichkeitswert von W = = = = 0,5556, bei drei Systemen von W = = = 0,6614 und selbst bei neun Systemen von (nur) = = 0,8817.

Daran lässt sich ermessen, welche Auswirkungen es hat, wenn Unsicherheit darüber besteht, welche bevölkerungsspezifischen Allelhäufigkeiten zugrunde zu legen sind. Diese Häufigkeiten variieren nämlich – mitunter erheblich – je nachdem, welche bekannten Populationsdaten berücksichtigt werden. Diese Frage ist Gegenstand des vom Sachverständigen vorgelegten ergänzenden Gutachtens. Wenn feststeht, dass der als Vater in Anspruch genommene Mann einer bestimmten ethnischen Bevölkerungsgruppe entstammt, ist es geboten, die betreffenden Populationsdaten – soweit bekannt – zugrunde zu legen.

Zugleich wird aber deutlich, dass die Bedeutung der zugrunde gelegten Allelhäufigkeiten um so mehr zurücktritt, je mehr Systeme in die Untersuchung einbezogen werden. Unsicherheiten in diesem Bereich lassen sich mit anderen Worten durch eine Erhöhung der Zahl der untersuchten Systeme bis auf ein nicht mehr relevantes Ausmaß kompensieren.

Welche Auswirkungen die Zugrundelegung „falscher“ Populationsdaten auf das biostatistische Ergebnis hat, lässt sich zwar der Größenordnung nach allgemein anhand durchschnittlicher Frequenzabweichungen einschätzen; die möglichen Auswirkungen im Einzelfall sind aber nur zu berechnen, wenn die Frequenzabweichungen der jeweiligen Allele bekannt sind, die das Kind vom Vater ererbt haben muss.

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies:

b) Das im Jahre 2000 erstellte Gutachten hat ausweislich seiner Vorbemerkungen zur Klärung der Abstammungsverhältnisse DNA-Systeme verwendet und sich dabei auf die Richtlinien des Bundesgesundheitsamtes für die Erstattung von DNA-Abstammungsgutachten aus dem Jahre 1992 (DAVorm 1993, 689 ff.) berufen, die dies in Punkt 7.1.2 ausnahmsweise zulassen – allerdings für den Fall einer grundsätzlich nicht oder nur eingeschränkten Möglichkeit einer Untersuchung auf Blutgruppenmerkmale (kritisch dazu Krawczak/Schmidtke DAVorm 1993, 696, 697). Dass dieser Fall hier vorgelegen habe, ist zwar nicht ersichtlich. Darauf dürfte es indes nicht ankommen. Angesichts des seit 1992 erzielten wissenschaftlichen Fortschritts auf dem Gebiet der DNA-Analyse ist der Senat inzwischen der Auffassung, dass auch ein isoliertes DNA-Gutachten grundsätzlich jedenfalls dann als geeignetes Beweismittel im Vaterschaftsfeststellungsverfahren angesehen werden kann, wenn es den Anforderungen der Richtlinien 2002 entspricht und die Fachkunde und Sorgfalt des Gutachters – insbesondere aufgrund eines in diesen Richtlinien geforderten Qualitätsmanagements – außer Zweifel steht. Diese Richtlinien bezeichnen inzwischen auch die isolierte DNA-Analyse, namentlich in Punkt 2.4.1.2 auch die hier vom Sachverständigen vorgenommene isolierte Untersuchung von Mikrosatelliten-Polymorphismen (Short Tandem Repeats, STR), als hinreichend evaluiert und auch allein verwendbar (vgl. auch Orgis FamRZ 2002, 1157 f.).

Dabei kann dahinstehen, welche Rechtsqualität diese Richtlinien im Vergleich zu denen des Bundesgesundheitsamtes aufweisen und ob sie jene mit ihrem „Inkrafttreten“ abgelöst haben (vgl. Rittner/Rittner NJW 2002, 1745, 1747; kritisch auch zum Inhalt der Richtlinien selbst Martin/Muche/Zang FamRZ 2003, 76, 77; vgl. auch Mutschler FamRZ 1995, 841 ff. zu den Richtlinien 1993 der Arbeitsgemeinschaft der Sachverständigen für Abstammungsgutachten in der Bundesrepublik Deutschland e.V., FamRZ 1994, 872 ff.). Allerdings fordern die Richtlinien 2002 in Punkt 2.4.2.1 die Untersuchung von mindestens zwölf voneinander unabhängigen Loci auf mindestens zehn verschiedenen Chromosomen, während der Sachverständige hier lediglich neun Loci („Systeme“) untersucht hat.

