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Verdienstausfallschaden eines Alleingeschäftsführers nach einem Verkehrsunfall


BGH

Az: VI ZR 264/91

Urteil vom 16.06.1992


Tatbestand

Der Beklagte 1), Versicherungsnehmer der Beklagten 2), verursachte am 18. Oktober 1988 einen Verkehrsunfall, bei dem der Kläger eine Kniegelenksverletzung erlitt. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Ansprüche auf Ersatz von Verdienstausfall und von Schmerzensgeld geltend.

Der Kläger war Alleingeschäftsführer zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung (künftig: Gesellschaften), nämlich der T.-GmbH, die sich mit Anlagenberatung befaßte und deren Alleingesellschafter er war, und der GfB. GmbH, die der internen Verwaltung und laufenden Kundenbetreuung diente und an der er zu ca. 82 % beteiligt war. Ihm standen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Geschäftsführerbezüge in Höhe von 360.000 DM und 240.000 DM im Jahr zu.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe zwar in der Zeit zwischen September 1986 und September 1988 im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der Gesellschaften keine Geschäftsführervergütung bezogen. Die Leistungen seien aber zum 1. Oktober 1988 wieder aufgenommen worden, da sich die finanziellen Verhältnisse gebessert gehabt hätten. Da er unfallbedingt vom 18. Oktober 1988 bis 31. Januar 1989 arbeitsunfähig gewesen sei, seien die Geschäftsführerbezüge jedoch nur für die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 17. Oktober 1988 sowie ab 1. Februar 1989 (bis zum 30. Juni 1989) entrichtet worden, und zwar nicht durch Zahlung, sondern unter Verrechnung mit Darlehensverbindlichkeiten des Klägers. Für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger gegenüber den Gesellschaften auf vertraglich bestehende Gehaltsfortzahlungsansprüche verzichtet, „wenn und soweit ihm der entgangene Verdienst durch die Beklagten erstattet werden wird“. Für diese Zeit seiner durch die Unfallverletzung verursachten Arbeitsunfähigkeit verlangt der Kläger nunmehr Schadensersatz wegen Verdienstausfalls, wobei er seiner Forderungsberechnung zuletzt nur noch eine Tätigkeitsvergütung von monatlich insgesamt 30.000 DM zugrundegelegt hat.

Des weiteren macht der Kläger ein über die bereits von der Beklagten 2) geleistete Zahlung von 2.000 DM hinausgehendes angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens weiteren 3.000 DM geltend.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält einen Verdienstausfall des Klägers für nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger habe die vertraglich vorgesehenen Geschäftsführerbezüge nicht erhalten. Bereits ab August 1986 sei das Gehalt nicht gezahlt worden. Auch für den Zeitraum der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit sei aus wirtschaftlichen Gründen der Gesellschaften keine Zahlung, sondern eine Verrechnung vorgenommen worden.

Im übrigen handele es sich bei den vertraglichen Geschäftsführergehältern nicht um echte Tätigkeitsvergütungen, sondern um verdeckte Gewinnausschüttungen, die je nach der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaften vorgenommen worden oder unterblieben seien; daher gehe es hier nicht um einen durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall.

Auch eine Gewinnminderung der Gesellschaften infolge des Unfallgeschehens könne der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, da sich eine derartige unfallbedingte Verringerung des Gewinns nicht feststellen lasse.

Ein höheres Schmerzensgeld als die erhaltenen 2.000 DM stehe dem Kläger nicht zu. Nach den rechtlich maßgeblichen Bemessungskriterien und unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle aus der Rechtsprechung sei hier auch ohne ein Mitverschulden des Klägers ein Schmerzensgeld von 2.000 DM angemessen.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Verdienstausfallschaden des Klägers sind von Rechts- und Verfahrensfehlern beeinflußt.

a) Der Kläger hatte aufgrund der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen gegen die beiden Gesellschaften einen Rechtsanspruch auf Geschäftsführerbezüge; gegen die rechtliche Wirksamkeit dieser Verträge ergeben sich aus den getroffenen Feststellungen keine Bedenken. Auch der Alleingesellschafter einer GmbH, der zugleich deren Geschäftsführer ist, kann mit der Gesellschaft wirksam die Zahlung eines Geschäftsführergehaltes vereinbaren (vgl. z.B. Senatsurteil vom 9. März 1971 – VI ZR 158/69 – NJW 1971, 1136). Erhält er dann die ihm zustehenden Bezüge nicht, weil er unfallbedingt seine Dienstleistungen nicht erbringen kann, so stellt dies einen Schaden dar, den ihm ein für den Unfall verantwortlicher Schädiger zu ersetzen hat.

b) Das Berufungsgericht verneint einen Verdienstausfallschaden des Klägers zum einen deswegen, weil die vertraglich vorgesehenen Geschäftsführergehälter auch ohne das Schadensereignis bereits aus anderen Gründen nicht gezahlt worden seien. Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Überlegungen, auf die diese Beurteilung gegründet ist.

