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Kündigung (fristlose) wegen des Verdachts einer Straftat gemäß § 184 Abs. 3 StGB

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Az.: 15 Ca 2158/02

Urteil vom 01.07.2002


In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 01.07.2002 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 9.126,56 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.

Der am 14.01.1971 geborene, ledige und keinen Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger wurde durch Arbeitsvertrag vom 14.01.1998 (Bl. 3 f d.A.) von der Beklagten als Führungsnachwuchskraft Customer Business Development eingestellt. Er war mit einem zuletzt erzielten Bruttomonatseinkommen von DM 5.950,00 als Außendienstmitarbeiter für die Betreuung von Drogeriemärkten tätig. Die Beklagte beschäftigt mehr als fünf Arbeitnehmer. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

Zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben hatte die Beklagte dem Kläger am 15.01.2001 einen Laptop zur Verfügung gestellt, mit dem der Kläger u.a. auch auf das öffentliche Internet zugreifen konnte. Die Zugriffe erfolgten über den Server und den Einwahlknoten der Beklagten. Hierzu wurde dem Kläger eine Einwahlnummer, ein persönliches Passwort und ein so genanntes Tamagotchi (Zusatzgerät/Zufallsgenerator) zur Verfügung gestellt. Dieses zeigte jeweils die Zugangsnummer an, die der Kläger neben seinem Passwort und der Einwahlnummer für den Zugang zum Internet benötigte.

Am 24.01.2002 schlossen die Parteien den hiermit in Bezug genommenen Aufhebungsvertrag (Bl. 8 d.A.), wonach ihr Arbeitsverhältnis zum 31.05.2002 enden sollte. Der Kläger wurde ab 01.02.2002 von der Arbeitsleistung freigestellt. Den ihm zur Verfügung gestellten Laptop sollte der Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückgeben. Eine Privatnutzung des Laptops wurde hierbei von der Beklagten aufgrund einer mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung akzeptiert. Insoweit wird auf die Ausführungen der Beklagten auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 08.05.2002 (Bl. 33 d.A.) verwiesen.

Bereits am 18.01.2002 hatte der Kläger den ihm ursprünglich zur Verfügung gestellten Laptop zur Reparatur zur IT-Abteilung der Beklagten gebracht, da dieser funktionsunfähig war. Vor der Reparatur des Laptops wurde in der IT-Abteilung der Beklagten ein „Back-up“ durchgeführt, in dessen Rahmen die auf der Festplatte des Laptops des Klägers gespeicherten Daten auf einem Server gespeichert und unter dem Folder „…“ hinterlegt wurden. Am 29.01.2002 erhielt der Kläger von der IT-Abteilung der Beklagten einen neuen Laptop, auf dessen Festplatte die Daten überspielt waren, die sich auf der Festplatte des in Reparatur befindlichen Laptops befanden.

Die Speicher der Server der IT-Abteilung der Beklagten werden in unregelmäßigen Abständen gelöscht, u.a. um freie Speicherkapazitäten für weitere Back-ups zu erhalten. Am 30.01.2002 untersuchten die Mitarbeiter … und … den Back-up-Bereich des Servers, auf dem die Daten des in Reparatur befindlichen Laptops gespeichert waren, um zunächst die größten Dateien zu löschen. Sie stießen hierbei auf unter dem Folder „…“ hinterlegte Videodateien mit Namen wie beispielsweise „Amy six years old with uncle“ und informierten noch am selben Tag unter anderem den Mitarbeiter … (Abteilung Workplace Services EMEA) darüber, dass sie Dateien mit pornographischem Inhalt gefunden hätten und diese Dateien dem vom Kläger zur Reparatur gegebenen Laptop zuzuordnen seien, informierte nach dessen Rückkehr am Nachmittag des 01.02.2002 den Sicherheitsbeauftragten der Beklagten über diesen Vorgang. Am folgenden Montag (= 04.02.2002) wurde die Rechtsabteilung der Beklagten informiert. Bereits am 01.02.2002 hatte … wegen des Vorganges Kontakt mit KHK vom Bundeskriminalamt aufgenommen. Dieser hatte die Beklagte bereits im Vorjahr mit Schreiben vom 23.08.2001 (Bl. 48 f d.A.) über einen Anfangsverdacht gegenüber dem Kläger informiert und bestätigte nun, gegen den Kläger werde wegen des Verdachts einer Straftat gemäß § 184 Abs. 3 StGB ermittelt und in Kürze werde eine Hausdurchsuchung in dessen Privaträumen stattfinden. Bei diesem Telefonat bat darum, aus ermittlungstaktischen Gründen vorläufig nichts gegen den Kläger zu unternehmen. In der Folgezeit erhielt die Beklagte eine Telefax des Polizeipräsidiums Westhessen vom 06.02.2002 (Bl. 45 d.A.), in dem u.a. ausgeführt wird:

