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Verdienstausfallschaden Arbeitgeber – Anrechnung der Fahrtkostenersparnis des Arbeitnehmers

BGH, Az.: VI ZR 198/78, Urteil vom 22.01.1980

Zu den Voraussetzungen, unter denen auf den Verdienstausfallschaden eine Ersparnis von Fahrtkosten für Fahrten zur Arbeitsstelle anzurechnen ist.

Tatbestand

Am 22. Januar 1976 wurde die bei der Klägerin, ihrem Dienstherrn, beschäftigte Studienrätin B. auf dem Weg zu ihrer Schule bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt; sie ist seitdem dienstunfähig.

Die Klägerin verlangt aus übergegangenem Recht von dem beklagten Haftpflichtversicherer, dessen volle Einstandspflicht für die Unfallfolgen außer Streit ist, Erstattung der während der Dienstunfähigkeit ihrer Beamtin fortgezahlten Dienstbezüge.

Der Streit geht nur noch über einen Abzug, den die Beklagte in Höhe von 2,50 DM je Arbeitstag mit Rücksicht auf von der Verletzten erzielte Fahrtkostenersparnisse für deren Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle gemacht hat.

Die Klägerin hält den Abzug für nicht gerechtfertigt. Sie verlangt für die Zeit vom 22. Januar 1976 bis zum 21. Oktober 1977 (426 * 2,50 =) 1.065,– DM und für die Folgezeit 2,50 DM je Arbeitstag vierteljährlich im voraus.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen.

Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung der Beklagten weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Verdienstausfallschaden Arbeitgeber - Anrechnung der Fahrtkostenersparnis des Arbeitnehmers
Symbolfoto: Piotr Adamowicz/Bigstock

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin wegen der Dienstbezüge, die sie für die Zeit der Dienstunfähigkeit der verletzten Beamtin fortentrichten muß, bei dem beklagten Haftpflichtversicherer Rückgriff nach § 93 des Hamburgischen Beamtengesetzes nur insoweit nehmen kann, als in der Person der Verletzten Ersatzansprüche für den Verdienstausfall entstanden sind (§§ 842, 843 BGB). Daß die Beamtin ihre Dienstbezüge trotz der Dienstunfähigkeit weiter erhält, ist bei dieser Schadensbetrachtung hinwegzudenken (vgl BGHZ 59, 154, 156).

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist auf den Erwerbsschaden der Beamtin im Wege der Vorteilsausgleichung der Ersparnis der Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle anzurechnen. Die Anrechnung sei gerechtfertigt, weil die Beamtin ohne den Einsatz solcher Kosten ihr Einkommen nicht habe erzielen können.

II.

Das hat gegenüber der Revision Bestand.

1. Die Revision bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Ersparnis der Fahrtkosten sachlich mit dem Erwerbsschaden zusammenhängt. Sie meint, sie sei allein dem Nutzungsausfall des bei dem Unfall ebenfalls beschädigten Pkw der Beamtin kongruent und deshalb bei dem Ersatz solchen Sachschadens anzurechnen.

Solche Sicht läßt außer Betracht, daß die Ersparnis schon nicht kausal (vgl BGHZ 8, 325, 328) mit der Beschädigung des Fahrzeugs zusammenhängt, sondern mit der Verletzung der Beamtin. Nur weil diese unfallbedingt nicht im Dienst sein kann, entstehen die „Fahrtkosten“ nicht. Wäre sie dienstfähig, würden auch die Kosten erwachsen; daran würde auch die Beschädigung des Fahrzeugs nichts ändern. Auch die Grundsätze, nach denen sich, wer Ersatz für den Ausfall seines Unfallwagens vom Schädiger begehrt (BGHZ 45, 212, 220; Senatsurteil vom 10. Mai 1965 – VI ZR 235/62 = VersR 1963, 931), ersparte Betriebskosten anrechnen lassen muß, tragen die Meinung der Revision nicht, da sie sich auf andere Fallgestaltungen und auf andere Kosten beziehen. Selbst wenn die Beamtin, obschon sie erheblich verletzt worden war, nach diesen Grundsätzen Entschädigung für den Ausfall ihres Pkw verlangen könnte, würde die Anrechnung der Eigenersparnis auf den Ersatzanspruch für die Beschädigung der Sache und die damit zusammenhängenden Vermögensfolgen die Aufwendungen unberührt lassen, die sie infolge der Verletzung ihrer Person erspart. Diese Kostenpositionen haben sachlich nichts miteinander zu tun und sich auch schadensrechtlich auseinanderzuhalten.

