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Verkehrsunfall – Verbringungskosten zum Lackierbetrieb

Landgericht Bielefeld

Az: 21 S 110/05

Urteil vom 31.08.2005


Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.3.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Oeynhausen unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 812, 87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.11.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 89 % und die Klägerin zu 11 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

I.
Die Klägerin begehrt Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall, für dessen Folge die Beklagte als Haftpflichtversicherer der Unfallgegnerin in vollem Umfang einzustehen hat.

Das Amtsgericht hat der Klage durch Urteil vom 8.3.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie macht geltend:

Eine Reparatur bei der am Wohnort der Klägerin ansässigen Fa. N. habe eine zumutbare und gleichwertige Möglichkeit der Schadensbeseitigung dargestellt.

Das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass es sich bei der Fa. N. um eine renommierte und anerkannte Fachwerkstatt handele, welche mit einer modernen Einrichtung ausgestattet sei, über ein fortlaufend geschultes und mit sämtlichen hier in Betracht kommenden Arbeiten erfahrenes Mitarbeiterteam ebenso wie über eine Lackiererei verfüge, eine dreijährige Garantie gewähre und ausschließlich Originalersatzteile der Markenhersteller verwende.

Soweit das Amtsgericht anführe, dass nur bei einer markengebundenen Fachwerkstatt Gewähr für eine sach- und fachgerechte Reparatur bestehe, habe es sich über den unstreitigen Vortrag zur Kompetenz und Arbeitsweise der Fa. N. hinweggesetzt. Zumindest hätte es den hierzu erfolgten Beweisangeboten nachgehen müssen. Eine Reparatur bei der Fa. N. hätte auch keinen negativen Einfluss auf den Verkaufswert des Fahrzeuges gehabt. Die gegenteilige Annahme des Amtsgerichts entbehre einer tatsächlichen Grundlage.

Ferner sei nicht berücksichtigt worden, das es sich um einen überschaubaren und einfach zu behebenden Schaden gehandelt habe, dessen Reparatur durch die Fa. N. gleichwertig und ohne Verbleiben eines Minderwertes hätte erfolgen können. Das Amtsgericht habe in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Pkw der Klägerin um ein erstmals am 18.9.1996 zum Straßenverkehr zugelassenes Taxi mit einer Laufleistung von 167.409 km gehandelt habe, welches über Gebrauchsspuren an diversen Karosserieteilen aufweise. Auch aus diesem Grund hätte die Reparatur in einer Markenwerkstatt keinen deutlichen Einfluss auf den Zeit- bzw. Verkaufswert gehabt.

Die Klägerin werde in ihrer Dispositionsfreiheit nicht eingeschränkt. Diese müsse sich im Rahmen ihrer rein fiktiven Abrechnung das wirtschaftlichere und gleichwertige Instandsetzungsangebot bei der Fa. N. entgegenhalten lassen.

Die geltend gemachten fiktiven Verbringungskosten seien nicht erstattungsfähig, da diese – insoweit unstreitig – tatsächlich nicht entstanden sind und auch nicht notwendigerweise angefallen wären.

Die Beklagte beantragt,

die Entscheidung des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 8.3.2005 zu 11 C 512/04, zugestellt am 15.4.2005, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur in geringem Umfang begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 812,87 EUR aus § 3 Nr. 1 PflVG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 823 Abs. 2 BGB.

Lediglich die in dem Gutachten des Sachverständigen C. aufgeführten Kosten für die Verbringung zum Lackierbetrieb von 97,80 EUR sind nicht erstattungsfähig.

1. Die Klägerin ist berechtigt, ihrer Schadensberechnung die von dem Sachverständigen C. ermittelten Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen.

a) Der Umfang der von der Beklagten zu ersetzenden fiktiven Reparaturkosten richtet sich nach dem Betrag, der für eine Naturalrestitution „erforderlich“ i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist.

Die dem Geschädigten durch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eröffnete Möglichkeit, die Restitution in Eigenregie durchzuführen, beschränkt ihn dabei auf solche Maßnahmen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Im Rahmen des ihm Zumutbaren hat der Geschädigte danach den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 29.4.2003, VI ZR 398/02, NJW 2003, 2086). Der Geschädigte, der mühelos eine ihm ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, muss sich daher grundsätzlich auf diese verweisen lassen (BGH a.a.O.).

b) Die von der Beklagten aufgezeigte Reparaturmöglichkeit durch eine nicht markengebundene, freie Werkstatt stellt sich nach Auffassung der Kammer hier jedoch nicht als eine gleichwertige, zumutbare Reparaturmöglichkeit dar.

Die Kammer teilt dabei die Auffassung des Amtsgerichts, dass im Grundsatz nur in einer markengebundenen Vertragswerkstatt hinreichende Gewähr dafür besteht, dass mit Originalersatzteilen und möglicherweise vorhandenen Spezialwerkzeugen nach Vorgaben des Herstellers gearbeitet wird und eine durch Fortbildungsmaßnahmen des Herstellers gesicherte ausreichende Qualifikation vorhanden ist.

Bei Erteilung eines Reparaturauftrages an eine markengebundene Werkstatt kann der Geschädigte danach ohne weiteres auf eine fachgerechte Schadensbeseitigung entsprechend den Herstellervorgaben unter Verwendung von dessen Original-Ersatzteilen vertrauen.

Zwar trifft es zu, dass im Einzelfall auch eine nicht markengebundene Fachwerkstatt hinreichende Gewähr für eine sach- und fachgerechte Reparatur bietet und eine im Verhältnis zu einer Markenwerkstatt gleichwertige Leistung erbringen kann.