Aus ermittlungstaktischer Sicht wäre es wünschenswert, wenn eine Entlassung des Mitarbeiters noch aufgeschoben werden könnte, da beabsichtigt ist, einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung von Herrn … zu beantragen. Sollte sich eine Entlassung nicht aufschieben lassen, wird gebeten, Herrn … nicht über das polizeiliche Ermittlungsverfahren zu informieren, sondern die Entlassung ausschließlich arbeitsrechtlich zu begründen.

Am 03.02.2002 nahmen … und die Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der Beklagten …, stichprobenartig Einsicht in die gespeicherten Videodateien und gewannen den Eindruck, es handele sich um Dateien mit pornographischem und kinderpornographischem Inhalt.

Am 15.02.2002 fand in den Privaträumen des Klägers eine Hausdurchsuchung statt, bei der auch der Laptop der Beklagten beschlagnahmt wurde. Die Beklagte wurde hierüber am 18.02.2002 vom Polizeipräsidium Westhessen unterrichtet, wobei auch mitgeteilt wurde, der Verdacht einer Straftat gemäß § 184 StGB habe sich bestätigt.

Am 19.02.2002 wurde der Kläger von der Beklagten zu den Vorgängen angehört. Wegen der Darstellung des Gesprächsverlaufs wird auf die Ausführungen der Beklagten auf Seiten 6 f des Schriftsatzes vom 08.05.2002 (Bl. 37 f d.A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 19.02.2002 (Bl. 46 f d.A.) hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an.

Am 21.02.2002 fand ein Gespräch statt, an dem der Kläger, die Mitglieder des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats, … und der Personalleiter der Beklagten teilnahmen. Wegen der Darstellung des Verlaufs dieses Gesprächs wird auf die Ausführungen der Beklagten auf Seiten 7 f des Schriftsatzes vom 08.05.2002 (Bl. 38 f d.A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 22.02.2002 (Bl. 48 d.A.) stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers zu.

Mit Schreiben vom 22.02.2002 (Bl. 9 d.A.) erklärte die Beklagte darauf gegenüber dem Kläger die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger bestreitet Kündigungsgründe, Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB und ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung.

Er beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 22.02.2002 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, es liege ein wichtiger Grund vor, der sie berechtige, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sowohl durch eine Tat- als auch durch eine Verdachtskündigung zu beenden. Der Kläger habe mit Hilfe des ihm zur Verfügung gestellten Firmenlaptops und unter Verwendung firmeneigener Betriebsmittel wie der Firmenanschlüsse an das Internet Pornodateien, insbesondere Dateien mit kinderpornographischem Inhalt auf den Laptop geladen und dort gespeichert, diese Dateien möglicherweise auch verbreitet.

Sollte die Strafbarkeit nicht erwiesen sein, bestehe der wichtige Grund jedenfalls im Verdacht des Speicherns und Verbreitens kinderpornographischer Dateien. Es sei ihr unzumutbar, an einem Mitarbeiter festzuhalten, der auch nur unter dem Verdacht stehe, mit ihren Betriebsmitteln und unter ihrem Namen derart gehandelt zu haben. Der Kläger habe sich im Rahmen der Anhörung vom 19.02.2002 und auch im Rahmen der Betriebsratsanhörung vom 21.02.2002 nicht entlasten können.

Die Beklagte meint, sie habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Ein hinreichend vollständiges Bild habe sich für sie erst nach der beim Kläger durchgeführten Hausdurchsuchung und den Anhörungen vom 19.02.2002 und 21.02.2002 ergeben. Eine frühere Anhörung des Klägers als am 19.02.2002 sei aufgrund ausdrücklicher Bitte des Bundeskriminalamts, von Mitteilungen an den Kläger abzusehen, nicht möglich gewesen. Deswegen und im Hinblick auf die Strafvorschrift des § 258 StGB sei es ihr nicht zumutbar gewesen, den Kläger bereits Anfang Februar 2002 zu dem Verdacht anzuhören.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, den bei ihr gebildeten Betriebsrat ordnungsgemäß zu der Kündigung angehört zu haben.