Wie bereits dargelegt, liegt es auf der Hand, dass der biostatistische Aussagewert eines solchen Gutachtens um so höher ist, je mehr Loci in die Untersuchung einbezogen werden. Zwar kann die Untersuchung nur einiger Loci bereits Wahrscheinlichkeitswerte ergeben, die das verbale Prädikat „Vaterschaft praktisch erwiesen“ verdienen, wie das hier vorliegende Gutachten zeigt. Die in den Richtlinien 2002 erhobene Forderung nach der Untersuchung von mindestens 12 Loci zeigt aber das beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und Technik vom Aufwand her durchaus zu rechtfertigende Bemühen um höchstmögliche Gewissheit auf. Dies sollte daher regelmäßig auch aus forensischer Sicht künftig mindestens gefordert werden. Entscheidend ist stets, ob der gewonnene Wahrscheinlichkeitswert den für die volle Überzeugung des Tatrichters im Einzelfall zu verlangenden Beweisanforderungen genügt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Untersuchung einer möglichst großen Zahl von Loci zweifellos aber schon deshalb zu empfehlen, weil sie erwarten lässt, dass daraus im Einzelfall hinreichend aussagekräftige Werte resultieren.

c) Aber nicht nur diese Erwägungen wird das Berufungsgericht bei der Frage, ob es das Ergebnis des vorliegenden Gutachtens weiterhin zugrunde legen will, zu berücksichtigen haben.

Auch ohne insoweit sachverständig beraten zu sein, hält der Senat es für einleuchtend, dass die Zuverlässigkeit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage erheblich davon beeinflusst werden kann, welche Populationsdaten ihr zugrunde gelegt wurden.

Dem Gutachten des Sachverständigen ist nicht zu entnehmen, welche Allelfrequenzen bei jedem einzelnen untersuchten Locus ursprünglich und sodann aufgrund der Hypothese der Zugehörigkeit zu „African-Americans“ zugrunde gelegt wurden. Seine ergänzende Stellungnahme lässt auch die Deutung zu, dass er die Abweichungen der Allelfrequenzen zwischen dieser Population und der ursprünglich zugrunde gelegten „europäischen“ Population allgemein eingeschätzt hat, nicht aber speziell für die einzelnen beim Kindesvater notwendigerweise vorauszusetzenden Allele, und auf diese Weise lediglich im Wege eines globalen „Sicherheitsabschlages“, ausgehend vom ursprünglich errechneten Wahrscheinlichkeitswert 99,999, zu einem solchen von 99,995 % gelangt ist. Eine solche pauschale, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogene Ergebniskorrektur wäre nach Auffassung des Senats bedenklich.

Ob die Forderung der Revision gerechtfertigt ist, statt dessen – soweit verfügbar – nigerianische Frequenzen zugrunde zu legen, kann dahinstehen, da Feststellungen zur ethnischen Zugehörigkeit des Beklagten fehlen; das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, dass er in Nigeria geboren sei. Hinzu kommt, dass sich die nigerianische Bevölkerung aus unterschiedlichen Ethnien zusammensetzt.

Jedenfalls sind aber inzwischen – auch und gerade an dem vom Sachverständigen geleiteten Institut – afrikanische Populationsdaten verfügbar, die bei Abfassung des Gutachtens noch nicht erhoben oder veröffentlicht waren und nunmehr in eine erneute Begutachtung einbezogen werden könnten (vgl. Krause, Eine weltweite Datenbank für Allelfrequenzen autosomaler STR-Systeme, Diss. Münster 2005, S. 52 nebst zugehöriger CD-ROM).

IV.

Das Berufungsgericht wird daher zu prüfen haben, ob es sich empfiehlt, zusätzlich zu dem beantragten Blutgruppengutachten oder gegebenenfalls auch an dessen Stelle ein erneutes DNA-Gutachten unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse einzuholen – gegebenenfalls mit Untersuchung weiterer Loci -, und zwar möglicherweise unter Rückgriff auf das vermutlich noch archivierte genetische Material des bisher untersuchten Terzetts.

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