Das Berufungsurteil geht davon aus, der Kläger habe bereits seit August 1986 kein Geschäftsführergehalt bezogen, und stellt dann fest, daß auch für den Zeitraum der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit aus wirtschaftlichen Gründen der Gesellschaften keine Zahlung, sondern eine Verrechnung vorgenommen worden sei; letztere setzt das Berufungsgericht ersichtlich einer Nichtzahlung gleich.

Diese Beurteilung ist rechtlich unzutreffend; auch übergeht sie unzulässig relevanten Parteivortrag des Klägers und vor dem Landgericht erhobene Beweise.

aa) Wäre tatsächlich davon auszugehen, daß während des Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit des Klägers eine Verrechnung der Geschäftsführerbezüge mit einem Darlehensanspruch einer der Gesellschaften gegen den Kläger stattgefunden hat, so wäre das Geschäftsführergehalt geleistet worden; denn auch die Verrechnung einer Forderung mit einer Gegenforderung führt zur Erfüllung. Dann fehlte es in der Tat an einem Verdienstausfallschaden des Klägers, allerdings aus einem anderen als dem vom Berufungsgericht angenommenen Grund.

bb) Diese tatsächliche Annahme findet aber, wie die Revision zu Recht rügt, im Parteivortrag keine Grundlage. Gerade für den Zeitraum der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit hat keine der Parteien eine solche Verrechnung behauptet. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte vom 18. Oktober 1988 bis Ende Januar 1989. Der Kläger hat vorgetragen, eine Leistung von Geschäftsführerbezügen durch Verrechnung habe in der Zeit vom 1. bis 17. Oktober 1988 stattgefunden, sei dann während der Arbeitsunfähigkeit – wegen seines für diese Zeit in Erwartung von Ersatzleistungen der Beklagten erklärten Verzichts – unterbrochen gewesen und im Februar 1989 wieder aufgenommen worden. Dies hat auch die Zeugin D., Mitarbeiterin des für die Gesellschaften tätigen Steuerberaterbüros, bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht bestätigt.

Dieses wesentliche Vorbringen des Klägers hat das Berufungsgericht außer acht gelassen. Dies war prozeßrechtlich unzulässig, auch wenn es hier um im Rahmen des § 287 ZPO zu treffende Feststellungen geht. Auch bei der Schadensschätzung darf der Tatrichter wesentliches Parteivorbringen nicht übergehen oder aus unzutreffenden Erwägungen außer acht lassen; er muß sich vielmehr um die Sachverhaltsfeststellung bemühen und die Berücksichtigung aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände erkennen lassen (vgl. Senatsurteile vom 15. März 1988 – VI ZR 81/87 – VersR 1988, 837, 838 und vom 31. Januar 1989 – VI ZR 10/88 – NJW RR 1989, 606). Diesen Anforderungen ist hier nicht Genüge getan.

c) Auch die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, es habe sich bei den vertraglich vereinbarten Geschäftsführergehältern nicht um echte Tätigkeitsvergütungen, sondern um verdeckte Gewinnausschüttungen gehandelt, wird von der Revision mit Erfolg angegriffen. Zwar geht das Berufungsurteil zutreffend davon aus, daß ein Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers auf das vereinbarte Gehalt dann ausscheidet, wenn und soweit dieses Gehalt kein echtes Arbeitsentgelt für zu leistende Tätigkeit, sondern eine (aus steuerlichen Gründen so behandelte) verdeckte Gewinnausschüttung darstellt (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 1977 – VI ZR 44/75 – NJW 1978, 40, 41). Dann könnte ihm ein Schaden nur daraus erwachsen sein, daß sich der Gewinn der Gesellschaft infolge des unfallbedingten Ausfalls seiner Tätigkeit vermindert hat (vgl. dazu BGHZ 61, 380, 383 sowie das Senatsurteil vom 8. Februar 1977 – VI ZR 249/74 – VersR 1977, 374, 376).