2. Zutreffend hat sich das Berufungsgericht an einer Vorteilsausgleichung auch nicht durch die Urteile gehindert gesehen, in denen der erkennende Senat es abgelehnt hat, die Ersparnis, die der Verletzte an Aufwendungen für seine häusliche Verpflegung infolge seiner von dem Kranken-Versicherer bezahlten Unterbringung im Krankenhaus erzielt, auf den Ersatzanspruch für den Verdienstausfall anzurechnen (Senatsurteile vom 18. Mai 1965 – VI ZR 262/63 = VersR 1965, 786 und vom 13. Oktober 1970 – IV ZR 31/69 = VersR 1971, 127, 128; vgl ferner auch noch Senatsurteile vom 16. September 1966 – VI ZR 264/64 = VersR 1966, 1028 und vom 6. Dezember 1977 – VI ZR 172/76 = VersR 1978, 251). In solchen Fällen fehlt es ersichtlich am sachlichen Zusammenhang zwischen dem Erwerbsschaden und der Ersparnis: Die Verpflegungskosten fallen ohne Rücksicht auf die den Erwerbsschaden auslösende Verletzung an; daß der Verletzte die Kosten während seines Krankenhausaufenthalts erspart, beruht allein auf ihrer Übernahme durch seinen Versicherer (Krankenversicherer oder gesetzliche Krankenkasse) im Rahmen der Heilbehandlung, deretwegen der Krankenhausaufenthalt erforderlich wird. Mit dem Verdienstausfall, den der im Streitfall in Rede stehende Ersatzanspruch ausgleichen soll, hat die Ersparnis dagegen nichts zu tun (vgl dazu auch Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 12. Aufl Tz 1481; WI 1961, 3; 1978, 146; 1971, 107, 189; 1975, 13ff). Nichts anderes will auch das Senatsurteil vom 13. Oktober 1970 = aaO besagen, dessen insoweit freilich mehrdeutige Formulierung das Berufungsgericht veranlaßt hat, die Revision zuzulassen. Deshalb können solche Ersparnisse im Wege der Vorteilsausgleichung allenfalls auf den Ersatzanspruch für die Heilbehandlungskosten angerechnet werden.

a) Bei der Fahrtkostenersparnis fehlt es demgegenüber an einem sachlichen Zusammenhang mit dem Verdienstausfall nicht. Für sie ist der Ausfall des Verletzten an seinem Arbeitsplatz nicht nur äußere Anknüpfung wie für die eben erwähnte Ersparnis der häuslichen Verpflegungskosten, die erst durch die stationäre Heilbehandlung erwächst. Die Fahrtkosten mußte die Beamtin zur Ausübung ihres Berufes machen; nur weil sie ihren Beruf wegen der Dienstunfähigkeit nicht ausüben kann, entstehen auch diese Kosten nicht.

b) Allerdings muß sich der Geschädigte auf seinen Ersatzanspruch nur Vorteile anrechnen lassen, die der Ersatzleistung nach ihrem Sinn und Zweck gut zu bringen sind, weil sie ihm zwar vollen Schadensausgleich, nicht aber einen Gewinn aus dem Schadensereignis verschaffen soll (vgl auch BGHZ 60, 353, 358; Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 218/76 = VersR 1979, 323).

aa) Zurückhaltung in der Anrechnung auf den Erwerbsschaden ist daher dann geboten, wenn es um Ersparnisse geht, in denen sich Veränderungen in der Lebenshaltung niederschlagen, zu denen der Verletzte durch die Arbeitsunfähigkeit veranlaßt oder gar unter Konsumverzicht (etwa durch Abschaffung seines Pkw oder durch Aufgabe einer Zweitwohnung am Arbeitsplatz oder durch Umstellen von einer Gaststättenverpflegung auf häusliche Verpflegung) gezwungen wird. Die Ersatzpflicht soll hier sicherstellen, daß der Verletzte über dasselbe Arbeitseinkommen verfügen kann wie ohne den Unfall; wie er das Geld verwendet, geht den Schädiger grundsätzlich nichts an. Auch die Fahrtkosten, um die es im Streitfall geht, werden in diesem Sinn aus dem Arbeitseinkommen bestritten; soweit sie nicht notwendig sind, um die Arbeitsstelle aufzusuchen, sondern allein Ausdruck der freien Entscheidung des Beschäftigten über seinen Verdienst sind, besteht kein Anlaß, insoweit gemachte „Ersparnisse“ während der Arbeitsunfähigkeit dem Schädiger gutzubringen.