Hiervon kann der Geschädigte aber nicht allein aufgrund der von dem Haftpflichtversicherer des Schädigers erfolgten Benennung einer solchen Werkstatt ausgehen. Für ihn ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei um eine Fachwerkstatt handelt, deren Standards denen einer markengebundenen Werkstatt gleichstehen, die hinreichend qualifiziert ist und bei der eine vollständige Schadensbeseitigung gewährleistet ist. Auch kann und muss der Geschädigte nicht darauf vertrauen, dass ihm vom Haftpflichtversicherer des Schädigers nur solche Reparaturbetriebe genannt werden, die die oben genannten Anforderungen erfüllen.

Es kann dem Geschädigten danach grundsätzlich nicht zugemutet werden, die ihm aufgezeigte Reparaturmöglichkeit aus Schadensminderungsgesichtspunkten ohne weiteres wahrzunehmen und sich dem Risiko einer nicht sach- und fachgerechten Reparatur auszusetzen.

In Bezug auf freie Werkstätten ist der Geschädigte vielmehr ohne konkrete eigene Nachforschungen nicht in der Lage, vorab festzustellen, ob es sich bei dem ihm genannten Betrieb um eine hinreichend qualifizierte, im Umgang mit derartigen Fahrzeugen und Schäden vertraute Fachwerkstatt handelt, bei der eine im Verhältnis zu einer markengebundenen Werkstatt vergleichbare Arbeit gewährleistet ist.

Zur Entfaltung erheblicher Eigeninitiative und zur Einziehung von Erkundigungen hinsichtlich der Werkstatterfahrung für die Reparatur der entsprechenden Fahrzeugmarke ist der Geschädigte aber nicht verpflichtet (BGH a.a.O.). Insofern begründet die bloße Benennung einer alternativen Werkstatt keine zumutbare, dem Geschädigten mühelos zugängliche Möglichkeit der wirtschaftlicheren Schadensbeseitigung

c) Dass die bei einer Reparatur durch eine markengebundene Werkstatt angefallenen Stundenverrechnungssätze zugrundezulegen sind, wenn die Reparatur tatsächlich in einer solchen durchgeführt wurde, wird letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Diese hat selbst vorgetragen, dass sie in einem solchen Fall die Kosten erstattet hätte.

d) Eine andere Betrachtungsweise ist nicht etwa deshalb veranlasst, weil die Klägerin hier fiktive Reparaturkosten auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens geltend macht.

Der Geschädigte kann bei fiktiver Abrechnung die vom Sachverständigen nach den Preisen einer Markenwerkstatt geschätzten Kosten unabhängig davon verlangen, ob er die Reparatur von einer „freien“ Werkstatt, von Schwarzarbeitern, von ihm selbst oder überhaupt nicht ausführen lässt (Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 249 Rn. 14 m.w.N.). Der Schädiger ist dabei zur vollen Behebung des Schadens unabhängig von den wirtschaftlichen Dispositionen des Geschädigten verpflichtet. Ließe man die Schadensberechnung bei fiktiver Abrechnung auf der Grundlage einer vom Haftpflichtversicherer des Schädigers aufgezeigten Reparaturmöglichkeit in einer kostengünstigeren Fremdwerkstatt zu, würde letztlich auch die dem Geschädigten eröffnete Möglichkeit zur Schadensbehebung in eigener Regie eingeschränkt.

e) Die Klägerin kann auch nicht aufgrund der Art des Schadens sowie des Alters und Gebrauchszustandes des verunfallten Fahrzeuges sowie dessen Verwendung als Taxi auf eine derartige Möglichkeit verwiesen werden.

Es kann nach Auffassung der Kammer dahingestellt bleiben, ob sich der Geschädigte im Einzelfall aufgrund des Alters, der Laufleistung und des Zustandes des verunfallten Fahrzeuges auf eine Reparatur in einer nicht markengebundenen Werkstatt verweisen lassen muss. Vorliegend hat der von der Klägerin beauftragte Sachverständige bei ermittelten Reparaturkosten von 4.190,84 EUR brutto eine genaue Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes bereits deshalb nicht vorgenommen, weil dieser eindeutig über den Instandsetzungskosten liege. Bei einem derartigen Wert des verunfallten Fahrzeuges hat die Klägerin nach Auffassung der Kammer aber in jedem Fall einen Anspruch auf eine fachgerechte Reparatur in einer Markenwerkstatt. Gleiches gilt im Hinblick auf den nicht unerheblichen Schadensumfang unabhängig von dem – von einem Geschädigten in der Regel ohnehin nicht sachgerecht zu beurteilenden – Schwierigkeitsgrad der Reparatur.

f) Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, über welche Ausstattung und Qualifikation die Fa. N. verfügt und ob bei dieser eine im Verhältnis zu einer markengebundenen Fachwerkstatt gleichwertige Arbeit geleistet wird.

2. Die Klage erweist sich hingegen als unbegründet, soweit die Klägerin fiktive Kosten der Verbringung zu einer externen Lackiererei in Höhe von 97,80 EUR verlangt.

Fiktive Verbringungskosten sind nach ständiger Rechtsprechung der Kammer, von der abzuweichen kein Anlass besteht, nur dann erstattungsfähig, wenn sie tatsächlich angefallen sind oder dargelegt und ggfs. bewiesen ist, dass diese bei Durchführung einer Reparatur in jedem Fall anfallen werden, weil eine Reparaturwerkstatt mit angeschlossener Lackiererei nicht mit zumutbarem Aufwand zu erreichen ist. Dies ist aber weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III.
Die Kammer hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die Frage, ob der Geschädigte bei Abrechnung auf Gutachtenbasis nur die Kosten einer vom Schädiger benannten günstigeren Reparaturmöglichkeit in einer nicht markengebundenen Werkstatt ersetzt verlangen kann, grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

 

 

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