Der Kläger erwidert wie folgt:

– die Nutzung des Internets durch den zur Verfügung gestellten Laptop als solche sei durch die Beklagte gedeckt gewesen

– die Tatsache, dass auf der Festplatte des Laptops Dateien pornographischen Inhalts gefunden worden seien, belege, dass dieser zu betriebsfremden Zwecken genutzt worden sei

– ein Bezug zwischen den aufgefundenen Dateien und dem Unternehmen der Beklagten sei nicht erkennbar

– die Beklagte habe nicht vorgetragen, wann die aufgefundenen Dateien aus dem Internet geladen worden sein sollen

– aus der Telefaxnachricht des Bundeskriminalamts vom 23.08.2001 gehe vielmehr hervor, dass ein Internetzugang durch den Privatanschluss des Klägers erfolgt sein müsse

– es stehe nicht fest, dass es sich um Dateien strafbaren Inhalts handele und dass der Kläger bezüglich der streitbefangenen Dateien vorsätzlich gehandelt habe

– letztendlich reduziere sich der Kündigungsgrund auf die Verwendung des firmeneigenen Laptops zu privaten Zwecken

– in diesem Fall hätte es einer vorherigen Abmahnung bedurft.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen auf Seiten 2 f des Schriftsatzes vom 11.06.2002 (Bl. 54 f d.A.) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund wirksamer außerordentlicher Kündigung der Beklagten vom 22.02.2002. Der Kläger ist zumindest verdächtig, den ihm zur Verfügung gestellten Laptop der Beklagten dazu verwendet zu haben, aus dem Internet Videodateien mit kinderpornographischem Inhalt herunterzuladen, zu speichern und zu verbreiten und damit eine Straftat gemäß § 184 Abs. 3 StGB begangen zu haben.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber eine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.11.1999, 2 AZR 743/98, NZA 2000,418; Urteil vom 05.04.2001, 2 AZR 217/00, NZA 2001, 837; jeweils m.w.N.).

Es besteht ein entsprechender schwerwiegender Verdacht, der Kläger auf den ihm zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellten Laptop aus dem Internet kinderpornographische Videodateien heruntergeladen und gespeichert, um sie zu verbreiten.

Auf der Festplatte des von ihm am 18.01.2002 zur Reparatur gegebenen Laptops befanden sich solche Dateien. Dies wird von ihm im Rechtsstreit nicht bestritten. Aufgrund der Zugangssicherungseinrichtungen (Einwahlnummer, persönliches Passwort, Zufallsgenerator) besteht der Verdacht, der Kläger und nicht etwa eine dritte Person habe die Dateien aus dem Internet heruntergeladen. Der Kläger hat weder im Rechtsstreit noch im Rahmen der Anhörungen vom 19.02.2002 und 21.02.2002 Erklärungen dahin abgegeben, dass und wie etwa eine weitere Person die Möglichkeit gehabt habe, diese Dateien auf die Festplatte des ihm zur Verfügung gestellten Laptops zu laden und dort zu speichern.

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Gegen den Kläger besteht ferner der Verdacht der Verbreitung derartiger kinderpornographischer Videodateien. Die Beklagte wurde durch Schreiben des Bundeskriminalamts vom 23.08.2001 bereits über einen entsprechenden Anfangsverdacht unterrichtet. Ausweislich dieses Schreibens soll die Anwahl der Internetverbindungen im Übrigen über einen Anschluss erfolgt sein, dessen Inhaber wie folgt eingetragen ist:

Entgegen der Darstellung des Klägers ist der fragliche Anschluss somit nicht als Privatanschluss, sondern als auf die Beklagte hinweisender gewerblicher Anschluss eingetragen.

Mit weiterem Schreiben des Polizeipräsidiums Westhessen vom 06.02.2002 wie auch durch das zuvor am 01.02.2002 geführte Telefonat wurde gegenüber der Beklagten erneut bestätigt, dass gegen den Kläger wegen des Verdachts der Verbreitung von Kinderpornographie ermittelt werde. Hierdurch wurde der bereits durch Feststellung der Dateien eingetretene Verdacht gegenüber der Beklagten bekräftigt, zumal ihr gegenüber auch eine demnächst anstehende Hausdurchsuchung bei dem Kläger angekündigt wurde.