Das Berufungsgericht begründet seine Auffassung, im vorliegenden Fall seien verdeckte Gewinnausschüttungen anzunehmen, aber nicht und setzt sich nicht in gebotener Weise mit dem Vorbringen des Klägers auseinander. Dieser hat insbesondere darauf hingewiesen, die vertraglich vereinbarten Geschäftsführergehälter seien steuerlich als der Arbeitsleistung entsprechende Vergütungen anerkannt worden. Zwar ist die steuerliche Behandlung nicht verbindlich, jedoch ist sie als Indiz zu würdigen (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 1977 – VI ZR 44/75 – aaO S. 41). Auch wenn die Geschäftsführergehälter, so wie sie hier vereinbart waren, übersetzt gewesen sein und jedenfalls zu einem Teil verdeckte Gewinnausschüttungen dargestellt haben sollten, läßt sich aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht rechtfertigen, daß dem Kläger gar keine Geschäftsführervergütung zugestanden haben soll. Nicht einmal die Beklagten haben behauptet, den vereinbarten Bezügen stehe überhaupt keine Arbeitsleistung des Klägers gegenüber; sie haben lediglich ein Geschäftsführergehalt in einer 100.000 DM jährlich für die Tätigkeit in beiden Gesellschaften übersteigenden Höhe nicht für angemessen gehalten.

d) Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Berufungsgericht, hätte es das Vorbringen des Klägers in der gebotenen Weise berücksichtigt, zu einer anderen, für den Kläger günstigeren Beurteilung gelangt wäre, läßt sich die Abweisung des auf Ersatz des Verdienstausfallschadens gerichteten Klageantrags nicht aufrechterhalten.

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Einer möglicherweise insoweit zu bejahenden Schadensersatzforderung des Klägers würde auch nicht entgegenstehen, daß er nach seiner Behauptung auf die Weiterzahlung seiner Geschäftsführerbezüge während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit gegenüber den Gesellschaften verzichtet hat, „wenn und soweit ihm der entgangene Verdienst durch die Beklagten erstattet werden wird“. Denn auch wenn er nicht verzichtet hätte und ihm die Gehälter wie vertraglich vorgesehen ausbezahlt worden wären, könnte er einen entsprechenden Schaden gegenüber den Beklagten geltend machen, da letztere durch die Leistung der Gesellschaften nicht entlastet werden dürfen (vgl. Senatsurteile vom 9. März 1971 – VI ZR 158/69 – aaO und vom 5. Juli 1977 – VI ZR 44/75 – aaO).

2. Die Revision rügt weiter mit Erfolg, dem Berufungsurteil lasse sich nicht in gebotener Weise entnehmen, aus welchen Erwägungen das Oberlandesgericht ein Schmerzensgeld von 2.000 DM für angemessen gehalten habe.

Zwar ist der Tatrichter bei der Ermittlung des angemessenen Schmerzensgeldes nach Art und Höhe durch § 287 ZPO weitgehend frei gestellt; der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt jedoch, ob alle für die Höhe des Schmerzensgeldes maßgeblichen Umstände berücksichtigt wurden (vgl. Senatsurteile vom 8. Juni 1976 – VI ZR 216/74 – VersR 1976, 967, 968 und vom 15. Januar 1991 – VI ZR 163/90 – VersR 1991, 350, 351). Der Tatrichter muß sich ausreichend mit den für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgeblichen Umständen auseinandersetzen; er ist gehalten, die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung und ihre Auswirkungen darzulegen (vgl. Senatsurteile vom 24. Mai 1988 – VI ZR 159/87 – VersR 1988, 943 und vom 19. Februar 1991 – VI ZR 171/90 – VersR 1991, 559, 560).

Hier hat das Berufungsgericht lediglich abstrakt allgemeine Beurteilungskriterien für die Schmerzensgeldbemessung aufgezählt; das Berufungsurteil läßt aber die Subsumierung der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles unter diese Grundsätze vermissen. Zwar werden im Tatbestand die Verletzungen des Klägers festgestellt; es fehlt aber in den Entscheidungsgründen jegliche Ausführung dazu, wie diese Verletzungen und die sonstigen tatsächlichen Umstände des Falles im Rahmen der für die Schmerzensgeldbemessung maßgeblichen rechtlichen Kriterien zu bewerten sind.

III.

Das Urteil ist daher insgesamt aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 565 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollte die erneute Sachprüfung einen von den Beklagten zu ersetzenden Verdienstausfallschaden des Klägers ergeben, so müßte das Verletztengeld, das der Kläger als freiwillig Versicherter von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft erhalten hat, in Abzug gebracht werden, da sein Schadensersatzanspruch insoweit gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangen ist (es gelten hier entsprechende Überlegungen wie im Fall des bei einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig Versicherten, vgl. dazu Senatsurteil vom 15. März 1983 – VI ZR 156/80 – VersR 1983, 686).

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