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Kraftfahrzeugrennen (verbotenes) – notwendige Feststellungen

OLG Hamm

Az.: 1 RBs 24/13

Beschluss vom 05.03.2013


In pp. hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm 05.03.2013 beschlossen.

Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass das angeordnete Fahrverbot von einem Monat erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).

Gründe

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat in ihrer Antragsschrift vom 04.02.2013 Folgendes ausgeführt:

„ I.

Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen mit Urteil vom 01.10.2012 (Bl. 55 – 57 d. A.) wegen Teilnahme an einem nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennen (§§ 29 Abs. 1, 49 StVO, 24, 25 StVG) zu einer Geldbuße von 400,00 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Gegen dieses in Anwesenheit des Betroffenen verkündete (BI. 47, 48 R. d. A.) und auf Anordnung des Vorsitzenden vom 26102012 (BI. 57 R. d. A.) seinem Verteidiger am 08.11.2012 zugestellte (BI. 64 d. A.) Urteil hat der Betroffene mit am 05.10.2012 bei dem Amtsgericht Dortmund eingegangenem Telefax-Schreiben seines Verteidigers vom selben Tage (BI. 61 d. A.) Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit weiterem, am 06.12.2012 bei dem Amtsgericht Dortmund eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom selben Tage (BI. 67 – 70 d. A.) mit der näher ausgeführten Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.

II.

Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte, rechtzeitig eingelegte und form- und fristgerecht begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Soweit der Betroffene rügt, das Gericht habe unter Verstoß gegen § 261 StPO seine Überzeugung mit einem Beweis begründet, der nicht erhoben worden sei, da es sich auf die Zeugin S, die nicht vernommen worden sei, bezogen habe („lnbegriffsrüge“), ist diese Rüge nicht in zulässiger Weise erhoben worden. Bei der Verfahrensrüge muss der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein auf die Begründungsschrift hin prüfen kann, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt, wenn das Vorbringen des Betroffenen tatsächlich zutrifft (zu vgl. Göhler, OWiG, 16. Auflg., § 79, Rn. 27 d). Die bloße Behauptung, das Tatgericht habe „in dem Urteil auf die Zeugin S und deren Erkenntnisse zum Vorgang verwiesen“, genügt diesen strengen Anforderungen nicht. Ungeachtet dessen trifft die Behauptung des Betroffenen auch nicht zu. Das Gericht hat PKin S zwar in seinen Feststellungen im Urteil als Zeugin bezeichnet, jedoch hat es im Rahmen seiner Beweiswürdigung dargelegt, dass seine Feststellungen auf der Einlassung des Betroffenen, soweit dieser habe gefolgt werden können, und auf der Vernehmung der Zeugen PK T, C2 und L beruhe, was im Einklang mit dem Hauptverhandlungsprotokoll steht.

Soweit der Betroffene weiterhin rügt, PKin S hätte vom Gericht als Zeugin vernommen werden müssen, und damit die Aufklärungsrüge erheben will, ist auch diese formelle Rüge nicht in einer § 344 Abs. 2 StPO genügenden Form erhoben worden. Die Aufklärungsrüge, mit der eine Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO geltend gemacht wird, ist nur dann in zulässiger Form erhoben, wenn die Rechtsbeschwerdebegründung die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, und das Beweismittel bezeichnet, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen. Ferner muss angegeben werden, welche Umstände das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen und welches — für den Betroffenen günstige — Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflg., § 244, Rn. 81). Warum sich das Gericht, nachdem es den Zeugen PK T vor allem zur Eintreffsituation vernommen hatte, zur Vernehmung der Zeugin S gedrängt sehen musste, wird in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht im erforderlichen Umfang dargelegt. Insbesondere geht aus der Rechtsbeschwerdebegründung nicht hervor, was die Zeugin PKin S in dem „Parallelverfahren“ angegeben hat und ob das Gericht hiervon Kenntnis hafte.

Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen. Dass das Amtsgericht entgegen §§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO, 71 Abs. 1 OWiG nach der Urteilsformel die angewendeten Vorschriften nicht bezeichnet hat, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen, da das Urteil hierauf nicht beruht und sich die angewendeten Vorschriften aus den Urteilsgründen im Übrigen ergeben.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Teilnahme an einem nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennen gemäß §§ 29 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG. Ein Rennen im Sinne des § 29 Abs. 1 StVO ist ein Wettbewerb oder Wettbewerbsteil zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen, bei denen zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger durch Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit ermittelt wird (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.2005 – 2 Ss OWi 19/05 -‚ zitiert nach beck-online; OLG Hamm NZV 1997, 367; OLG Bamberg NStZ-RR 2011, 256). Einer vorherigen Absprache aller Beteiligten bedarf es nicht (zu vgl. OLG Hamm und OLG Bamberg a.a.O.). Das Gericht hat festgestellt, dass der Betroffene in einer Gruppe von mindestens drei weiteren Fahrzeugen zwei- bis viermal im Kreis fuhr, wobei die Fahrzeuge stark beschleunigt hätten und mit hoher Geschwindigkeit gefahren seien, ohne dass es zu Überholmanövern gekommen sei. Bei Eintreffen der Polizeibeamten habe der Betroffene bei eingeschaltetem Motor und Licht in seinem Fahrzeug, das neben den weiteren Fahrzeugen in Fahrtrichtung der zuvor gefahrenen Strecke gestanden habe, gesessen; die Straße, in der sie die Fahrzeuge vorgefunden hätten, sei den Polizeibeamten als „Startaufstellung“ bekannt. Dass das Gericht nicht festgestellt hat, dass es den Beteiligten um eine „Siegerermittlung“ gegangen sei, steht der Feststellung eines Rennens im Sinne des § 29 Abs. 1 StVO nicht entgegen, da auch „Geschicklichkeits-, Zuverlässigkeits-, Leistungsprüfungs- und Orientierungsfahrten“, worum es sich nach den Feststellungen des Gerichts jedenfalls handelte, bereits dem Rennbegriff des § 29 Abs. 1 StVO unterfallen (zu vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflg., § 29 StVO, Rn. 2).

Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist auch die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Diese ist ureigenste Aufgabe des Tatrichters (zu vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 261 Rn. 3 m.w.N.). Das Rechtsbeschwerdegericht darf sie nur auf rechtliche Fehler prüfen, nicht aber durch eine eigene Beweiswürdigung ersetzen (zu vgl. BGHSt 10, 208, 210). Die nach Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers falsche Würdigung der Beweise kann daher mit der Rechtsbeschwerde grundsätzlich nicht gerügt werden. Das Rechtsbeschwerdegericht hat lediglich zu überprüfen, ob die Urteilsgründe rechtlich einwandfrei, d. h. frei von Widersprüchen, Unklarheiten und Verstößen gegen Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrungen sind (zu vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 337 Rn. 26 ff. m.w.N.).

Gemessen an diesen Anforderungen hat das Amtsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass sich der Betroffene an dem Rennen beteiligt hat. Das Gericht hat hierzu frei von Widersprüchen und lückenlos ausgeführt, die Zeugen C2 und L, die das Geschehen beobachtet haften, hätten angegeben, dass unter den teilnehmenden Fahrzeugen auch die drei später von der Polizei festgehaltenen Fahrzeuge gewesen seien. Dass sich darunter der Betroffene befunden habe, habe der Zeuge PK T bekundet.

Auch der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Die angeordneten Rechtsfolgen entsprechen der Sach- und Rechtslage. Insbesondere begegnet die Verhängung der Regelgeldbuße nach der BKatV keinen Bedenken.

Ebenso ist die Verhängung des einmonatigen Fahrverbots rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erfüllung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV i. V. m. Nr. 248 der BKatV indiziert nämlich – wie im vorliegenden Fall -grundsätzlich das Vorliegen einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVO, so dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf. Der Tatrichter war sich der Möglichkeit nach § 4 Abs. 4 BKatV bewusst, unter Erhöhung der Geldbuße auch von der Verhängung eines Fahrverbotes absehen zu können, was der Tatrichter mit seiner – wenn auch knappen – Begründung zu erkennen gegeben hat, Gründe, von der BKatV abzuweichen, lägen nicht vor. Zwar kann die Vermutungswirkung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV für das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG grundsätzlich widerlegt werden, wobei die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung des Tatrichters obliegt (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.03.2012 – III-3 RBs 19/12 -‚ zitiert nach burhoff-online; BGH NZV 1992, 286). Dass es im Fall der Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots zum Eintritt einer schwerwiegenden Härte wie z. B. dem Verlust des Arbeitsplatzes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage kommt, ist jedoch weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

Indes ist dem Betroffenen Vollstreckungsaufschub nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG zu gewähren, da gegen den Betroffenen, der straßenverkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrerverbot nicht verhängt worden ist.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und bemerkt ergänzend:

Soweit das Amtsgericht nicht ausdrücklich festgestellt hat, dass es den Beteiligten um eine Siegerermittlung gegangen ist, ergibt sich dies noch hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Die einzig abstrakt in Betracht kommende Alternative, dass die Beteiligten die beschriebene Fahrweise lediglich „aus Vergnügen“ gleichzeitig an den Tag gelegt haben, schied hier ersichtlich aus. Der Betroffene hat sich selbst nicht darauf berufen, sondern nach den für das Rechtsbeschwerdegericht maßgeblichen Urteilsgründen angegeben, er habe sich mit weiteren Beteiligten getroffen, um sich getunte PKW anzusehen und habe nicht an einem rennen teilgenommen. der Tatrichter muss sich aber nicht mit allen bloß theoretisch denkbaren Alternativen auseinandersetzen, sondern nur mit solchen, die nahe liegen (BGH NStZ-RR 2010, 183, 184;vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2012 – III-1 RBs 128/12 = BeckRS 2012, 21794). Angesichts der im tatrichterlich enthaltenen Feststellungen liegt die genannte Alternative auch sonst nicht nahe.

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