Die Beklagte konnte somit gegenüber dem Kläger berechtigt den Verdacht einer erheblichen vertraglichen Pflichtverletzung fassen.

Entgegen der Auffassung des Klägers reduziert sich der Verdacht oder der Kündigungsgrund hierbei nicht auf die Verwendung des firmeneigenen Laptops zu privaten Zwecken, sondern auf die Verwendung des durchaus auch zur gestatteten Privatnutzung überlassenen firmeneigenen Laptops zu den Rahmen der gestatteten Privatnutzung erkennbar überschreitenden strafbaren Handlungen unter Benutzung eines auf die Beklagte hinweisenden Internetanschlusses.

Der Verdacht einer solchen Pflichtverletzung ist geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses darzustellen. Bei der Beurteilung der Schwere des Pflichtverstoßes folgt die Kammer den Ausführungen der vom Kläger in anderem Zusammenhang zitierten Entscheidung des Arbeitsgerichts Hannover (Urteil vom 01.12.2000, 1 Ca 504/00 B, NZA 2001, 1022), wonach gerade auch zu berücksichtigen ist, dass jede Nutzung des Internets eine Spur hinterlässt und es sachkundigen Dritten möglich ist, festzustellen, von welchem Internetzugang aus auf eine bestimmte Homepage zugegriffen wird bzw. von wo aus eine Homepage ins Netz gestellt worden ist. Dies zeigt im Übrigen bereits das Schreiben des Bundeskriminalamts vom 23.08.2001. Durch Nutzung des vom Arbeitgeber zu dienstlichen Zwecken wenn auch mit gestatteter Privatnutzung überlassenen Laptops unter Nutzung des auf den Arbeitgeber hinweisenden Internetzugangs zum Zwecke des Ladens, Speicherns und/oder Verbreitens von Videodateien kinderpornographischen Inhalts kann gerade auch das Ansehen des Arbeitgebers ganz erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden.

Ob der Verdacht besteht, der Kläger habe während seiner Arbeitszeit die Dateien geladen und gespeichert, ist unerheblich. Entscheidend und ausreichend ist zunächst, dass der Verdacht besteht, der Kläger habe ihm zur Verfügung gestellte Betriebsmittel und einen auf die Beklagte hinweisenden Internetanschluss zur Begehung strafbarer Handlungen genutzt. Hinzu kommt, dass der Kläger als Außendienstmitarbeiter von zu Hause aus tätig wurde, dementsprechend der ihm zur Verfügung gestellte Laptop in seiner Privatsphäre integriert war und er in der Einteilung seiner Arbeitszeit aufgrund der Außendiensttätigkeit ohnehin erfahrungsgemäß recht frei und an keine starren Vorgaben gebunden war.

Der Kläger hat weder im Rahmen der Anhörungen vom 19.02.2002 und 21.02.2002 noch im Rechtsstreit Umstände vorgebracht, die geeignet wären, den dargestellten Verdacht zu entkräften.

Im Rahmen der Interessenabwägung sind keine Gesichtspunkte vorhanden, die das berechtigte Interesse der Beklagten an sofortiger Vertragsbeendigung überwiegen. Die Sozialdaten des Klägers begründen kein überwiegendes Bestandsinteresse, weitere Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Demgegenüber ist es der Beklagten nicht zumutbar, einen Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen, gegenüber dem der auch von den Ermittlungsbehörden geteilte Verdacht besteht, er habe ihm zur Verfügung gestellte Betriebsmittel und einen auf die Beklagte hinweisenden Internetanschluss genutzt, um kinderpornographische Videodateien herunterzuladen, zu speichern und zu verbreiten.

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt.