bb) Anderes muß jedoch für Fahrtkosten gelten, ohne die der Verletzte seine Beschäftigung nicht hätte ausüben können (ebenso KG DAR 1971, 296, 297; Erman/Sirp BGB 6. Aufl § 249 RdNr 116; Kessler DRiZ 1965, 320, 322). Diese Kosten sind unter den sonstigen Vermögensdispositionen des Geschädigten über den Arbeitsverdienst nicht nur durch den Verwendungszweck, sondern auch dadurch herausgehoben, daß auch die Verkehrsanschauung sie als notwendigen Teil einer Auswärtsbeschäftigung ansieht. Nicht zuletzt drückt sich das in ihrer steuerrechtlichen Anerkennung als Werbungskosten der Arbeitstätigkeit aus. Zwar ist gegenüber mißverständlichen Formulierungen des Berufungsurteils klarzustellen, daß die steuerrechtliche Behandlung solcher Aufwendungen schon wegen der ihr zugrundeliegenden eigenständigen Wertungen und Ziele nicht unbesehen für die schadensrechtliche Bewertung solcher Aufwendungen im Rahmen der Vorteilsausgleichung übernommen werden kann. Aber sie unterstützt die Betrachtung solchen Aufwands als Kosten, die wirtschaftlich den Verdienst als durch sie von vornherein beschränktes Arbeitseinkommen aus einer „Auswärtsbeschäftigung“ kennzeichnen. Insoweit ist es deshalb ausnahmsweise gerechtfertigt, dem Schädiger die Fahrtkostenersparnis als Vorteil gutzubringen, wenn er dem Verletzten solchen Verdienstausfall aus der „Auswärtsbeschäftigung“ während dessen Dienstunfähigkeit „zuhause“ zu ersetzen hat.

Solche Vorteilsausgleichung erscheint letztlich auch deshalb billig, weil andererseits der Schädiger auch den Nachteilen einer höheren Schadensbelastung in den nicht seltenen Fällen ausgesetzt ist, in denen die Auswärtsbeschäftigung von dem Verletzten einer Beschäftigung an Ort und Stelle wegen besserer Verdienstmöglichkeiten vorgezogen worden ist (vgl zB das Senatsurteil vom 24. April 1979 – VI ZR 204/76 = VersR 1979, 622, 624). Die Anrechnung umfaßt nur die Ersparnis der Kosten, die zwangsläufig mit der Beschäftigung verbunden sind. Etwaige Steuernachteile des Geschädigten durch den Fortfall abzugsfähiger Werbungskosten sind bei der Bemessung der hier in Rede stehenden Ersparnis zu berücksichtigen. Schließlich kann eine Vorteilsanrechnung unter besonderen Umständen auch in solchen Fällen ausgeschlossen sein, wenn die „Ersparnis“ durch andere Nachteile, etwa den nutzlosen Aufwand für die Unterhaltung eines ausschließlich für Dienstfahrten angeschafften Pkw, aufgezehrt wird. Für solche besonderen Umstände fehlt es im Streitfall aber an jedem Anhalt.

c) Daraus folgt, daß die Beklagte zu Recht von dem von ihr geleisteten Ersatz für den Verdienstausfall einen Abzug für die Fahrtkostenersparnis der verletzten Beamtin gemacht hat. Das Berufungsgericht konnte auch ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß der Abzug auch der Höhe nach den mit der Diensttätigkeit für die Beamtin notwendig verbundenen Fahrtkosten entspricht, nachdem dies von der Klägerin bis dahin nie bezweifelt worden war. Soweit die Revision nunmehr die Notwendigkeit der Kosten in Zweifel zieht, kann sie damit in der Revisionsinstanz nicht mehr gehört werden.

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