Zur Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB bei Verdachtskündigungen gilt: Weder der Verdacht strafbarer Handlungen noch eine begangene Straftat stellen Dauerzustände dar, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, bis zur strafrechtlichen Verurteilung des Arbeitnehmers zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt eine fristlose Kündigung auszusprechen. Hält der Arbeitgeber einen bestimmten Kenntnisstand für ausreichend, eine fristlose Kündigung wegen Verdachts einer strafbaren Handlung oder wegen begangener Straftat auszusprechen, so muss er nach § 626 Abs. 2 BGB binnen zwei Wochen kündigen, nachdem er diesen Kenntnisstand erlangt hat. Entscheidet sich der Arbeitgeber, nachdem sich aufgrund konkreter Tatsachen bei ihm ein Anfangsverdacht entwickelt hat, selbst weitere Ermittlungen durchzuführen, so muss er diese Ermittlungen zügig durchführen und binnen zwei Wochen nach Abschluss der Ermittlungen, die seinen Kündigungsentschluss stützen, kündigen. Es steht dem Kündigenden zwar grundsätzlich frei, anstatt eigene Ermittlungen durchzuführen, den Ausgang des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens abzuwarten. Das bedeutet aber nicht, dass der Arbeitgeber trotz eines hinlänglich begründeten Anfangsverdachts zunächst von eigenen weiteren Ermittlungen absehen und den Verlauf des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens abwarten darf, um dann spontan, ohne dass sich neue Tatsachen ergeben hätten, zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt Monate später selbständige Ermittlungen aufzunehmen und dann zwei Wochen nach Abschluss dieser Ermittlungen zu kündigen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.07.1993, 2 AZR 90/93, NZA 1994, 171).

Nach diesen Grundsätzen ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Richtig ist, dass bei einem Kenntnisstand der Beklagten vom 30.01.2002 oder auch vom 04.02 2002 (Zeitpunkt der Information der Rechtsabteilung) die Kündigung vom 22.02.2002 verfristet wäre. Insbesondere wäre dann auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht bis zum Zeitpunkt der Anhörung des Klägers am 19.02.2002 gehemmt gewesen, da diese dann nicht zügig, d.h. innerhalb der Regelfrist von einer Woche durchgeführt worden wäre (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.1988, 2 AZR 25/88, NZA 1989, 105).

Die Kammer hat auch Bedenken, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB als gehemmt anzusehen, wenn der Arbeitgeber auf Wunsch oder Aufforderung der staatlichen Ermittlungsbehörden zunächst von einer Kündigung absieht. Hinzu kommt, dass ausweislich des Schreibens des Polizeipräsidiums Westhessen vom 06.02.2002 die Beklagte nicht aufgefordert wurde, eine Kündigung des Klägers aufzuschieben, dies wurde lediglich als wünschenswert bezeichnet. Für den Fall der nicht aufzuschiebenden Entlassung, das Problem des § 626 Abs. 2 BGB wurde somit erkannt, wurde die Beklagte lediglich gebeten, den Kläger nicht über das polizeiliche Ermittlungsverfahren zu informieren.

Diese Frage kann aber dahinstehen, denn nach Auffassung der Kammer war die Beklagte berechtigt, ihren Kündigungsentschluss bis nach Durchführung der mit Schreiben vom 06.02.2002 angekündigten Hausdurchsuchung der Privaträume des Klägers zurückzustellen. Sie konnte sich von den anstehenden staatlichen Ermittlungsmaßnahmen bessere Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich des gegenüber dem Kläger bestehenden Verdachts erhoffen und erwarten, diese in Kürze stattfindenden Ermittlungen würden neue Umstände – sei es, den Verdacht bestätigende, sei es, diesen entkräftende – ergeben. Es liegt somit keine Situation vor, in der der Arbeitgeber etwa während eines gegen den Arbeitnehmer laufenden und ihm bereits länger bekannten Ermittlungsverfahrens von sich aus, spontan und ohne äußeren Anlass seinerseits Ermittlungen aufgenommen hat. Vielmehr hat die Beklagte ihren Kündigungsentschluss von Durchführung und Ergebnis einer ihr gegenüber angekündigten weiteren polizeilichen Ermittlungsmaßnahme abhängig gemacht. Nach Mitteilung des Ergebnisses dieser Ermittlungsmaßnahme wiederum hat sie zügig und innerhalb der Regelfrist von einer Woche den Kläger angehört und danach innerhalb der daher bis zum Abschluss der Anhörung gehemmten Frist des § 626 Abs. 2 BGB (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.1988, a.a.O.) die Kündigung erklärt.

Die Kündigung vom 22.02.2002 ist auch nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den bei ihr gebildeten Betriebsrat ordnungsgemäß zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört. Ausweislich des Anschreibens vom 19.02.2002 hat sie dem Betriebsrat unter Angabe der Sozialdaten des Klägers die Kündigungsgründe so mitgeteilt, wie sie sie auch im Rechtsstreit darstellt. Hinzu kommt, dass in Anwesenheit des Klägers weitere mündliche Angaben gegenüber dem Betriebsrat erfolgten, wie im Schriftsatz der Beklagten vom 08.05.2002 dargestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 12 Abs. 7 ArbGG.

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